Samstag, 1. 1. 2022
Indem ich den Feiertag zum Samstag deklarierte, der er ja
tatsächlich ist, konnte ich mich dazu bringen, gegen sich
ausbreitende Staubflusen und Blindheiten in allen Becken vorzugehen.
Man könnte es einfacher sagen: Ich habe einen Putztag eingelegt. Da
im Haus kaum jemand daheim ist, konnte ich den Staubsauger tönen
lassen, ohne Nachbarschelte befürchten zu müssen. Vorgesehen war
außerdem ein Studiobesuch, da dachte ich an den fälligen Test, auch
spürte ich noch Muskelkater von Siggi´s Bauchkurs und neueren vom
gestrigen Lauf, mein Buch lockte, paar Sachen am Rechner wollten
erledigt werden, so fiel das aus. Morgen, dann sogar verabredet.
Morgen steht ein Termin zum Boostern an, den hatte ich online
abgegriffen, als mein Ärger über die Neuregelung noch frisch war. In
Rottenburg hätte ich warten müssen, in Hirschau klappte es sofort.
Lustig finde ich, die Unterlagen soll ich mir ausdrucken, vorher
ausfüllen, ich druckerloser Mensch. Hab ich also gewisse
Anstrengungen unternommen, meine Papierchen vollständig zu haben.
Das Leben ohne Drucker gefällt mir, ich hab mich sooft über
verklebte Patronen, nicht erkannte Patronen, rosa Drucke und alle
möglichen Fehler geärgert, jetzt nicht mehr. Jedoch, wie es der
Teufel will, so sagte meine Mutter immer, seitdem muss ich einmal im
Monat irgendwohin laufen zum Drucken, vorher waren es drei Drucke im
Jahr. Ich werde es so lassen. Noch ein Wort zu Neujahr?
Eigentlich nicht. Es ist ein Tag in der Folge von Tagen, ich habe
keine Lust so zu tun, als müsste ich es begehen. Das putzige
Einzelfeuerwerk der Mitternacht, eher als trotzige Geste der
persönlichen Freiheit geäußert, hat es nicht bedeutsamer gemacht.
Ich werde den Abfallkalender erneuern, den Kalender mit Fotos meiner
schönen Enkelkinder ebenfalls, werde ein paar Termine für dieses
Jahr einpflegen und weitermachen.
Sonntag, 2. 1. 2022
Es war mein Tag. Morgens beim Kaffee, später als zu einem möglichen
Lauftermin, schließlich war ich im Studio verabredet, las ich einige
Schauergeschichten. Höchst vergnüglich, jede anders als erwartet,
auch wie ein Bericht aus vergangenen Zeiten, aber alle gut erzählt.
Jetzt fehlen mir noch paar Seiten an der letzten, das wird mein
Betthupferl. Im Studio musste ich vor der Zeit dasein, da ich laut
Landesverordnung impftechnisch ungültig bin und getestet werden
muss. Vorsichtshalber hatte ich sogar ein Testset dabei, aber es war
alles da, gut organisiert. Das Studio war rappelvoll, sind das alles
Menschen mit guten Vorsätzen, dann wird es demnächst wieder weniger
Betrieb sein. In der NZZ stand ein Artikel, man hat neue
Erkenntnisse, wie man Leute dazu bringt, dranzubleiben. Man soll
sich nicht um Ziele kümmern, sondern bei verträglichen Häppchen
starten und dabei sich gut fühlen, das nützt dann bei der
Fortsetzung. Ist jetzt nicht die Riesenerkenntnis, aber ich gehe
wegen dem Spaß und das schon ziemlich lange. Das mit den Zielen
klappt nebenher manchmal. Wir haben draußen allerhand machen können,
zur Mittagszeit wurde es leer im Innenbereich, so dass wir an die
Geräte kamen, überhaupt wieder durch kamen. Ich musste die Zeit im
Auge behalten, der Impftermin sollte nicht versiebt werden. Nach der
Sauna und einem Shake, ein Löffelshake, so dick war der, musste ich
nach Hirschau ins Impfzentrum. Das ist perfekt organisiert, mit
großer Aufmerksamkeit wurden die Papiere geprüft, ein kurzer
Plausch, ein schneller Piks, schon war ich fertig. Mein Dank an das
Personal, die setzen ihren Sonntag für die Volksgesundheit, bestimmt
werden sie auch irgendwie bezahlt, trotzdem ist das ein großer
Einsatz. Es sind viele da, die empfangen, durchleiten, Papiere
sichten und übertragen, beim Ausfüllen der Scheine helfen, für die
Sicherheit sorgen, stechen und die Zeit danach überwachen. Als ich
das Zertifikat hatte und mein Handy drüberhielt, war ich
aktualisiert. Die Ärztin mit der Nadel sprach in einem Nebensatz
davon, dass die ersten Boosterimpfungen langsam veralten, da werden
wir uns vielleicht bald wieder sehen. Zu Hause schnelles Mittag,
eine dicke Nudelsuppe mit Käsedecke, das isst sich gar nicht leicht.
Schon wieder Lesezeit bis zum Kaffee, bis abends, noch was am
Rechner, sonst gar nichts. Eins noch, abends klopfte es an meiner
Tür, ich bekam frisch gebackenen Kuchen reingereicht. Na, so ein
Spaß, da hat sich was rumgesprochen.
Montag, 3. 1. 2022
Die Nebenwirkungen der Boosterimpfung hatten mich im Griff, nachts
bei jedem Sichbewegen tat es weh, morgens beim Wecker ausmachen
brachte ich den Arm nur mühsam dran, die Schulter. Den Vormittag
verbrachte ich mit mir ringend, soll ich auf Arbeit anrufen und
absagen, oder nicht. Noch beim Aufwasch morgens fand ich mich sehr
flügellahm, nahm eine Paracetamol, das wurde empfohlen beim Impfen,
halb zwölf entschied ich mich für die Arbeit. Im guten Bus
hinschaukelnd, die erste Hälfte der Zeit noch recht mich selbst
bemerkend, ab da Entspannung. Kopfweh lichtete sich, die
Gliederschmerzen verschwanden nach und nach, auf der Heimfahrt fand
ich mich schon recht normal. Diesen einen Tag setze ich gegen
Omikron, finde den Einsatz nicht zu hoch, wenn ich mir die gehörten
Krankengeschichten vergegenwärtige. Wenn ich so durchkomme, kann
schon mal ein matschiger Tag dazwischen sein, zumal ich in dem Fall
die Ursache kenne. Viele Gespräche mit Kollegen, wir sind ein
mäkeliges Volk. Die Impfung, die Schmerzen, die Wiederholung der
Impfung, wie oft denn noch. Ich werde dünnhäutig an vielen Stellen,
einer belehrt mich über die Freiheit, der nächste über die
Entwicklung der Erkenntnisse, und dass die Regierung alles richtig
macht, es müsste noch viel strenger zugehen, einer erklärt mir die
Gewinne der Pharmaindustrie, nur deswegen gibt es die dritte, die
vierte Impfung. In der Pause nahm ich das Buch heraus, über die
Tunisreise von Macke, Klee und Moilliet. Las die Texte, sah die
Aquarelle und wurde wieder froh an der Welt. Zwei Zeichnungen,
Portraits, die ich nicht kannte, ein kleines Mädchen, ein
halbwüchsiger Junge, so was von lebendig und glaubhaft, wurde wieder
froh an der Welt.
Dienstag, 4. 1. 2022
Angemeldet war ich, wenn der Wecker erhört wurde, klappt es. Um
diesen nichtssagenden Satz zu erläutern, es geht um den Kurs
functional training morgens um 8:15 Uhr, eine ungehörige Zeit. Und
ich stand auf der Matte, mein Lieblingstrainer war wieder da, eine
Stunde ordentlich schwitzen. Die Folgen der Boosterei waren gänzlich
ausgestanden, ich hab trotzdem den roten Bereich ausgespart.
Hinterher Sauna und ein Shake, es war noch Zeit für einen
Minieinkauf und Krimskrams zu Hause, bis es ans Futtern ging und ich
zum Bus musste. Wenn ich gegen sechs aufstehe, hat der Vormittag
richtig Potential, allerdings ist das nicht die ganze Woche
leistbar, wenn ich nach dem Spätdienst erst gegen zwei ins Bett
komme. Auf Arbeit: Ich bin verborgt in schwierige Verhältnisse. Ich
kenne mich nicht gut aus, in der Vorschicht arbeitet ein Kollege
seine letzten Wochen vor dem Ruhestand, ihm ist es ziemlich egal,
oder er kann es nicht mehr besser, jedenfalls lerne ich grade
täglich neue Fehlermöglichkeiten kennen. Dazu kommt, die zwei
Kollegen der Folgeschicht achten sehr drauf, keinen Handgriff zu
viel zu machen, sie weisen mich auch nicht auf Fehler hin, die ich
oft nicht mal selbst begehe, sondern sorgen für ihre saubere Weste.
Es gibt da echt ärgerliche Vorfälle, es geht so destruktiv zu, ich
kenn das gar nicht von meinen Kollegen, mit denen ich sonst zusammen
arbeite. Heute war es so dämlich, deswegen taucht es hier auf.
Den Macke hab ich durch, die Aquarelle sind selbst in diesem kleinen
alten Buch zauberhaft, dazu gibt es Zitate aus dem Tagebuch von
Klee. Als nächstes zuppelte ich mir Liao Yiwu, Fräulein Hallo und
der Bauernkaiser heraus, eine Interviewsammlung mit Menschen, die
sonst nicht in den Medien vorkommen, von denen wir also gar nicht
wissen. Im Vorwort, in der Einführung werden Lebensdaten des
Schriftstellers erwähnt, 1958 geboren, die Hungersnot überstanden,
30 Millionen Chinesen sind dran kaputtgegangen, politische Haft
überstanden. Er hat 1989 das große Gedicht zum Massaker auf dem
Platz des himmlischen Friedens verfasst, seit dem ist er als
Dissident ungesichert unterwegs. Das Buch erschien 2002, ich muss
noch nachlesen, wie es jetzt um ihn steht, er hat viele Preise
weltweit bekommen. Schon diese Einführung ist ein Einblick in eine
Welt, die parallel zu meinem Leben passierte und von der wir nicht
mal ahnten. Die Nachrichten in der damaligen DDR über China waren
spärlich, eher nicht vorhanden. Ich bin sehr gespannt drauf.
Mittwoch, 5. 1. 2022
Mit den heiligen drei Königen hab ich nicht viel am Hut, aber dass
sie uns einen Feiertag schenken, alle Jahre wieder, das nehm ich
dankbar hin. So dachte ich, als ich auf Arbeit war und fing an, mich
auf morgen zu freuen. Ich glaube, da schaff ich den Sport, der heut
wegen Schlaffheit ausfiel. Am Vormittag hab ich ein wenig
telefoniert, nachdem ich nicht vom Schlummer lassen wollte. Da war
noch Zeit für das Frühstück, die ersten zwei Gespräche Yiwu´s gab es
zu lesen, eins mit einem alten Trauermusiker, gänzlich mir
unbekannte Rituale wurden geschildert, eins mit einem
Menschenhändler, der verkauft junge Frauen in die Prostitution oder
in die Ehe. Den Klomann las ich in der Pause auf Arbeit, jedesmal
eine neue, mir fremde Welt. Interessant, manches echt witzig. Für
morgen früh gibt es die Einladung zum Laufen nach Hirschau mit
anschließendem Anbaden im Baggersee, als sie ausgesprochen wurde,
waren draußen 14 Grad und die Sonne lachte. Morgen wird es
vielleicht ein Grad kalt sein, wahrscheinlich ohne Sonne, nicht sehr
ermunternd.
Donnerstag, 6. 1. 2022
Bei meinen Großeltern musste der Weihnachtsbaum bis Heilige Drei
Könige stehenbleiben, auch wenn seine Nadeln größtenteils drunter
lagen. Ich hab mir deswegen oder mit dieser Erklärung vor mir selbst
heut noch eine Duftkerze und ein Räucherkerzle mit Lavendelduft
angemacht, bevor ich das Räuchermännle morgen wegräume. Den
Hirschautermin hab ich vorsätzlich verpasst, als die Läufer da ihre
Zehen im Baggersee netzten, saß ich gut am frühstücken. Die
Erzählungen der Interviewten von Yiwu sind sonderbar, schon in der
Anwahl der jeweiligen Personen, man glaubt kaum, dass es sie geben
kann. Ich bin gewiss ein Vielleser, und Inhalte aus Amerika oder
Russland, aus Osteuropa, auch aus Afrika haben mich niemals so ins
Unbekannte geschickt, irgendwelche Beziehungs-, Wohn- oder
Arbeitsverhältnisse egal, aus welchen Zeiten, konnte ich
wiedererkennen und nachvollziehen. Bei den Figuren hier geht es mir
so fremd zu, ich falle von einer Verwunderung in die nächste, hab
noch nie von den Totenrufern gehört, die Verhältnisse von einem
"Leprakranken", der es gar nicht ist, von seiner Umgebung aber so
abgestempelt und abgesondert wird, gewähren Einblicke in
Verhältnisse, in denen Bildung nicht, also gar nicht vorkommt. So
geschehen in der Zeit vor 20 Jahren, wir wissen nichts mehr über
solche Lebensweisen. Irgendwann bin ich ins Studio gewackelt, hab
ich schon von meiner Verwunderung berichtet über meinen testfreien
Einlass nach der Boosterei. Am Tag der Impfung war ich vorher da,
musste testen, bevor es hineinging. Am Tag zwei nach der Impfung
durfte ich ohne rein. Die Möglichkeit sich anzustecken, ansteckend
zu sein, ist die so unterschiedlich? Ob man das besser erklären
könnte, müsste? Wegen solcher Fragen würde ich nicht zur Demo gehen,
fühle mich nicht sonderlich eingegrenzt in meiner Freiheit, ich kann
es auch aushalten, dass mir grad niemand drauf antwortet. Würde es
trotzdem unter mangelhafter Kommunikation verbuchen. Unter diesem
Sammelbegriff gibt es allerdings noch viel mehr solcher Stellen aus
allen möglichen Bereichen. Den Sport hat dieses Nachdenken nicht
gestört, ich habe zwei Stunden geschafft, bin ordentlich zermürbt
unter die Dusche und konnte einen Haken an die Wochenbillanz machen.
Den Nachmittag, Abend verbrachte ich trödelnd, lesend, Kaffee gab es
und den erwähnten Lavendelduft, ein wenig getrullert im Netz, wie
das so geht, vom Hundertsten ins Tausendste. Am leichtesten fällt es
mir, auf YouTube klebenzubleiben, zum Glück bekomme ich manchmal
Hunger oder sehe auf die Uhr, oder das Sitzfleisch meldet
Druckstellen.
Freitag, 7. 1. 2022
Ein halbernst gemeinter Arbeitstag, die meisten meiner Kollegen sind
nach und nach vor der Zeit entschwunden, es wurde immer ruhiger in
der Halle. Ich hab ab neun meinen Laden heruntergefahren, der
Nachtschicht wurde frei gegeben, also die mussten wegbleiben.
Vormittags hatte ich im Kopf, ich sollte mal wieder laufen, es
endete immerhin im Sportstudio, anderthalb Stunden hab ich
geschafft. Für morgen ist der Plan, den Lauf nachzuholen, das Wetter
wird wohl nicht besser, ich bin gespannt auf mich und meine
Ausreden.
Samstag, 8. 1. 2022
Ausschlafen am Wochenende, gepflegter Start, dann richtig
Haushaltkram erledigen. Wäsche waschen, einen großen Aufwasch
wegmachen, Müll der verschiedensten Art in die jeweiligen Tonnen.
Katzenkacke vor der Haustür wegmachen, da wünschte ich mir eine
SelbstbrüllwieeinLöweAnlage, die loslegt, wenn die Katz kommt und
sie so erschreckt, dass ihr das Kacken vergeht. Der Einkauf war
nötig, im Kühlschrank hallte es im leeren Raum. Da braucht man ja
nicht kühlen, wenn nix drin ist. Ich habe es im Lidl erledigt, da
ist nicht so viel Betrieb wie im Handelshof. Gestern abend hatte ich
mich noch für einen Spinningkurs angemeldet, wider Erwarten war
Platz. Das war in weiser Voraussicht auf meine Unlust zu laufen
passiert, so verging ein weiterer lauffreier Tag. Ich bin eine
Stunde vor Beginn ins Studio, hab ein wenig an der Kraft trainiert.
Der Kurs war recht sanft, die Kursleiterin ist auf Wohlfühlen aus.
Ich hatte den FTP-Wert etwas höher angewählt als je zuvor, bin
schnell ins Schwitzen und Hecheln gekommen. Hinterher gab es die
Sauna, mittlerweile werden die Zugangsregeln freihändig geregelt.
Ich war der Fünfte, hätte nicht reingedurft, wir alle Geboosterten
legten fest, es ist in Ordnung und schwitzten korrekt. Nach dem
Studio wollte ich mal raffinierter einkaufen, hatte über Wochen die
Leerstellen notiert, ging also mit Zettel auf die Jagd im
Handelshof. Es war sehr entspannt, nicht mehr viel los, und ich habe
nach und nach alles gefunden. Es ging besser als gedacht, draußen am
Bäcker sah ich eine Kuchenvariante, die kannte ich nicht, jetzt
könnte ich das so nicht mehr sagen. Ein kleiner runder Kuchen wie
für mich und das Wochenende gemacht, russischer Zupfkuchen, sieht
gut aus, schmeckt gut. Nachdem ich meine vielen Sachen vom Sport und
vom Einkaufen verräumt hatte gab es Kaffee +, ab da hatte ich keine
Lust mehr auf den Rest von meinem Zettel. Blieb es liegen, wie schon
öfter mal, kann es morgen machen oder in naher oder ferner Zukunft.
Ich las von einer neuen, der Deltacronvariante, kann die uns
nach Omikron noch beeindrucken? Bestimmt, vielleicht, aber heut ist
es mir egal, vielleicht ist irgendein anderer Mutant sanft durch
mich durchgeboostert, und es juckt mich nicht.
Sonntag, 9. 1. 2022
war Familientag. Zuerst bin ich auf die Alb gefahren, eine
Ausstellungseröffnung. Aus einer langen und intensiven
Arbeitsperiode zeigte Barbara auf Initiative des Lindenhoftheaters
Zeichnungen, die sie gemacht hatte bei Theater- und Tanzproben.
Bewegte Menschen, punktuell herausgenommen aus ihrer Dynamik, als ob
es eine Stoptaste im Leben gäbe. Das könnte man auch fotografisch
erledigen, aber die Gekonntheit einer Zeichnung mit ihren
Zusammenfassungen und der Konzentriertheit auf das Wesentliche
leistet da eine Verwandlung, mit der es viel deutlicher gesehen
werden kann. Dazu gab es eine Performance, eine Tänzerin und ein
Flötist hatten angesichts der Zeichnungen ein fünfsätziges Stück
entwickelt, bei dem sich die Bewegungen der Tanzenden wie gerade der
Zeichnung entsprungen ausnahmen und die Flöte gab den Impuls mit.
Sehr gelungen, sehr miterlebbar, die Musik erreichte uns ja ebenso
wie die Tänzerin, die drauf reagierte, manchmal auch andersrum.
Angekündigt war hinterher das gemeinsame Essen, wir sind nach
Mössingen in die Pausa, das ist noch mal einen Extrabesuch wert. Die
ehemalige Stoffdruckfabrik ist umgewidmet zu einem sozialen Projekt
mit Ausstellmöglichkeit, Bewirtung und Abendveranstaltungen, Theater
usw. Außerdem werden regionale Produkte angeboten, das muss ich mir
noch mal in Ruhe anschauen. Wundervolle Fotografie von Singvögeln
wurde gezeigt, ich war von der Alblinsensuppe und der Gastlichkeit
und den Bildern sehr angetan. Wir haben zu fünft innerfamiliär uns
austauschen können, manches aktualisiert. Darüber verging so viel
Zeit, da hab ich es gerade noch ins Studio geschafft und eine kleine
Einheit dranhängen können, schließlich ist der Hirschaulauf
ausgefallen. Ab hier läuft der Umstieg in die Frühschichtwoche.
Montag, 10. 1. 2022
Das mit der Schichtzulage ist ganz nett, aber wer soll das wieder
gutmachen, wenn ich morgens um 3:35 aus dem Bett kullere, nicht viel
von mir weiß außer dass ich müde bin. Die Arbeit ging gut, ich war
nicht mehr der Einzelkämpfer in fremder Reihe, ein Kollege kam aus
dem Urlaub zurück. Dadurch hatten wir am Ende alle Maschinen am
Laufen, ich konnte sogar was Neues erkunden, hatte das
Anfängerglück, der erste Versuch klappte halbwegs, der zweite
perfekt. Der Bus zum Heimfahren war der gute Bus, es schlief sich
vorzüglich. Die erste Kurve beim Losfahren bekam ich mit, dann erst
wieder Tübingen, bis Rottenburg war ich fit und kam guter Dinge
heim. Es ging weiter mit Kaffee und dem Rest des mir schmeichelnden
Zupfkuchens, dabei fasste ich Mut für die Haushaltkacke, die ich
machen muss, sonst gibt es kein Obst zu naschen, kein Gemüse zu
knabbern, keinen Ingwer zum Käsebrot. Gesunde Ernährung ist bissele
zeitfordernd, dabei betreibe ich gar nicht viel Aufwand. Außerdem
keine frischen Socken im Regal, das Sportzeug muss immerzu durch die
Waschmaschine, sonst wäre ich auffällig als Stinker. Die Zeit für´s
Studio kam, ich hab erst díe Eröffnungsroutine gemacht,
Seilspringen, Beinschlenkern nach Art der Läufer, 3 mal 12
Klimmzüge, 3 mal 12 Dips im Barren, 3 mal 1 Minute in der langen
Planke. Anschließend functional training, eine Stunde draußen am
Crossfit-Tower. Knapp über 0 Grad, aber wir waren schnell warm, 10
Stationen, je 30 Sekunden Vollgas, 15 Sekunden Pause, viermal
hintereinander, gut bein- und rückenlastig, der Puls blieb oben,
ordentlich knülle gönnte ich mir den Saunaabschluss. Ich finde, dass
ist allerhand für so einen vermurksten Frühschichttag.
Dienstag, 11. 1. 2022
Die Frühschicht in der Variante "Jugend forscht". Wir zwei verborgte
Kollegen haben versucht, den Laden zum Laufen zu bringen. Ich hab
das erste Mal in meinem Leben eine dieser Anlagen gerüstet, das
komplette Programm, schneller wäre es gegangen, hätte uns jemand
eingearbeitet. Das was wir wussten, haben wir durch Fragen in der
jeweiligen Situation herausbekommen, den Rest durch probieren,
suchen und schlussfolgern erforscht. Da vergeht die Zeit sehr
schnell, am Ende lief die Kiste, produzierte, ich hoffe, dass alles
passt. Das sieht die Folgeschicht sofort und wird mir schon Bescheid
geben. Auf der Heimfahrt holte ich eine Mütze Schlaf nach, wie es
eben geht, wenn der Bus rumpelt, als wollte immermal die Welt
auseinander fallen. Schon beim Wachwerden versuchte ich mich zu
motivieren, der Lauf sollte stattfinden. Das Wetter war gut,
bisschen kalt, ein kleiner Wind zuerst von vorn, die zweite Hälfte
von hinten, sofort besser, 12 km hab ich im Schnitt von 5:33 min/km
geschafft. Es ist jedes Mal so: Wenn ich erst draußen bin und
loslaufe, ist gleich alles gut. Die Luft, die Wolken, weiße Reiher
auf den Feldern, Krähen am Miteinanderturteln, dazu meine Freiheit,
mich bewegen zu können, zu wollen, Atem zu spüren, Ziele zu haben.
Ich lief über den verblassenden Schriftzug "Macht Impfen frei?",
dachte über meine Freiheit nach und fühlte mich gut. Zu Hause
duschen, in die Stadt, ich hatte Bock auf einen Kuchen, den trug ich
mir mit einem Kaffee heim. Noch eine Anmerkung: Dieser Text entsteht
das erste Mal auf meinem neuen Rechner, ich habe die nötige Struktur
endlich fertig. Wenn er dann zu lesen ist, hat auch noch das
Hochladen geklappt.
Mittwoch, 12. 1. 2022
In der kurzen Nacht hat mich ein Krampf in der Kniekehle beehrt. Ich
kannte den Wadenkrampf, auch die Schenkelinnenseite hat mich schon
zum Zwitschern gebracht, diesmal was neues. konnte sich auf der
Skala für unangenehm schmerzhaft und eklig ohne weiteres mit den
anderen Versionen messen. Vielleicht ist das mein Coronakrampf in
immer neuen Mutationen, hoffentlich entsteht irgendwann Immunität.
Am Ende fehlte von den viereinhalb Stunden Schlaf eine. Hab versucht
auf der Hinfahrt im Rumpelbus aufzuholen. Auf Arbeit bekam ich einen
Lehrling zugeteilt, der den Durchlauf im Betrieb macht. Ich habe
keinerlei Anweisung, was mit ihm zu tun wäre, außer, zeigst ihm halt
bissle, was ihr hier macht. Ich hab ihm ausführlich an einer
Maschine den sich wiederholenden Ablauf erläutert, er steckte unter
einer Maske, das macht die Verständigung in dieser Geräuschkulisse
nicht einfach. Außerdem fehlt das halbe Gesicht, um zu sehen,
versteht er mich, langweilt er sich, weiß er das schon alles usw.
Ich glaube, uns verging die Zeit recht schnell, bin mir aber nicht
schlüssig, war er höflich oder interessiert. Auf der Heimfahrt ist
mir was lustiges passiert. Ich wachte im guten Bus kurz vor
Rottenburg auf, man kann da wirklich gut schlafen, beim Anziehen der
Jacke merke ich, ich habe keine Maske auf. Ich denke, häh, finde sie
da, wo ich sie hab, wenn sie mich nicht verschleiert, und fing an
mich zu fragen, hab ich sie beim Niederlassen und Anschnallen
gedankenlos abgesetzt, bin ich gar ohne eingestiegen, keine Ahnung.
Was ist sonst noch schiefgegangen, von dem ich nix gemerkt hab? Soll
ich mir noch über den Weg trauen? Zumal ich bei der Heimfahrt, dem
letzten Stück im Auto noch eine Vollbremsung hinlegen musste, weil
vor mir einer anhielt, wo noch nie jemand angehalten hatte. Das
schreib ich nicht hier hin, was ich von dem gedacht hab. Abends war
ich im Studio, bei Minusgraden draußen eine Stunde am Tower, im Kurs
war es auszuhalten, nur die Hände am Eisen und die Füße waren
ziemlich in der Froststarre, mussten hinterher in die Sauna. Bis
hier, und Schlafenszeit.
Donnerstag, 13. 1. 2022
Die Arbeit fing mit der Meldung an, vier Kollegen kämen später, sie
hätten einen Wildunfall gehabt. Zum Glück ist niur Blech kaputt,
naja, das Reh wohl auch. Wir waren wieder zu zweit verborgt in
fremder Reihe, und wir hatten den Lehrling dabei, dem wir was zeigen
sollen. Ich habe es für mich gelöst in Absprache mit meinem
Kollegen, dass er die eine Maschine umrüstet, es war ein einfacher
Ablauf, und ich stell mich dazu und erkläre dem Azubi jeden Schritt.
Es gab Rückfragen, also Beteiligung, mein Eindruck war, dass wir ein
gutes Programm geboten haben. Ich hab es oft so erlebt oder erzählt
bekommen, dass die Lehrlinge wie Aushilfen genutzt worden sind,
einfache, langweilige Tätigkeiten machen sollten, wo die Mitarbeiter
froh sind, wenn es jemand anders erledigt. Dabei lernt man halt gar
nichts. Irgendwann waren wir zusammen einen Kaffee trinken, da nahm
der Stift das erste Mal die Maske ab, das war wie eine
Erstbegegnung. Ich hatte den Fall noch nie, dass ich zwei Tage
stundenweise mit jemandem sprach, sein Gesicht aber nicht sah.
Irgendwie hatte sich ein vermutetes Gesicht im Hirn gebildet, wie
beim Lesen, wenn im Kopf Figuren konkret werden, das stimmte aber
gar nicht, ich war wirklich überrascht. Auf der Heimfahrt beim
Aufwachen, geblendet von der Sonne, nahm ich mir vor, keine Ausrede
gelten zu lassen, es sollte einen Lauf geben. Ein bisschen brauchte
ich noch, bis ich auf die Strecke kam, aber dann. Meine
Standardrunde aus vergangenen Zeiten, die 10 km hoch in den Wald. Es
ging schwer, kleiner Muskelkater von gestern, die
Frühschichtschlappheit, egal, ich war unterwegs. Im Wald musste ich
durch eine Vorlesung mittendurch hoppeln, ein Dozent stand oben auf
der Wegböschung, dreißig Studenten von der Forstschule frierend
lauschend davor. Duschen, Stadtgang mit Bäckerbesuch, sehr strenger
Hinweis auf die neuen Coronaregeln, also FFP2-Maske, heute noch
ausnahmsweise so, in der Stadt käme man nirgends mehr ohne rein. Na
gut, das krieg ich hin, will mich nicht mal dran reiben.
Freitag, 14. 1. 2022
Schon beim Aufstehen war klar, der letzte Frühschichttag, das macht
es leichter. Die Arbeit war ein ruhiger Fluss, bin gut
durchgekommen. Am Ende liefen acht Anlagen, da ich allein in der
Reihe war, hätten fünf genügt. Mein Teamleiter war ganz vergnügt und
hat mir bei der letzten Messrunde geholfen, es gab ein paar
Störungen, dadurch wäre ich ins Schleudern gekommen. So war alles
gut, wir haben uns zufrieden in den Bus gehockt, nach der ersten
Kurve schlief ich schon. Daheim hab ich das Wochenende mit einem
Stadtgang begonnen, war erst am Bücherschrank, der funktioniert
nicht mehr gut, es gab nur Schrott, weiter zum Bäcker, erfolgreich.
Eine kleine Haushaltrunde, und ab ins Studio. Zum Spinningkurs war
ich angemeldet, vorher hab ich die Routinen für die Kraft teilweise
abgearbeitet. Im Kurs eine meiner Lieblingstrainerinnen, sie hat
Elan und gute Musik. In 50 Minuten kamen 27 km raus bei einem
Wert von 2,6 Watt pro Kg Körpergewicht, das ist für meine
Verhältnisse ein guter Schnitt. Nach der Sauna gabs richtig zu
futtern, das macht ein bisschen behäbig, deswegen endet das hier.
Samstag, 15. 1. 2022
Wenn ich so drüber nachdenke, was ich heute hier hinschreiben soll,
denke ich, ich könnte den Samstag vor zwei Wochen nehmen, das meiste
davon würde zutreffen. Ich könnte im Zweiwochenrhythmus rückwärts
weitere Samstage finden, wo alles ähnlich zuging. Das Leben, die
Mühle. Dreht weiter, manchmal ändert sich eine Kleinigkeit, selten
ändert sich alles. Bis es eben aufhört, dann kann man so was nicht
mehr denken, braucht es ja auch nicht. Falls ihr jetzt nachschauen
wollt, was vor 14 Tagen drinsteht, schreib ich schnell die
Heutevariante hin. Ausgeschlafen, herrlich wieder zu einer Zeit
aufzustehen wie normale Menschen. In aller Ruhe, kein Termin drohte,
ein gediegenes Frühstück gehalten, lesend, immer noch den
Interviewband von Liao Yiwu. Mir fehlen noch um die 70 Seiten, es
ging durchgängig so interessant zu, dass ich jede neue Passage
staunend las, voller Verwunderung, wie weit daneben es in China ging
mit der Erschaffung einer besseren Welt. Wie leicht man da
aussortiert werden konnte, es reichte ein falscher Satz, schon war
man Staatsfeind und wurde schrecklich behandelt. Es ging auch ohne
Anlass, per Zufall konnte man völlig unbeteiligt in die Bredouille
kommen und war dann ganz und gar rechtlos dem System, vor allem den
kleingeistigen Trägern des Systems ausgeliefert. Wie es zuging im
Knast, bei der Umerziehung, im Irrenhaus, so was hab ich noch nie
gehört, gelesen. Auf meinem Plan stand die große Putzrunde, ich
bin ganz schön weit gekommen damit, morgen schaff ich den Rest und
dann gefällt mir der Zustand daheim wieder. Mittag gab es vom
Chinesen, ab und zu muss ich ihn besuchen, sonst denkt er
vielleicht, es lohnt sich nicht mit dem Kochen. Beim Bäcker gab es
diesen Zupfkuchen, den hatte ich schon, erinnerte mich an das
Wohlbefinden beim Verzehr, und kaufte ihn. So als Nachtisch gab es
zum Kaffee den ersten Anschnitt, wunderbar. Im Studio, da musste ich
bald danach hin, am Wochenende schließt es so früh, fühlte ich mich
noch etwas schwer. Hab trotzdem allerhand geschafft, Routinen für
die Kraft, bis die Zeit für die Sauna kam. Noch ein wenig Daddelzeit
am Rechner, der Tag war ok.
Sonntag, 16. 1. 2022
Zum Laufen gelangte ich nicht, beim Blick auf die Wetterapp bekam
ich Gänsehaut. Und Unlust. So hatte ich den Vormittag frei, las und
faulenzte. Das sieht so aus, dass ich auf einem der Sofas herumsitze
und vor mich hin träume. Denke dies und denke das, stelle fest, die
meisten Gedanken sind recht nutzlos. Führen zu nix, aber der Kopf
geht spazieren. Und die Zeit vergeht. Als ich Hunger bekam und mich
darum kümmern musste, kam wieder Bewegung in die Sache, nicht so
viel, aber immerhin wurde dies ungute Gefühl bewältigt. Die
aufgehobenen Haushaltgeschichten ließ ich vorsichtshalber für morgen
liegen, Tag des Herrn. Nachmittags hatte ich zum Glück einen Termin
im Sportpark verabredet, ab vier war ich da, der Läufermichi kam
dazu. Wir haben gut trainiert, auch was geschwätzt, mit Sauna
beendet. Witzig ist, zum Rein- und Rausgehen, Hin- und Hergehen
brauche ich eine FFP2-Maske, damit laufe ich an manchem Spiegel
vorbei und sehe, wie mir die Maske die Ohren vom Kopf abstellt.
Gestern fand ich das noch viel schlimmer, die Bändel der Maske
bürzelten mir die Haare über den Ohren auf, sah aus wie ein
Haubentaucher. Hab sie mir vom Schädel geschoren, nun sieht man die
Segelohren noch markanter. Ich ziehe an den Bändeln, es wird nicht
besser. Am Ende hab ich das verkraftet, warte aber auf neu designte
Bedeckungen, die dann passen und meine Würde wahren. Bzw,
mittlerweile scheint es uns komplett egal zu sein, wie wir unter den
Dingern aussehen, dies Unbearbeitetlassen bedeutet wohl auch, dass
wir hoffen, dieser Klamauk ist bald vorbei. Den Abend durfte ich in
guter Gesellschaft verbringen, war zu einem kleinen
Geburtstagszusammensein geladen. Es ist mir wichtig, ab und zu ein
leibhaftiges Gegenüber zu haben, da wir alle geboostert sind, droht
keine große Seuchengefahr.
Montag, 17. 1. 2022
Ginge es abends nicht zur Nachtschicht, wäre es wie ein freier Tag.
Ich benehme mich auch so, muss aufpassen, dass ich nicht vergesse,
pünktlich zum Bus zu erscheinen. Morgens hab ich tatsächlich die
offen gebliebenen Punkte meines Wochenendzettel weg gearbeitet,
sogar noch großzügig vorausschauend drumrum was. Mittags bin ich ins
Studio, es ist da schön leer. Hab erst an der Kraft gearbeitet, dann
eine der Vorübungen aus Calisthenics angehängt, und zwar den
Handstandkletterer. Man geht aus der Liegestützposition mit den
Beinen die Wand hoch, mit den Händen an die Wand ran, je höher je
ranner und wieder zurück. Das mehrmals hintereinander, oben stehend
kann man das Ganze auf eine Hand verlagern und wechseln auf die
andere. Im Moment noch sauanstrengend, irgendwann soll das besser
werden und zu frei gestandenen bzw gedrückten Handständen führen.
Bei mir auch? Man wird sehen. Zum guten Schluss nahm ich die
schweren Jonglierbälle in Betrieb, dabei hab ich mir Trainer Olli
dazugeholt, von ihm kam die Anregung. Er hat auch mal probiert, ging
gut bei ihm, gelernt ist gelernt. Außerdem hat er größere Hände, so
dass er ohne weiteres zwei Bälle in einer Hand greifen kann, damit
besser starten kann. Ich hab auch meine Lösungen gefunden, entweder
werf ich den geklemmten Ball als erstes hoch oder ich leg
einen ab, werfe den ersten, den zweiten, während ich den dritten
greife. Reine Übungssache. Sauna, Mittag vom Chinesen, daheim
vorbereiten für die Schicht, das hier, essen und los. Das Buch
von Liao Yiwu hab ich fertig, es fühlt sich an wie das Schließen
einer riesigen Bildungslücke. Ich wusste schon von der
Kulturrevolution, von Mao und den verschiedenen Hinundherreformen.
Aber hier konnte ich es konkret nachlesen, mir den komplizierten
Alltag schildern lassen, die Verhältnisse sind haarsträubend.
Rechtlosigkeit, Elend, Hunger und anderes existentiell Bedrohliches
in nicht endender Aufzählung, hier stehen ja nur die Geschichten von
21 Leuten, das ist ein Milliardenvolk. Unbedingte Leseempfehlung.
Dienstag,18. 1. 2022
Nachtschicht in wieder anderer Reihe, ich verborgtes Wesen, wir
hatten viel zu tun. Da alle Schichten wegen einer
Veranstaltungswoche schlecht besetzt sind, wird das so bleiben. In
dieser einen Woche sollen Teamleiter und je zwei Kollegen aus jeder
Schicht darüber nachdenken, was zu verbessern wäre an Abläufen und
Zuständen. Beim letzten Mal hatten wir hinterher je nach Größe
verschiedenfarbig gekennzeichnete Greiferzangen, auch bunte
Markierungen am Scheibenvorrat, die rollen sich mittlerweile wieder
runter. Da grundsätzliche und bekannte Mängel von solcherlei
Aktionismus niemals berührt wurden, verweigere ich die Teilnahme. In
der Pause gab es eine wilde Diskussion, ein aufrechter
Impfverweigerer schalt über die Bevormundung durch die Impfpflicht,
er muss jeden Tag testen gehen, wenn er auf Arbeit rein will. Da
kommt dann alles Mögliche, mangelhaftes und unlogisches aus den
Coronaregeln zur Sprache, meist im Duktus von "Die da oben". Ich hab
versucht, manches mit Informationen zu unterfüttern oder über solche
Entscheidungsfindungen aus aktuellen Wissenschaftergebnissen und
politischen Durchführungsbestimmungen zu sprechen, auf parallele
Abläufe in unserer Firma hinzuweisen, um die Wut rauszunehmen und
ein wenig konstruktives Nachdenken einzupflegen, alles schwierig.
Ein Satz wie "Ich lass mir den Dreck nicht reinspritzen" macht
schnell die Atmosphäre solche Gespräche klar, schnelle
Frontenbildung, auch die Selbstgewissheit der formulierten Position,
unterfüttert von so Halblaienwissen, das ganze noch gefiltert nach
eigenem Gusto. Da ist also kaum ein Blumentopf zu gewinnen. Nach
unruhiger Schlaferei bin ich mit dem Weckerklingeln raus aus dem
Bett, Frühstück, Haushaltkram, dann bin ich raus zum Laufen. Die
10er-Runde durch den Wald, die Sonne war schon weg, alles etwas
farblos, ich hab den Ginster mit seinem Potential gegrüßt und auch
die Tausendguldenblume, ich weiß doch, wo sie bald wieder
hervorkommt. Lesen: Jostein Gaarder, "Durch einen Spiegel, in
einem dunklen Wort". Ein kleines Buch, das nur lesen sollte, wer auf
HeileWeltKitsch steht. Nicht gut, nicht gründlich gedacht, obwohl
der Herr Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaft studiert
und auch unterrichtet hat. Er hat Erfolg damit.
Mittwoch, 19. 1. 2022
Viel zu tun in der Nachtschicht, am Ende war das Ergebnis in
Ordnung. Heimfahrt, Kratzen am Auto, fast ist es überlegenswert, zur
Bushaltestelle zu laufen, mit dem Rad ist das auch schnell zu
machen, aber bei der Kälte will ich nicht. Schlafen ging, wurde
etwas ausgedehnt, da klar war, den Sport schaffe ich sowieso nicht.
Haushalt, Einkaufen und Telefonieren, schon war das bisschen
Freizeit weg. Dafür hat mein Kühlschrank was zu bieten, ich war im
Lidl, das geht schnell, der Platz ist großzügig bemessen zwischen
den Regalen, an der Kasse geht es ohne lange Wartezeiten. Das
Sortiment ist etwas anders als im Kaufland, dadurch kommt es zu
kleinen Überraschungen. Ich belohne mich mit Goldkiwi, Linsensalat
und unbekannten Joghurtsorten. Lesen: Philip Roth, "Das sterbende
Tier", von Anfang an ist klar, der kann erzählen, die Geschichte
interessiert mich nicht sonderlich, alter Mann ist geil auf junge
Frau, aber der Sog der Schilderung hält mich sofort. Mal sehen, was
rauskommt.
Donnerstag, 20. 1. 2022
Ich bin seit langer Zeit sehr kirchenfern unterwegs, seit heute gibt
es ein weiteres Argument, dies zu begründen. Dem ehemaligen Papst,
mehreren deutschen Kardinälen wird laut Nachrichtenlage
nachgewiesen, vielerlei Kindsmissbrauch gedeckt und vertuscht zu
haben, schlimmer noch, dadurch die zum Teil jahrzehntelange
Fortsetzung des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch
Priester und Diakone ermöglicht zu haben. Die Herrschaften erinnern
sich nicht, lügen ihr aktenkundiges Fehlverhalten weg, sprechen
nicht mit den Opfern. Dieser Benedikt Nr. 16 kann theologisch die
Jungfrauengeburt begründen, hat aber nicht die Empathie, hatte sie
noch nie, zu ermessen, dass Missbrauch für die Betroffenen
lebenslang wirksam sein kann, in vielen Fällen eine verkorkste
Lebenslust und Sexualität bedeutet. Von Bekenntnis zu Schuld,
Wiedergutmachungsversuchen ist nichts zu hören, die Säcke bleiben
weg und tun vergesslich. Sollte man diesen Laden nicht endlich
zumachen? Weiter aus den Nachrichten: Der Vorstand der Grünen und
die 1500 € Coronageld. Komisch. Wer hat da nicht aufgepasst? Ich
glaube nicht, dass es um einen Bereicherungsversuch geht, die Summe
lohnt doch nicht. Es sei ja schon zurückgezahlt. Irgendwer sollte
jetzt noch erklären, warum dauernd so dumme Geschichten passieren,
und wie man zu korrekten Abläufen bei der Geldverteilung kommt.
Vielleicht sollt ein wenig mehr Sachverstand hinzu. Mein Tag war
gut, keine Verpflichtungen nach der Arbeit, ich konnte ausgiebig
Sport machen. Zwei Stunden im Studio, alle Routinen abgearbeitet,
auch was Neues eingepflegt, für die Sauna hat es nicht mehr
gereicht. Egal, frisch geduscht, frisch getestet, gut gegessen, geh
ich demnächst zur vierten Nachtsschicht.
Freitag, 21. 1. 2022
Die Presseschau am Morgen, nur zwei Minuten vor sieben auf SWR2,
während der Heimfahrt im Auto, alle besprochenen Nachrichten zum
Missbrauchsgutachten, da ging es noch viel ruppiger zu als bei mir.
Ich hatte mir schon Gedanken gemacht, ob ich so eindeutig werden
soll. Es empört noch mehr, und es wird so folgenlos bleiben wie die
vielen Äußerungen zum Thema in den vielen Jahren zuvor. Mein
Programm heut war sehr überschaubar, es sollte gelaufen werden. Als
ich gefrühstückt hatte und mein Haushalt top war, schaute ich aus
dem Fenster in ein kleines Schneetreiben, das war aber schnell
vorbei, während ich meine Klamotte zusammensuchte, kam die Sonne
raus. Ich bin bei 3 Grad auf die Strecke, flach im Neckartal, die
Radwege nach Hirschau, Wurmlingen und wieder zurück. Gab 12 km im
Schnitt von 5:27 min/km, an manchen Stellen ging es richtig gut, mit
einer gewissen Leichtigkeit. Dazu ein schöner
Sonnenuntergangshimmel. Die letzte Nachtschicht wird rumgehen, da
wir viel zu tun haben, ist die Zeit immer schnell gelaufen. Mit
meinem Kollegen im Sondergang fühl ich mich gut versorgt, bei neuen
Sachen, die ich noch nicht kenne, bekomme ich die Unterstützung, die
nötig ist, sogar mit einer gewissen Aufmunterung, dass aus mir noch
ein richtiger Schleifer werden könnte. So geht es doch.
Samstag, 22. 1. 2022
Der Ausschlaftag, morgens nach langwieriger Busfahrt, dieser
Busfahrer schleicht, auch wenn um die Zeit gar kein Verkehr ist, und
fährt seltsame Umwege, keiner weiß, warum, alle anderen sind
wesentlich schneller, irgendwann war ich doch im Bett. Eingemummelt,
nur die Nase und die Buchhaltehand schaut raus, bis sie anfängt zu
sinken, dann mach ich schnell das Licht aus, nehme die
Traumstartposition ein, genieße noch kurz die Wärme und zuppele das
Säckel zurecht, bevor sich das Bewusstsein ganz verabschiedet.
Herrlich jedesmal, dieser Start in ein solches Nichtwissen. Den
Wecker hatte ich eine Stunde vorgestellt, es ist ein komplexer
Vorgang, bis genügend Antrieb entwickelt ist, die Füße raus ins
Kalte vor dem Bett zu schwenken, in die kalten Schlappen zu kommen,
ab dann ist es ungemütlich genug., nicht länger auf halb acht zu
verweilen. Alles weiter wie immer, nur befreit von dem Druck zu
takten, als alles gerichtet war, auch meine Blümchen bekamen Wasser
und mein Kinn eine Rasur, ging es ins Studio. Sport nach
Herzenslust, ich baue ganz langsam mein Programm ein wenig um, auch,
um was neues zu lernen. Es sind die Vorübungen aus dem
Callisthenics-Kurs dabei, ich tu mal so, als könnte ich das
irgendwann. Am interessantesten ist ein Handstandkletterer an der
Wand hinauf, der, wenn man dreimal hoch und runter geht, richtig
anstrengend wird, und zwar genau da, wo es noch fehlt, im
Schulterbereich. Der Abend ist eine gemütliche Telefonierzeit,
Lesezeit, wenn ich noch bissle was am Rechner schaffe, war es ein
runder und schöner Tag.
Sonntag, 23. 1. 2022
Der Umstieg vom Vormittagsschlaf nach der Nachtschicht in
Normalbetrieb ist meist etwas verkünstelt, gestern ging ich ja
zweimal ins Bett, brauch mich nicht wundern über einen sehr leichten
Schlaf. Bin so aufgestanden, dass ich den Hirschauer Lauftermin
erreicht hätte, aber ich hatte keine Lust. Der Blick aus dem Fenster
war es diesmal, es sah trübe aus, überhaupt kein bisschen
verlockend. So blieb ich länger sitzen, mühte mich mit einem Buch
herum, hab´s später doch weg gelegt. Uwe Johnson, "Mutmassungen über
Jakob". Ich hab erst gedacht, ich lese unkonzentriert, bin ständig
über mir unverständliche Formulierungen gestolpert, hab gerade so
verstanden, worum es geht, als ob der Text, der nur manchmal
Satzzeichen enthält, aus einer anderen Zeit stammt. Tut er ja auch,
von 1952, aus dieser Zeit kenne ich aber viele Bücher, die brillant
erzählt sind. Manche Begriffe, manche Tätigkeiten waren mir
unbekannt, dazu noch mecklenburgische Mundarteinschübe, die verstand
ich auch nicht, es verließ mich nach ca 50 hart erkämpften Seiten
die Lust, als ich mal schaute, es sollten noch 250 entschlüsselt
werden. Hab bei Wiki nachgeschaut, er wollte so schreiben, eben
anders als bisher, es ist begründet und nachvollziehbar, aber ich
bekomm es nicht gelesen. Lange Zeit brachte ich zu beim Umzug
meiner Bildarchive vom alten auf den neuen Rechner. Es sind
unglaublich viele und während ich mit den Sticks und Ordnern
hantierte, dachte ich drüber nach, was damit werden soll, wenn ich
die Hufe zusammenklapp. Die Wahrheit ist, ich weiß es nicht. Und
hoffe noch genug Zeit zu haben, irgendeine akzeptable Lösung zu
finden. Alles weg, das wäre mir zu einfach, auch schade drum, das
ist ja zumindest ein Lebensabschnittswerk. Nun ist nicht jedes Bild
spektakulär schön oder wichtig, aber solche sind dazwischen. Bei der
Gesamtheit kann man sehen, wie hat er gearbeitet, sich entwickelt.
Will das jemand, keine Ahnung. Ein Auswahl bewahrenswerter Arbeiten
rauszusortieren verkleinert das Volumen, damit auch die Einsicht. Im
Moment bin ich noch zu distanzlos, um es zu entscheiden, hab sowieso
keine Zeit, mich da durchzuarbeiten. Bin also drauf angewiesen, im
Ruhestand Zeit zu haben, hoffentlich weiß das auch der Sensenmann.
Als mir der Stick zum Hals raushing, bin ich ins Studio und habe die
Ratlosigkeit wegtrainiert. Abends fing ich ein Buch an zu lesen, das
ich verstand, wo sich die Bedeutung des Textes auf Anhieb erschloss
und zu einem Lesevergnügen führte. "Hundsgeschrei" von Titus Simon.
Jüdische Lebenswege in Deutschland von 1870 bis zumindest in die
Nachkriegszeit, so 1955 rum. Genauer weiß ich das noch nicht.
Montag, 24. 1. 2022
So richtig sagen, warum, kann ich nicht, der Vormittag ist ohne
einen Lauf vergangen. Als klar war, ich hab genug rumgetrödelt, da
reicht die Zeit nicht mehr, bin ich wie zum Ausgleich agil geworden
und hab den Rechner alt weggepackt und den Rechner neu auf den
freien Platz gestellt, dabei bin ich den Zettelberg angegangen, wo
tausend liegengebliebene Dinge notiert waren, hab durchsortiert und
ausgesondert. Manches hat sich erledigt, weil Zeit vergangen ist.
Anderes soll nicht vergessen werden, taucht auf mannigfaltigen
Aufschrieben auf, sieht dadurch mordsviel aus und konnte
zusammengefasst werden. Ist trotzdem eine lange Liste geworden, mit
neuen Prioritäten, mal sehen, ob es was bringt. Oder ob einfach
wieder viel Zeit vergeht. Frisch getestet bin ich zum Bus, die
Arbeit war gut zu bewältigen, ich bin wieder in einer anderen Reihe
gelandet, die mir aber mittlerweile vertrauter ist. Da ich nicht
mehr suchen muss, wie am ersten Tag, brauch ich nicht mehr über jede
Einzelheit nachdenken, es läuft flüssiger. Von frisch ertesteten
Corona-Verdachtsfällen war zu hören, es ist logisch, dass es näher
rückt, mittlerweile sind über zehn Prozent der Bevölkerung infiziert
gewesen bzw. genesen. Da kann man durchzählen, eins zwei drei bis
zehn, bei einem war´s nicht schön. Oder so. Bin neugierig, wann es
bei mir ankommt.
Dienstag, 25. 1. 2022
Als die Sonne über dem Rammertwald aufging, stand ich bereit zum
Kurs im Studio. Functional training war angesagt, es gibt auch zwei
dieser Kurse am frühen Abend, aber in der Spätschichtwoche bin ich
froh um diese Alternative, auch wenn ich die Uhrzeit, Tageszeit
abenteuerlich finde, um Sport zu treiben. Das mit der Sonne
jedenfall war richtig schön, wie schnell es ging, dass aus dem
ersten schmalen Streifen Licht, in den man sogar noch reinschauen
konnte, ein großer Feuerball wurde, der immens blendete, das ist
jedesmal ein Erlebnis. Auf Arbeit gab es eine
Abteilungsversammlung, um von Arbeitgeberseite zum Scheitern der
Verhandlungen um die Entlassungen in Tübingen zu informieren. Es
sollte uns eingeredet werden, der Betriebsrat hätte aus Stolz und
falschem Ehrgefühl die Sache platzen lassen, irgendwann kam es mir
so komisch vor, dass ich reklamierte, warum niemand vom Betriebsrat
anwesend sei, der seine Version der Geschichte darlegen sollte,
damit wir von beiden Seiten hörten und uns selbst ein Bild machen
könnten. Die großzügigen Angebote für die Freiwilligen, die
Transfergesellschaft für die zu Entlassenden, alles sei vom Tisch,
ohne dass wir es beurteilen konnten, weil der Betriebsrat so bockig
gewesen sei. Wie es weitergehe? Ich hab das Ergebnis ein Unglück
genannt, die Lösung über den Schlichter ist schlechter. Hinterher,
bei der ersten Nachfrage bei einem Mitglied vom BR klang das so,
dass der BR eine Namensliste hätte mit erstellen und abnicken
sollen, vorher werde über die Angebote nicht geredet. Das klingt
auch nach Bockigkeit. Zumindest habe ich meine Zweifel am
Verhandlungsgeschick beider Seiten. Aus den Nachrichten: Das
CDU-Mitglied Otte lässt sich aufstellen als Kandidat für die
Bundespräsidentenwahl. Er kandidiert für die AfD. Was sagt uns das
über den Zustand der CDU? Ich will das hier nicht ausformulieren,
aber wenn ich in der CDU wäre, was ja nicht passieren würde, wäre
mir das peinlich.
Mittwoch, 26.1. 2022
Da ich zur Zeit etwas pussymäßig beim Laufen drauf bin, zu kalt,
keine Lust, tausend Ausreden, hatte ich mich am Vorabend für den
Spinningkurs angemeldet, so zur Beruhigung des Gewissens. Kurz vor
neun saß ich also im Sattel und fing an zu trempeln. Ich hatte mir
den FTP-Wert relativ ambitioniert eingestellt, schließlich war es
der Kurs für Fortgeschrittene, und bin schnell ins Schwitzen
geraten. Am Ende waren 59 Minuten geradelt, eine Strecke von ca 33
km wurde angezeigt und der Wert Watt pro Kliogramm Körpergewicht lag
bei 2,6. Nach dem Duschen saß ich zufrieden in der Sauna, hab mir
beim Bäcker ein kleines Mittagessen organisiert, zu Hause getestet,
bevor ich zum Bus musste. Die Arbeit war geprägt von dem vielen
Gerede über die Situation zu den Tübinger Entlassungen. Es gab
weitere Infoveranstaltungen der Betriebsleitung für andere
Abteilungen, eine Betriebsrätin ist durchgelaufen, gab kurze
Erkärungen ab, leider nicht besonders erkenntnisförderd, so dass wir
immer misstrauischer gegenüber den voneinander getrennt ratternden
Kanälen werden. Beides sieht nach bockigem Beharren auf der
verfahrenen Situation aus, natürlich mit der Schuldzuweisung zur
jeweils anderen Seite. Es kam an verschiedenen Stellen zu dem Ruf
nach einem Schlichter von außen, da die internen Begabungen für eine
gute Lösungsorientierung mangelhaft scheinen. Die Diskussion zur
Impfpflicht ist angelaufen. Meine Hoffnung ist, die Pandemie
schleicht sich wegen der Durchseuchung mit Omikron und es kommt eine
schützende Immunisierung gegen alle künftigen Varianten zu Stande,
so dass der Medizinbereich nicht überlastet werden kann, und wir mit
den Infekten umgehen können, ohne den Lockdown je wieder zu
benötigen. Trotzdem ist es gut, das man die Argumente dafür,
dagegen, und auch die Varianten, alle, ab 50, nur in relevanten
Bereichen, wie auch immer, anhört und bedenkt und versucht zu einer
politischen Lösung zu gelangen, die am besten noch die Spaltung oder
Aufsplitterung der Gesellschaft entschärft. Wenn ich das hier
hinschreibe, komme ich mir vor wie John Lennon, als er "Imagine"
sang.
Donnerstag, 27. 1. 2022
Bei der Überlegung, einzukaufen oder ins Studio zu gehen, gewann die
Lust an paar Klimmzügen auf der Stelle, zumal ich beim frühen
Frühstück feststellen konnte, der Käse, das Brot, es reicht für
einen weiteren Tag. So war ich gegen neun im Sportpark, habe die
Routinen abgearbeitet, wollte in die Sauna, dadurch langt die Zeit
nicht ganz für alles, da war ich bereit mit mir einen Kompromiss zu
machen. Auf Arbeit ähnlich wie gestern, immerhin hat der Betriebsrat
erkannt, dass er informieren muss, holte sich verschiedene Gruppen
zusammen. Ich weiß nicht, woran es lag, an der Vorbeschallung zum
Thema durch Vertreter der Leitung, an unklaren Formulierungen des
BRs, an dem Wunsch einzelner Kollegen, den Vorgang Entlassungen auf
Tübingen zu begrenzen, es wurde die Stimmung nicht besser, der
Durchblick zur Lage wollte sich nicht einstellen. Weiterhin gab es
dies unaufhörliche Gesurmel und Geschimpfe, jeder zu jedem, mir war
das schnell verwirrend, weil jeder die Zustimmung zu seiner Meinung
und Auffassung einholen wollte. Irgendwann kam die Betriebsrätin bei
mir lang, wollte mit mir sprechen, ich glaube auch, sich Zuspruch
holen, im Verlauf kam auch die persönliche Betroffenheit und
Kränkung durch misstrauische Kritik und Rückfragen bei ihr hoch, sie
musste dauernd anfangen zu weinen. Ich habe versucht, sie
aufzurichten, freundlich bestärkend mit ihr zu sprechen, ich glaube
auch, dass das jetzt erst der Anfang der Geschichte ist, unser Boss
ist mit der Idee der Gewinnmaximierung angetreten, da kommen noch
schwierige Zeiten. Beim Lesen: Die Repressionen jüdischer
Deutscher in einer kleinen schwäbischen Stadt bis 1941, so weit bin
ich im Buch, es ist unvorstellbar, wie unvermittelt das Leben nicht
mehr funktioniert, wenn ihnen von heut auf morgen alle Rechte
weggenommen werden, die anderen das zum großen Teil begrüßen und
dabei mittun. Wie wenig stabil die zivile Gesellschaft ist, wenn
Druck kommt. Da passt die Lektüre grad zum realen Leben.
Freitag, 28. 1. 2022
Der Vormittag war ausgefüllt mit Ausschlafen, einem gemütlichen
Frühstück und Lesen. Sonst hab ich gar nichts gemacht, bevor es auf
Arbeit ging. Brauchte mich nicht mal um Mittagessen kümmern, da ich
spät dran war. Auch mal schön. Auf Arbeit war es ganz ruhig, als ob
alle erst mal Luft holen müssen nach den wilden Diskussionen der
vergangenen Tage. So war der Höhepunkt das Kantinenessen, es gab für
die Vegetarier Schmorgurke auf Duftreis, das war sehr lecker.
Heimwärts ging es mit einem Stadtbus, wenn der über Land fährt,
merkt man den Unterschied zu einem Reisebus sehr deutlich. Aber ich
war pünktlich zu Hause und schalte sofort um auf Wochenende.
Dänemark beendet laut NZZ alle Corona- Maßnahmen, trotz hoher
Ansteckungszahlen, es ist ein interessantes Experiment. Immunität
durch die Durchseuchung mit dem hochansteckenden Omikron, der
Verlauf sei dann milde. Und die Zukunft sei pandemiefrei, es gäbe
eine weitere Grippeform. Das wäre ein eleganter Ausstieg aus dem
Maßnahmenvielerlei, dass uns langsam dünnhäutig macht, vielleicht
klappt das demnächst in Deutschland auch so.
Samstag, 29. 1. 2022
Mein Zettel war so voll, das konnte nicht gut gehen. Nichts desto
trotz hab ich ausgeschlafen und gemächlich begonnen, schon war der
erste Punkt fällig. Ich bin in die Stadt gelaufen, an der Vitrine,
einem Schaufenster am Metzelplatz, gab es eine
Ausstellungseröffnung. Die Tochter einer Lauffreundin zeigte einen
Ausschnitt ihrer Sicht auf die Welt unter dem Titel "Ich fühle mich
wie ein Alien". Ausdrucksstarke Zeichnungen im Bereich Portrait. Ich
fand gut, die Veranstaltung lief draußen ab, recht zwanglos,
angenehm einfach, man hat miteinander geschwätzt. Zu Hause hab
ich versucht, das Putzritual durchzuziehen, dabei machte ich einen
Kompromiss zwischen der Schnelligkeit und der Gründlichkeit. Diesmal
zeigte die Nadel in Richtung sehr schnell. Schließlich war meine
Liste noch voll. Ich hab noch was geschafft, bis ich ins Studio
musste, war verabredet mit dem Läufermichi. Wir haben ein gutes
Training geschafft und hatten viel zu erzählen. Der Einkauf musste
sein, ich bin gleich von da in den Handelshof, als ich meine Runde
drehte, fand ich, alles ist markant teurer geworden. Ich musste ein
ordentliches Sümmchen berappen, nun gut, ins Elend stürzt mich das
nicht. Die Woche kam schon die Abrechnung der Stadtwerke, da war die
Verteuerung so eindrucksvoll, dass viele mit ihrer Rechnung
losgelaufen sind und da nachgefragt haben, so wurde mir
erzählt. Vielleícht war ich deswegen empfindlicher bei den Preisen.
Ich hatte vor kurzem einen Artikel gelesen, da wurde beschrieben,
wie die empfundene Inflation immer höher ausfällt als die
tatsächliche. Ich werde mich wieder beruhigen. Eine wundervolle
Serie mit Bildern und Videos von meinen Enkeln kam an, sie spielen
miteinander und spielen Dinge nach, die sie bei den Großen sehen.
Total lustig ist Eva´s Versuch zu jonglieren. Es ist nicht
jonglieren, aber sie hat so wesentliche Muster dieser Bewegung
zusammengefasst, dass man auf der Stelle sieht, worum es geht.
Sonntag, 30. 1. 2022
Wie soll ich das sagen, führte ich das Leben einer Leseratte, die
sind aber geselliger als ich, also die Ratten, von daher verstehe
ich den Begriff nicht. War es ein Bücherwurmdasein, ich saß ja im
Licht, wer hat die Begriffe sich ausgedacht. Wie ein Maulwurf grub
ich meinen Lesegang weiter, um einen genauso falschen Begriff zur
Metapher zu missbrauchen. Am Ende will ich sagen, ich las ganz schön
lange. Die Nachkriegsgeschichte aus der Sicht eines überlebenden
Juden, aus dem schwäbischen Deutschland, alles sehr spannend, es ist
ja kaum noch jemand da, der es aus eigenem Erleben erzählen kann.
Titus Simon hat viel recherchiert, und packt das alles in eine
fiktive Lebensgeschichte. Obwohl mir manche Seelenregung, die
beschrieben wird, nicht immer nachvollziehbar ist, kommt mir die
Gesamterzählung sehr plausibel vor. Aus anderer Literatur und aus
den Erzählungen meiner Vorfahren würde ich ihm bestätigen, das alles
hätte so stattfinden können, auch wenn der Lebenslauf der Hauptfigur
in den Jahren 1941 bis 1954 sehr, sehr kurvenreich ist.
Irgendwann, als ich Hunger bekam, merkte ich, die Sonne schien,
dachte, wenn ich jetzt esse, kann ich erst laufen, wenn es dunkel
wird, mein Gott, bin ich umständlich am Formulieren. Ich ging auf
die Strecke, mit Rückenwind bis Kiebingen über das freie Feld, dann
hoch in den Rammert, am Kloster vorbei immer höher, die Steigung
hört nie richtig auf bis zur Dünnbachhütte, dann läuft man alles
mühselig Erklommene in einer Viertelstunde abwärts zurück nach
Hause. Gab 12 km im 5:38er Schnitt, bei 245 Höhenmetern. Die ersten
Schneeglöckchen am Wegesrand, Verheißung Frühling. Zu Hause gab es
zu futtern, ich konnte einfach weiterlesen, was für ein schöner
Sonntag. Demnächst ist das Vorbereiten für die Frühschichtwoche
dran, das Runterbeamen auf zeitig ins Bett fällig.
Montag, 31. 1. 2022
Verborgt in mir nicht mehr ganz unbekannte Verhältnisse, die Arbeit
war frei von Stress, da wir gut besetzt sind. Mittags in der
Kantine, es gab Kartoffeln und Ei und Spinat, der Spinat war nicht
fertiggerichtmäßig zermühlt, sondern schlappte in langen Binsen im
Rahm herum, hat gut geschmeckt und war schwierig zu essen, also die
Handhabung war nicht leicht. Hinterher hatte ich das Gefühl, mir
überall Spinatfäden hingeschlenkert zu haben, fand einen am Kinn und
fragte mich nach sonstigem Grün an mir dran. Rückzu bin ich
tatsächlich an einem Spiegel vorbei, um zu prüfen, so schlimm war es
nicht. Gute Laune gemacht hat der Kurs am Crossfit-Tower, bei
Temperaturen um Null und Schneeregengraupel waren wir voll besetzt,
wenn es mal angefangen hat, ist das Wetter sowieso egal. Morgen wird
es Muskelkater geben in den Beinen und im Arsch, gefühlt tausend
Varianten Ausfallschritte, dazu Pistol Squats mit Anhalten, dass man
nicht umfällt, alles sehr apart. Das Abendprogramm steuert auf das
Zubettgehen zu, wenn es vor Mitternacht klappt, war es gut.
Dienstag, 32. Januar
Morgens über die verschneite Alb, hab ich mir sagen lassen, bin erst
vor dem Werkstor aufgewacht. Auf Arbeit richtig viel zu tun, die
anderen Schichten sind so schlecht besetzt, dass sie nur laufen
lassen, nicht rüsten können. Das bleibt für uns, wir sind gut
besetzt. Dadurch verging die Zeit sehr schnell, hab nicht mal
gemerkt, wie müde ich bin. Das kam im Bus, drückte sich in
Tiefschlaf aus bis auf den letzten Meter, der Kollege musste mich
wecken. Gut genutzte Fahrzeit. Aus allen Ecken kommen
Coronameldungen, es hat Kollegen erwischt und Sportsfreunde, in der
Nachbarschaft ist es da und durchseucht uns anscheinend nach und
nach, alle machen es zu Hause klar, die Kliniken sind normal belegt.
In Dänemark fällt die Inzidenz, nachdem sie auf 4000 angestiegen
war. Anscheinend löst es sich, weil ansteckbare Menschen weniger
werden. Bin in dieser Hoffnung. Mein Feierabend begann mit einer
Stunde im Haushalt, dann gönnte ich mir einen Stadtgang. Am
Bücherschrank gab ich nur hinein, ging mit leerem Rucksack davon.
Beim Bäcker gab es einen Kaffee und ein Stück Käsekirschkuchen, mit
Streuseln obendrauf. Tasche packen für den Sport, zwei Stunden
Training um den Muskelkater herum. Am Ende noch eine Runde
Jonglierversuche, anscheinend ist es wie beim Radfahren, hat man es
einmal gelernt, geht es nicht verloren. Die Präzision schwindet
etwas, aber ich bin durch fast alle Sequenzen gekommen, die ich
schon mal konnte. Immerhin. Ein Shake zum Schluss, Abendbrot daheim,
vorbereiten für morgen, das hier, und ab ins Bett.
weiter zum Februartext
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