Mittwoch, 1. 9. 2021
Stolz wie Bolle bin ich mit meinem vollständig gültigen
Impfzertifikat ins Sportstudio eingelaufen, ich bekam meinen Vermerk
und brauche mich darum nicht mehr kümmern. Mein coronafreies Leben
kann starten, wobei das nicht heißen soll, ich bleibe coronafrei,
ich kann es ja trotzdem noch bekommen, aber ich gehöre zu den 60 %
der Bevölkerung, die wieder im Besitz von allerhand Bürgerrechten
ist. Ich habe alle Tage mit Menschen aus der Gruppe der 40 % zu tun,
höre da die verschiedensten Begründungen für diese Zugehörigkeit,
die meisten kann ich nicht nachvollziehen. Darunter sind zu Hauf
unkritische Nutzer jeglichen Fortschrittes, nur beim Impfen gibt es
diese seltsame, auch uninformierte Verweigerung. Auf Arbeit: Mein
Kollege hatte heute mit einer dieser fehlerbehafteten Maschine zu
tun und sich wacker einen abgekämpft. Was wir da an Zeit
verplempern, immer wieder und sicher vermeidbar, und dann bekommen
wir gesagt, unsere Arbeitsproduktivität sei nicht in Ordnung.
Putzig. Den Butt hab ich geschafft, es war ein dickes Buch und
ich hab lange gebraucht, fand es anstrengend. Nicht das ich mich
nicht anstrengen will beim Lesen, aber es kam zu wenig raus dabei.
Wenn ich die schon reklamierten, ewigen Wiederholungen rausstreichen
würde, würde gefühlt ein Sechstel des Umfanges übrigbleiben, das
könnte interessant sein. das Buch gebärdet sich modern, neuartig in
der Erzählhaltung, ständig wechseln Perspektiven und Zeiten, gen
Ende hin spricht die Erzählstimme aus allen Personen gleichzeitig,
wird Mann oder Frau, Frau ist Mann und andersrum, ohne dass dieses
Aufschäumen besonders plausibel rüberkommt oder zur Erkenntnis
führt. Eigentlich wird sehr wenig geboten, ledglich so einige
Reklamationen am Weltenlauf, die mir aber nicht neu vorkommen, auch
1977, im Jahr des Erscheinens nicht neu vorgekommen wären, allerhand
Unzulänglichkeiten werden in dieser Schüttelreimerei immerzu auf´s
Neue verrührt, bis es mir zum Hals raushing. Man muss eigentlich
nicht bis zum Ende lesen, ich wollte mit meiner Ehrfurcht vor dem
großen Schreibernamen wissen, ob noch was kommt, nicht dass mir was
entgeht, nun ja. Hab schon ein neues Buch aufgeblättert. Gestern
abend sah ich auf YouTube eine Tageszusammenfassung von den
Paralympics und war sofort beeindruckt von den Sportlern und auch
angerührt. Wenn eine Handbikerin oder eine Reiterin erzählt, wie sie
sich aus der Krankheit rangekämpft haben und was der Sport ihnen an
Lebensqualität bietet, ist das für mich wie eine Lehrstunde. Mir hat
das so imponiert, wie geschwommen wird oder Tischtennis gespielt
wird, das Kugelstoßen, Ringen und Sitzvolleyball, alles so noch nie
gesehen und sogleich die Intensität erfasst, da will ich gern
weitermachen mit meinem Sport und über die paar Zipperlein, die
anfallen, lachen.
Donnerstag, 2. 9. 2021
Mikis Theodorakis ist gestorben, in hohem Alter, nach reichem Leben.
Seine Musik bleibt uns, sein Canto General war mir in jungen Jahren
der Einstieg in die Weltmusik, die moderne Klassik, wo immer man das
hinordnen will. Ohne ihn wäre Alexis Sorbas nicht so eindrucksvoll.
Es war Pausentag, ich musste etwas ausschlafen, keine Zeit mehr für
den Sport, ein wenig telefonieren ging noch und ein paar Papiere
vorbereiten, das war schon alles. Im beheizten Bus ging es bei
schönstem Sonnenschein zur Arbeit, nicht nur, dass es rumpelt, die
Heizung sei laut Busfahrer auf Null, tat aber wie Winterbetrieb.
Abends war es in Ordnung, lag es am Bus, am Fahrer, an höheren
Mächten? Auf Arbeit sehr entspannt, keine Vorgesetzten waren da. Die
Maschinen sind alle gelaufen, wir können es auch so.
Freitag, 3. 9. 2021
Geschafft, es geht ins Wochenende. Vormittags mit dem Rad zum Sport,
draußen am Tower allerhand durchgezogen, Mittag vom Bäcker, die
Seele mit Schafskäse, im Bus, ungeheizt, zur Arbeit, da fing es an
mit dem Angebot, heimzugehen. Stückzahl sei erreicht, Material ist
kaum was da, das hätte was genutzt, wenn es gestern verkündet worden
wäre. Da war alles von heute sichtbar. Nur war eben keiner anwesend,
der mitgedacht hat. Ich fahr nicht über eine Stunde mit dem Bus
durch die Gegend, um dann wieder heimzufahren. So sind wir
dageblieben, waren nicht sonderlich motiviert, haben unsers gemacht.
Jetzt vergess ich das alles, freue mich auf morgen, da kann ich
lesen, laufen gehen, hab auch allerhand zu tun, Einkauf, die
Webseite endlich fertig machen, Papiere ordnen, Bude putzen usw. Die
Briefwahl muss gekreuzelt werden, dann ist meine Wahl getan. Diesmal
ist es ganz einfach, für mich stellt sich nur eine Möglichkeit als
sinnvoll dar.
Samstag, 4. 9. 2021
Es ist zum Lachen, da war aus der Woche so viel ligengebleiben, dass
es nicht mal geklappt hat, laufen zu gehen. Nach gemächlichem Anfang
mit Lesefrühstück und Lesen ohne Frühstück hab ich angefangen, von
meinem Zettel die wichtigsten, die unaufschiebbaren Dinge
abzuarbeiten. Ich bin gut vorwärts gekommen, aber manche Dinge
dauern. Eine Unterschrift musste ich einholen, da sollte ich
gleich kommen und zum Kaffee bleiben, dafür hab ich sofort was
anderes gecancelt. Ich saß frohgemut auf einem Balkon in der Sonne
und ließ es mir gutgehen. Eine Coronageschichte hab ich gehört, die
hat mich geschwind erschüttert. Ein Impfverweigernder behandelt
ebensolche mit einem Bonusvorteil. Weil sie zum Fähnlein der
Aufrechten gehören. Ich will nicht konkreter werden, diese Variante
von Querdenken kannte ich noch nicht. Sie sind überall und unter
uns, ich merke, dass ich schnell an die Stelle komme, dass ich so
jemanden nicht ernst nehmen will. Bei Tetanus und Diphterie, gibt es
da auch solche Haltungen? Da ist es dann eher mit persönlichen
Konsequenzen versehen, zumindest bei Tetanus, während bei Diphterie
und Corona wegen der Ansteckungsverbreitung die Folgen für alle da
sind. Es ergibt sich da eine seltsame Haltung aus Halbwissen,
Laienschlussfolgerungen, merkwürdigen Freiheitsauffassungen und
Lagerdenken, es gibt bestimmt noch mehr Zutaten. Ich bin froh um die
Möglichkeit des Impfens, als die Pest noch durch die Lande ging,
hatte man nicht viel dagegenzusetzen. Mit dieser meiner Haltung
lasse ich mich dann beschimpfen als naiv, schlecht bzw. von den
falschen Medien informiert, als obrigkeitshörig und was noch alles.
Wie soll man da miteinander reden?
Sonntag, 5. 9. 2021
Gutgelaunt im Spätsommer, es fing an ohne Zeitdruck, Erzählungen aus
den Inselstücken zum Frühstück, Zeugs für Freibad richten, die
Anmeldung auf dem Handy parat haben, wir waren verabredet zum
Aquajoggen. So als letzte Gelegenheit, das draußen zu genießen, das
war die Idee, mein Sportskollege hatte angefragt. Nach dem
Einschwimmen war es schnell rum mit genießen, es war ziemlich
anstrengend, ich hatte es lange nicht gemacht. Das Programm war
knackig: 5 min, 3 min, 1 min Vollgas, dazwischen je 1 min Pause,
diese Sequenz viermal. Wir hatten den Bereich unter dem Sprungturm
ganz für uns. Michi im Rhythmus einer schnellen Nähmaschine neben
mir, bei der einen Minute hat er noch einen Zahn zugelegt, es fing
an zu schäumen. Ich hab alles gegeben, bin gut durchgekommen.
Hinterher ausschwimmen und ein bisschen warme Dusche, noch kurz in
der Sonne aufwärmen, wir waren über eine Stunde im Wasser,
auch wenn das 23 Grad hat, kühlt man runter. Mittags gab es zu
Hause, ich hatte mir gestern Champignons gekauft, die hab ich auf
die Pfanne geschmissen, drei Eier dazu und gewärmtes
Dinkelvollkornbrot, das war perfekt. Nachmittags war ich mit dem Rad
in der Stadt, am Bücherschrank hab ich ausgeladen, aber auch was
eingepackt, u. a. ein Kinderbuch von Christoph Hein. Ist mir neu,
dass er sowas gemacht hat, und ich bin neugierig drauf. Meine Stapel
nehmen so nicht ab, immerhin verändern sie sich wenigstens
inhaltlich. Auf dem Rückweg, den ich so gestaltet hatte, war der
Bäcker offen, naja, ihr wisst, was passiert ist. Das war mein
Programm, ich habe den Rest vertrödelt, geruht, gelesen. Als ich
abends das Rad in den Keller bringen wollte, bin ich vorher am
Schlachthof lang gefahren und siehe da, die Mahnwache stand davor.
Alle 14 Tage sonntags, sie halten durch. Ein Ding noch: Es gibt
neues Videomaterial von Rezo, er zerstört vor der Wahl, diesmal
nicht nur die CDU. Er erteilt ein berechtigtes Ungenügend, die
Politik zur Klimaveränderung betreffend. Und er kann es
eindrucksvoll belegen. Es gibt zwei Videos, ein drittes soll noch
kommen. Er wollte auch im Vorfeld der Wahl die Kandidaten einladen
auf Twitch sich den Fragen der jungen Generationen zu stellen, die
über Fernsehen nicht erreichbar sind, da hat Laschet gekniffen.
Diesen Vorgang schildert er in einem Extravideo. Ich empfehle das
alles zu schauen.
Montag, 6. 9. 2021
Frühschicht, das sagt alles, ein Tag im Schlafdefizit. Auf Arbeit
mit demselben Fehler an derselben Maschine gekämpft wie vorige
Woche, immerhin ist diesmal ein Stillstand und Reparaturauftrag
rausgekommen. Wenn wir Glück haben, schaut ein Kundendienstler der
Herstellerfirma danach, es ist grad jemand im Haus. Komplizierte
Abläufe auch in der Personalabteilung, mit dieser Bezeichnung oute
ich mich als Boomer, man sagt HR. Ich muss anklopfen, darf aber
wegen Corona die Tür nicht selbst öffnen. Werde verwiesen an die
nächste Tür von einer telefonierenden Dame, da ist dann niemand. Von
vorn. Ich bin diesmal eingelassen worden, darf mein Begehr sagen,
werde belehrt über fehlende Kreuzle und dieVertracktheit des
Verfahrens. Darf gehen, aber nicht die Tür öffnen. Muss bittend
auffordern, wenn das Prozedere so sein soll. Nachmittags,
daheim, gestresst nach vielen Ungehörigkeiten der mich Umgebenden,
das will ich nicht aufzählen, mach ich die Tür zu, meine Welt.
Stadtgang mit Seelentröster, ein Stück Mandarinenschmandkuchen zu
Kaffee, ich darf drinnen sitzen, vom Porzellan essen, bin 3G-gültig.
Mit Luca-App geht es schnell und ohne Papier. Ich war mit dem
Fahrrad unterwegs, dadurch ging es schnell, und ich war zeitig beim
Sport, konnte noch bisschen Routinen abarbeiten, bevor es in den
Crossfitkurs ging. Eine knappe Stunde, eh anstrengend, dazu war mein
Trainingskollege dabei und hat mit Gewichten vorgelegt. Da ein
Muskelkater von der Nummer gestern im Aufbau ist, ging es richtig an
die Grenzen, manchmal kontrahierte nicht mehr der Muskel, eher der
Willen. Am End waren es über zwei Stunden Sport, da ich mit dem Rad
da war, noch mehr. Auf dem Rückweg hab ich den Läufermichi
begleitet, er zu Fuß im Affenzahn durch die Stadt, ich gemächlich
radelnd. Vielleicht hätte ich ihn bisschen besser von dem Verkehr
abschirmen sollen, da fehlt mir jegliche Erfahrung. Jetzt also das
hier fertig, schnell in die Kiste, Schlaf nachholen.
Dienstag, 7. 9. 2021
Besser geschlafen als letzte Nacht, aber noch weit vom guten Zustand
entfernt. Dazu ist über Nacht der Muskelkater vom Aquajoggen
gereift, ein neuer entwickelt sich dazu vom Crossfit, das war
beinlastig und der Arsch meldet sich beschwerlich. Auf Arbeit
angekommen, da stört sowas nicht. Ein Wunder ist passiert, die
kaputte Spanneinheit der schwächelnden Maschine wurde repariert, wie
ich es verstanden hab, waren die zwei Stellventile für die
Druckdosierung ausgefallen, keine große Sache. Wenn ich denke, wir
haben uns zwei Wochen mit der Kiste gemüht, Zeit verplempert und
Ausschuss gehabt und Spannzeug, das ist teuer, zerstört, weil die
kleine Reparatur nicht stattfand. Ich würde das anders regeln. Dafür
fiel an einer anderen Kiste die Kamera aus, wegen Verölung, da war
ich wieder beschäftigt. Im Bus heimzu hab ich mir das alles aus dem
Kopf geschlafen. Eigentlich wollte ich laufen gehen, aber ich war
ein Totalschaden, so hab ich mir das Rad rausgeholt, bin in den
Spätsommer über die Felder gefahren, an den ersten Herbstzeitlosen
vorbei, in Wurmlingen wollte ich schauen, ob der Bäcker offen ist.
Das Ergebnis war: Ja, ich saß also mit einem Aprikosenschmandstück
in der Sonne. Weiter nach Hirschau, eine Runde um den Baggersee, der
ist aber so zugekrautet, da hatte ich keine Lust auf Baden.
Heimradeln, ich war doch verschwitzt, wollte nun doch noch laufen,
da das Rad gut ging, auch, damit sich das Duschen lohnt. Hab mir
eine Strecke ausgedacht, so am Neckar lang, ohne Berg, bin raus und
fühlte mich sehr schmerzhaft an auf den erste Metern. Es war mühsam,
ich hab es sofort eingekürzt, bin bis zm Freibad gekommen und hab
gewendet. Es waren nur 5 langsame Kilometer, fühlte sich an wie
Halbmarathon. So trullere ich mich beizeiten ins Bett in dem Wissen,
das geht alles wieder weg.
Mittwoch, 8. 9. 2021
Ich gebe nach, gebe meinen inneren Widerstand immer schluckweise
auf. Über mein Leben legt sich wie die Spinnweben im Altweibersommer
die Struktur des Dreischichtbetriebes, es geht ja schon ein Jahr so.
Nur noch Erinnerung ist die Zeit, als ich noch Wochenendarbeiter
war, mit drei Tagen war es abgegolten, wo es nun fünf braucht. Die
innere Revolte wird leiser, ich merke es daran, dass ich mir vieles
gar nicht mehr vornehme, Kinobesuche, VHS-Vorträge, Onlineseminare,
die Schreibseminare an der Uni, das Lauftraining am Sportinstitut,
alles gecancelt, weil die Zeit fehlt. Von dieser Stelle aus, mit
diesem neuen Referenzpunkt versuche ich, es schön zu haben. Heut ist
es gelungen. Stadtgang per Rad, Halt beim Bäcker, die lustloseste
Bäckereiverkäuferin seit langem, das war schon wieder zum Lachen,
Bücherschrank, Buch hin, Bücher her, mich unterwegs an der Sonne
freuen, dann zum Sport. Kurs am Tower, immer wieder neue Übungen,
Grenzen werden in der Gruppe später wirksam, also kurz vorm
Zusammenbruch vielleicht. Wir haben´s gutgelaunt durchgezogen. Damit
war der Tag schon voll, all das Nichterledigte bleibt einfach
liegen. Wieder einer neuen Begründung von Impfunwilligkeit
begegnet, die ich auch nicht nachvollziehen konnte. Dabei laufen die
Kliniken nach und nach voll, die Zahlen sprechen eine klare Sprache:
Inzidenz geimpft bei 15, ungeimpft 180, ergibt irgendwas von gesamt
knapp hundert. Die schlimmen Verläufe haben in ebendem Verhältnis
die Ungeimpften, dabei könnte es schon ausgestanden sein, wären wir
eine immune Herde. Corona läuft also weiter und beeinflusst unser
aller Leben, die Bildung, die Wirtschaft, die Kultur, weil es diese
naive Auffassung von "meiner Freiheit" gibt. Ich hab noch keine
einzige überzeugende Argumentation gegen das Impfen gehört. Auch von
einer freiwilligen Übernahme der Krankenhauskosten durch ungeimpft
Erkrankte hörte ich noch nie, das wird selbstverständlich der
Versicherung aufs Auge gedrückt, die von allen gezahlt wird.
Donnerstag, 9. 9. 2021
Ein Dreizeiler muss reichen: Arbeit ok, nachmittags kurz im Paradies
vorbeigeschaut, ich fand mich zum Kaffee auf einer Terasse, es gab
Heidelbeerkuchen, der Verkehr brauste weit weg unter mir und ging
mich nichts an, ich war zu Fuß da. Später mit dem Rad durch den Stau
in der verstopften Stadt, die Autos warten, ich passe durch, zum
Sport, Höhepunkt war Siggis Bauchkurs. Sie lässt niemals locker,
wird nie fertig mit dem Zählen, es tut immer weh bei ihr und macht
hinterher das Gefühl, gewonnen zu haben. Dann wollt ich mich
belohnen, war in der Sauna, die Zeit fehlt jetzt hier.
Freitag, 10. 9. 2021
Die letzte Frühschicht, ich war meist allein in meiner Reihe,
daneben auch Notbesatzung. Das Defizit beim Schlafen hatte sich
aufgesammelt, zeitweise blinkerten mich die öligen, glitzenden
Platten fast ins Delirium. Zum Glück war die Arbeit stetig, keine
langen Rumstehpausen, die Zeit verging und Freude aufs Wochenende
kam. Nachmittags, Feierabend, nach tranceähnlichem Busschlaf war ich
froh um den Freiraum, ich hatte ein Geburtstagsfest abgesagt, weil
ich mich so maulfaul, mürrisch niemandem zumuten wollte. Hab mir
einen Kaffee gegönnt, langsam kamen die Lebensgeister wieder hervor,
ich bin durch die zugestaute Stadt zum Sport geradelt. Die Baustelle
macht mit ihren Sperrungen alle Tage alle Straßen zu einem
Parkplatz. Ich fahr vorbei, spüre die Wut der Autofahrer, wenn ich
mich durchdrängle, durch die Lücken fahr, die zufällig da sind, der
Radweg wird nirgends beachtet. Ein Höhepunkt der Baustellerei ist,
das Radwege weg gemacht werden, weil daneben Autos parken, dann sei
es gefährlich für die Radfahrer, wenn ein Autofahrer die Tür
aufmacht, ohne zu schauen, der Platz sei zu knapp. So fahre ich
wieder mittendrin unter den Autos und LKWs und fühle mich so was von
sicher. Im Studio gab es den Crossfitkurs mit neuen Übungen, das
Krokodil und den Hängetwist hatte ich noch nie. Es war ein Anfänger
da, an dieser Stelle wird offensichtlich, dass regelmäßig kommen
wirklich nützt.
Samstag, 11. 9. 2021
Vor zwanzig Jahren, erst hab ich das kaum glauben wollen, ich war
auf Arbeit, da wurden die Nachrichten zeilenweis durchgesagt, zu
Hause hab ich den Fernseher angemacht. Das schlimmste war für mich,
das ich Leuten zusah, die in den Tod fielen. Bin Laden ist
lange tot, das Prinzip Rache verstehe ich in dem Fall, finde es
trotzdem nicht richtig. Es macht keinen Sinn. Mein Tag begann
spät, ich hab nachgeholt und fand es köstlich, ausgeschlafen
aufzustehen. Danach mühte ich mich redlich, manches zu erledigen,
hatte mit Widerständigkeiten zu tun, dadurch dauerte es lange. Als
mir die Lust verging, band ich die Laufschuhe zu und hab meine
übliche, schöne Strecke absolviert, unterwegs fand ich die späten
Beeren des Aronstabes und die letzten Blüten vom Feinstrahl. Ich
hatte eine Regenpause erwischt, als ich zu Hause aufschloss
tröppelte es wieder los. Dusche, Mittag beim Chinesen, mittlerweile
fragt er mich, was los ist, ich komme so selten. Von der Shedhalle
in Tübingen wusste ich, es gibt Sommerfest, ich hatte Lust auf eine
Fahrradtour, bin bei trockenen Verhältnissen los, weiter vorn sah
man die Sonne durch die Wolken blinkern, es regnete ab dem zweiten
Kilometer eindrucksvoll. Patschnass kam ich in Tübingen an, fand das
Radfahren auf breiten blauen Spuren Klasse, fühlte mich
wertgeschätzt und spürte auch den Respekt der Autofahrer,
Verhältnisse wie in Amsterdam, das sind Radler die Könige. An der
Shedhalle lief ein Konzert, es gefiel mir nicht sonderlich, außerdem
sah man durch die nassen Hosen das Muster meiner Unterhosen, gar
meinen kleinen Pim?, ich kam mir nackicht vor. So bin ich bald
wieder auf den Rückweg, brauchte ungefähr bis Rottenburg, um
abzutrocknen und hab mir dort eine kleine Ausstellung von den
hiesigen Künstlerhofleuten augeschaut. Das mit dem Rad hat Spaß
gemacht, das Gefühl, dem Wind und Regen zu trotzen, schnell zu sein,
klarzukommen, ist mir angenehm. Abends holte ich mir einen Rechner,
der günstig angeboten wurde, ich war froh um den schnellen
Entschluss, weil man sich da beim Auswählen und Vergleichen auch
sehr verzetteln kann. Jetzt hab ich wahrscheinlich nicht den besten
und günstigsten, aber da steht er, morgen werde ich ihn in Betrieb
nehmen.
Sonntag, 12. 9. 2021
Der Tag der Orgel und der Tag des Textausfalls.
Montag, 13. 9. 2021
Wirklich, ich hatte es mir fest vorgenommen, ich wollte in der
Zeitlücke, die im Vordernachtschichttag liegt, die Webseite fertig
machen, das heißt, die paar Änderungen noch einpflegen. Und ich hab
ja gut angefangen. Aber dann war es wie immer, es fehlten die
entscheidenden zwei Stunden. Ich hab den Wocheneinkauf geschafft,
alles verräumt, Gemüse geputzt, Obst gewaschen, mich um die Wäsche
gekümmert, war zum Sport und stellte mit dem Blick auf die Uhr fest,
wieder nix. Es muss ein entscheidender Zauber über meinen
Zeitenläufen liegen, ich glaub, ich weiß auch ungefähr, wo er sich
versteckt. Es ist der Fehler schon im mir Vornehmen der Ration für
den Tag. Da muss in meinem Hirn ein Simsalabim wirken, ich schreib
mir alle Vorhaben auf, denke, ja, bisschen viel vielleicht, aber
wird schon gehen, und jedesmal landet es am Abend weit vor der
Vollendung. Normal schlaue Menschen würden versuchen,
rauszubekommen, woran liegt es. Zuviel vorgenommen, Zeit vertrödelt,
Zeit falsch eingeschätzt für einzelnes, summiert sich zu einem
wieder nicht geschafft. Ich kann es ignorieren, male abends tapfer
den neuen Zettel voll und lege den alten auf den Stapel. Wäre er
fertig abgearbeitet, könnte er weg, das würde ich gern mal wieder
erleben. Der Wahlkram läuft. Scholz liegt vorn, ich denk, ich
weiß, warum. Wir schrecken zurück vor fälliger und dringender
Veränderung, das mit dem Klima sehen wir schon ein, solange es nicht
unser Verhalten betrifft. Dafür, so scheint es, steht Scholz.
Laschet steht für gar nichts, soviel sowohl als auch bringt niemand
anderes in einem, in jedem Satz unter. Und Baerbock will soviel
verändern, wirkt ein bisschen wie übereifrige Klassenbeste, wie
Möchtegern.
Dienstag, 14. 9. 2021
Die Nachtschicht wurde ich verborgt in einen Bereich, der schon
lange zusätzliche Kräfte aus der ganzen Firma beschäftigen muss, aus
eigener Kraft geht es nicht, ging es noch nie. Die Chefin dieses
Bereiches war stimmführend bei der Begründung, die Wochenendarbeit
abzuschaffen, sie konnte anhand ihrer Zahlen nachweisen, dass alles
in der normalen Wochenarbeitszeit zu schaffen ist. Komisch, warum
ich meinen Führungskräften nicht immer über den Weg traue. Es war
trotzdem interessant, diesen Bereich kennenzulernen, ein frisch
Ausgelernter hat mich eingewiesen. Er hat es gut gemacht, nur waren
da genausolche Stolperfallen, die ich aus den mir vertrauten
Abläufen kenne, und schon gab es ein kleines, unnötiges
Durcheinander. Heut gehe ich wieder in meinen Bereich, mal sehen, ob
genug Material da ist. Morgens die Heimfahrt, auf dem letzten Stück
wurde es hell, die Nebel stiegen über den Neckarwiesen auf, es war
eine Zauberwelt. Eigentlich hätte ich fotografieren gehen müssen,
war aber zu müde. Ging also schlafen, gut schlafen bis zum
Weckerklingeln. Halb zwei saß ich am Frühstück, lesend, Jules
Verne´s Erstling, "Fünf Wochen im Ballon", erschienen 1864. Das Buch
tut noch heute, schon am Anfang sind köstliche Beschreibungen seines
Personals, ganz präzise Schilderungen vom Miteinanderagieren, wie
man es heut genauso finden kann. Beispiel: Der Freund des Helden
will ihn von seinem Vorhaben abbringen, tönt vor dem Diener, wie er
das anstellen wird. Der Diener sagt ihm freundlich, jetzt bist du so
laut, warten wir bis mein Herr kommt. Er wird dich auffordern
mitzutun und du wirst es machen. So kommt es eine Seite später.
Meinen neuen Rechner hab ich ausgepackt und eingerichtet, dabei geht
die Freiheit des Menschen zum Teufel. Wenn man den Vereinbarungen
nicht zustimmt, geht es nicht weiter. Es ist nicht so dass man nur
einen Rechner gekauft hat, man liefert sich Microsoft ziemlich aus
und ist auch noch einverstanden damit. Sonst tut der Rechner nicht.
Im Ergebnis Unwohlsein. Zum Sport gegangen, das alles
wegtrainiert, eine riesige Heuschrecke kam mich besuchen, wir haben
einander eine Zeit lang zugeschaut, dann musste sie weiter. Ich ja
auch.
Donnerstag, 16. 9. 2021
Nicht geschafft, gestern nicht und heute auch nicht. Und siehe da,
die Welt dreht sich weiter. Das soll nicht das Ende sein hier, es
wäre mir zu banal. In der Gewissheit, es kommen bessere Zeiten,
halte ich das jetzt aus. Aber nicht gern.
Freitag, 17. 9. 2021
Ich kann mir dabei zusehen, wie die Form verlorengeht. Einmal die
Woche laufen reicht eben nicht, um Läufer zu bleiben. Heute waren es
die 10 km, wo ich unterwegs schon denke, ganz schön weit. Im Schnitt
gerade noch unter 5:30 min/km. Lustig fand ich, hab trotzdem paar
Radfahrer am Berg überholt. Die Herbstzeitlose reckt ihre schönen
Krokusblüten auf den Wiesen. Die letzte Nachtschicht steht noch an,
das Wochenende danach ist kurz und schon komplett verplant.
Samstag, 18. 9. 2021
Umsteigen von nachtaktiv auf Normalbetrieb, es hat geklappt. Nach
ein paar Stunden Schlaf bin ich relativ zeitig aus der Kiste
gekrochen und hab nach dem Lesen zum Frühstück angefangen, gleich
angefangen, die Bude zu putzen. Am Nachmittag war ich zum Sport
verabredet, wir haben ein bisschen trainiert und ziemlich viel
geschwätzt, uns auch klar gemacht, das ist schon in Ordnung so. Den
Einkauf musste ich dranhängen, sonst wäre es ein sehr diätöses
Wochenende geworden. Auf Arbeit kam letzte Nacht die Nachricht
an, dass in Tübingen eine ganze Abteilung geschlossen wird, verlegt
nach China. Nicht etwa wegen der Kosten, nein, nie im Leben, sondern
dort wächst der Markt. 107 Leute seien plötzlich überflüssig. Bei
der Verkündigung der Nachricht sei Security dabei gewesen. Komische
Welt. Bin gespannt auf die Reaktionen des Betriebsrates. Lesen:
Einer flog über das Kuckucksnest, von Ken Kesey, 1962 erschienen,
hab ich die passende Literatur dazu. Der Anfang, weiter bin ich noch
nicht, ist Klasse. Schnurstracks wird die Atmosphäre in einem
Irrenhaus geschildert, in den USA der Endachtziger kein gemütlicher
Aufenthalt. Ein Neuer kommt auf die Station, erzählt wird von einem
Insassen. Sofort erschließt sich das Machtgefälle vom Personal zu
Patienten, viele Rechte verblieben ihnen nicht. Es gab 1975
den Film dazu, und ich hab in jungen Jahren in Berlin auch ein
Theaterstück gesehen, fand alles sehr beeindruckend, und als mir
dieser Tage das Buch aus dem Bücherschrank zuwinkte, brauchte ich
nicht lang überlegen. Verpasst hab ich ein Treffen von Jongleuren
und Akrobaten in Tübingen, dafür hat die Zeit nicht gereicht.
Schade, ich wöllte mich manchmal verdoppeln.
Sonntag, 19. 9. 2021
Das Wochenende diente der Erholung, es schien nötig zu sein.
Jedenfalls war ich recht faul. Vormittags konnte ich ein paar kleine
unaufschiebbare Dinge erledigen, beim Mittagessen ließ ich mir
helfen, ich hab´s bestellt und heimgetragen, schon musste ich ins
Auto, es sollte nach Esslingen gehen zur Villa Merkel. Natürlich bin
ich im Stau gelandet, so dass es eine halbe Stunde länger dauerte,
kam zu spät. Die Ausstellung, fiction? better than reality!, in der
Hauptsache Videos, die meisten aufwändig gemacht, teilweise
anschauunfreundlich, wenn unten der Text schnell, zu schnell
durchlief, hatte man drüber was verpasst, erreichten mich kaum, es
war nicht die Bildsprache, bei der ich länger zuschauen will. Ein
bisschen hab ich gedacht, jetzt bin ich alt geworden, die Kunst geht
neue Wege, ich? Hinterher war ich in der Sauna, dem Leib was
Gutes tun, nach dem ersten Schwitzen gab es Kaffee und Kuchen, das
Programm war eindeutig besser als das in der Ausstellung. Und schon
isses rum, das Wochenend, auf das sich alle so freuen.
Montag, 20. 9. 2021
Es fing an mit einem Zahnarzttermin, da musste ich zeitig aufstehen,
war pünktlich da und bekam meinen endgültigen, gut passenden
Ersatzzahn montiert. Es ging schnell, ohne Spritze, fühlte sich gut
an, lustig fand ich, am Ende bekam ich die Abdrücke meines Gebisses
in die Hand gedrückt, soll ich vier Jahre aufheben. Es hätte sogar
für Sport gereicht, aber ich hab nicht damit gerechnet, sondern
wollte ein bisschen Krimskrams erledigen, war also tanken und im
Gebrauchtwarenladen. Da such ich nach verschiedenen Kleinigkeiten,
geh ab und zu hin und jedesmal nehme ich was anderes mit, von dem
ich gar nicht wusste, dass ich es brauchen könnte. Heute war es
Liebe auf den ersten Blick, eine uralte Keramikvase von zeitloser
Schönheit stand in meinem Weg, für einen Euro kam sie mit mir. Hab
mich zu Hause beim Vorbeigehen jedes mal an ihr erfreut. Und voller
Elan hab ich an meinem Haushalt noch was gerichtet, der Sanitärputz
- Haken dran, die Wäsche war trocken und aufzuräumen - Haken dran
usw., es hat mir sogar noch zum Bäcker gereicht, da kam mein Mittag
her, ein köstlicher Gemüsekuchen. Auf Arbeit, nach den
Nachrichten vom Freitag, keiner unserer Chefs geht durch,
informiert, beantwortet Fragen, auch vom Betriebsrat niemand da,
kein Aushang am schwarzen Brett, nichts. Wir sollen einfach so
weiter machen, wie Schafe, weitermachen, bis die Reihe an uns ist.
Ich dachte bisher, so was kann man lesen in grauseligen Büchern über
den Kapitalismus, wir können das live erleben. Ich bin wieder
verborgt, arbeite in einer Reihe, da kann ich bedienen aber nicht
rüsten, nun ja, es macht auch nicht viel Sinn da lernen zu wollen,
mittlerweile arbeite ich an vier Stellen, da wird sich das bisschen
Ahnung, das ich an einer hab, wohl bald verlieren, ab dann wird es
egal, wo ich bin. Corona, so scheint es, schleicht sich langsam
aus, die anderen Themen nehmen wieder mehr Raum in den Nachrichten
ein. Zur Wahl kann man viel hören, die U-Boot-Geschichte zwischen
Frankreich und Amerika, da hakt es. Und jede Menge Abschied von
Merkel. Es werden Einzelsätze aus irgeneinem Zeitraum ihres Wirkens
genommen, um haufenweise Thesen zu belegen, wie ihre Ära in die
Geschichte eingehen wird. Mein Eindruck ist, da werden
Medienhäppchen produziert, aus dieser Masse wird sich irgendwann ein
vereinfachendes Ergebnis herauskristallisieren und das wird bleiben.
Dienstag, 21. 9. 2021
Der Höhepunkt meines heutigen AufderWeltseins ereignete sich auf der
Heimfahrt von der Bushaltestelle nach Hause. Es war vorher ein guter
Tag gewesen, vormittags war ich zeitig aus dem Bett gekommen, nach
dem Ritual vom Morgen lief ich schon Punkt Neun im Studio ein,
dadurch war genug Zeit für gutes Training. Es war ein kühler
Spätsommertag, so dass ich das meiste draußen am Tower machen
konnte, manchmal bin ich zum Aufwärmen rein gegangen. Ein wenig an
Fitness fehlt, so dass ich nicht mehr zwei Stunden durchtrainieren
kann, vor Corona ging das ohne weiteres. Egal, hab alles gegeben und
bin zufrieden unter der Dusche gestanden. Die Arbeit fing
kompliziert an, viele Maschinen standen mit Störungen, nach viel
Mühe und Hilfe der Instandhaltung lief allerhand. Die
Halblebigkeiten sind zumeist nur überbrückt, man muss sich noch drum
kümmern. Es gab ein Flugblatt der MLPD zu den Vorgängen in der Firma
inTübingen, das ist zumindest mal eine Schilderung von innen, die
sonstige Quellenlage bleibt sehr dünn, weder Vorgesetzte noch
Betriebsrat haben bisher was verkündet. Sind wir ein
Schrebergärtnerverein? Dann also, die Ansage im Radio, Jazz vor
elf, ein mir unbekanntes Werk mit Pharoa Sanders. Movements von Sam
Shepherd, das Album heißt Floating Points. Es fing so betörend an,
das ich kaum aus dem Auto rauskam. Ich hab schnell was gegessen und
mich vor den Rechner gepackt, auf YouTube gesucht und gefunden und
jetzt entschwebe ich grad der Realwelt, mir fehlt nix und es möchte
ewig so dauern. Der empfindlich, brüchige Ton des fabulierenden
Saxophons mit dieser speziellen Pharoa-Tönung im Kontrast zu
eindringlichen Streichern des London Symphony Orchestra, Musik um
der Musik willen, das geht noch so weiter, drum höre ich hier mit
dem Geschreibsel auf und lasse mich fluten.
Mittwoch, 22. 9. 2021
Mein Vormittag fing gut an, zeitig genug, schließlich wollte ich
laufen gehen. Es kam anders. Ich bin telefonierend in einer
Zeitraffermaschine gelandet, hab mich bei allen kurz gefasst und
trotzdem war die Uhr schneller durch als ich. Da es keinen Sinn
machte, schmollend zu verweilen, hab ich immerhin meine Zeichnungen
aus dem letzten Kurs durchsortiert, die meisten geschrottet und drei
in die Archivkiste geräumt. Herrlich der Griff nach vorhandener Box,
die dem Format Bleibe bieten kann. Vor Jahren lagerte ich so große
Fotodrucke. Um ranzukommen, musste ich allerdings große Fotorahmen
abräumen, wobei sich sofort wieder die Frage nach dem Sinn solcher
Archivierungen stellt. Die großen Bildteile, immerhin 120 cm x 160
cm, wurden einmal gezeigt in einer Ausstellung, für die sie auf
Drängen meines damaligen Kunstdozenten gemacht wurden, stehen
seitdem raumfordernd und nutzlos hier rum und werden nur bewegt für
solch weitere sinnfreie Archivierungen. So geht es in vielen
Ateliers zu, nur dass meist die Einlagerungsfrequenz viel höher ist.
Auf Arbeit, der Chef ging durch und fragte, wie es so geht. Immer
bei einzelnen Kollegen oder Kleingruppen. Immerhin hat er sich
ordentlich den Fragen, meist zu Tübingen gestellt, sie auch in Bezug
auf Münsingen gut beantwortet. Ich hab ihm vorgeschlagen, sein
Statement für unseren Standort zu verschriftlichen und für alle
lesbar am schwarzen Brett aufzuhängen, das würde die Unruhe in der
Belegschaft mindern. Beim Lesen fand ich im Kuckucksnest eine
Stelle, da kam ich aus dem Lachen nicht mehr raus. Zehn Insassen der
Anstalt hatten sich den Freigang erkämpft, wollten mit zwei Ladys
eine Bootsfahrt machen und angeln. Wie es endlich dazu kommt, ist
schon lustig, dann kommt die Angelszene:
Donnerstag, 23. 9. 2021
Nur gelesen, Sport gemacht, gearbeitet. Also nichts erlebt, könnte
man sagen. Sport war Klasse, draußen am Tower in der Sonne, fühlte
sich wie Urlaub an. Auf Arbeit gab es endlich ein Zeichen vom
Betriebsrat, eher von der Qualität, dass kundgetan wurde, wir sind
da und in Funktion, auch wenn wir aktuell gar nichts zu melden haben
außer der Betroffenheit, der übergroßen. Es erschien mir mager, spät
sowieso. In der Pause und auch mal beim Kaffeetrinken gab es einen
Schwätz mit einem befreundetem Kollegen, das ist so selten, wir
begegnen uns sehr wenig, verschiedene Schichtmodelle, da wird es zum
Höhepunkt. Ein Austausch über die Veränderung in der Gesellschaft,
in seinem Freundeskreis seit Corona und der Impfdiskussion, bzw.
auch der Auseinandersetzung zum Klimawandel und der damit
verbundenen nötigen Umgestaltung unserer Leben. Auch über die
Schwierigkeiten, zu argumentieren. Ich erlebe das nur ansatzweise
auf Arbeit, im Freundeskreis oder in der Familie bin ich da gut
aufgehoben, wir folgen doch meist den Erkenntnissen von Wissenschaft
und Fachleuten. Da gibt es auch immer wieder Korrekturen und
Nachbesserungen, weil die Erkenntnisse wachsen, aber mit dem großen
geheimen Plan brauche ich mich nicht auseinandersetzen. Morgen
letzter Arbeitstag, eine Woche Gleitzeitfrei steht an, ich bin
voller Vorfreude.
Freitag, 24. 9. 2021
Zum Sport hat es gereicht, draußen im Sonnenschein, besser geht es
nicht. Es war sogar ganz entspannt, weil ich zeitig genug aus dem
Bett kam. Auf Arbeit wurden wir begrüßt von Leuten der MLPD, die
standen vor dem Tor und verteilten Flugblätter mit dem Bericht von
vergangenem Freitag, als die Schließung einer Abteilung
bekanntgegeben wurde. Das kannte ich schon. War wohl ein bisschen
auch als Wahlwerbung gedacht, aber wer soll MLDP wählen? Ich hab
meinen zweiten Tag als Aushilfe in einer anderen Abteilung
zugebracht. Die Arbeit ist nicht anstrengend, aber man muss
dranbleiben bei dieser simplen Handarbeit. Und es sind zahlreiche
Ungereimtheiten und Unklarheiten aufgetaucht, die den Ablauf
behindern, Nachfragen erforderlich machen, weil es schlecht
organisiert ist. Es stehen falsche Angaben in Arbeitsplänen oder
keine Angaben, für die Aushilfen, die ständig wechseln, gibt es
keine guten Einweisungen, der junge frisch ausgelernte Kollege, der
selber relativ neu da ist, kämpft sich wacker durch, aber sichere
Prozesse sehen anders aus. Ich war nicht überrascht von diesen
Verhältnissen. Und jetzt ist es soweit, ich bin im Frei gelandet.
Freue mich auf´s Lumpern, auf Ausfühlichkeit beim Lesen oder
Sportmachen, ich kann den neuen Rechner einrichten und und und.
Samstag, 25. 9. 2021
Mit Ausschlafen fing es an, gründlich. Der Tag begann spät, ich fand
es herrlich, musste sogar mit der Anfechtung kämpfen, einfach im
Bett zu bleiben. Naja, das war schnell entschieden, ein bisschen
genießen und auf geht´s. Lesen zm Frühstück, das Kuckucksnest ist
fertig, ich hab es hochzufrieden weg gelegt. Sehr kluge
Gesellschaftsspiegelung, Vorführen von Macht und Machtgefälle,
zeitlos gültig, wir Menschen sind so. Ein nächstes Buch angefangen,
von Laurence Cossé "Der Zauber der ersten Seite", von 2009.
Da hat mich der Titel angesprochen, schließlich bin ich auch ein
Leser. Der Anfang ist gut erzählt, es passieren allerhand Unglücke,
ich weiß noch nicht. Irgendwann fing es an mich zu stören, dass
noch gar keine Bewegung vorkam, so hab ich rausgeschaut, die Sonne
gesehen und die Laufschuhe drangeschnürt. Über die Neckarwiesen bis
Hirschau, über Wurmlingen zurück, ergab 12 km, nicht schnell, es war
sehr warm. Am Ende war ich froh, dass ich es geschafft hatte, der
Asphalt der Feldwege strahlte richtig Wärme ab. Unterwegs fand ich,
aufgesprüht auf dem Asphalt in die Anonymität der Weitläufigkeit
hinein die Frage "Macht Impfen frei?". Da hatte ich für den Rest
desWeges was zu denken. Man könnte auch fragen, "Macht Impfen
schönes Wetter?", das wäre eine ähnlich sinnfreie Äußerung, oder
"Macht Impfen unfrei?". Beim Umkreisen dieses Satzes, des
urprünglichen, kam mir noch die Fragestellung, "Macht Impfen
gesund?". Ich glaub, alles nicht. Stünde da, "Kann die Impfung einen
schlimmen Verlauf der Covid19Erkrankung verhindern?", das wäre mal
eine sinnvollere Frage, die man beantworten könnte. Nach derzeitigem
Erkenntnisstand zumeist. Warum erkennt der des Schreibens Mächtige
nicht die Sinnfreiheit seiner Formulierung, bzw. will er was ganz
anderes damit ausdrücken? Vielleicht zählt er all die Geimpften zu
den uninformierten und unmündigen Bürgern und will uns klarmachen,
wir seien nicht ganz richtig. Und wie sollte ich mit ihm, dem
Formulierer umgehen, stellte er mir die Frage konkret und
persönlich. Soll ich ihm die Klinikbelegungszahlen erläutern, das
Verhältnis von geimpft zu ungeimpft, wahrscheinlich will er das
nicht wissen. Soll ich ihn darauf hin einen Ignoranten nennen, da
wäre unser Gesprächsversuch auch schnell zu Ende. Wir landen an
dieser Stelle in einer Zweiklassengesellschaft, und zwischen diesen
zwei Lagern gibt es einen immer sich vertiefenden Graben der
Gesprächslosigkeit, der Unfähigkeit, sich zu verständigen. Da beide
Lager die Ursache dafür jeweils dem anderen zuweist, entsteht
keinerlei Entkrampfung, auch keine Bewegung. Weiß irgendwer auf der
Welt einen Lösungsansatz, oder bleiben wir verstritten, quer durch
Familien, Freundeskreise, das werden dann ehemalige, durch vormals
funktionierende Gruppierungen. Es kommt mir vor wie die Suche der
Alchimisten nach Gold, die Suche nach dem Stein der Weisen, wegen
mir auch dem Heiligen Gral. Dort ist der Ausgang bekannt.
Sonntag, 26. 9. 2021
Seit 18 Uhr wird gezählt, das Ergebnis klingt nicht nach Neuanfang,
eher nach Weiterso. Das wäre nicht gut. Die unbestellten Felder
würden weiter brach liegen, deren gibt es viele. Eine große
Koalition hätte eine große Gestaltungsmacht, die haben 16 Jahre
verstreichen lassen. Warum der Wähler da so ängstlich auf
Ruhighalten kreuzelt, wo wir wissen können, der ganze Mist fällt uns
paar Jahre später umso heftiger auf die Füße, verstehe ich nicht. Im
Heute gibt es noch Gestaltungsspielraum, in vier Jahren oder später
??? Ein Wort noch zu den Medien: In den letzten Tagen sollten wir
auf allen möglichen Portalen Frau Merkel anschauen, die anscheinend
grad von einem der sie belagernden Sittiche gebissen wird. Dabei
macht sie ein Gesicht, von dem ich nicht wöllte, dass es in der
Zeitung kommt. Die journalistische Leistung dabei ist nahe Null. Den
Nutzen dieser Darbietung kann ich nicht erkennen, mich verärgert die
Unanständigkeit der Hetzenden Meute. Sind das die, die dann über die
Gaffer bei Unfällen o. ä. herziehen?
Montag, 27. 9. 2021
Nebenher muss ich noch sagen, gestern bin ich in Bad Reichenhall
angekommen, paar Tage sind geplant mit der Enkelfamilie. Die Fahrt
ging schrecklich los, ich kam schon kaum auf die Autobahn und fuhr
die ersten hundert Kilometer von Stau zu Stau. Dabei waren
noch nicht mal LKWs auf der Strecke. Irgendwann lief es flüssiger,
die zweite Hälfte ging schnell. Die Kinder waren anfangs sehr
vorsichtig und zurückhaltend, irgendwann entspannte sich das. Sie
haben die ersten Tage Eingewöhnung in der Kindertagesstätte und sind
da etwas gestresst, weil alles anders ist als zu Hause. Die Eltern
sind ja noch dabei, ein Glück, ab heut war es nur der Papa. Morgen
soll die Trennung probiert werden, mal sehen. Mittags kamen sie
heim, haben noch was gegessen, ich war der Füttermeister. Das ging
schon sehr gut, anscheinend bin ich noch vertrauenswürdiger als die
Menschen im Kindergarten. Nach dem Mittagsschlaf hatten wir eine
Spielrunde, mit Holzbauklötzern und Steckspielen, das geht viel
besser als beim letzten Mal, die Türme werden höher und bleiben
länger stehen. Ich hab auch meinen Spaß. Vor dem Abend gab es eine
Wiesenspielrunde, jedes Stöckchen wird hergezeigt und die Blümchen
und die Vögel und die Flugzeuge, alles so interessant. Abends hab
ich eine Runde Sportstudio eingeschoben, mittlerweile sind die
Verhältnisse unkompliziert, ich brauchte nicht mal den Impfnachweis
vorzeigen. Rein und raus mit Maske, sonst alles wie vor Corona, paar
Schilder weisen auf Abstand hin, duschen soll ich einzeln, da sind
nur zwei Plätze, alles easy. In meinem Hotel sollte ich den Nachweis
vorlegen, ab da war alles klar, die Vorschriften von Test und
Anmeldung sind für mich erledigt. Lesen: In der NZZ jede Menge
Einschätzungen der Wahlergebnisse, wieso im Osten die AfD so viele
Stimmen kriegt, versteh ich nicht. Wenn ich´s mal böse sagen will,
als ob da Dumme Dumme wählen. Lesen: Das Buch wird immer besser,
die Anschläge auf drei Autoren wurden auf den ersten Seiten
abgehandelt, darauf folgend wird die Geschichte der Gründung eines
Komitees namens "Der gute Roman" erzählt und dies klingt mir so
sinnig und logisch erzählt, dass ich am liebsten immer weiter lesen
würde. Das mach ich auch gleich.
Dienstag, 28. 9. 2021
Die Zeit war knapp, dies Gejammer kennt ihr schon. es hat nicht
gereicht zum Lesen, dafür war ich ziemlich beschäftigt. Vormittags
sind ja neue Zeiten angebrochen, die Kleinen werden professionell
beschäftigt und lassen es immer mehr zu. Die erste Trennung von
beiden Eltern hat funktioniert, mittags kamen recht müde Kinder zu
Hause an. Da gabs noch etwas zum Mittag, so bisschen nachgefüttert,
vielleicht mehr zur Beruhigung der Eltern, der Mittagsschlaf fing
reibungslos an. Ich hatte die Gelegenheit genutzt und war laufen,
hier in dieser schönen Landschaft. Bin an der Salach bis zum
Auenland, auf der anderen Seite zurück, und fand auf einem Dammweg
ein paar Blütenstengel, die ich noch gar nicht kannte. Der
Sommerwurz, ein Vollparasit, der sich auf jeweils eigene Pflanzen
spezialisiert hat, so gibt es den Efeu-Sommerwurz, den
Sonnenblumen-S., den Salbei-S. usw. Ca 100 Arten, und bisher kannte
ich keine einzige. Außerdem waren manchmal die Berge zu sehen, die
Gipfel in Wolken, alles sehenswert, am Ende hatte ich reichlich zehn
Kilometer zusammen. Nachmittags war Kinderbaden angesagt, ging
schnell und gut und ohne Geheule wie früher. Das Wetter wurde immer
besser, wir sind alle zusammen in den nahen Park spaziert, das erste
Mal überhaupt mit den Kindern an der Hand, ohne den Wagen, das geht
langsam, aber nicht, weil sie so langsam laufen, sondern weil es
ständig was zu sehen und zu zeigen gibt, bei den kleinen Steinlöwen
müssen wir anhalten, auch an der Kehrmaschine, das sind die ersten
dreißig Meter. An der Ampel muss man sie gut festhalten, sie wollen
nicht warten, jedes Auto muss angezeigt werden. Zum Glück ist der
Park nicht weit, dort ist kein Verkehr, Hunde dürfen auch nicht
rein, es ist ein Kurpark, da entspannt es sich. Die Kleinen nutzen
das volle Gelände, alles ist interessant, weil plötzlich erreichbar.
Lustig war die große Treppe am Kurschloss, da mussten sie hoch und
runter und immer wieder und wir müssen das natürlich alles
mitmachen. Wer führt da wen aus? Abends Sportstudio und das hier,
und schon hatte der Tag keine Stunden mehr.
Mittwoch, 29. 9. 2021
Die Nacht verging mit einer eindrucksvollen Demonstration, wie so
kleine Lebensformen wie die Influenzellerie geschwind für ein
Schachmatt sorgen können. Ich merkte schon am Abend, dass es so
kommen wird. Ich glaube, es kam über ein Kind, die Mutter hatte
einen mühsamen Tag, dann auf mich. Am Morgen hatte ich meinen Vorrat
an Papiertaschentüchern fast aufgebraucht, nach dem Frühstück holte
ich mir ein Mittel aus der Apotheke, das erleichterte die nächsten
Stunden ungemein. Da ich so selten was davon nehme, ist die Wirkung
fast wie Zauberei. So bin ich halbwegs über den Tag gekommen,
nachmittags gab es sogar noch eine dieser Spazierrunden mit tapfer
marschierenden Kindern. Abends hab ich den Sport weg gelassen und
vor mich hin geruht und hoffe, morgen ist der Zinnober nicht mehr
schlimm. Dafür konnte ich abends ein Kind in den Schlaf hutschern,
das war wie ein kleiner Trostpreis.
Donnerstag, 30. 9. 2021
Als wäre es ein böser Spuk gewesen, so war heut alles wieder
richtig. Es kratzt noch etwas im Hals und manchmal brauch ich
schnell ein Taschentuch, aber der Kopf ist in Ordnung, soweit man
das bei meinem Zustand behaupten kann. Vormittags haben wir an
verschiedenen Haushaltreparaturen Zeit verbraucht, es reichte noch
für einen kleinen Lauf. Im Wald fand ich die Alpenveilchen, die sind
hier häufig und kommen grad erst zum Blühen. In unserer Gegend sieht
man sie nur im Blumenladen. Ein guter Bericht kam aus dem
Kindergarten, nach anfänglichem Stress ging alles gut, anscheinend
wird es schnell besser mit dem Eingewöhnen. Die Kleinen kamen recht
erledigt heim, nach dem Mittagsschlaf waren sie wieder fit, und wir
sind raus zur Parkrunde. Sie laufen wirklich schön, und wenn sie mal
hinfallen, geht es glimpflich ab, sie weinen wenig und nicht lange,
zu Hause fanden wir die aufgeschrappten Knie bei beiden. Das wird
heilen, der Spaß, selbst hinter einer großen Krähe herzulaufen ist
groß genug. Da sie noch nie so lang auf eigenen Füßen unterwegs
waren, hat sie beim Essen fast die Müdigkeit überwältigt, das
Einhutschern zum Schlafen ging sehr schnell. Für mich ist das sofort
sinnstiftend, wenn ein Kind in meinen Armen erschlafft und
einschläft. Das Buch vom Zauber der ersten Seite hält den Zauber
über lange Strecken, ich bin in der Mitte und freue mich mit am
unerwartet großen Erfolg des Buchladenprojektes vom guten Roman. Das
Buch erreicht mich dermaßen, dass ich mich frage, ist es vielleicht
extra für Gerneleser konzipiert. Jedenfalls freue ich mich auf die
zweite Hälfte. Aus den Nachrichten: YouTube will die Inhalte von
Impfgegnern sperren. Will gegen Fake News und Hass im Netz vorgehen.
Eigentlich eine gute Nachricht. Nur wird das nicht funktionieren. Um
Nutzer bei der Sache zu halten, sind die Algorithmen zum
Weiterleiten und Empfehlen von Inhalten erdacht, das ist das
Geschäft der Webanbieter. Je länger ein Nutzer zuschaut, um so mehr
Werbung sieht er, umso mehr Geld ist verdient. Je erregender die
Inhalte sind, je individueller die Empfehlung ist, ... . Das Angebot
in alle Richtungen ist da, wenn aber ein Impfgegner auf die
Korrekturen seiner Ansichten stößt und nicht auf deren Bestätigung,
hört er auf zu schauen. Das Ungeheuer ist von der Leine, ohne dass
ein kundiger Dompteur bereitstünde.
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