Samstag, 1. 5. 2021
Der Mai ist gekommen, gestern hatte ich einen Plan gemacht,
wollte putzen und Wäsche waschen und kopieren gehen für die
Amtspost, Kleinigkeiten einkaufen. Also geplant wie ein Analphabet,
ich hatte den Feiertag nicht im Kopf. Auch vormittags war ich voller
Elan, zuerst sollte sich Sport am Tower mit dem Lauffreund ereignen.
Trotz trübem Wetter mit wenigen Regentropfen war das in dieser
Gesellschaft angenehm nach den vielen Solorunden. Wir haben
natürlich auch geschwätzt, aber auch vorgeführt, was noch geht,
nachdem wir beide nicht mehr so viel Zeit setzen können. Noch auf
dem Heimweg war ich in der Planung, wo gehe ich zuerst hin, da
stelle ich fest, alles zu. Schon deppert. Zu Hause hab ich meinen
Zettel genommen und weggelegt, und sofort angefangen, den Feiertag
zu genießen. Mittag gab es aus meinem Vorrat, Lesezeit reichlich,
bisschen telefonieren, ansonsten frei, Kaffee trinken und lesen,
weiterlesen und am Rechner was. Dazu läuft jetzt schon das
Abendkonzert auf SWR2, heute die Russen, Rachmaninow und
Tschaikowski, alles sehr hörenswert. Vom Berliner Freund kamen
Maiengrüße, ich hab gedacht, was für eine schöne Geste. Ich soll den
Mai genießen, werde das tun, und dabei auch an ihn denken.
Sonntag, 2. 5. 2021
Morgens wie ein richtiger Sonntag, ausgiebig frühstücken und lesen,
die pure Unterhaltung, gute Unterhaltung, in der manch Wissenswertes
aus der Zeit um 1780 zum Vorschein kommt, auch für Erkenntnis sorgt.
Von Wolfram Fleischhauer, "Das Buch in dem die Welt verschwand".
Diesem Titel hätte ich ein Komma verordnet, aber vielleicht gibt es
seit der Rechtschreibreform auch eine Vorschrift für Titel, die ich
nicht kenne, ist ja auch egal. Nachdem ich mich trennen konnte, habe
ich meinen Haushalt geordnet, meine Sachen gepackt und bin nach
Bayern gefahren. Die Coronaregeln geben es her, ich darf. Die
Autobahn war wieder herrlich leer, gar kein Stau weit und breit, es
ging schnell rum und als ich da war, wurde ich freundlich von meinen
kleinen Enkeln begrüßt. Diesmal ging es ganz einfach, kein Fremdeln,
nicht mal eine kleine Zurückhaltung, fast könnte ich meinen, sie
kennen mich jetzt. Können sie mich schon kennen? Ich weiß nicht,
jedenfalls spielten wir sofort los. Abends im Hotel wieder kein
Netz auf meinem Rechner, ich ignoriere das und schreib mal was
zusammen, zu Hause kann ich dann laden.
Montag, 3. 5. 2021
Schöner Tag mit der Familie, ausgiebiger Spazierweg mit Sichtung der
Wasseramsel, des Zweiblattes, der Einbeere, des Zaunkönigs und der
Mönchsgrasmücke, gleich drei Pärchen. Zeitweise ritt Johannes
auf meinen Schultern, herrlich seine Freude dabei. Leider abends
schwieriges Einschlafen, dadurch gewisse innere Mattigkeit. Morgen
auf ein Neues.
Dienstag, 4. 5. 2021
Wundervolles Frühstück in meinem Hotel, die Monteure und
Dienstreisende sind schon durch, wenn ich um sieben erscheine,
dadurch hab ich alle Zeit, lesend zu frühstücken. Mit der Mutter
ging es auf Stadtgang durch mehrere Parkanlagen, die Kinder haben
gut geschlafen, wir konnten in Ruhe die schönen Bepflanzungen
anschauen. Im arabisch türkischen ObstundGemüseladen gab es Mispeln,
köstlich, und frische Datteln, und Cherimoya, mir völlig unbekannt.
Bin gespannt. Mittags- und Spielrunde zu Hause, dann wieder raus,
die große Runde an der Saalach. Im Wald schlafende Kinder, dafür
rappelnde Schlangen und Mäuse, das Zweiblatt mit Blütenstand, das
Knotenbeinwell und den Anfang vom gelben Eisenhut, auch
Leberblümchen und Lungenkraut. Heimzu aufachende Kinder, die
fröhlich in die Welt krakeelen. Das Abendprogramm war ganz ohne
Stress, am Ende schliefen die beiden Kleinen und wir konnten in
aller Ruhe essen und bissle reden. Es entstehen all die Tage Fotos
und Videos mit den Kindern, jetzt bin ich da mit drauf, das ist
ungewohnt. Bisher war mir ganz klar, die Kinder werden gefilmt,
junge Menschen filmen sich selbst und ihresgleichen, dass ich
vorkomme, ist mir noch ungewohnt. Da schaue ich mir staunend zu, wie
so ein Opa aussieht. In den Nachrichten, die Zahlen gehen endlich
mal spürbar runter, die Impferei läuft endlich gut, d. h. zahlreich,
das sind mir gute Aussichten. Die Politik denkt über Lockerungen
nach, ehe die Gerichte das beurteilen müssen, find ich auch richtig.
Nur dass der König Söder wiedermal am lautesten quakt, nachdem er
vor zwei Wochen in die andere Richtung wollte, kommt mir vor, als ob
er uns alle für plemplem hält. Was für ein unsymphatischer Wicht.
Mittwoch, 5. 5. 2021
Unter grauem Himmel sehen blaue Vergissmeinnicht mit weißen Tulpen
in beetgroßer, nein, fußballfeldgroßer Anordnung, betörend schön wie
ein abstraktes gelungenes Bild aus. Ich habe den Obergärtner vom
Staatsbad Reichenhall im Verdacht, nebenher ein verspielter Künstler
zu sein. Geld spielt keine Rolle, die Lust auf Ausprobieren bringt
schöne Ergebnisse. Beim Nachdenken darüber kam der Regen, wir
schoben die schlafenden Kinder noch rundenweise im Gradierwerk, da
ist ein Dach über den Wandelgängen und von zehnmeterhohen
Rieselwänden tropft Salzwasser und macht die Kurluft. Ob das den
Coronaviren zu salzhaltig ist. Der Kurbetrieb ruht jedenfalls. Zu
Hause Kinder füttern, bespielen, miteinander lustig sein, mit
Holzklötzern spielen, im Laufschiebwagen das Laufen ausprobieren, da
fehlt nicht mehr viel. Die Lautsprache, mit der wir quackeln, wird
umfangreicher nicht nur im Duktus, auch in der Modulation, da lernen
wir Großen allerhand dazu, die Kleinen kommen irgendwann sowieso ins
Sprechen. Herrlich auch, wenn sie unter einem Stuhl durchkrabbeln,
die Querstreben sehen und jeweils den Kopf einziehen. Nur das
Einschlafritual ist anstrengend und zeitaufwändig, da wünsch ich mir
manchmal einen Zauberstab.
Donnerstag, 6. 5. 2021
Im Hotel noch mal frühstücken und sich um nix kümmern müssen. Nur
rantreten, natürlich mit Maske und Handschuhen an desinfizierten
Händen, sich auftun von vielen Käsesorten und geschnipfeltem Gemüse
und Süßspeise und Obstsalat, alles aufessen, der Kaffee kam an den
Tisch, satt aufstehen und gehen. Nicht, dass ich es immer so haben
wöllte, aber ab und zu ist es sehr angenehm. Ein Spaziergang mit
den Kindern, raus zum Stadtrand, dabei Häusr anschauen, von denen
manches zum Verkauf steht, alte, große, schöne Häuser. Ein Forsthaus
von ca 1750 am Waldrand gefiel mir am besten, ein riesiger Garten
mit alten Bäumen, man kann ja Träume haben. Mittags ins Auto, die
Rückfahrt ging gut, kein Stau, immer mehr Regen. Man sieht nicht
gut, wenn das Wasser so aufwirbelt durch das schnelle Fahren. Als
ich gut daheim ankam, hatte ich schon einen Kuchen dabei, Belohnung
für gut fahren. Eigentlich wollte ich mit dem Sport starten, aber da
war soviel Regen, hab ich es gelassen und mir Lesezeit und Planung
für morgen gegönnt. Im Auto hab ich dauernd Nachrichten gehört,
dabei wird mir deutlich klar, ich bin erschöpft und dünnhäutig von
dem Coronamist. Das Impfen geht gut voran, die Zahlen bessern sich,
trotzdem dauert es noch mindestens zwei Monate, bis halbwegs
normales Leben zurückkehrt. Manchmal, wenn ich von Indien höre oder
von anderen Ländern, wo die Mittel zur Impfung nicht einfach
bereitgestellt werden können, denke ich, wie gut uns das hier geht.
Es läuft einfach, wir haben trotzdem viel zu meckern. Also, jetzt
noch in guter Haltung und ohne vorzudrängeln das letzte Stück von
diesem seltsamen Weg.
Freitag, 7. 5. 2021
Bestimmt mache ich was falsch. Eigentlich habe ich diese Woche
Urlaub, ok, die ersten Tage war ich verreist. Dadurch war allerhand
liegengeblieben. Ich hatte gestern alles aufgeschrieben und da schon
gesehen, es ist aussichtslos. Aber der Anfang ist gemacht. Das Bett
lockt mit neuer Bettwäsche, die Bude ist geputzt und geblinkert, der
Einkauf ist im Kühlschrank, zumindest teilweise, das Klopapier
lagert zugriffsbereit im richtigen Örtchen, eine Standardrunde ist
gelaufen, danach gab´s die Dusche, allerhand Kopien sind
vorbereitend für die Post, die kommt morgen dran, gemacht, steht
schon auf dem Zettel. Kurz an den Urlaub denken, Kaffee trinken,
eine neue Kuchensorte war überraschend gut, beim Lesen umsteigen.
Morgens hatte ich den Fleischhauer ausgelesen, war ganz
unterhaltsam, allerdings wurden die Weltentwürfe, um die gerungen
wurde und um die sich die Geschichte rankte, nicht plausibel
vorgestellt, es blieb alles arg im Ungefähren. Viele Begriffe, die
Rosenkreuzer, Lichtbringer, Illuminaten, Freimaurer waren einfach
vorhanden, als ob ich sie alle kennen müsste. Tu ich nicht, sollte
ich? Die Handlung läuft halbwegs durch trotz mancher
Ungereimtheiten, wenn man sich unterhalten lassen will ohne
hinterher schlauer sein zu wollen, tut es halbwegs, auch dank eines
kleinen zierlichen Rahmens. Zum Nachmittag fing es mit Franz
Hohler an, Erzählungen zusammengefasst unter dem Titel "Die blaue
Amsel". Da hab ich die ersten gelesen und war sehr angetan. Kleine
unaufgeregte, sehr genaue und manchmal überraschende Beobachtungen,
auch Gedankenwege. Sehr kurze Stücke, manche nicht mal eine ganze
Seite, kein Wort zuviel, meisterhaft. Da freu ich mich auf mehr. Er
hat noch einen anderen Titel, der da lautet "52 Wanderungen", das
war wie eine Anregung, dies Amselbuch zu lesen, und zu jedem der 40
Stücke eine parallele Geschichte zu erzählen und was über das
Erzählen zu lernen. Ich glaube, da entsteht gerade das Projekt nach
diesem Coronatext. Eine Runde am Tower hab ich geschafft, ist mir
wichtig, da die Tage vorher ohne Sport waren, in der Abendsonne war
es vergnüglich. Zumal nebenan die Volleyballer trainierten, die
Drittligaherren. Da konnte ich in meinen Pausen manch schönen
Ballwechsel bewundern. Ab acht wurde es kalt, ich hab noch ein wenig
das Jonglieren versucht, fehlt auch die Routine, außerdem wurden die
Hände schnell kalt. Den Sonnenuntergang fand ich dermaßen schön,
da hab ich eine Spazierrunde angehängt, bin in die Höhen von
Rottenburg marschiert. Ab und an hörte ich in der Ferne, ja, was?
Sprechgesang, oder Fußballanfeuerung, oder Demoparolen, es wurde
nicht klar. Ich wunderte mich, weil so was lange nicht zu hören war.
Am Ende führte mich mein Rundweg zur Lösung. Versteckt in
verlassenem Gelände war es eine Gruppe von Halbwüchsigen, geschätzt
15 Jungs, die Musik hörten und eine lustige Geselligkeit am Laufen
hatten, sie hatten wohl Gehörtes mitgesungen. Als ich mitten durch
die Gruppe laufen musste, wurde ich freundlich gegrüßt, wohlerzogene
Buben versuchten ihr soziales Leben aufrechtzuerhalten. Viele
Möglichkeiten sind ihnen nicht geblieben.
Samstag, 8. 5. 2021
Könnte anfangen wie gestern, mit einem kleinen Unterschied, ich
konnte mir dabei zuschauen, wie mir die Zeit vergeht, mein Eindruck
ist, ich bin kein guter Planer. Der Zettel war voller Vorhaben, der
Tag hat deswegen nicht eine Minute mehr. So reichte es wieder nicht.
Ok, das ist ja nix Neues, es scheint aber eine notorische
Selbsthinterslichtführung stattzufinden. Ich glaube immer auf´s Neue
daran, wenn es auf dem Zettel steht, muss es auch klappen. Nach
einem gemütlichen Morgen mit Franz Hohler, dessen Erzählungen fast
alle in mir drinnen ankamen, war ich mit dem Läuferfreund am Tower
verabredet. Richtig Sonne, wir haben die T-Shirts beiseitegelegt und
Michi hat seinen schönsten Handstand vorgeführt. Mit wackeln und
weiterlaufen und neu austarieren, so blieb er lange oben, ich hatte
zu Staunen. Er hat noch mehr in der Entwicklung, sein L-Sit ist
schon ein V-Sit, wird demnächst diese unglaubliche Mannafigur, nehm
ich mal an. Derweil übe ich brav meine Routinen, das ist nicht
schlecht und auch nicht schlimm, aber dieses Entwicklungspotential
hab ich nicht mehr. Nach zwei Stunden, sogar ein bisschen jonglieren
passte rein, war es genug, zu Hause bestätigte sich das, es gab den
Anfang einer Sonnenbrandrötung. Mittag aus dem Frost, eine
vielfältige Gemüsereispfanne mit lauter leckeren Einzelheiten. Die
Post hab ich fertiggemacht und liegengebliebene Überweisungen
getätigt, so dass keine Katastrophen passieren sollten. Post
wegbringen ließ sich verbinden mit Stadtgang, da gab es Kaffee und
ein süßes Teil, und dem Gang zum Bücherschrank. Fünf Bücher hin,
drei wieder mit, so hält mein Stapel, nein anders, so halten meine
Stapel mindestens hundert Jahre. In aller Eile die Birne kahl
rasiert, beim Friseur brauch ich Anmeldung und Test, ich hab nun ein
Ergebnis ohne Raffinesse, das aber nichts gekostet hat. Der Lauf
stand an und war mühsam, von gestern kam ein Muskelkater, die ewige
Zerung meldete sich, ich hatte ein paar Gehpausen, bin aber
durchgekommen. Unterwegs die blühenden Apfelbäume, die duftigen
Wiesen, viele Insekten, bin richtig in Schwärme reingelaufen, das
viele frische Grün beruhigt, beglückt mich völlig. Noch ungeduscht
telefonieren, der Freund in Berlin, wir hatten den Abend verabredet.
Da wir länger nicht geschwätzt haben, vergingen uns höchst
vergnüglich beim Hinundhererzählen anderthalb Stunden. So kann´s
gehen. Duschen, Essen Texten, Mails anfangen zu lesen, hatte paar
Tage keine Lust, dafür warten jetzt über hundert. Und schon schlägt
es zwölf.
Sonntag, 9. 5. 2021
Ein fauler Tag, ich litt an Lesesucht und derbem Muskelkater, so
ließ ich den Sonntagslauf weg und las, gestern hatte ich eine
Michelangelo-Biographie angefangen, die von Irving Stone. Schon auf
den ersten Seiten sind im Duktus von "So war es" Handlung und
wörtliche Rede wiedergegeben aus dem 15. Jahrhundert. Bei jedem Satz
stand mir die Frage, wieso hat er nicht relativierende Abstandhalter
eingebaut, die sagen "So könnte es gewesen sein", das erschwert mir
das Lesen. Nun ist das Buch von 1973, ich denke, andere haben das zu
der Zeit besser gehändelt. Mal sehen, wie weit ich komme, der Inhalt
interessiert mich doch. Den Kaffee bekam ich in guter Gesellschaft
kredenzt, dazu gab es Kunst zu schauen und Gespräch darüber und über
den neuerlichen Grobsatz des Herrn Palmer. Über Cancel Culture und
meine Erfahrungen damit. Ein gutes Gespräch. Und schon wurde es
wieder knapp mit der Zeit, heimgehen, den Test machen, da die erste
Nachtschicht ansteht, nebenher schnell den Text raushauen,
vorbereiten der Futteralien und Klamotten für nachts, 20:30 Uhr ist
Abfahrt. Test negativ.
Montag, 10. 5. 2021
Schlafen am Vormittag, der Wecker kingelt um eins,
Alltagsbewältigung, also nachmittags frühstücken, den ganzen Kram
richten, so schnell es geht, damit Zeit zum Laufen ist und für den
Text. Laufen in den Frühlingswald, am blauroten Steinsamen vorbei
und am Knotenbeinwell, das gibt es hier auch, 11 km in gerade noch
akzeptablen Schnitt. Die Höhenmeter zählen mit. Beim Padeffkebäcker
die Angebote probieren, gutes Brot und schöne Weckle und Kuchen für
den kleinen Preis, man kann mich so locken. Zabra kadabra macht der
Tag und ist schon rum, d. h., jetzt schnell für die Nachtschicht
vorbereiten und dann zum Bus. Für die Bilder ist wieder keine Zeit,
morgen?
Mittwoch, 12. 5. 2021
Unvollständig, werdet ihr denken, der Dienstag fehlt. Ich habe ihn
der Erholung gewidmet, dem Müßiggang, und es hat mir gut getan. Da
es regnete, fand kein Sport statt, ich habe auch gar nichts
Nützliches vollbracht, saß trotzdem zufrieden hier und las und war
ein wenig am Rechner belustigt. Dafür heut. Trüb und trocken am
Nachmittag, Laufwetter, ich bin raus und hab so meine Freude gehabt
am kriechenden Günsel, der ganz aufrecht steht, ich glaub, er
vermehrt sich durch kriechende Sprossen, und am Grün des frisch
austreibenden Buchenlaubes, das macht die Luft so mild und das Licht
ganz weich. Da kann ich durchlaufen und denk, besser geht es nicht.
Einen Handwerkertermin hab ich geschafft, ein Angebot bekommen, das
bedenkenswert ist, einkaufen war ich, hatte kein Obst mehr, jetzt
gibt es Heidelbeeren und Äpfel zum Naschen. Kaffee und ein süßes
Stückle, als Belohnung nach dem Lauf, sogar noch Zeit für dies hier,
bevor es zum Schichtbus geht. In den Medien wird gerade die
Inflation am Horizont gesichtet, sicher wird sie in den nächsten
Wochen gänzlich herbei geschrieben. Als Folge der Staatsverschuldung
durch Corona dürfen alle sich wichtig nehmenden
Wirtschaftsprofessoren erläutern, es geht gar nicht anders außer
durch Infation, Währungsreform, andere Formen der Enteignung, also
Steuererhöhungen, den Staat wieder in Form zu bringen. Als ob uns
die vorhandenen Ängste nicht reichen würden, als ob
Staatsverschuldung eine neue Katastrophe wäre. Ist der Blick auf
eine Kategorie so, das er die anderen Sachlichkeiten beendet?
Wissenschaftler sollten das mitbedenken können. Und Medien sollten
nachdenken über die Folgen solcher großgeschriebener Propheterie.
Donnerstag, 13. 5. 2021
Bin am Umsteigen aus dem Nachtbetrieb ins Normale. Früh ins Bett,
nach der Schicht, vor lauter Freude, dass es die letzte war, nicht
schlafen können, immer weiter gelesen, das Buch, obwohl es tut, als
wäre es von einem Augenzeugen erzählt, entwickelt einen Sog. Oder
mach ich das dazu, das Leben des Michelangelo interessiert mich
brennend, eigentlich suche ich nach der Erklärung für diese solitäre
Begabung, die Familie ist es nicht und nicht das Umfeld, es scheint
alles in diesem Bürschchen zu stecken, der Antrieb, es in Marmor zu
hauen, gleíchzeitig die Erkenntnis, dabei thematisch gründlich
vorzugehen, er will keine Dekoration herstellen. Mit 15 schon kann
er besser zeichnen, als alle in seiner Umgebung, mit 18 liefert er
die ersten Reliefarbeiten und die erste freistehende Skulptur. Nicht
irgendwelche Versuche, sondern heute noch in der Kunstgeschichte
vorkommende Ereignisse. Da ist der David noch in weiter Ferne.
Eigentlich wollte ich nur einen Kurzschlaf einschieben, dann
ging es länger, hab nichts verpasst, sondern war am frühen Abend,
als es endlich nicht mehr regnete, raus zum Tower. Nebenan wieder
Volleyballtraining, U18-Jungs, also wunderschöne Ballwechsel,
diesmal vom Trainer besprochen, dadurch erschloss sich mir, der ich
nicht spielen kann, manche Finesse. Mein Programm hab ich
durchgebracht, mich wieder geärgert, dass die Form, wenn ich nicht
dranbleiben kann, so schnell schlechter wird. Was soll´s, Leben ist
grad so. Die Nachrichten sind voller Mitteilungen über
Lockerungen, die aber an Inzidenzzahlen gebunden sind. Es soll dies
und jenes aufmachen, aber eben nicht hier und nicht jetzt. Die
Politik, die das beschließt, ist wohl auf der Flucht vor dem Wähler
und will ihn besänftigen mit schönen Aussichten, ich finde das
misslungen, bin eher verärgert, weil ich eh im Kopf hatte, bis wann
sich noch nichts zum Guten regen kann. Andererseits tun mir die
Verantwortlichen auch leid, sie sind Getriebene und Reagierende,
gehetzt von immer neuen Verläufen, Erkenntnissen und Anforderungen.
Ich wöllte nicht tauschen.
Freitag, 14. 5. 2021
Ein freier Freitag, wie ich ihn genossen hab. Morgens langsam in
Gang kommen, kauend über Michelangelo lesen, dann kam eine Nachricht
rein, wir machen was am Tower. Hab also den Haushalt geruckelt, und
wir trafen uns um elf, die Sonne schien uns freundlich an. Michi´s
Handstände und die Anfänge der Human Flag, alles immer noch weiter
und schöner als je zuvor. Ich mit meinem Rumpelprogramm daneben, nun
ja, was soll man sagen, ich bin ein Spätlernender. Später kam noch
die junge Frau dazu, die ich schon kenne, die auch so schöne Sachen
kann. Dann noch zwei Jungs, die noch nicht allzu weit vom Anfang weg
waren, da kam ich mir wieder besser vor. Eigentlich Wurscht. Nach
zwei Stunden und aller Ausführlichkeit ging ich zufrieden heim,
duschen, essen, aufräumen, bzw. wenigstens den Platz zum Sitzen frei
räumen, es war Besuch angekündigt. Bücher, angefangene Briefpost,
jede Menge kleine Aufgabenstapel, jeweils Plan und Prospekte oder
ausgeschnittene Artikel usw vom Tisch räumen, an dem wir sitzen
können, ich hab gedacht, was ist nur aus mir geworden, das normale
Sozial- und Wohnalphabet ist irgendwie von mir gegangen, und wenn
mal jemand hierher kommen will, muss ich die Reste in mir
zusammensuchen, um einigermaßen benutzertauglich auftreten zu
können. Meine Kirchheimer Kunstfreundin war da, als erstes sind wir
eine schöne Runde gelaufen, zur Altstadtkapelle hoch, durch den
Frühling, mit wundervoll klarer Sicht auf Rottenburg im Tale. Kaffee
gab es zu Hause, man darf ja immer noch nicht im Bäcker sitzen, dann
haben wir uns gegenseitig von unseren Enkeln berichtet, über Kunst
geredet und deren Wirksamkeit unter Coronabedingungen, über das
Lesen und die Texte. Ein Höhepunkt meines etwas vermickerten
sozialen Lebens. Von immer mehr Menschen aus meiner Umgebung höre
ich vom Geimpftsein, es geht vorwärts. Das sind nicht mehr abstrakte
Zahlen aus den Nachrichten, sondern man kann immer öfter sprechen,
diese oder jener ist erst-, auch zweitgeimpft. Es beruhigt mich
kolossal, ich habe gar nicht das Gefühl von
NochNichtDranGekommenSein, sondern eher den Eindruck von Wir
schaffen das. Früher bei der Pest musste jeweils gewartet werden,
bis es aufhörte, da sind wir besser dran, auch wenn es nicht ohne
Opfer ging.
Sonntag, 16. 5. 2021
Was war los, gestern, es gab nur Lücke. Ich war laufen, bin richtig
in platschenden Regen geraten, hat Spaß gemacht. Und dann hab ich
solange gelesen, am Bildschirm, lauter schlaue Inhalte aus der NZZ,
bis der Kopf voll war, die Zeit war um, so kann´s kommen. Dafür
heute, ihr werdet sehen, ich will übertreiben. Es geht ganz normal
und gemächlich los, Frühstück, lesen, soll man es hinschreiben,
wieder Lesezeit, ich bin noch lang nicht durch und jeden Tag kommen
neue interessante Artikel rein, bis mir der Hintern das lange Sitzen
reklamierte. Mittags bin ich auf die Strecke, den Neckar aufwärts
bis Niedernau, den Berg hoch bis Weiler und wieder zurück. Unterwegs
alleweil anhalten und schnell ein Foto machen, schier durchdrehen
vor mannigfaltigen Entdeckungen. Das ist das unglaublich Schöne am
Frühling, alle Jahre wieder überwältigt mich das. Jetzt müsst ihr
mit durch ein paar Bilder, ich kann das nicht alles für mich
behalten.
Wie der
Schachtelhalm sich so durchwühlt.
Soll ich da einfach dran vorbeilaufen? Das gibt im Herbst die
Moschtäpfel.
Steht im Vorgarten, tränendes Herz ist der Name, gibts häufiger in
rot mit weißer Träne.
Hahnenfuß über alles, ein Paradies für die Bienen.
Am Waldrand treibt das weiße Waldvögelchen aus, eine gar nicht so
seltene heimische Orchidee, die einen Zyklus von sieben Jahren von
der Aussaat zur Blüte braucht, dann blüht sie alle Jahre.
Der Wiesensalbei kommt in Gang.
Detail der Kastanienblüte, auch in rot überzeugend.
Erdrauch, ein schöner Name für ein giftiges Kräutlein, wurde als
Heilpflanze genutzt gegen Verdauungsmalheur und gegen
Schuppenflechte.
Da wächst unser Brot heran.
Das ist der Austrieb der Bocksriemenzunge, eine aus dem
Mittelmeerraum zugewanderte Orchidee, die sich immer häufiger hier
sehen lässt. Hat das mit dem Klimawandel zu tun?
Beinwell, da hört man schon die Heilpflanze durchklingen, es gibt
davon auch wieder mehrere Sorten, kleiner und gelb blühend wäre das
Knotenbeinwell, findet man auch hier in der Gegend. Jetzt musstet
ihr ein bisschen scrollen, viele machen das nicht gern, ihr werdet
es mir verzeihen, hoffe ich. Sonst kam noch die Population der
Feuerwanzen auf meinem Hof vor, die kommen bei der Sonne raus. Und
sie kümmern sich nicht um Corona, jedenfalls habe ich keine mit
Maske gesehen. Beim Stadtgang am frühen Abend, ich war erfolgreich
am Bücherschrank, als ob ich es bestellt hätte, fand ich einen Franz
Hohler, da hatte ich die blaue Amsel mit Genuss gelesen, und einen
historischen Roman über die Medici in Florenz, das passt zum
Michelangelo, den ich grad in Arbeit habe. Der hat 700 Seiten in
einer sehr kleinen Schrift, die Hälfte hab ich. Es wird gut
beschrieben, wieso Michelangelo zu seinen unerhört neuen
Auffassungen von Zeichnung und Skulptur kam, ich lese grad von der
Begegnung mit da Vinci und der Vorbereitung auf den David. Rückzu
am Schlachthof wieder die Mahnwache gegen das Tierverwenden. Ich
finde das Anliegen gut, würde mich auch dazu stellen, wäre ich schon
ein Veganer. So benutze ich noch tierische Produkte, Eier und Käse,
auch da stimmen die Haltungsbedingungen gar nicht. Aber diese Kurve
krieg ich noch nicht, da ich wirklich ein Fan der vielen Sorten Käse
bin und mir die Alternativen nicht so recht schmecken. Ich wiege da
meinen Verzicht noch sehr schwer.
Montag, 17. 5. 2021
Da Gleitzeitstunden nicht aufgebaut werden dürfen, gab es einen
freien Tag. Ich wehre mich gar nicht dagegen, da mir sofort
einfällt, was mit der Zeit anzufangen ist. Üblicher Start, Lesezeit
am Rechner, dem unaufhörlichen Fluss neuer Artikel der NZZ
hinterhereilen, vielleicht muss ich dieses Abo wieder kündigen, weil
sich meine Tageszeit nicht entsprechend dem Lesestoff vermehrt. In
der Wetter-App geschaut nach regenfreier Zeit und losgehoppelt. 13
km, 260 Höhenmeter, akzeptabler Schnitt von 5:29 min/km und der
Frühling.
Schon auf dem ersten Kilometer dieses schöne Ereignis, der
Inkarnat-Klee. Sein Rot im Grün ist so prunkvoll, ich musste
ungefähr 30 Bilder machen, am Ende sind die alle recht ähnlich, d.
h. schön, da eins raussuchen ist eine schwere Aufgabe.
Weiter gings durch dieses Tal, da werd ich an der Seele gesund.
Am Wegrand, mitten im Wald, dies Erblühen der Berg-Flockenblume.
Paar Meter weiter ebensolches beim Maiglöckchen, das schafft es alle
Jahre wieder in den Mai, eine Woche hin oder her. Woher weiß es?
Auf dem Heimweg der erste Wiesen-Bocksbart, da waren noch mehr, die
aber in dem Löwenzahn- und Hahnenfußgelb gar nicht auffallen.
Vielleicht denkt ihr jetzt, hoppla, wird das hier zum Bilderbuch,
keine Angst, das war der Frühlingsanfall, der läuft wieder aus.
Mittag vom Chinesen, beim Bäcker war ich auch gleich, mit Gutschein,
ergibt ein Kuchenpaket, ich habe es in Arbeit. Am Abend war wieder
eine Regenlücke angezeigt, ich bin raus zum Tower, war die erste
halbe Stunde in Gesellschaft, es gab einen gepflegten Plausch
nebenher. Auch ein bisschen Regen, nur kurz, so dass alles nass
blieb, also noch und nochmal. Da gibt es noch zwei Bilder, es geht
nicht anders.
Ich glaube, auf dem zweiten Bild ist eine Anmutung, eine Ahnung vom
zweiten Regenbogen zu sehen, immer wenn ich das Handy bereit hatte,
war er am Verschwinden. Ihr könnt mit gutem Willen eine kleine
Farbigkeit links vom ersten annehmen, dazu will ich bemerken, die
Farbigkeit ist spiegelverkehrt zum ersten, habt ihr das gewusst? Ich
hab meine Freude dran, wenn es mal vorkommt. Trotz der vielen
Tütelei mit dem Handy hab ich mein Programm geschafft, ab halb neun
wurde es kälter, da bin ich wieder in meine warme Stube.
Übrigens, heut ist der Internationale Tag gegen Homophobie, dass so
was noch nötig ist. Auf Wikipedia gibt es einen Eintrag, da
erschließen sich die Gründe für diesen Tag ganz schnell.
Dienstag, 18. 5. 2021
Ein Arbeitstag, vormittags Regen, also kein Sport draußen, Laufen
auch nicht, weil die Lust fehlte, dafür hab ich Bürokram gemacht.
Und einen Test vor der Arbeit, dann gabs Mittag, und schon gings zum
Bus. Auf Arbeit war es sehr entspannt, alles lief gut. Höhepunkt war
damit die Kantine, da hat es geschmeckt, es gab einen oberleckeren
Nachtisch, irgendein Weißschäumchen mit Mangomus obendrauf. So als
Etappenziel teilt das die Arbeitszeit in davor und danach.
Mittwoch, 19. 5. 2021
Es ging los mit dem Blick auf den Neckar, die Schwäne sind mit ihrem
Nachwuchs unterwegs. Acht sehr kleine, niedliche graue Junge, die
können vom ersten Tag an schwimmen. Machen ein anrührend zartes
Gepiepse, wie eine nicht abreisende akkustische Nabelschnur zu den
Großen. Auch wieder keine Zeit für den Sport, um den Leib hab ich
mich schon gekümmert. Ich hatte einen Fußpflegetermin vereinbart,
bin hin auf verhornten Sohlen mit manch wehleidiger Stelle, zurück
im Schwebegang, nichts tat weh, drückte, es war der pure Genuss zu
gehen. Auf Arbeit wieder recht gediegen, wir sind gut besetzt und
hatten Glück mit dem Ablauf, alles was kam, kam schön nacheinander.
Ich hab angefragt bei meinem Vorgesetzten, ob die Firma an der
Corona-Impfung dran ist, die Auskunft war ernüchternd. Die
Corona-Kommission hat beschlossen, dass in der Firma dazu nichts
passiert. Man hätte den Beschluss wenigstens bekanntgeben können,
eine Begründung würde mich auch noch interessieren. So bekamen wir
einen neuen Satz zum Testen und müssen uns selbst kümmern, also
demnächst die überlasteten Hausärzte mit plagen.
Donnerstag, 20. 5. 2021
Der Vormittag war gesetzt für den Lohnsteuerausgleich vom letzten
Jahr, wahrlich, es gibt schönere Aufgaben. Immerhin war ich gut
vorbereitet, hatte fast alle Papiere bereit und wusste, wo die
fehlenden zu finden sind. Da es nicht mehr reichte für einen Lauf,
hab ich im Haushalt gekramert und war tanken, alles nichts, was man
erzählen müsste, aber die Zeit verging schnell bis zur Abfahrt vom
Schichtbus. Die Arbeit war ok. Auf dem Heimweg, beim Lesen fand ich
in der NZZ die Nachricht vom 100. Geburtstag von Wolfgang Borchert.
"Draußen vor der Tür", als Hörspiel und Theaterstück eine wichtige
Station in der Auseinandersetzung mit dem gerade vergangenem dritten
Reich. Er kam krank und geschwächt aus Krieg und verschiedenen
Gefängnissen, hatte nur wenig Zeit, aufzuschreiben, was zu dieser
Zeit sich kaum jemand traute, starb 1947, einen Tag vor der
Uraufführung seines wichtigsten Stückes. Ich habe ihn lesend
kennengelernt, 1978 als Lehrling, er kam mir grad recht in die Zeit
der Musterung für die Wehrpflicht in der NVA. Ich hab den normalen
Dienst verweigert, wollte mangels Alternativen zu den Spatensoldaten
und sollte mit 26, zum spätmöglichsten Zeitpunkt einrücken. Das hat
der bewilligte Ausreiseantrag verhütet. Ich weiß noch, wie mich
seine Erzählungen und Gedicht ganz tief drinnen erwischt haben, ich
fand es so richtig, dass ich allen erzählen wollte davon, kaum
jemand hat sich interessiert dafür. Dabei finde ich heute noch
beeindruckend, wie klar seine Sprache war. Auf Wikipedia gibt es
einen guten Eintrag zu ihm, da fand ich auch diese Zeilen von ihm:
„Wer schreibt für uns eine neue Harmonielehre? Wir brauchen keine
wohltemperierten Klaviere mehr. Wir selbst sind zuviel Dissonanz.
[…] Wir brauchen keine Stilleben mehr. Unser Leben ist laut. Wir
brauchen keine Dichter mit guter Grammatik. Zu guter Grammatik fehlt
uns die Geduld. Wir brauchen die mit dem heißen heiser geschluchzten
Gefühl. Die zu Baum Baum und zu Weib Weib sagen und ja sagen und
nein sagen: laut und deutlich und dreifach und ohne Konjunktiv.“
Freitag, 21. 5. 2021
Vormittags ein bisschen Kommunikation mit der Welt, noch paar Zahlen
für das Finanzamt nachreichen, zwischen Frühstück und sehr zeitigem
Mittag passt nicht viel rein. Arbeit, nichts erwähnenswertes. Morgen
wieder mehr.
Samstag, 22. 5. 2021
Das Schlafdefizit der letzten Woche hat seinen Tribut gefordert,
dadurch ging der Tag bissl spät los. Ich hab gedacht, als ich halb
elf zum Frühstück schritt, ist egal, ich hatte genug vor für den
Tag, es verschob sich lediglich. Das Putzen war dran, ich fuhr mit
meinem Staubsauger in alle Ecken, hatte das Bett bezogen, dabei
mitten in den Raum geschoben und fand interessante Staubgebilde.
Wenn man sie sachte anpustete, wirbelte nicht etwa alles auf, nein,
gemächliche Würste rollerten, sich zusammenhakend behäbig in die
nächste Ecke. Da beendeten sie ihr freiheitliches Dasein mit einem
lapidaren Geräusch an der Stabsaugerbürste. Auch an den Stuhlbeinen
fand Wachstum statt, ich hab alles erbarmungslos eingesaugt.
Schwierig finde ich es mittlerweile, an und auf den immer weiter
wachsenden Bücherstapeln und Notizzettelhäufungen Klarheit zu
schaffen, jede waagerechte Fläche scheint während der letzten zwei
Wochen jedes Stäubchen willkommen zu heißen. Ich habe den Eindruck,
würde ich nur lang genug warten, könnte ich eine Art Filzlagen
einsammeln. Zum Abschluss der Sanitärputz, nach zwei Stunden war
alles so schön, dass ich mich auf´s Pinkeln freue und darauf, abends
in mein Bett zu steigen. Ich hab dann nicht so getan, als bräuchte
ich eine Pause, die hatte morgens schon stattgefunden, bin gleich
zum Laufen raus. Wollte auf flacher Strecke über die Felder gehen
und den Wind spüren. Bin am Neckar entlang, vorbei am Kiebinger
Baggersee zum Hirschauer, da saßen schon die Nackerten auf der Wiese
und sonnten sich, dann über Wurmlingen zurück, gab knapp 15 km. Der
Schnitt von 5:19 min/km ist wohl im Moment das, was mir möglich ist.
Zum einen plagt mich ein kleiner orthopädischer Schaden, zum andern
kann ich durch die blöden Arbeitszeiten nicht genug Zeit setzen, um
besser in Gang zu kommen. Zu Hause Duschen, was kochen, einen
Stadtgang, die Sonne hat mich gleich wieder rausgelockt. Im Haus
Bürgerwache ist der Biergarten wieder offen, und es war bis zum
letzten Platz alles besetzt. In der Stadt hängen die Schilder von
der Maskenpflicht vor der Fußgängerzone, und wurden so halb
beachtet. Ich ging ohne, fand, es ist ein gutes Gefühl. Hatte einen
Kaffee in der Hand, kam so am Bücherschrank an und fand vier Bücher,
auf die ich neugierig bin. Da ich immer noch am Michelangelo lese,
geht das Wachstum der Stapel ungebremst weiter. Ich tu mal so, als
wäre ich unsterblich.
Sonntag, 23. 5. 2021
Der heilige Geist ist nicht über mich gekommen, vielleicht ist der
Termin erst morgen. Oder er kommt nicht zu mir, sondern zu anderen.
Soll er machen, wie er will. Mein Tag war gut. Vormittags am Tower
mit dem Läuferfreund und seinem Bruder, man kann da wirklich sehen,
was Sport aus einem machen kann. Neben uns tobte ein Kurs, vom
Studio, im Freien, das Leben regt sich. Demnächst dürfen wir wieder
in irgendwelchen Coronakonzepten miteinander schwitzen. Die
Inzidenzzahlen, die genannt werden als Bedingung für normales Leben,
sind sehr variabel, je nachdem, wer in welchem Zusammenhang die Welt
erklärt. Im Moment fallen sie, das Impfen geht vorwärts,
wahrscheinlich unterbieten wir bald alle Vorgaben, wenn nicht
irgendeine blöde Mutation herumschwirrt. Mittags die schnelle
Pfanne zu Hause, und ab nach Kirchheim, meine Kunstfreundin in ihrem
Atelier besuchen. Wir haben uns in der Stadt alle verfügbare Kunst
angeschaut, sie wurde draußen gezeigt und war etwas mager.
Merkwürdige Stühle, die störend im Weg standen, man braucht ziemlich
Selbstbewusstsein, sie zu benutzen. Eine rote Schüttfläche im
Stadtpark, die selber Kunst ist und auch Träger anderer Künste des
Rotschütters sein soll, so wurde mir erklärt. Und fensterformatgroße
Bilderdrucke in den Fenstern des Kornhauses, das ist das
Ausstellungshaus der Stadt. Die Drucke, herunterfotografiert von
Ölmalerei nach Zeitungsbildern von Öffentlichkeiten, Demos oder
belebten Plätzen, schrill und sehr pädagogisch beschriftet, bzw.
dadurch ganz zerstört. Also haben wir den Bäcker aufgesucht und
draußen sitzend eine kleine Sättigung erreicht.
Montag, 24. 5. 2021
Die Fahrttage sind immer so halbe Tage, ich bewege mich zum
anderen Ort, und schon ist schnürt der Rest zusammen auf Haushalt
hier richten, ankommen und die Sitzhaltung rausschütteln. Ich bin
wiedermal in Bad Reichenhall und habe ganz vorsichtig meine
Enkelchen begrüßt, mir scheint, ein bisschen Vertrautheit ist noch
da, das Fremdeln war schnell vorbei. Am Anfang musste schnell
weggekuckt werden, dann war es noch das Verstecken hinter der Tür,
aber schon mit neugierig rausschauen, ja, ab da durfte gespielt
werden. Mit dem Füttern und Fläschle geben und wickeln war es
sowieso schnell wie vor drei Wochen. Und doch gibt es schon wieder
Veränderungen beim Spiel. Es wird kommunikativer, ein lustiges
Hin-und-Her-Gebabbel, was hingeben und wiederholen, sich verstecken
und wieder da sein. Herrlich, ich muss mitdenken, damit es
interessant bleibt. Auf der Herfahrt: Zuerst hab ich Coldplay
gehört, die Anregung kam aus einem Artikel im Rolling Stone. Die
ersten zwei Alben, ich war so 2002 drauf aufmerksam geworden, waren
ungeheuer gut, danach sind sie fast am Ruhm gescheitert und
musikalisch wurde es dünner. Beim Rauskramern der CDs schon fielen
mir einzelne schöne Titel ein, das Hören war nach wirklich langer
Zeit wieder genussvoll. Ich hatte lange Zeit keinen Bock nach dem
Viva l Vida, das war mir zu mainstreamlastig, erkennbar auf Gefallen
aus, und damit langweilig. So berichtete der Artikel auch. Nach den
zwei Stunden war ich in Bayern und hörte auf Bayern 2 eine
Sondersendung zum 80. Geburtstag von Bob Dylan. Schöne Texte,
verschiedenartigste musikalische Auftritte vom Folk zum Rock und
links und rechts davon. Die Reihe der Interpreten, die seine Titel
nachsingen, ist unüberschaubar, sein Einfluss auf Generationen von
Musikern wird wohl nie ganz erforscht werden können, so gewaltig ist
er. Bei jedem Titel, der eingespielt wurde, fielen mir auf Anhieb
siebzehn andere Musiker ein, die ihn auch gespielt haben, dazu noch
jede Menge Varianten, wo mir die Namen der Nachahmer nicht
einfielen. Die Fahrt war dadurch gar nicht so grauselig, eher war es
schlimm, dass ich am Ziel aussteigen musste, nicht weiterhören
konnte.
Dienstag, 25. 5. 2021
Der Wonnemonat ist kalt, es regnet viel. Es ging beschwerlich los,
ein Arzttermin mit den Kindern, die sind nicht zufrieden, ningeln,
weinen, eins kotzt, dann wieder. Ist das Autofahren ein Problem?
Jedenfalls war die Mutter froh, als sie zu Hause war, ab da konnte
ich helfen. es gab intensive Hutscher- und Spielrunden drinnen,
vorsichtiges Anfüttern, ab nachmittags wurde es draußen schöner, wir
konnten spazieren gehen. Die Kinder schliefen schnell ein, als
hätten sie was nachzuholen. Wir konnten in Ruhe nach der Botanik
schauen, es gab Langblättriges weißes Waldvögelchen, frisch erblüht,
die Kuckuckslichtnelke, das Zweiblatt, die Akeleiblättrige
Wiesenraute und den Vogelnestwurz. Außerdem war der Wald voller
Knoblauchmief vom erblühten Bärlauch. Lustig fand ich die
Bastelei eines Papierfliegers, das hatte ich zuletzt mit meinen
Kindern gemacht, beim Drübernachdenken, wie es denn ging, kamen die
Anregungen mehr aus meinen Händen als aus dem Kopf. Der zweite
Versuch hat geklappt, das Ding ist richtig geflogen, halt nicht
lange, denn nach der Landung hat sich das eine Kind oder das andere
draufgestürzt, das hielt er nur begrenzt durch. Im Hotel bin ich
dienstlich angemeldet, da brauch ich keinen Test vorweisen, wäre ich
privat abgestiegen, müsste ich alle zwei Tage einen vorlegen. Den
Unterschied verstehe ich nicht, wäre ich geschäftlich hier, hätte
ich nach meiner bisherigen Erfahrung mit mehr Leuten zu tun. Nun ja,
so richtig nachfragen tut bisher niemand, was ich hier mache, der
Form nach halten alle alle Regeln ein.
Mittwoch, 26. 5. 2021
Dritter Tag in Bayern, Urlaub mit den Kleinen, keine Zeit für
Nachrichten, dadurch auch Pause von Corona. Wäre das auch noch weg,
würde ich abends wieder in das hiesige Sportstudio gehen, demnächst
sollte das wieder möglich sein, mit Test und Anmeldung. So war
vormittags Stadtgang und Einkaufen, mittags gab es zu Hause was,
immer mal unterbrochen von den Kindern, die hatten schon bekommen
und es juckt sie gar nicht, dass wir essen wollen. Sie kommen immer
wieder an, wollen bespielt werden und die Aufsicht muss sowieso
ständig klappen, wenn da zwei so kleine Geister die Welt
ausprobieren. Lustig die Wutanfälle, wenn was nicht auf Anhieb
klappt, wenn das Schieben an einem Hindernis endet, von Null auf
Hundert, zum Glück kann man da immer was machen, dass es doch
weitergeht, und dann ist die Wut wie weggeblasen. Bis die nächste
Wand im Weg ist. Nachmittags einen schönen Gang an der Saalach, mit
schlafenden Kindern, wir fanden die Bach-Bunge, eine
Ehrenpreissorte, den Quendel-Ehrenpreis, das Spring-Schaumkraut und
ein frühes Knabenkraut, blühend. Außerdem zwei junge Ringlnattern,
die sich zum Sterben rollten, sie waren beide auf einem Radweg
überfahren worden. Abends das schwierige Einschlafritual, junge
Eltern brauchen gute Nerven. Lesen: Den Michelangelo hattte ich
vor der Reise fertig, spannend fand ich, dass man die beschriebenen
Werke im Internet geschwind anschauen konnte. Dadurch war vieles,
was der Schriftsteller aus dem erhaltenen Briefwechsel des M
herauslesen konnte und das, was er sich aus der Kunstgeschichte
zusammenreimte, gut, also, besser nachvollziehbar als zu der Zeit,
in der das Buch erschien, nämlich 1974. Außerdem war das Buch voll
mit Zeitgeschichte, Salvonarola kam vor und die vielen Päpste,
immerhin ist M fast 90 geworden. Jetziges Buch: "Das
Wunschspiel" von Patrick Redmond, nach dem ersten Drittel würde ich
es in die Unterhaltungsliteratur einsortieren, es erzählt ganz
schlüssig und spannend eine eher unglaubliche Geschichte aus dem
England von 1954, die Auseinandersetzung von Gut und Böse in einem
Knabeninternat.
Donnerstag, 27. 5. 2021
Kindertag wie gestern, Spaziergänge mit schlafenden oder lustig in
die Gegend schwätzenden Kindern, Einkaufen und Waldspaziergang am
Bach-Nelkenwurzweg, der Buntspecht kam uns übern Weg geflattert. Er
verbeugte sich bei der Landung am Stamm einer Baumhasel und fing an
zu suchen. In der Mittagspause war ich nebenan beim Bäcker, Kuchen
essend, Kaffee trinkend, lesend draußen sitzend. Wer hätte das
gedacht, noch in diesem Leben. Wie in Vorcoronazeiten, fast, ich
musste wieder aufschreiben, wer ich bin. Vom hiesigen Sportstudio
kam auch Nachricht, es öffnet wieder, ich hab noch nicht gelesen,
wie die Bedingungen sind. Bin neugierig, ob ich in Rottenburg wieder
rein darf. Das Spielen mit den Kindern, das Helfen beim Füttern
oder Trösten, das Spazierengehen, das erscheint mir als sinngebend,
wie eine Neufassung meiner Daseinsbegründung. Wo ich an anderen
Stellen mittlerweile so meine Zweifel habe, z. B. meine Arbeit als
fremdbestimmten Zeitverlust erlebe, alles nur wegen dem bisschen
Geld, entsteht in der Funktion als Großvater unerwartetes Glück und
neue Perspektive.
Freitag, 28. 5. 2021
Vormittags ein Stadtgang, ein bisschen einkaufen und durch die
schönen Parkanlagen scharwenzeln. Die Stadtgärtner nehmen die gerade
abgeblühte Erstbepflanzung raus und setzen den Sommer ein. Tulpen
und Hyazinthen raus, Begonien in allen Farben rein. Das Land Bayern
fördert das Staatsbad Reichenhall, Geld spielt wohl keine Rolle. Wir
staunen es an und freuen uns dran. Mittags das vom Markt
Heimgetragene verzehrt, und lustvoll gespeist, die Käspressknödel
sind lecker. Nachmittags mit den Kindern eine schöne Waldrunde,
wieder mit botanischen Sichtungen, es geht hier sehr vielfältig zu.
Dann war es soweit, ich musste eine Laufrunde einschieben. Bin an
der Saalach entlang bis ins schöne Waldauenland, das ist eine
renaturierte Wasserlandschaft, über die Saalach zurück, und an einem
Wohngebiet, das am Wald endete, gab es Magerrasen mit unglaublich
schönen blutroten Knabenkräutern und dem echten Beinwell in tiefstem
Dunkelblau. Am Ende der Strecke bin ich mal falsch abgebogen, so
dass fast 14 km draus wurden. Duschen, noch ein bisschen Kinder
hutschern, so war es wieder runder, schöner Tag. Ich sitz abends
über meinen Fotos von den vielen Funden, wahrscheinlich muss ich
noch eine Abteilung Frühlingsbegeisterung dranhängen.
Samstag, 29. 5. 2021
Der letzte Tag mit den Kindern, ein schöner Spaziergang und eine
kurze Spielzeit noch, dann war es Zeit für die Heimfahrt. Die
Autobahn ist noch gut durchgängig, ein paar Baustellen und
Geschwindigkeitsbegrenzungen, die nicht immer verstehbar sind, kein
Verkehr, keine Hindernisse, aber 15 km mit 80 km/h. Nach reichlich
vier Stunden war ich am Ziel. Das übliche, die Bude wieder in
Betrieb nehmen, den Kühlschrank füllen, Wäsche waschen, Blumen
gießen. Beim Zurechtfummeln der Bilder für die obige Ankündigung
SWR2 gehört, u. a. Robert Habeck, einer der beiden
Parteivorsitzenden der Grünen im Gespräch über sein neues Buch. Er
kommt mir sehr klug vor, dazu ambitioniert im guten Sinne. Er denkt
z. B. darüber nach, wie man den Erkenntnisstand von Klimawechsel und
Konsumverhalten so an das Volk bringt, dass ein durch Nachdenken
erreichtes Einverständnis entsteht. Er kann die Sachverhalte gut
darlegen, und er braucht gar nicht über die Arbeit der Konkurrenz
oder der Vorgänger schimpfen, sondern ordnet heute als schwierig
geltende Ergebnisse in die jeweilige Zeit ihre Enstehung und der
damaligen Erkenntnislage ein. Mein Sportstudio hat mir Nachricht
gegeben, ich darf wieder rein, allerdings mit Schnelltest, nicht
älter als 24 Stunden. Das muss ich ausprobieren, hab noch keine
Erfahrung damit. Lesen: Das Wunschspiel ist ein flüssig
erzähltes, spannendes Buch, das allerdings voller Ungereimtheiten
steckt. Das Böse ist so böse, dass am Ende eine große Ungefährheit
bleibt, kein Wunder, es ist nicht anders lösbar. Redmond
portraitiert seine Figuren so, als hätte er nicht viel Ahnung von
Menschen, sie interessieren ihn wenig, Hauptsache die Geschichte
läuft durch. Ich wusste schnell, es handelt sich um Unterhaltung,
und ich wollte mal was Leichtes und Seichtes lesen, warum allerdings
solcher Quatsch unter Bestseller geführt wird, erschloss sich mir
nicht. Hier hänge ich die Bilderfolge von der Schönheit des
Frühlings an, ihr wisst, in der Schule wird mancher Inhalt
wiederholt, um ihn zu festigen. Das sei hier die Ausrede, nochmal
Botanik zu feiern.
Der große Wiesenklappertopf
Der große Wiesenknopf, auch, wenn sich das reimt, es ist was
anderes.
Ein weißblühender kriechender Günsel, hab ich das erste Mal im Leben
gefunden.
Vogelnestwurz, eine Orchideenart, die ohne Blattgrün einen
Stoffwechsel hinkriegt.
Die Kuckucks-Lichtnelke, was für ein Name.
Das große Zweiblatt, eine Orchidee mit Grün sogar in der Blüte,
deswegen findet man sie erst, wenn man das Muster kapiert hat, dann
sieht man sie häufig in ihren Gebieten.
Der Quendel-Ehrenpreis.
Die akeleiblättrige Wiesenraute.
Die Ringelnatter.
Bachnelkenwurz.
Die langblättrige Form des Weißen Waldvögelchens, auch eine
Orchidee.
Das blutrote Knabenkraut, in Bad Reichenhall oft zu finden.
Zu guter Letzt den Echten Beinwell. Das war eine kleine Auswahl
meiner feinsten Fundstücke aus Bad Reichenhall, hätte ich es für
mich behalten müssen, wäre ich eventuell geplatzt.
Sonntag, 30. 5. 2021
Es wird wärmer draußen, wir waren verabredet zum Trainieren am
Tower, haben gut losgelegt, sind später ins Schwätzen gekommen,
dadurch ging es länger. Das erste mal diese Woche an der Kraft geübt
und festgestellt, sie schwindet, wenn ich dies Intervall beibehalte.
Noch wurmt es mich und ich versuch, dagegen anzukämpfen, mit der
Hoffnung, wenn der Sportpark wieder offen ist, wird alles besser.
Mittag gab es vom Inder, ein bisschen vorschlafen wegen der
Nachtschicht, ist gelungen, ein Stadtgang, ich musste mich durch
überfüllte Passagen wühlen und die unendlichen Schlangen vor den
Eisverkäufern queren, zum Bücherschrank, zwei Bücher hin, zwei her.
Dicke Bücher hin, dünne her, vielleicht rettet mich diese Variante
vor dem Ertrinken im Lesestoff. Testen zu Hause, negativ, ich muss
also arbeiten gehen. In einer Stunde fährt der Bus, hoffe ich, sonst
muss ich selbst fahren, jetzt noch essen und Schichtzeug
zusammensuchen.
Montag, 31. 5. 2021
Kein Bus fuhr, dadurch war ich nach total chilliger Schicht zeitig
wieder daheim, hab so schnell geschlafen, wie es nur ging.
Lesefrühstück mittags, die Schwanenfamilie zeigt sich auf dem
Neckar, die Kleinen sind schon unvollständig. Haushalt ordnen, zum
Bäcker gehen, da springen süße Stückle raus, ein paar kleine Übungen
zu Hause an den Barrengriffen, und ab zum Laufen. Das GPS hat
versagt, zeigt völligen Unsinn an, die Zeit war da, und die Strecke
kenne ich ja, die Standardrunde von 9, 5 km, 225 m hoch und runter,
die Zeit, naja. Im Wald blühen auch hier die weißen Waldvögelchen,
es ist eine andere Sorte als in Bad Reichenhall, auch der
Vogelnestwurz ist da, hier gelber, heller als da. Warum? Standort,
Boden, Klima hier und da, außerdem ist es ein analoges Geschöpf,
kein genormter Vorgang. Eine knappe Stunde hab ich gelumpert, so
dass wieder nicht alles erledigt werden kann, ich spüre Revolte in
mir, finde die Zeitknappheit eine übertriebene Konsequenz. Dieses
normale Dreischichtarbeitsleben lässt nicht genug übrig für mein
selbstbestimmtes Sein, aber das Gemaule nützt auch nix. Und mit
jedem freien Leben wöllte ich nicht tauschen. Am Neckar tritt z. B.
wieder der Flussprediger auf, er steht am anderen Ufer und redet
laut mit dem Wasser oder mit uns, ich verstehe nur selten was, je
nach Windrichtung. Er kommt mit dem Fahrrad, bleibt eine halbe
Stunde und es sieht aus, als übe er für den großen Auftritt. Ob er
zufriedener ist als ich? Die Coronazahlen, die Impfzahlen, alles
entwickelt sich endlich schnurstracks in die richtige Richtung,
hoffentlich schleicht sich der Mist von dannen. Ob ich jetzt vier
oder acht Wochen auf normales Leben warten muss, ist egal. Die Maske
würde ich hinnehmen, falls ich ins Kino darf oder ins Freibad, naja,
im Wasser wird es ohne gehen müssen, oder in die Bücherei. Auf eine
kleine Sommerreise freue ich mich jetzt schon.
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