Donnerstag, 1. 4. 2021
Der Frühling ist
so betörend schön und tröstet über den Coronaquatsch hinweg. Nach
der dritten Nachtschicht gönnte ich mit eine Pause vom Sport und der
emsigen Beschäftigung, ich war zum Kaffee und selbstgebackenem
Kuchen geladen. Da saß ich in bester Gesellschaft auf dem Balkon
unterm Sonnenschirm, ließ es mir gutgehen und hörte von einem
Ausstellungsbesuch in der Tübinger Kunsthalle. Abgesehen vom Testen,
das vorher stattfinden muss, sonst kommt man nicht rein, sei die
Austellung von Karin Sander sehenswert. Ich hatte sie mir schon
vorgemerkt und mit dieser Empfehlung werde ich demnächst schauen
gehen. Es ist die Zeit im Jahr, die man eigentlich draußen
verbringen sollte, es ist immer wieder so interessant, wie die Bäume
dicke Knospen bekommen, die Vögel turteln, sie fliegen zu zweit
erstaunliche Kapriolen, ohne ihre Umgebung wahrzunehmen, unten sitzt
die Katze mit tropfendem Zahn und sie merken es nicht mal und schon
sind sie wieder weg. Auf den Wiesen und in den Vorgärten gibt es
unbändiges und vielfältigstes Erblühen, darüber summt und flattert
es. Ist das was Neues? Nein, natürlich nicht. Aber wer hat Zeit,
danach zu schauen, wer hat die Muse, sich dran zu freuen?
Freitag, 2. 4. 2021
Ich tu mal so, als wäre es wirklich wahr, das Datum. Dabei ist es
der 3. April, gestern hat es mir die Augen zugedreht, als die Zeit
für den Text kam. Ich hatte zwar ausgangs der Nachtschicht
geschlafen, lang und gut, aber zum Abend hat mich der
Rhythmuswechsel auf normalen Tagesablauf eingeholt. Mittags und
weiter habe ich mir faule Zeit gegönnt, hab gelesen und am Rechner
ein bisschen Zeit für YouTube gesetzt, dann sollte der Plan vom
Osterlauf noch umgesetzt werden. Ich hab gedacht, zum Warmlaufen bis
zum Start an der Kiebinger Turnhalle sind es drei Kilometer, da
passt es, den 10-er zu starten, Auslaufen bis heim, das ergibt eine
schöne Einheit von 16 km. Der Wind war kalt und heftig, so war der
Anfang mühsam, und mein Tempo entsprach gar nicht meiner
Vorstellung. Ich dachte besser von mir, ließ mich von der Realität
einholen und belehren, fand es dann egal, und freute mich an der
schönen Auszeichnung der Strecke und den Kilometerschildern. Es ging
ja entsprechend der Coronaverhältnisse nur so zu, als wäre
Wettkampf, jeder ging in einer Zeitspanne von zwei Wochen für sich
auf die Strecke und schickte die Zeit an den Ausrichterverein. Der
macht eine Plazierungsliste draus. Unterwegs auf den letzten zwei
Kilometern lief ich so, dass die tiefstehende Sonne meinen Schatten
lang übers Feld wachsen ließ, da hatte ich wieder einen
Heiligenschein, der mit mir lief. Am Ziel hab ich kurz nach der Zeit
geschaut, die war nicht sonderlich vorzeigbar. Eigentlich hätte ich
mich an einen schnelleren Läufer gehängt, wäre alles normal. Auch
wäre dann Duschen mit zig anderen verschwitzten gutgelaunten Läufern
und Kuchenessen in der Turnhalle drangewesen, so blieb nur das
Heimhoppeln. Die Wiederauflage der Koalition von Grün-Schwarz im
Schwabenländle finde ich enttäuschend, die CDU hat ein schlechtes
Ergebnis eingefahren, Wählerwille kommt da nicht so recht zum
Ausdruck. Mit der CDU die drängenden Fragen der Zeit zu regeln,
nicht nur Corona, auch Klimawandel, ökologischen Umbau der
Industrie, die Generationengerechtigkeit scheint mir aussichtslos,
da in der Partei das Durchschnittsalter so hoch ist, dass es eher um
Bewahren und Festhalten geht. Das ist wohl auch mehr die
Entscheidung des alternden Herrn Kretschmann.
Samstag, 3. 4. 2021
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und die Temperaturen stimmen
für April. Sie waren da, flogen über dem Neckar ihre eleganten
Kurven, auch mir zur Freude. Nach der Beschäftigung mit dem
Gesterntext bin ich raus zum Tower und hab mal unter strahlender
Sonne, die wärmt sofort, mal unter dunklen Wolken, mein Programm
durchgekämpft. Es geht, je länger der blöde Lockdown läuft, immer
schwerer, ich geh schon recht regelmäßig, wie mag es für andere
sein, die Kurse brauchen. Ob sie es zu Hause vorm Bildschirm mit
Onlinekursen geregelt bekommen? Mittag gab es aus meiner Pfanne,
ich hatte strategisch auf Feiertag ausgerichtet eingekauft und
musste nur wärmen. Nachmittags hab ich´s mir gegönnt, ich bin
spazieren gegangen, wollte den Frühling anschauen. Bin am
Bücherschrank vorbei, vier Teile hab ich eingepackt, weiter hoch
über die Stadt zum Kalkweiler Tor raus über die Felder, bis der Weg
an der Straße nach Remmingsheim endete. Da hatte ich das ganze
Aufgebot an Frühblühern gesehen, in den Vorgärten und am Wegrand.
Die Schlehen sind beim Übergang von Knospe zu Blüte, die Blutpflaume
ist in voller Pracht, die Magnolien sind draußen. Die Felder und
Wiesen haben das Wintergrün übertüncht zu einem satten saftigen
Jetztgehtslosgrün. Ich hab auch beim Rückweg drauf geachtet, dass
ich nicht durch das Stadtzentrum lauf, da ist Maskenpflicht. Schon,
wenn ich die Schilder sehe, bin ich genervt, im Freien, kein Mensch
unterwegs, oder nur ganz wenige, darunter manchmal die vom
Ordnungdsamt, hach Gottchen. Ich müsste gezielt in die Ausatemluft
von irgendwem latschen, der es hat, bzw. es habend jemandem unter
die Nase blasen, das mach ich doch ohne Corona auch nicht. Die
Steinmeierrede zähle ich auch zu diesen unnützen Maßnahmen, da hat
er wieder mal ne Predigt gehalten, unser Gutmensch. Ist, wie immer
niemandem zu nahe getreten, und hat auch nichts Neues zu vermelden
gehabt. Die Funktion dieses Herrn bleibt mir verborgen.
Sonntag, 4. 4. 2021
Gestern abend habe ich gelumpert, erst bin ich vor YouTube
hängengeblieben, musikalische Preziosen, dann hab ich unangemessen
lange weitergelesen an einem der schlechtesten Bücher, welches mir
in letzter Zeit zwischen die Finger geriet, es war als Bestseller
markiert, was ja nichts heißen muss, ich sollte mir das langsam
merken. Simon Beckett, "Obsession", ein blöder Krimi, aber eben
spannend, ich war neugierig wie es ausgeht. Die Geschichte geht los
mit einem jungen Mann, dem plötzlich die Frau stirbt, und der
feststellt, das sein Sohn, der Autist ist, von seiner Frau vor 6
Jahren entführt worden ist, also nicht ihr Kind ist. Er bekommt
heraus, der Junge ist der Sohn eines vom posttraumatischen Syndrom
betroffenen ehemaligen Soldaten,
nach dem Kämpfen in Irland, dem auch die Frau wegstarb, usw.
Fukushima hoch zwei, ich hab noch nicht alles aufgezählt. Daraus
entsteht ein schräger Ablauf, niemand in dem Buch ist unauffällig
normal, am Ende sind allerhand tot, und alles ist gelöst. Ich hab es
staunend zu Ende gelesen, kann nicht sagen, warum ich´s nicht
beizeiten weggelegt hab, und darüber ist es so spät geworden, dass
der Morgen spät begann. Ich hatte nicht zuviel Schlaf. Jedenfalls
saß ich gegen zehn beim Frühstück und wusste da schon, manches wird
nicht stattfinden. Nachdem der Haushalt gerichtet war, Aufwasch,
Gemüse putzen, Ingwer schälen, Blumen gießen, ging es mittags raus
zum Lauf in den Frühling. Im Rammert blühen die Buschwindröschen,
das Wiesenschaumkraut, der Bärlauch schickt üppigstes Blattgrün und
Knoblduft, der Aronstab bricht mit schönen Blättern aus dem Boden.
Der Seidelbast macht extravagant weiter, die lila Blüten sind weg,
aber sein Blattgrün ist so was von grün, ich glaub, er will gesehen
werden. 16 km, 250 Höhenmeter, der Schnitt 5:31. Auf dem Heimweg
wurde ich freundlich von zwei Schnellradlern gegrüßt, solch ein
Vorbeihuschen ersetzt nicht den sozialen Kontakt, aber wir wissen
voneinander und unserem Sportprogramm, und damit ist solch eine
Begegnung in Coronazeiten besser als nix. Beim Stadtgang, hab mir
Kaffee und was Süßes geholt, die Mahnwache am Schlachthof gesehen,
das tuckert mir gleich im Gewissen, ich futtere immer noch Käse,
Quark, Eier. Den Schritt ins vegane Leben kann ich mir grad noch
nicht vorstellen, hab aber das Gefühl, da muss noch Bewegung rein.
Montag, 5. 4. 2021
Das ist ein Feiertag, an dem ich zu Hause bin, weil ich auf die
Zuschläge auf Arbeit verzichte. Ich habe Lebenszeit und 180%
Mehrverdienst in Vergleich gestellt, und bin froh drum, diese Zeit
für mich zu gewinnen. Redlicherweise muss ich sagen, früher wäre ich
gegangen, weil es mit der Kohle nicht üppig war, jetzt brauche ich
weniger und genieße diese Freiheit. Ich hatte ein ausgedehntes
Osterfrühstück, lesend, beim Aufblicken schaue ich den Schwalben
überm Neckar zu. Es sind vollendete Flieger, eine schöner als die
andere, und mir fiel auf, ich habe noch keine einzige adipöse
Schwalbe gesehen. Die haben das besser im Griff als wir Menschen.
Mittags war ich am Tower, lachen musste ich über meine
Handstandversuche. Plötzlich wollen sie nicht mehr gelingen. Ich
habe ganz viele Anläufe gebraucht, bis ich mal einen gestanden hab.
Nach anderthalb Stunden bin ich mit einer wohligen Muskelmüdigkit
abgezogen, hab mir was zu essen bestellt, dann gab es ein
Lesepäuschen. Und dann hab ich´s geschafft. Das, was lange
liegengeblieben war, wegen Unlust und Unschlüssigkeit, ist Papier
geworden und liegt als fertig zu verschickende Post am Ausgang. Ich
bin stolz, naja, eigentlich erleichtert, dass ich es gerade noch in
angemessener Zeitspanne auf den Weg bringe. Es ist von meinem Tisch
und konnte auf den Plänen gestrichen werden, jeder Kringel für
erledigt ein Fest. Von der Impfung wegen Corona hab ich im Umfeld
gehört, es sei glatt gegangen, war gut organisiert, den zweiten
Termin gab es auch sofort und es gab keinerlei Nebenwirkungen, kein
Unwohlsein, Wehtun, nix. Ich höre es gern, lass mir immer wieder
gern versichern, bald, bald wird es richtig vorwärts gehen mit der
Stecherei und hoffe auf die Entspannung innerhalb des nächsten
Monates. Es wird länger dauern, aber ich bekenne meinen frommen
Wunsch nach normalem Leben.
Dienstag, 6. 4. 2021
Der Winter lässt noch einen raushängen, Schnee auf der Alb, ich
hatte Spätschicht, da war es mir egal. Vormittags war ich fast
pünktlich aus dem Bett raus, über all den Verrichtungen hat es zum
Laufen nicht mehr gereicht. Egal, ich hab drumrum alles geschafft
und mit meiner schönen Schwiegertochter telefoniert und mir von den
Kleinen erzählen lassen. Wir versuchen gerade gemeinsam in die
Zukunft zu schauen, mal sehen, ob wir da Bewegung hineinbekommen,
wir denken drüber nach, wie es aussehen könnte irgendwo zusammen
oder nahe beieinander zu wohnen. Das fände ich ziemlich verlockend,
es würde das Großvaterdasein vereinfachen. Beim Lesen in der NZZ
fand ich einen Artikel über Steinmeier, den Präsident, der selten
das richtige Wort findet. Da meckerte es an ähnlicher Stelle rum wie
ich vor zwei Tagen. Am Wochenende die große Demo in Stuttgart, im
Nachhinein die Äußerung der Polizei, wegen dem Infektionsrisiko
nicht einzugreifen, obwohl um die 15000 Leute größtenteils ohne
Abstand und Masken unterwegs waren. Da schafft es also der Plebs,
den Staat ohnmächtig aussehen zu lassen. Ich fand das Argument der
Polizei nachvollziehbar, zumal bei dem rüpelhaften Auftreten
verschiedener Teilnehmer, die in den Nachrichten gezeigt wurden. Das
wäre bestimmt eine Riesenkeilerei geworden, wenn diese aufrechten
und von sich total überzeugten Verteidiger von Toleranz und
Demokratie an irgendwas gehindert worden wären. Polizist zu sein in
diesen Tagen ist nicht besonders verlockend.
Mittwoch, 7. 4. 2021
Arbeitstag, da passiert nicht viel berichtenswertes. Vormittags ist
es ein energisches Dranbleiben, wenn neben den Alltagsverrichtungen
noch Sport rauskommen soll. Diesmal hat es geklappt. Ich war laufen,
bei kaltem Wind, polar hieß es im Wetterbericht, von hinten im
ersten Stück gut auszuhalten, dann durchsetzt mit Schneeflocken,
kurz mal ganz viele, von der Seite, gar von vorn ziemlich eklig. 10
km über die Felder, nicht besonders schnell, aber hinterher fand ich
mich gut. Duschen, essen, Arbeitsklamotte dran und zum Bus. Es kam
der bessere Bus, wir sind gerade viele Mitfahrer und der ist größer
und viel bequemer. Man kann richtig gut schlafen, ohne sich zu
verrenken und das Gerumpel ist weg, obwohl die Strecke dieselbe ist.
Auf Arbeit ruhig und solide, wir waren gut besetzt, da wird es
demnächst Gemecker über die Produktivitätszahlen geben. Ich werde
bestürzt sein. Ein Artikel aus der NZZ hat mich aufgestöbert: In
den USA sei durch die Pandemie die wirtschaftliche Situation von
einem Fünftel der Bevölkerung so schlecht geworden, dass von Hunger
bzw. Nahrungsmittelunsicherheit gesprochen werden muss. Vor der
Coronakrise waren halb so viele betroffen, das wären immer noch zehn
Prozent. Verarmt durch Entlassung, familiäres Unglück wie Scheidung
und Krankheit, obdachlos durch nicht mehr mögliche Ratezahlungen
usw. Nach wie vor keine Krankenversicherung für alle. Von Amerika
lernen?
Donnerstag, 8. 4. 2021
Der Vormittag war schnell vorbei, er wurde verlumpert. Das klingt,
als wäre da viel Platz dafür, ich hab eine Stunde länger geschlafen,
weil die Zeit zum Aufstehen mir noch nicht korrekt vorkam. Dadurch
schnurrt die Sportstunde zusammen auf lohnt sich nicht, den Rest hab
ich gelesen. Die Arbeit war belanglos, es lief gut, einziges
Ereignis war die Kunde von einem Kollegen, der Corona hätte, da gab
es einige Tests für seine unmittelbaren Kollegen, dann wurde nicht
mehr davon gesprochen. Ansonsten haben wir ein wenig rumgemeckert am
Tarifabschluss, da ist uns zuviel variabel. Man kann nicht richtig
einplanen, ob es mehr wird, es ist viel Ermessensspielraum für den
Arbeitgeber drin, und wir verstehen die Durchführung nicht richtig.
Nun ja, wenn wir darüber meckern könne, kann es uns nicht ganz
schlecht gehen.
Freitag, 9. 4. 2021
Diesmal hat es geklappt, ich bin relativ früh aufgestanden, war
rechtzeitig fertig mit dem Morgenritual und konnte hoch zum Tower am
Sportpark. Ich war so pünktlich, dass es für anderthalb Stunden
gereicht hat, so bin ich fast durch mein gesamtes Programm gekommen.
Und es hat Spaß gemacht. Die Quote für diese Woche war halbe/halbe,
vor der Spätschicht find ich es am schwierigsten. Trotzdem will ich
nur wegen der Arbeit da keine Abstriche machen, ich will es einfach
nicht. Die Fremdbestimmung durch Lohnarbeit ist groß genug, es wäre
Kacke, wenn das Privatleben davon beeinträchtigt wird, so dass eine
andere Lebensform rauskäme. Also, ein bisschen Kompromiss geht.
Ein Kollege erlebt seine letzten zwei Wochen, bevor er in den
Ruhestand wechselt, er hat einen Ausstand angekündigt. Das ist eine
schöne Zielmarke, auch wenn man dazu ganz schön alt werden muss.
Etwas bänglich erwarte ich das, wer kann wissen, wie es in fünf
Jahren geht, was da an Elan, Mut und Neugier übrig ist, auch an
Gesundheit und Nachcoronazustand. Wir werden auf jeden Fall tiefer
im Klimawandel stecken.
Samstag, 10. 4. 2021
So, sage ich, alles abgearbeitet von meinem Samstagsplan, und es war
viel. In der Spätschichtwoche war keine Zeit für so banale Dinge wie
Putzen und Einkaufen und und und. So blieb es und musste erledigt
werden, überall Staubflocken, der Kühlschrank kühlt sich selbst. Ich
habe mich gestern motiviert, und zwar trickste ich mich selber aus.
Ich schrieb meinen Plan und stellte fest, die Zeit ist da, sie wird
reichen, ich muss gleich anfangen und weitermachen und nicht
aufhören nach einer Sache, als wöllte ich mich belohnen, nein, die
nächste und die nächste Geschichte muss weiterlaufen, dann reicht es
sogar für einen Lauf. Es hat geklappt, nach eins bin ich auf die
Strecke. Frühlingswind, Frühlingsduft, es war richtig schön. Die
knapp 10 km über den Berg durch ein Spalier von Himmelschlüsseln und
Wiesenschaumkraut, manchmal ein Schmetterling, braun oder
weiß-orange, besser geht´s nicht. Das Tempo war auch in Ordnung, ich
mach immer noch mit einer Ischiasmacke rum, das hindert schon etwas.
Vielleicht sollte ich doch mal eine Physiotherapie probieren, aber
mit der Komplikation durch Corona vergeht mir die Lust. Da würde ich
also die Schar derer vergrößern, die den Arztbesuch
aufschiebt. In den Nachrichten u. a. die ausstehende Festlegung
des Kanzlerkandidaten der Union. Als ob da Bedarf besteht. Die Union
hat es in letzter Zeit so gründlich verkackt, endlich bekommt sie
die Quittung für ihre vielen Mitglieder, die gern was für sich
selbst abzweigen. In dem Zusammenhang empfehle ich ein neues Video
von Rezo, in dem er das schlechte Benehmen von Politprofis
offenlegt. Wir haben uns an manchen Stellen schon so dran gewöhnt,
dass wir vieles hinnehmen, sein letztes Beispiel zeigt das wunderbar
deutlich auf. In einer Talkrunde lassen zwei dieser Herren, die
sachlich nix beizutragen haben, eine Expertin einfach nicht reden,
nicht nicht ausreden, sondern sie quaken völlig rüpelhaft und fern
jeder Sachlichkeit immerzu rein. Findet man auf YouTube, wenn man
sucht rezo zerstört Corona-Politik.
Sonntag, 11. 4. 2021
Spät, zu spät ins Bett gegangen, in der Folge zum Weckerklingeln
noch bleiern, mit dem Bewusstsein von kann, nicht muss die Bettzeit
verlängert. Und in aller Gelassenheit lesend gefrühstückt und mich
an vergehender Stunde nicht gestört. Das Buch, von Marina Lewycka,
"Caravan", ist ein Roman über den Versuch in unfreundlicher Umgebung
unter miesen Voraussetzungen einen Zipfel vom Leben abzubekommen.
Ein paar Erdbeerpflücker aus Polen, der Ukraine, China und Afrika
schlagen sich mit den Verhältnissen in England herum. Nebenher noch
eine kundige Schilderung von industrieller Landwirtschaft unter der
Vorgabe des Profites. Mittags bin ich zum langen Lauf los, ich
wollte mal wieder die Runde bis Tübingen, bis zur Paul-Horn-Arena
machen. Das ging gut bis zu diesem Wendepunkt, dann meldete sich
mein malader Ischias wieder, das war nicht sonderlich überraschend,
diesmal führte es auf den letzten Kilometern zu einigen Gehpausen.
22 km im Schnitt von 5:44, das geht noch mit dieser Beschränkung.
Richtig locker war es nicht, die Schrittlänge ist begrenzt und jede
Steigung ein Malheur. Noch dazu hat mein MP3-Player den Geist
aufgegeben, so dass ich die 2. Hälfte der Strecke unversorgt war.
Der Frühling hat es wettgemacht, Magnolien, Kaiserkronen, auch
kleiner, z. B. Hungerblümchen und Hirtentäschel immerzu, die
Felsenbirne ist da und Apfel und Birne kommt langsam. Nachmittags
ein Stadtgang durch die unbenutzte Stadt, das Wetter war noch gut,
kaum jemand draußen, eindeutig mehr Schwalben und Tauben als
Menschen. Das sieht so schrecklich aus, kaum kann ich glauben, dass
es wieder anders werden soll, sind wir endlich geimpft.
Montag, 12. 4. 2021
Ganz klar, Frühschicht ist unerquicklich. Eigentlich nur das
schlechte, kurze Schlafen hinein, das wirkt sich auf den Tag aus. Am
Ende ging es gut aus, nach verschlafener Heimfahrt, von der
verschneiten Alb hab ich nicht viel mitbekommen, und ein wenig
Haushaltkram ging es an den Tower. Abenteuerliches Wetter, Sonne,
dramatische Wolken in allen Weiß- und Grautönen, Schneegestöber und
Regen, aber nicht zum Abbruch führend, dann hatte ich noch
Gesellschaft, ein Herr in meinem Alter, mir unbekannt, sehr
sportlich. Ab und zu ein Schwätz, sonst haben wir gut durchgezogen,
hintendran hab ich die Bälle rausgeholt, damit meine Hände nicht
ganz vergessen , wie es mit dem Jonglieren gehen soll. Keine Zeit
für einen Kaffee, kein Kuchen, was ist das für ein Leben. Das
Buch, s. o., bleibt hochwertig, es steckt voller genauer Beobachtung
und Schilderung und voller humoriger Köstlichkeiten. Die
Erzählperspektive wechselt immerzu, alle Wichtigen kommen zu Wort,
jeder mit seiner eigenständigen Sprache und Persönlichkeit. Bin in
der zweiten Hälfte und würde es jetzt schon empfehlen. Aus den
Nachrichten: Die Kanzlerkandidaterei wirkt auf mich sehr
überflüssig, zumal beide Anwärter mir gar nicht kanzleifähig
vorkommen wollen. Beide stellen eine Körpersprache vor, verschieden
jeweils, klar, aber sehr entlarvend. Laschet windet sich, er ist
konfliktflüchtig. Söder gar nicht, dafür stellt er sehr feist das
Rechthaben dar. Von der AfD hört man, sie wollen noch keinen
Kandidaten küren, sie haben auch so genug internen Streit. Wieso
habe ich, mündiger Bürger und Wähler, mit solchen Truppen zu tun?
Dienstag, 13. 4. 2021
Besser geschlafen, fast 4 Stunden, damit geht es leichter, weil mehr
durchschlafen dabei ist. Man muss eben erst richtig müde sein, dann
funktioniert es schon. Um den Mittag rum holt es mich trotzdem ein,
muss mich sehr konzentrieren beim Tun, zumal wir gut besetzt waren,
da ging es ruhig zu. Im Bus nichts von der Welt mitgekriegt. Zu
Hause langsam berappelt und den Tagesplan umgeschmissen. Zwei Dinge
gemacht, die für mich neu oder ungewöhnlich sind. Erstens: im
Hauspostkasten lagen so Gutscheine von meinem Lieblingsbäcker, damit
bin ich los und hab mir schönes Vollkornbrot gekauft und zum
Ausgleich noch süße Stückle, Kuchen gab es leider keinen mehr. Es
war so preiswert, ich kam mir fast unsittlich vor. Zu Hause gab es
Kaffee zum Gebackenen. Zweitens: Erst dachte ich über einen
Spaziergang ins Weggental nach, dann fiel mir die Altstadtkapelle
ein, da war ich ewig nicht. Draußen war es kalt und windig, mit
ähnlich abwechslungsreichen Himmelstönungen wie gestern, aber ohne
den Schnee. Ich bin wacker bergauf gestartet, vorbei an vielen
Vorgärten, in den es vielfältig blüht, auch mal duftet. Oben bin ich
über die Äcker einen ziemlichen Umweg gegangen, zwischen mir und der
Kapelle war ein Tal, da musste ich außen rum. Dabei fand ich den
denkmalssanierten Rest einer uralten Befestigungsanlage, von der
hatte ich noch nie gehört und gesehen. Die Kapelle ist schön, der
Ursprung aus uralten Zeiten, was mit dem siebenten Jahrhundert. Kann
man sich das vorstellen? Wer hat da gegraben und gebaut? Der Rückweg
durch das Tal zur Stadt, mit wunderbaren Ausblicken nach unten, z.
B. blinkerte die tiefstehende Abendsonne auf dem Neckar und auf der
Wasserfläche vom Freibad, ist dort eigentlich immer Wasser drin? Der
Heimweg am Neckar, die roten Taubnessel blühen und gelbe Anemonen,
die Traubenkirsche öffnet die ersten Blüten, ein Haubentaucher
schwamm dazu. Die Regierung beschließt, was alles verboten wird
bei hohen Inzidenzien, in der Gegend sind sie überall über 100.
Manches kommt mir komisch vor, warum ich nach neun nicht raus darf,
erschließt sich mir nicht. Ich will aber auch nicht Party machen,
somit bin ich wohl nicht gemeint mit dieser Maßnahme. Die
Ansteckungen sind mittlerweile näher an mir dran, es ist kein fernes
Geschehen mehr. Das Impfen kommt wohl in Fahrt, ein Glück.
Mittwoch, 14. 4. 2021
Zeit zu Schreiben, aber auf SWR 2 läuft eine Sendung über die
Digitalisierung der Landwirtschaft. Ich kann nicht schreiben, muss
zuhören. Große Player stellen Technologie zur Verfügung und
gelangen so an Daten, die genauso missbrauchsanfällig sind wie die
Daten bei Google und Facebook, da hängt die Nahrungsmittelsicherheit
dran und die geballte Marktmacht. Nur wenige Spezialisten außerhalb
der Datenscheffler sehen das Problem und legen es auf den Tisch. Und
wie immer bei solchen Informationen erschrecke ich und denke, was
kann man machen, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, vom Geldstreben
und vom Machtstreben, daran verdirbt die Welt. Alternativen haben
den Geruch von Verzicht dabei und sind deswegen kaum vermittelbar.
(Das steht jetzt nur als erste gedankliche Reaktion hier.) Die
letzte Frühschicht für diese Woche, der Rest ist gleitzeitfrei, wir
dürfe noch keine Stunden aufbauen. Mir ist es recht, obwohl die Idee
Gleitzeit anderes im Sinn hatte. Kleine Aufregung wegen der
demnächst beginnenden Testerei, jeder einmal die Woche. Mal sehen,
wie das abläuft, auf das Ergebnis bin ich gespannt. Heim,
ausruhen, aufrappeln bei einem Kaffee, von gestern war noch ein
süßes Teil vom Bäcker da, dann Beschlussfassung. Ein Lauf in den
Abend, ich wollte meine Zweitlieblingsstrecke andersrum angehen.
Also über die Bronnmühle nach Bad Niedernau, durch den Kurpark und
an der Siebentälehöhle rauf nach Weiler, an der Abendsonne vorbei
wieder zurück. Stille Wälder und Wiesen, die Vögel mit ihrem
Abendgesang, der Bach murmelte, der Seele tat es gut. Knapp 14 km,
225 Höhenmeter, 5:31er Schnitt, der Ischias jaulte wieder. Abends
hab ich die Rolle genutzt, musste lachen, weil ich mach das nur,
wenn wirklich was wehtut, da hab ich fröhlich über den Schmerz
gerollt und immer gedacht, das hilft jetzt, aua, das hilft wirklich.
Ob´s klappt?
Donnerstag, 15. 4. 2021
Wo ist der Antrieb hin? Oder liegt es an fehlenden Terminen,
Verpflichtungen, dass ich so schwer in die Gänge komm? Muss ich noch
drüber nachdenken. Jedenfalls hat es gedauert, mein Frühstück mit
Buch, dann war es fertig, ausgelesen, und ich musste eine Weile
drüber nachdenken. In meinem Stapel, da sollte ich von Stapeln
sprechen, liegt noch ein Buch von Lewycka, werd ich mir bald
hervorzuppeln. Vorerst hab ich Lust auf einen Kästner, "Drei Männer
im Schnee". Nach dem gemächlichen Ordnen meines kleinen Haushaltes
bin ich zum Tower und hab 90 min verschiedene Muskelgruppen
angestrengt. Mich auf Frühlingstemperaturen gefreut, die waren noch
nicht da. Mittag gab es vom Chinesen, zum Glück kocht er wieder für
uns. Er hatte Urlaub, es sei ihm gegönnt. Nachmittags, abends faul
am Rechner, lesend, Kaffee gab es, manches Video, und manches im
Radio. Alte Musik in neuen Aufnahmen, eine Stunde voller
überraschend schöner und mir unbekannter Einspielungen, da kann ich
die Zeit vergessen. Corona macht, das die Intensivstationen
wieder voll laufen. Ich war so optimistisch, dass es besser ausgeht
durch die Impferei, jetzt kommt wieder eine Lockdownverschärfung,
ich verstehe das auch, merke aber, ich bin mürbe. Sport machen
allein, spazieren allein, Kuchen essen allein, Reden mit mir allein,
Sex machen alleine, irgendwann werde ich bestimmt zum Problembären.
Freitag, 16. 4. 2021
Ich hatte auf dem Handy geschaut, die Läden in Rottenburg seien
offen. Ich brauche eine Jacke und Schuhe für den Frühling. Der lässt
sich zwar Zeit, aber demnächst kommt er doch. Bin also losgezogen
und stand bald vor dunklen, geschlossenen Geschäften, eigentlich hab
ich mir das gedacht. Die Webseiten, die ich angesteuert hab, zeigten
alle an: geöffnet, das stand unter aktuell, bzw. auf der Startseite.
Geht also zu wie auf meiner Seite, da ist auch nicht alles
tagesaktuell, nur muss ich kein Geld verdienen damit. So fuhr ich
zum nächsten Supermarkt, von dem ich wusste, es gibt eine
rudimentäre Abteilung mit Klamotten. Dort hat es geklappt, was wohl
meine Ansprüche trefflich schildert, die sind nicht hoch. Zu Hause
hab ich anprobiert und von Schildern und Aufklebern befreit, alles
passte, erledigt. Mittag gab es aus der Pfanne, Lesezeit dazu, es
dauerte länger. Das Buch, s. o., ist gediegene Unterhaltung,
manchmal sehr lustig, die Hälfte hab ich, es ist sehr vergnüglich.
Laut meinem Tagesplan war Laufen vorgesehen, ich haderte mit dem
sehr kühlen Wetter. So hab ich lange gebraucht, um mich doch
aufzumachen, draußen war es gar nicht so schlimm. Ich bin eine
flache Strecke am Neckar entlang bis Hirschau, über die Felder und
Wurmlingen zurück, da hat der Wind wieder gut gemacht, was er in der
ersten Hälfte versaut hatte. Ich hab versucht, aus meinem
Ischiasvermeidungsmuster rauszulaufen, hab die Schritte lang gemacht
und fand es gar nicht schlecht. Am Ende tat es zwar weh, aber nicht
so, wie befürchtet. Vielleicht war zuletzt das Muster das Problem.
Außerdem hatte ich Musik auf den Ohren, einen Konzertmitschnitt mit
Patty Smith aus 2003, da hatte sie wohl ihre stärkste Zeit. Es ist
voller Energie, hochpräzise durchperformt bis in jede Silbe, ihre
Band hält das Niveau ebenfalls ganz oben, der Schlagzeuger ist ein
Zauberer. Das trägt und macht Flügel, so kam tatsächlich ein guter
Schnitt von 5:12 auf knapp 13 km raus. Duschen, Kaffeetrinken,
Zeithaben, alles ziemlich gut, manchmal fehlt Gesellschaft.
Samstag, 17. 4. 2021
Mit Billie Holiday die Zeit vergessen, sie singt, ich schwebe. Es
ist eine Sammlung ihrer schönsten Titel, nicht vollständig, aber
jeweils die stärksten Versionen, irgendein sendungsbewusster
YouTuber hat sich damit viel Mühe gemacht und ich danke ihm. Ich
höre das schon viele Jahre, immer wieder gern, und immer auf´s Neue
überrascht von der Intensität des Gesanges und auch die Instrumente
folgen diesem Anspruch mühelos. Und immer wieder höre ich neue
Finessen, kleine Schnuckeligkeiten, die ich bisher nicht
wahrgenommen hab oder neu entdecke. Damit war ich zwei Stunden am
Tower im Glück, Sport hab ich auch gemacht. Dann kam jemand dazu,
der mühelos den Handstand stand und lief und Figuren darin formte,
da gab es noch was zu schauen. Der junge Mann kam aus dem
Breakdancebereich, drehte ein paar Elemente, und wir kamen ins
reden. Er wollte was über Kunst wissen, nun ja, da war er mir in die
Falle gegangen. Ich glaub, ich hab ihn ziemlich zugequatscht, konnte
ihm sogar Bildbespiele zeigen, dank Handy ist alles da, und
erläutern, was an Picasso oder van Gogh neu und besonders war. Er
hat gefragt. Als es kalt wurde, hörten wir auf. Mit dem Kästner
bin ich durch, es war ein schöner Spaß. wundervoll gezeichnete
Charaktere agieren ein Verwechslungsspiel zum glücklichen Ende hin,
es ist niemals flach, da ein Zeitbild mit erzählt wird. Das empfehle
ich, wenn man mal leicht, aber nicht einfach und blöde lesen will.
In den Nachrichten, die CDU-Kacke um den Kandidaten geht mir auf den
Geist, wäre ich CDU-Wähler, wäre ich es ab jetzt gar nicht mehr. Da
hör ich lieber was über Corona, das hat immerhin Substanz. Es sind
um 15 Millionen Geimpfte in Deutschland, da ist jetzt tatsächlich
was in Bewegung geraten. Das Ziel ist noch weit, die Inzidenzen
hoch, der Lockdown strikt, aber es geht zumindest mal vorwärts. Die
Nachricht von Biontech, dass man eventuell in einem Jahr wieder
impfen muss, bekomme ich einsortiert, das könnte gehen wie mit der
Grippeimpfung, wenn das mal klar ist kann man das, glaube ich, gut
organisieren.
Sonntag, 18. 4. 2021
Am Ende war eigentlich nicht viel zu sehen, gedauert hat es
trotzdem. Ich habe die Videos und Fotos vom Handy gesichert,
durchsortiert und vom Handy gelöscht, da der Speicher ziemlich voll
war. In der Hauptsache ging es um die Nachrichten von den
Enkelkindern, es hat sich herausgestellt, davon will ich gar nichts
löschen. Es war schön, so auf der Zeitleiste zurückzurutschen,
dahin, wo sie noch sehr klein waren. Zu sehen beim nacheinander
Anschauen, wie sie wachsen, mehr von sich geben, immer variabler
agieren, miteinander ins Verhältnis kommen, mobil werden, erst sich
drehen, dann ins Krabbeln kommen, anfangen aufzustehen. Gelöscht hab
ich nur die Klamaukvideos, die über andere Kanäle kamen, die mit
Corona und Politik zu tun haben. Manches davon landet mehrfach an.
Jetzt bin ich´s wieder los. Bei den Fotos muss ich noch ran. Als
ich genug vom Bildschirm hatte, und der Regen vorbei war, hab ich
mich auf die kleine Standardrunde begeben, weil, ein Sonntag ganz
ohne Laufen wäre komisch. Da ich grad doch ernsthaft mit meinem
Ischias uneins bin, spare ich mir die längeren Läufe und genieße
kurz. Cassandra Wilson hat mich begleitet, das ist die oberste Liga
vom Jazzgesang. Ich hab so Bedenken, wenn ich nur 1a höre und alles
davon kenne, ob ich mich dann langweile auf der Welt. Aber grad
läuft eine Neuentdeckung, Angel Bat Dawid, von ihr gibt es allerhand
auf YouTube, ich beginne, es mir reinzuhören. Sie ist noch jung,
lernte Klarinette und Klavier, singt und komponiert und hat 2019 ein
Album veröffentlicht, das von der Kritik sehr gelobt wurde. Sie
performt als Bandleader mit großer Leichtigkeit und Sicherheit eine
zeitgemäße, wie erneuerte Form aus dem Jazz/Freejazz, es ist komplex
und interessant und vielfältig, ich bin sehr angetan. Auf sie
gestoßen bin ich mit SWR 2, natürlich, das war eine Sendung, da hab
ich alles seingelassen beim Hören.
Dienstag, 20. 4. 2021
Ist es der Versuch, die Arbeitsproduktivität hochzuhalten, nur alle
zwei Tage was hier hin zu schreiben? Das wäre eine tolle Ausrede,
jedoch ist die Wahrheit, wie so oft im Leben, viel banaler. Gestern
hat es an Antrieb gefehlt, nicht an ein wenig, komplett und total.
Ich habe den Tag dümmlich vor mich hin schauend verbracht, kein
Sport, kein Haushalt, kein Text, lesen und Nachrichten hören waren
die einzigen Aktivposten, bis es zur Nachtschicht ging. Zum Glück
war es schon die letzte, so war heute nach einem kurzen Schläfchen
Zeit für das Ordnen der Bilanz. Nachmittags war ich am Tower, lange
und in toller Gesellschaft. Die Sonne war auch da, es war endlich
ein bisschen wärmer, sofort war das Basketballfeld voller
Jugendlicher, das Programm lief gut, Routinen halt, zwischenrein
hatten wir Lust zu schwätzen, so waren zweieinhalb Stunden schnell
rum. Zu Hause gab es Padeffkekuchen zum Kaffee, ein neues Buch hab
ich angefangen. Fernando Contreas Castro, ein Autor aus Costa Rica,
mit "Der Mönch, das Kind und die Stadt". Ich bin in der ersten
Hälfte, es geht poetisch wunderlich zu, erzählt wird die Kindheit
eines einäugigen Kindes, das betreut wird von einem sonderbaren
ehemaligen Priesteranwärter, es kommen noch andere ungewöhnliche
Gestalten dazu. Es wird dermaßen schlüssig erzählt und fabuliert,
dass ich alles glauben kann, wenn es der Nachrichtensprecher
durchsagen würde, hätte ich es schnell gelassen, so folge ich allen
seltsamen Kurven und bleibe sehr neugierig, was draus wird. Von
den Schwalben, die über dem Neckar fliegen, je nach Wetter hoch oder
tief, hab ich schon erzählt. Nach wie vor schaue ich ihnen mit
großer Begeisterung zu, wenn sie umeinander kurven und die
Wasseroberfläche anritzen, ob sie da ein Insekt rausfischen oder
einfach spielen oder sich gegenseitig beeindrucken wollen, das weiß
ich nicht. Heut waren zwei Haubentaucher da, schwimmend turtelnd, so
wie man es im Naturfilm sehen kann. In schöner Anmut nehmen sie die
Köpfe hoch und runter, miteinander in einer Folge, das endet wohl
später beim Nestbauen. So harmonisch ging es bei Söder und
Laschet nicht zu, ich glaube das läuft nicht auf ein Miteinander
hin, eher auf ein Schuldzuweisungsspiel je nach Wahlausgang. Statt
diese Balz im geschlossenen Kreis auszutragen, bekommen wir es
vorgeführt und wissen nun, dass es die Grünen, auch die SPD besser
können.
Mittwoch, 21.4.2021
Ich bin in Bayern, wieso, sag ich nicht, demzufolge auch nicht,
wieso es jetzt geht. Vor dem Ziel stand ich im Stau, wegen einer
Corona-Teststation, da dauerts offensichtlich und vorhersehbar, da
hab ich für den letzten Kilometer Autobahn eine halbe Stunde
gebraucht. Und hab gedacht, man, ist das blöde. Im Hotel das
Einchecken, Vorzeigen der Genehmigung, alles aufwendig, aber es hat
funktioniert. In Bayern sind nur FFP2-Masken gültig und erlaubt, die
sonst üblichen und zugelassenen OP-Masken gelten nicht, ist das hier
ansteckender oder ist das Volk Söders anfälliger? Da ließe sich noch
manche polemische Frage formulieren. Die Begegnung mit den
Kleinen war die Hauptsache, die Fortschritte zu meinem letzten
Besuch hier sind verblüffend. Wir haben auf Anhieb richtig schöne
Hinundherspiele gemacht in vielen Varianten und wenn mich so ein
Kleines auffordernd anschaut, bin ich schon dahingeschmolzen.
Draußen waren wir, spazieren auf kleiner Runde im Frühlinsduft, in
der Abendsonne. Auf dem kleinen Freizeitpark war die Hölle los,
Basketballer, Skater, Kraftsportler, Fußballer, Radler und jede
Menge andere in allen Altersklassen, da gabs viel zu sehen. Rückzu
hatte ich Johannes oben auf den Schultern sitzen, von so weit oben
hat er die Welt noch nicht gesehen und er ist richtig abgegangen vor
Lust und Freude. Das war ansteckend, wir mussten auch lachen
über diesen kleinen Hans im Glück. Irgendwie will das W-Lan
nicht, ich kann also heut nicht laden. Liegt es am Gewitter, oder
braucht man FFP2-Zugang, ich weiß es nicht,
Donnerstag, 22. 4. 2021
Es ist anders, zu schreiben, wenn ich nicht laden kann, irgendwas
mit dem Rechner ist nicht in Ordnung. Ich schreibe also auf Vorrat,
eher auf Nachrat, nicht wie sonst frisch geschrieben und raus damit.
Es fehlt ein wenig Nervenkitzel, ich kann am nächsten Tag
unveröffentlichtes nachlesen, korrigieren, was nicht genehm ist.
Andererseits, es sind fünf Tage, Corona wütet unter uns, so hoffe
ich, die letzten Wochen, die Aufgabe für mich, nämlich die der
Seelenhygiene unter diesen Umständen ist längst erfüllt. Und meine
kleine, feine Leserschaft wird über ein paar Unregelmäßigkeiten
nicht sonderlich erschüttert sein. Tagsüber war ich eingespannt
als Großvater, umsorgen und spazieren und daheim spielen oder in den
Schlaf hutschern. Da die Mutter heut ausfiel, war ich eine wichtige
Person. Ich glaube, der Vater hätte es irgendwie allein auch
geschafft, aber zwei so Kleine fordern manches zur gleichen Zeit, da
bräche dann unter Umständen eine tränenreiche Episode an, die kann
ich zu verhindern helfen. Das hat geklappt, und zwischenrein gab es
Spielsequenzen, da war es richtig lustig. Auf den Matratzen rum
rugeln und kullern, da konnten wir richtig die Sau raus lassen mit
umfallen und umwerfen und mit der Zudecke verstecken oder
verschwinden lassen, es gab jede Menge Gequietscher und Gegacker,
bis wir erledigt waren. Manchmal muss man sehr aufpassen, wenn sie
sich mal streiten, sie können noch nicht einschätzen, wie das
Zulangen dosiert werden muss, aber zumeist ist es ein großer Spaß.
Ich genieße sehr, mit meinem entspannten Bewusstsein, ich bin ja
nicht so ganz verantwortlich, die vielen Fortschritte zu
registrieren, denke, als ich selbst Vater von so Kleinen war, war es
mir näher und selbstverständlicher, und jetzt schaue ich wie mit
geschärfter Wahrnehmung.
Freitag, 23. 4. 2021
Voll ausgelastet mit den Kindern, sogar zum Impfen gewesen, ging
ganz gut, fast ohne Weinen, gefüttert, gewickelt, gespielt, da
vergehen die Stunden, abends schwierig mit dem Einschlafen, ein
langes Ritual, die Eltern mit großer Geduld, wo in mir schon kleine
Verzweiflung ausbricht, ob sie überhaupt je einschlafen. Die Spiele
sind sehr lustig, Eva hat mir Luft geschenkt, sie bückt sich, tut,
als würde sie was aufheben und bringt es mir. Veräppelt sie mich da,
kann sie das schon? Manches kann sie schon, sie donnert z. B. an die
Wohnungstür und schaut dabei, wie weit der Papa entfernt ist, dann
hat sie noch dreimal zu bommern, bis sie weggetragen wird. Wir
können miteinander winken, klatschen, ulkige Silben sprechen und
allerhand Geräusche machen. Beim Spazieren fanden wir das
Schattenglöckchen oder ist es die japanische Lavendelheide, die
Hundszahnlilie, die eventuell Forellenlilie heißt, das muss noch
erforscht werden, und die Elfenblume in gelb und lila und rostrot.
Wäre ich ein Gärtner, wüsste ich Bescheid, so bin ich ein
Hobbyblumengucker und hab meine Freude dran und sonst wenig Ahnung.
Keine Nachrichten gehört, wahrscheinlich ging viel um Corona und
Lockdown und die Proteste dagegen. Hab nicht das Gefühl, was
verpasst zu haben, hier in Bayern gab es sicher noch was zu Herrn
Söder und dem Wundschmerz, der kürzlich erlitten und jetzt
heldenhaft, nein, heroisch getragen wird.
Samstag, 24. 4. 2021
Ähnlich wie gestern, nachrichtenfrei, mit den Kindern froh gewesen,
abends ging es diesmal ganz unkompliziert und schnell, schon
schliefen sie. Außerdem Wasseramseln an der Saalach, erst eine, dann
zwei, und die Einbeere und Lichtnelken in rot und quirlblättriger
Zahnwurz blühend und noch zwei unbekannte Pflanzen, wo auch
Google-Lens nicht weiter half, obwohl die Fotos gut waren. Das
Laufen und der Sport fallen gerade aus, weil echt keine Zeit übrig
ist, und es macht gar nichts, abends bin ich trotzdem müde.
Sonntag, 25. 4. 2021
Morgens ein Spaziergang an der Saalach, zu viert, Johannes ein Stück
oben auf meinen Schultern, da verliert er die Fassung vor Freude. Er
grölt da oben rum, grad, dass er sitzen kann auf so schwankender
Unterlage, völlig angstfrei patscht er mir auf der Glatze umher und
muss in alle Richtungen sich winden und wenden, um nur nichts zu
verpassen. Ein quietschvergnügter Kerle. Beinwell haben wir
gefunden, eine kleine Sorte, die jetzt schon blüht. Mittags war
Abreise, es ging schnell heimwärts, die Autobahn war frei, kaum
Tempolimits, ich hab mal Gas gegeben und war in dreieinhalb Stunden
zu Hause. Da geht der Verbrauch spürbar hoch, demnächst mit all den
Anpassungen am Preis für Benzin wird man sich das überlegen.
Zielprämie war Kaffee und Kuchen, dann Auspacken und Verräumen, ein
bisschen telefonieren, dann wäre Laufen dran gewesen. Nun hatte ich
keine Lust, wollte an den Tower, da wars auch gut. Nach tagelanger
Pause war es immerhin der Einstieg, das meiste ist gelungen, aber
der Handstand wollte nicht stehenbleiben. Ich hab es diesmal auf den
großen Mond geschoben, der hat eine Unwucht in die Achsen gebracht.
Abends den Rechner zu Hause angehängt, siehe da, Internet
funktioniert wieder, muss ein bayrisches Problem gewesen sein. Ein
Textbesprechung mit einem jungen Freund, es ging um einen
umfangreichen Schreibversuch, ich hatte viel zu mäkeln und wollte
aber gut erklären, warum der Text so nicht funktionieren kann. Mein
Eindruck war, dass das gelungen ist, mir sind sogar passende
Beispiel und Empfehlungen zum Lesen eingefallen. Morgen sollte ich
mich wieder mal um Nachrichten kümmern, sonst falle ich noch ganz
raus aus der realen Welt und hinein in meine gelesene.
Montag, 26. 4. 2021
Spätschichttag, der erste von fünfen, bedeutet früh aufstehen, sonst
wird gar nichts. Hat geklappt, halb neun war ich schon im Handelshof
zum Einkaufen, da in meinem Kühlschrank ein Echo vorkam, rief ich
rein, sonst war nix zu kühlen. Zu um zehn konnte ich, nachdem ich in
Windeseile alles verräumt und geregelt hatte, die Laufschuhe
zubinden, hab ich meine Standardstrecke geschafft, ich dachte, oh,
mühsam, am Ende war die Zeit gar nicht schlecht. Duschen, Essen, ab
zum Schichtbus, heute der komfortablere, in dem schläft es sich
wonniglich. Auf Arbeit bekam ich die Schnelltests, die anderen
hatten sie schon, morgen sollte ich mir also ein bisschen Rotz aus
der Nase holen und prüfen. Den Castro, s. o., hab ich fertig, das
war ein gutes Buch. In der Anmutung einer Fabel mit vielen
wunderlichen Wesen wird ein genaues und erschütterndes Zeitbild
geliefert, der Zustand der Welt aus der Sicht von armen Leuten aus
Lateinamerika, in der Auseinandersetzung mit Umweltverschmutzung,
die zu Gesundheitsschäden führt. Dazu kommt die fehlende Bildung,
daraus folgend die mangelnden Möglichkeiten, sich zur Wehr zu
setzen, sowieso ist Überleben tagesfüllend. Eigentlich alles sehr
schwarz, das Ganze aber so herzerwärmend, auch drollig erzählt, am
Ende ist überhaupt nichts gut, eher was zu Ende, ich habs mit dem
Gefühl weggelegt, was Tolles erlebt zu haben. Weiter mit Andreas
Veiel, "Der Kick". ein Report über ein sinnloses Gewaltereignis im
Brandenburg der Nachwendzeit. Keine Poesie, eher eine Reihung von
Erzähl- und Verhörprotokollen nach dem Mord an einem 16-Jährigen.
Hab erst angefangen, aber schon da erkenne ich die Verhältnisse
wieder, überforderte und perspektivlose Leute vom Dorf, da lief es
noch nie gut, aber dann ist das bisschen Ordnung weggebrochen, und
niemand hat sich dafür interessiert, wie alles ins Trübe rutscht.
Dienstag, 27. 4. 2021
Ein schwieriger Tag, widerständige Abläufe, es wollte nicht
gelingen. Dabei ging es vormittags gut los, ich hab den Anfang
hingekriegt, halb neun war ich fertig mit dem Frühstück, die Wäsche
war durch, konnte gehängt werden und der sonstige Kram war
überschaubar. Halb zehn war ich am Tower, eine reichliche Stunde mit
den Routinen war gut möglich. Ich kam mir vor wie ein Robinson, kein
Mensch in der Umgebung, als wäre ich der Einzige, der die hiesige
Welt benutzen will. Wo waren die anderen Menschen, sitzen
mittlerweile alle vor ihren Bildschirmen und tun, als hätten sie
Gesellschaft. Mittags wollte ich zum Bus fahren und blieb hängen in
zugestauter neuer Verkehrsführung, als ich am Parkplatz ankam, war
der Bus weg. Musste mich wieder raus quälen aus dem Stau und selbst
fahren, war zu früh am Ziel und hab im Auto noch den Notschlaf
angehängt. Auf Arbeit, zuerst ein Denkfehler, peinlich, denn ich kam
nicht allein raus. Dann eine störungsanfällige Maschine, jemand
anderes hatte sie eingerichtet und es war ziemlich viel falsch. Die
Fehlersuche war mühsam und langwierig, nun ja Tage wie dieser.
Dafür habe ich meinen ersten Corona-Test erlebt, zu Hause, die
Gebrauchsanweisung lesend, rotzziehend und -rührend, mit Zeitnahme,
negativ. Also arbeitsfähig. Russland und Nawalny, Goliath und
David? Putin am Durchdrehen, verbietet alles, erklärt alle zu
Saboteuren und Terroristen, vom Ausland gesteuert. Dabei bräuchte er
nur in die Geschichte schauen, um zu wissen, seine Zeit ist
abgelaufen. Ob es dieser oder der nächste Nawalny schafft, ist
unerheblich, das Ergebnis ist nicht mehr weit. Dieser David mit
seinem hohen persönlichen Einsatz hat meine Anteilnahme,
Solidarität. Da ich mich in russische Verhältnisse nicht einbringen
kann, möchte ich dies wenigstens hier lauthals verkünden.
Mittwoch, 28. 4. 2021
Der dritte Tag im Schlafmangel, knapp 5 Stunden ist gradeso, dass
das Bewusstsein zumeist funktioniert. Es gab keinen Busschlaf, bin
wieder selber gefahren, hab einen Kollegen dabeigehabt, der fährt
uns morgen. Dafür ist das Tagwerk vollständig. Bei meinem Flaschner
hab ich über meine Heizung reden müssen, die macht seltsame
Geräusche. Morgen kommt jemand schauen, da muss ich wieder pünktlich
aus dem Bett. Haushalt, ein wenig Zeit geht da immer weg, Wäsche
verräumen, war getrocknet, Glascontainer ansteuern, meine
Depotkisten waren voll, tanken. Es langte die Zeit zum Laufen, meine
schöne Standardrunde, jedesmal anders, diesmal mit frisch erblühter
Frühlingsplatterbse in blau violett, die ist zweifarbig,
gelbblühend das Frühlingsfingerkraut, Wiesenschaumkraut überall,
Buschwindröschen und eine Etage tiefer der Sauerklee. Zu Hause
entspannt duschen, essen, durch Selberfahren war eine halbe Stunde
mehr Zeit. Auf Arbeit als lustiges Ereignis die Abhandlung eines
Sicherheitstages. Unser Meister hat sich tapfer durchgequält,
ignorierte unsere Anteilslosigkeit, erfüllte seine Aufgabe wacker
bis zum letzten Fragezettel. Es werden hehre Ziele deklariert, wir
sind alle einverstanden und machen weiter wie bisher. Der
Arbeitgeber hat somit irgendwelche Zertifizierungsvorgaben erfüllt,
auch wenn intern auf Weisung von Vorgesetzten gemogelt wurde. Jaaa,
dachte ich, fiel mir der Begriff Potemkinsche Dörfer ein. Das
Buch hat eine große Wuchtigkeit, hab die Hälfte, der geschilderte
Mord, bzw Totschlag im Suff und aus Langeweile und dann nicht mehr
raus können ist so sinnlos und alltäglich von den Umständen. Wenn
den Aussortierten nur noch das Saufen einfällt,
generationsverbindend, dann wundere ich mich, dass nicht viel mehr
schiefgeht. Es wird reportagenhaft genau geschildert, die Defizite
des Einzelnen verstärken die Misere der Aussichtslosigkeit, wer soll
das gerade rücken. Es haben sich allerhand Leute bemüht, das hat
nicht gereicht, da kommt Gesellschaft an Grenzen, muss aushalten,
dass manches nicht lösbar ist und grauslich endet. Tragisch für die,
die es erwischt.
Donnerstag, 29. 4. 2021
Warten auf den Handwerker, da verging der Vormittag schnell, das
Ergebnis war noch nicht befriedigend, mit der Heizung stimmt es
nicht ganz. Wird repariert, lohnt sich das, oder gibt es eine neue,
da haben sich Bestimmungen verändert, nicht einfach, das neue
Regelwerk in einem Mehrfamilienhaus einzuhalten. In der Wartezeit
hab ich Telefonate abgearbeitet und bin vorwärts gekommen. Aber der
Lauf konnte nicht stattfinden, obwohl ich bereit gewesen wäre, aber
nach der Beschau der Therme war noch Zeit zu essen, dann wurde ich
abgeholt, auf Arbeit zu fahren. Vom letzten Lauf hab ich
vergessen zu erzählen, ich hab einen Neuntöter gesehen. Ich kenne
diesen schönen Vogel seit Kindertagen, hab da schon über seine
Vorratswirtschaft gestaunt, er spießt große Insekten oder kleine
Vögel, Mäuse und Eidechsen auf Dornen im Gebüsch, Notration für
schlechte Tage. Sein Nest baut er ein, zwei Büsche weiter, damit er
nicht inmitten seiner Lagerung gefunden wird, clever. Hier ist er
also auch, die Landschaft stimmte, offene Wiesen mit Buschreihen. Er
sieht so markant aus mit seiner schwarzen Augenmaske, sie ist
unscheinbarer gefärbt. so ist es oft bei Vögeln. Nachrichten
hören schaff ich grad nicht, das Arbeiten frisst mir zu viel Zeit
weg. Sport läuft als Notprogramm, der gute Zustand, den ich hatte zu
Zeiten von Wochenendarbeit, auch Kurzarbeit, geht mir langsam
verloren. Das Dehnen kommt zu kurz, bzw. es fällt weg, neue Übungen
werden kaum erarbeitet, bin froh, die alten halten zu können. So
kleiner Luxus wie Stadtgang, Lesestunden, Bäckerbesuche, Kontakte,
alles sehr dürftig. In mir drin bin ich am rummaulen, zumal die
Zettel mit unerledigten Dingen unanständige Häufungen bilden. Lässt
sich das lösen?
Freitag, 30. 4. 2021
Der letzte Spätschichttag, wieder sehr voll, als Privatmensch komme
ich erst abends ab halb zwölf vor. Ich bin in innerer Revolte, hab
schon nach einer Stellenausschreibung geschaut, die in Tübingen
wäre, also kaum noch Fahrtzeit, aber die Entlohnung wäre gar zu
dürftig. Zumindest konnte ich diese Wechselbereitschaft in mir
feststellen. Vormittags war der Schornsteinfeger da, ich glaube,
das heißt Feuerstellenprüfung, Messung der Abgaswerte, damit mir im
Warmen nicht die Luft wegbleibt. Da wird ein Zeitkorridor gesetzt,
dann ist es Glückssache, wenn er kommt. Ich hab ihn im Treppenhaus
erwischt und meine demnächstliche Abwesenheit erklärt, da kam er
recht schnell, er kann sich die Reihenfolge einteilen. Eigentlich
wäre ich zum Sport verabredet gewesen, das fiel flach, die Zeit
reichte nicht mehr, wir haben auf morgen verschoben. Das Buch
(Der Kick) ist fertig gelesen. Der Versuch, einen monströsen, dummen
Mord zu erklären, die Lebenswege der Beteiligten und ihr
Verstricktsein in gesellschaftliche Umstände, die sind, wie sie
sind. Es ist aufwändig recherchiert worden, die Gesprächsfäden sind
mühevoll geknüpft, auch deshalb, weil vorher die Medien ihre
Schlagzeilen abgeholt haben ohne Rücksicht auf Verluste. Das genaue
Vorzeigen der Zeitengeschichte zurück bis zum Kriegsende, der
Erlebnisse der Vorfahren erläutert den Weg in dieses Leben, ohne am
Ende Schuld kleinreden zu wollen. Mir bleibt die große Ratlosigkeit,
bzw. der Eindruck, dass es keine Lösung gibt und Leben manchmal
schiefgeht. Wichtig finde ich eine solche Arbeit auch deshalb, weil
wir weiterhin mit knitterigen Lebenswegen zu tun haben, überall sind
diese Schicksalsträger unter uns und die Atmosphäre in der
Gesellschaft ist anders als in der Nachwendezeit, aber nicht ärmer
an Konflikten, Veränderungen und Störungen.
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