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Leben in den Zeiten von Corona 11
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Freitag, 1.1.2021
Dieser Jahreswechsel war hier an der
Stelle nicht geplant, will ich´s bei guter Haltung begehen. Die
besten Wünsche an die ganze Welt und treue Leser, es ist mir
seltsam, das auch noch hinzuschreiben, wo es doch eigentlich eine
recht leere oder nutzlose Formel ist. Ich glaube, die Welt wird
gehen, wie sie eben geht, ob die Formel genutzt wird, hat es
Einfluss? Bzw. bin ich unhöflich, asozial, wenn ich klar hab, es
nützt nichts, und ich steh dazu? Es ist ja nicht so, dass, wenn ich
diese Figur nicht einschwenke, ich das Gegenteil will, also euch und
der Welt schlechtes wünsche. Das überhaupt nicht, mir wäre es schon
recht, euch geht´s gut und mir auch. Es ist ein ähnliches
Sichunwohlfühlen, wenn die Bäckereiverkäuferin mir beim Abgang einen
schönen Tag wünscht, jo mei, da sollte ich dann höflich sein und
sagen, vielen Dank, ihnen auch, da muss sie sich wieder bedanken.
Ich könnte dann weiter machen, gern, sage ich, und sie, oh wie
freundlich, und ich, möge die Sonne immer über ihren Weckle lachen
und sie ..... In den Nachrichten taucht die Überlegung auf, ob
Geimpfte, wenn sie denn sicher nicht ansteckend seien, bevorzugt
behandelt werden, z. B. Restaurants nutzen dürfen und so was. Da
gibt es das Argument der Solidarität, um diesen unseligen
Lockdownzustand aufrecht zu erhalten, bis, ja was, bis alle geimpft
sind und immun. Mein Grundrechte wurden eingeschränkt mit der
Begründung, ich sei potentiell ansteckend, bis dahin trage ich das
mit, nicht froh, aber doch einsichtig und auch solidarisch. Wie das
geregelt werden kann, da hat man jetzt mindestens vier Wochen Zeit,
drüber nachzudenken und es uns zu vermitteln, schneller wird es eh
nicht gehen. Ich möchte durchaus solidarisch mich impfen lassen, um
zur Herdenimmunität beizutragen, obwohl ich mich vor einer
Ansteckung selbst kaum fürchte. Aber nach dem Erreichen des
Antikörperstatus möchte ich mir nicht mehr in mein Leben
reinbestimmen lassen, ich will wieder selbst entscheiden, wo ich
meinen Kuchen esse. Warum man das Diskriminierung nennen soll,
erschließt sich mir nicht. Kein Neujahrslauf, ich war am Tower.
Anderthalb Stunden hab ich geschafft, dann wurde es ungemütlich, ich
fing an zu frieren. Ich hab die Routinen brav abgearbeitet und hätte
noch ein halbes Stündchen gebraucht für den Bauch. Aber da ist mir
eine Ausrede eingefallen, ich denke über ein neues Trainingsprogramm
nach und will manches stimmiger aufteilen, da hab ich gleich
angefangen damit durch Weglassen. Dafür hab ich mir zu Hause auf
YouTube einige Übungen angesehen und war sehr erschüttert, was ich
alles verbessern könnte. Das gibt einen Sack voller guter Vorsätze.
Samstag, 2.1.2021
Es fing unentschlossen an und blieb ein fauler Tag. Viel am Rechner,
mehr gedaddelt als was Vernünftiges gemacht, und als mir der Arsch
weh tat, als wirklich eine lange Zeit sitzend vergangen war, und der
Kopf gar keine Begründung mehr konstruieren konnte für diesen
lethargischen Zustand, ging es mit einer Panne los. Ich wollte mir
was zu futtern holen, mein Chinese hatte zu. Vielleicht ist ihm der
Reis ausgegangen wegen dem Brexit. Immerhin hatte ich meinen ersten
Freigang, hab mir was zu Hause zubereitet und eine Weile
nachgedacht, ob dieser Tag zu retten wäre. Ein kleiner Noteinkauf
hat geklappt, im Aldi sind die Heidelbeeren eindeutig besser als im
Handelshof, und es gab sogar was kuchenartiges. Ich war zu Fuß da,
fand, das Wetter war tauglich und hab einen kleinen Lauf gestartet.
Hatte dazu die neuen Kopfhörer, die alten waren am Alter zerbröselt,
das steht mir auch noch bevor. Diesmal über Handy ein SWR2-Essay von
Navid Kermani, er erzählte von der Wirkung der Musik von Neil Young
in seine gesamte Familiengeschichte hinein. Da ich sowieso
NY-Verehrer bin, hatte er es nicht schwer mit mir. Er hat mich so
intensiv gekriegt mit der Erzählung von seiner Tochter, die ihre
Verdauungsprobleme als Baby nur mit dieser Musik bewältigen konnte.
Mit Einsprengseln aus dem Lebenslauf des NY und seiner
Konzerterlebnisse. Dazu manche gut übersetzte Liedzeile und immer
wieder Musik. Ich bin vor lauter Dabeisein gerade so der
Schnappatmung entgangen, musste zweimal stehenbleiben vor Freude,
Rührung, was da so kommt, ihr werdet das schon wissen. Jedenfalls
bin ich ganz beseelt zu Hause angelangt, hab gedacht, das ist es
beim Laufen, das macht mein Leben gefühlt grandios. Noch ein Wort
zum Brexit. Hat da vielleicht ein Riesengockel auf stur geschaltet,
durchgezogen ohne den Blick nach links und rechts. Ein Student in
London sprach: Es ist ein Riesenmist, nichts wird besser dadurch.
Jetzt darf die britische Regierung selbst bestimmen, aber die EU ist
größter Handelspartner, und vor der Haustür, die Fischer maulen
trotzdem. Ich bin neugierig, wie man das alles, was man schon hatte,
neu aushandelt, und am Ende wird wohl alles genauso laufen wie
bisher, nur dass man Kikeriki sagen konnte.
Sonntag, 3.1.2021
Laufen war ich, allerdings nicht mit der Hirschauer Truppe. Hab was
hier in der Gegend gemacht, 12 km durch weiß gepuderten Wald.
Unterwegs hab ich einen Läufer überholt, ich erkannte ihn, es war
der Kinobetreiber. Vor paar Tagen hab ich das Programm für nach dem
10. Januar gefunden, dieser tapfere Mensch macht weiter und weiter,
muss die Filme hertun, bzw. bereitstellen und weiß nicht, wie lang
er sein schönes Kino geschlossen halten muss. Zu Hause tat ich
wie ein Manager: Erst hab ich die Pfanne vorbereitet, es sollte ein
Kartoffelgratin geben, und in den vorgeheizten Ofen geschoben, dann
ging ich duschen, danach hab ich mir angesdchaut, wieviele Plätze
ich mich in der Januarchallenge von runtastic verbessert hab. Alle
zwei Meter hab ich einen Platz gut gemacht, 125000 Menschen machen
mit auf der ganzen Welt, ich fing an mit Platz 13000irgendwas nach
dem Lauf gestern, am Ende war ich unter 7000 gelandet. Echt
motivierend, wenn das immer so einfach wäre. Die dampfende Schüssel
auf den Tisch, das Mampfen konnte beginnen. Lesend beginnen. Und da
gab´s eine Überraschung. Mein Buch, es ist aus dem Rottenburger
Bücherschrank, sah beim Umblättern so aus:
Weiter hinten tauchte Wegwarte und Federnelke auf, das Buch ist eine
Nachauflage von 2003, da hab ich vielleicht Fundstücke entsorgt aus
einen noch nicht klimagestressten Wald. Eine Überlegung zum
Föderalismus: In der NZZ fand ich die länderbezogenen Benennungen
der jeweiligen Pandemiegesetzgebung, die hat mich erheitert. In
Bayern heißt es: Elfte Bayrische
Infektionsschutzmassnahmenverordnung, in NRW Coronaschutzverordnung
vom 30. November 2020, in Niedersachsen Niedersächsische
Corona-Verordnung, in Berlin
Sars-CoV-2-Infektionsschutzmassnahmenverordnung, im Saarland
Verordnung zur Änderung infektionsrechtlicher Verordnungen zur
Bekämpfung der Corona-Pandemie. Wenn die Überschriften schon so
verschieden lauten, wie sieht es dann im Text drunter aus. Herrlich
der ungebrochene Stolz lokaler Politiker, was eigenes hinzubekommen.
Manche Städte liefern dann auch noch, z. B. Augsburg mit der
Verordnung, dass auch Radfahrer und Jogger im Zentrum Masken tragen
müssen. Jetzt mal polemisch. Wenn die mit der Verfassung dieser
Versionen beschäftigte Menschen reklamiert hätten, das die
bestellten Impfportionen nicht weit reichen, hätte das genützt?
Noch ein Fundstück: Ich hab mir Ringe gekauft, um die ohne Studio
verfügbar zu haben. Man kann die recht flexibel irgendwo anhängen
und viele verschiedene Übungen damit machen. Das Handbuch dazu ist
auf jeden Fall nützlich.
Der gelungenste Satz ist für mich dieser: Bei jedem Training werden
keine Muskeln geschont. Kryptisch erscheint dagegen: Einen
beliebigen Schwierigkeitsgrad hinzu und halten Sie Ihren Kern
beschäftigt fügen. Auf geht´s.
Montag, 4.1.2021
Beinahe wäre es schiefgegangen. Beinahe würde ich hier sitzen und
versuchen, mit der Handkante oder mit dem Ellenbogen auf der
Tastatur zu stammeln, da müsste ich erzählen, wie ich meiner Finger
durch Erfrierung verlustig ging. Mittlerweile sind sie zum Glück
wieder aufgetaut und bewegen sich, wie sie sollen. Es war also kalt
am Tower, und es blies ein hundsgemeiner stetiger Wind jedes
bisschen Wärme aus den Händen. Auch aus der Nase, die sonst vor sich
hin tropft, kamen kleine Eiswürfel. Ich hab anderthalb Stunden
tapfer getrotzt, meine Routinen durchgezogen, beim Heimgehen war ich
froh um meinen Autoschlüssel, den ich nicht reinstecken muss, nur
hinhalten. Aus den Nachrichten: Mister Trump hat sich erwischen
lassen, es gibt einen Telefonmitschnitt mit irgendeinem
Verantwortlichen, nein, es war der Innenminister, der zugleich
Wahlleiter ist in Georgia, wo er verlangt, dass Wahlstimmen zu
seinen Gunsten gezählt, "gefunden" werden. Ist das zu fassen.
Bei all seinen Vorwürfen, die Wahl sei gefälscht, ist er von sich
ausgegangen. Er kann sowieso nicht anders.
Ich bin neugierig, ob es nach dem Amtswechsel eine juristische
Aufarbeitung gibt. Dieses Trampelviecht beschädigt in dieser
fragilen Situation die Demokratie, spaltet das Land weiter und
versaut Biden den Anfang. Und warum? Weil es ein Gockel ist, breite
Brust, aber kleines Hirn. Weiß er eigentlich, dass er selbst auch
dort weiterleben will? Soll ich noch den Putztag schildern? Das
schenk ich mir, zu mal ich noch gar nicht durch bin. Es fehlte ein
wenig Zeit, die Lust ging verloren, ich wollte lesen, so kann es
kommen. Da ich im Lockdown bin, nicht Skifahren will, ist es egal,
wenn ich morgen fertig werde, ist es mir auch recht und eine Freude.
Dienstag, 5.1.2021
Es klang bedrohlich in den ersten Meldungen, als sollten wir ganz zu
Hause eingesperrt werden. Zum Glück ist es nicht so schlimm
gekommen, das waren wohl Journalisten am Werk, die ins Blaue
fabulierten. Für mich ändert sich erst mal nichts, außer das meine
soziale Versehrtheit verlängert wird. Die Schulen bleiben zu, für
die Eltern eine schwierige Situation. Das alles wird vielleicht die
Intensivstationen vor dem Volllaufen retten, und die Impfungen
laufen an. 300 000 sind mit der ersten Spritze versorgt, das wird
noch ein riesiger Kraftakt, da durch zu kommen, meine Hoffnung ist,
wenn die am stärksten Gefährdeten immun sind, wird der Nachschub in
die Kliniken dünner, aber es braucht immer noch vier? Wochen, bis
die zweite Impfung wirkt. Als die Meldungen noch so unklar waren,
hab ich mich aufgemacht zu einem Lauf, es könnte der letzte sein,
war meine Angst. Bin die Standardstrecke lang getobt und hab wieder
so eine chicke Bestzeit geschafft. Diesmal ging es hochzu sogar ein
bisschen schneller als sonst, ich hab es schon unterwegs gemerkt,
und runterzu bin gewetzt, wie es nur ging. Und siehe da, 50:08 min,
wo ich sonst gern mal 53 irgendwas brauche. Es gibt grad in der
Region einen Haufen Läufer, die das viel schneller können, aber die
trainieren wesentlich konsequenter und ausschließlich Laufen. In
normalen Zeiten wäre ich schon wieder in Bayern gewesen, hätte meine
Enkelfamilie besucht und dort viel erlebt mit den Kleinen. Es geht
grad nicht, aber ich werde versorgt mit Bildern und Videos. Am
allerallerschönsten war eins, wo Eva so ein Gepruste macht, das
macht sie sonst ohne Brei im Mund. Nun hat sie auch diese Erfahrung,
wie das spritzen kann. Ich schau´s mir immer wieder an.
Mittwoch, 6.1.2021
Die SPD meckert an Herrn Spahn rum wegen der Impfstrategie,
hauptsächlich wegen der Einkaufsabstimmung über die EU. Das war
Regierungsarbeit, meines Wissens ist die SPD da beteiligt gewesen.
Sie will anscheinend klarmachen, dass sie nicht so gut regieren
kann, das ist mal eine neue Taktik vor der nächsten Wahl. Im
Radio laufen Diskussionen zur Verhältnismäßigkeit des verlängerten
und teilweise verschärften Lockdowns. Immer häufiger kommt das
Tübinger Modell zur Sprache, OB Palmer hat veranlasst, aus
finanziellen Mitteln der Stadt die Testerei in Altersheimen zu
verstärken. Dadurch gab es lange keine, dann nur sehr begrenzte
Ausbrüche in Heimen. Er hat noch mehrere Maßnahmen veranlasst für
den Schutz der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppe. Da
er Erfolg hatte, kann er jetzt über die parallel dazu laufenden
Lockdownmaßnahmen im Zusammenhang mit den nicht verbesserten
Inzidenzzahlen sprechen, auch die Sinnfreiheit vieler Beschränkungen
benennen. Er setzt das Erkrankungsrisiko ins Verhältnis zum
allgemeinen Maßnahmenkatalog und stellt fest: Ziel verfehlt bei
riesigen Kollateralschäden. Bei ihm klingt das sehr logisch, und die
Diskussionspartner aus Medizin und Verwaltung, hören ihm zu,
verstehen ihn und geben ihm zumeist recht. Die drei Könige hab
ich nicht gesehen, wahrscheinlich vor lauter Schnee. Dafür sah ich
meine Möglichkeiten, draußen Sport zu machen, schwinden, Kälte ging
noch, aber durch Schnee stapfen und die Stangen vom Tower erst
enteisen zu müssen, das kommt selbst mir zu blöd vor. So werde ich
mein Homeoffice in Betrieb nehmen, die Klimmzüge bringe ich noch
nicht unter, es wird mal ohne gehen, aber Dips und Squats und alles
für den Bauch kann ich zu Hause erledigen. Damit bin ich noch
lockdowner unterwegs, als alle Vorgaben verlangen, entwickele aber
langsam ein postcoronales Belastungssyndrom. Eine Beobachtung
möchte ich noch mitteilen, mir ist der Kassenzettel vom letzten Mal
Tanken in die Hände gefallen, er stammt vom 3.12., der Tank ist noch
halbvoll. Ich hoffe, mein Benzin verdirbt nicht, nein, tut es nicht
ich weiß doch, aber so einen langen Zyklus hatte ich lange nicht.
Beim Geldausgeben ist es genau das selbe, es reicht ewig, bis ich
zum Automat muss.
Donnerstag, 7.1.2021
Die Arbeit geht wieder los, langsam, mit zwei Nachtschichten nur,
der erste Tag ist wie ein freier Tag, weil es erst abends losgeht.
So hab ich ausgeschlafen und ein langwieriges Frühstück erlebt, dann
tatsächlich verschiedene Post erledigt und den Einkauf auch
geschafft. Herrlich, wenn alles leergefuttert ist, und ich muss mir
gar keine Sorgen machen um den Nachschub. Ich geh einfach los und
kauf, was mir gefällt. Einen kleinen Lauf gab´s, durch den
Schnee, das ist ein schönes Erlebnis. Von den Bäumen klatschen immer
wieder große Schneepacken, neben mir und auf mich. Auf dem Rückweg
traf ich den Sonnenschein, also meine Lieblingstrainerin kam
langgeradelt und wir hielten beide an auf einen Schwätz. Wir haben
gar nicht viel Gelegenheit, miteinander zu reden, wenn wir es
schaffen, stellt sich sofort so ein Miteinandereinverstandensein
ein, als ob wir gleiche oder sehr naheliegende Wellenlängen
benutzen. Was ist in Amiland los? Der Trump hetzt und die Doofen
rennen los und randalieren. Es ist ein Jammerspiel. Wir haben in
Deutschland auch Anfänge solcher Mobismen in der Anhängerschaft der
AfD und unter den Querdenkern, aber die Anteile in der Bevölkerung
sind nicht so groß. Jetzt wäre es die Zeit, zu merken, wie weit das
geht und was da für ein Mist rauskommt, mir fällt anhand der
Zustimmungswerte, die Trump immer noch hat, nichts ein, was da zu
machen wäre. Durch Miteinanderreden ist da kaum Land in Sicht. Den
Anteil der Medien sollten wir überdenken, krasse Schlagzeilen
bringen krasse Verkäufe, dieser Zusammenhang ist zu unbeachtet.
Medien, die wirtschaftlichen Erfolg brauchen, sind nicht unabhängig.
Das beeinflusst die Qualität von Nachrichten.
Freitag, 8.1.2021
Erste Nachtschicht ok, Schlafen ok, in die Gänge kommen ok, zum
Sport an den Tower. Eine Stunde geschafft mit kalten Fingern, auch
die Laufschuhe trotzen der Kälte nicht, wenn sie nicht gelaufen
werden. Aber eine wohlige Muskelmüdigkeit ist an vielen Stellen
hergestellt, einen Belohnungskuchen gab es, alles gut. Viel Zeit,
einen Gedanken zu fassen ist nicht, wenn die Abfahrt zur nächsten
Schicht nahekommt, und noch nicht alles erledigt ist, bleiben nur
Restminuten, in denen gehaltvolle, kreative Sätze zu finden, das ist
manchmal viel verlangt, bzw. schwierig, es verlangt ja niemand. Ich,
nur ich. Und da merke ich sofort, wenn die Konzentration woanders
hin zielt, oder unter diesen Umständen nicht stattfindet, bleibt es
dünn hier. Drum morgen wieder.
Samstag, 9.1.2021
Als es anfing hell zu werden, ging ich schlafen. wollte nicht allzu
lang in der Kiste zubringen, den Umstieg in Normalbetrieb schnell zu
schaffen. Es ging nicht ganz glatt, als ich mich endlich auftrappeln
konnte, war ich zumindest ausgeschlafen. In jungen Jahren habe ich
Nachtschicht besser weggesteckt. Da ich nichts leisten musste, hab
ich gelesen, immer noch den Mulisch, der hat fast 900 Seiten. Mir
kam es so kalt draußen vor, dass ich auch keinerlei Lust
entwickelte, am Tower was zu machen oder laufen zu gehen, dadurch
hab ich zum Kaffee immer noch lesend da gesessen, heute gab es extra
schöne Kekse und Plätzchen vom Padeffke, sehr lecker. Dann hab ich
mir die Welt erklären lassen, auf SWR2 kommen ordentliche
Nachrichten und Einschätzungen. Corona und Verlängerung des
Lockdowns, langsam werde ich unwillig, aber die Zahlen sind Kacke.
Trump und seine Mätzchen, dazu der Eifer der Medien. Dass er aus
Twitter rausgeflogen ist, finde ich köstlich. aber die Kommentare
sprechen davon, dass er dadurch und durch ein erneutes
Amtsenthebungsverfahren zum Märtyrer wird, das bringt ihn, auch
seine Anhänger, doch erst auf Ideen. Nebenher wird die Taktiererei
seiner Politgefährten offengelegt, die Demokratie, die für mich
immer noch das beste System ist, sieht dadurch nicht gut aus. Das
wäre die Entsprechung zum real existierenden Sozialismus.
Sonntag, 10.1.2021
Auf der Alb und im Schwarzwald sei es wieder voll gewesen, da werden
Straßen zugemacht, Leute abgewiesen, zurückgeschickt. In Digital und
mit Handy sollte es möglich sein, aus der Restriktion ein Angebot zu
machen. Im Schwimmbad musste man sich auch anmelden, warum fängt
niemand sowas an und probiert wenigstens die Steuerung? Da sitz
ich relativ bedürfnislos zu Hause, am Rammert ist kein Stau und am
Sportpark auch nicht. Ich war laufen, bei schönstem Sonnenschein und
kaltem Wind, zur Dünnbachhütte hoch waren noch ein paar Menschen,
dann hatte ich den Wald für mich. Es ging gut, die Kilometerzeiten
waren in Ordnung, die zweite Hälfte war im Schnitt unter 4:50
min/km, auf den gesamten 16 km hatte ich 5:15, bei 245 Höhenmetern.
Da komm ich zufrieden nach Hause, duschen, kochen, essen und ein
Leseschlaf mittags. Soll heißen, am Anfang lesen, bis das Buch
schwer wird, dann ein Nickerchen und noch nicht gleich aufstehen,
erst noch paar Seiten. Aus der Familie kamen schöne Videos von
den Kleinen, die fangen an miteinander zu spielen, auch zu streiten,
das müssen sie erst lernen. Da zuzuschauen ist sowas von spannend,
wenn man sehen kann, wie sowas wie das eigene Interesse, das
Habenwollen, das Auchhabenwollen erst entsteht und sich äußert.
In England die Not mit den Zahlen, die politische Idee, erst mal nur
eine Impfung zu geben, um mehr Menschen zu erreichen, die Angst der
Mediziner, daraus könnte eine Resistenz entstehen und wir fangen
wieder bei Null an, weil dann der Impfstoff nicht mehr wirkt. Ich
bin wirklich froh drum, da nicht entscheiden zu müssen. Jeden Tag
neu Geimpfte machen Hoffnung, ich bin gespannt drauf, wie das hier
klappt mit der zweiten Impfung. Immerhin muss da ein Zeitfenster
eingehalten werden.
Montag, 11.1.2021
Als ich morgens den Biomüll rausbrachte, beschloss ich, mir
kältefrei zu geben. Es zwickte und zwackte schon bei den paar
Schritten über den Hof. Ok, ich war im T-Shirt draußen, aber beim
Blick auf das Thermometer war klar, ich fang nicht an mit Sport
draußen. Hab ich also mich um den Haushalt gekümmert, Ingwer geputzt
und Gemüse, damit es drei Tage reicht, als alles erledigt war, nahm
ich mir das Buch, und schon war die Kälte egal. Mulisch, der
entdeckte Himmel, ich fang den vierten Teil an, das Ende vom Ende.
Die Konstruktion des Buches ist sehr elegant, es wird schlüssig
erzählt, eine einzige Stelle fand ich übertrieben, wo der
Sternengucker von einem kleinen Meteoriten zerstäubt wird. Ansonsten
lässt er seine Figuren in die Welt reindenken, sie formulieren genau
und wiedererkennbar in ihrer jeweiligen Sinnsuche. Er lässt sie
Urteile abgeben über Weltenzustände, je aus ihren verschiedenen
Alter heraus, es ist gar nicht aufdringlich, oft im Fragemodus. Es
kommt genug von der realen Welt vor, aber auch vom Träumen und
Sinnen wird erzählt, natürlich geht es ins Märchenhafte, aber da
lässt sich die Welt gut beschreiben. Drei, vier Tage werde ich noch
brauchen bis zum Ende, da ich dauernd unterbrechen muss, wegen der
Arbeit und so, würde aber schon von hier aus eine dringende
Leseempfehlung geben. Die Arbeit, das ging alles gut, keine Unfälle,
Ausfälle, Durchfälle, Reinfälle. Von der Kantine noch kurz. Vorige
Woche schon hieß es, alle Kantinen müssen schließen, ich hab mich
gewundert, weil es ein Hygienekonzept gibt, wir sitzen so weit
voneinander und werden freundlich hinter Plexiglas bedient, zahlen
mit Karte. Nun sind die Abstände noch weiter, es ist fast wie essen
auf dem Fußballplatz, und unser Küchenchef sagt, es geht weiter.
Hoffentlich kommt nicht irgendsoein Lauterbach und weiß alles noch
besser. Und jetzt ist Feierabend und schon las ich wieder ein
Stück und bin am Genießen.
Dienstag, 12.1.2021
Beim Lesen kam folgendes zu Tage:
Nachdem..., hatte er seinen Vater feierlich darüber in Kenntnis
gesetzt, daß er zwischen dem Satz "Ich glaube nicht, daß Gott
existiert" und dem Satz "Ich glaube, daß Gott nicht existiert" lange
geschwankt habe, sich als Gläubiger aber zum zweiten Satz bekenne.
Ein echter Mulisch-Satz, an dem ich hängen bleibe, den ich in seiner
Verdichtung als zauberhaft wahrnehme und lange drüber sinniere, ohne
ein festes Ergebnis zu bekommen. Dieses ganze Buch ist ein Lesespaß.
Unsere Kantine macht weiter, jetzt kommt allerdings eine unerwartete
Komplikation zum Vorschein. Da viele meine Kollegen, die in die
Kantine essen gehen, sich von der Ansage Alle Kantinen müssen
schließen ins Bockshorn jagen ließen, waren wir heute nur eine
Handvoll zum essen da, und im Loslaufen musste ich erklären, warum
ich trotzdem dahin will. Gestern ließ uns der Koch bestellen, heute
gab es keine Durchsage zum Thema, warum auch. Wenn aber weiter nur
paar Hansel Suppe holen, macht er deswegen dicht. Manchmal ist es
kompliziert in der Welt. Die Arbeiterei war interessant, kurz vor
dem Feierabend fiel mir ein Auftrag mit einer Sonderplatte in die
Finger, von der ich nach kurzem Draufschauen wusste, dass ich nicht
mal das Programm verstehe. Ich hab sie tapfer eingestellt und im
Ablauf die Geheimnisse ergründet. Dann reichte die Zeit nicht mehr,
das Ergebnis zu korrigieren, das machen die Kollegen aus der
Folgeschicht, ich hätte wohl eine Weile gebraucht, alle Maße
herzuholen. Morgen muss ich schauen, ob ich meine restlichen Fragen
dazu unterbringe. Vormittags war ich auf ein Stündchen am Tower,
es war nicht so kalt wie gestern, aber ein böser Wind hat die Sache
zeitlich begrenzt. Wenn es mal kalt wird, ist nicht mehr viel zu
machen. Ich hab schon in den Pausen Liegestütze und Kniebeuge
eingebaut, um mich warm zu halten, aber so ein kleiner Wind zum
Hosenbein und untern Bund hinein ist markant.
Mittwoch, 13.1.2021
Obwohl ich nach der Spätschicht spät ins Bett gehe, wenn ich
heimkomm gegen elf, will ich noch was essen, den Text machen, die
Mails durchschauen und Nachrichten hören, stehe ich relativ zeitig
auf, sonst schaffe ich den Sport nicht. So war ich kurz nach neun am
Tower, da lag ein wenig Schneegekrümel und an den Stangen hingen
Tropfen, beim Ranlangen merkte ich, alles gefroren. Auch die
Aufstiegsflächen waren total rutschig, so dass ich in der ersten
halben Stunde wirklich aufpassen musste. Mein Läuferfreund kam kurz
nach mir rangerutscht. Dann kam die Sonne und hat zumindest mal das
Wasser an allen Stangen aufgetaut, dann waren die eben nass. Wir
haben trotzdem gutes Programm geschafft, heut war kein Wind, es ging
gut auszuhalten. Nach anderthalb Stunden musste ich abbrechen, die
nächste Spätschicht rückte näher. Beim Lesen geht es an die
letzten hundert Seiten, und es wird so spannend, dass ich einerseits
es kaum aushalte, das Buch wegzulegen, wegen so banaler
Alltagspflichten, andererseits ist es schade, wenn das Buch endet,
schon jetzt tritt eine kleine Wehmut auf beim Gedanken daran.
Interessant finde ich, dass Mulisch diese Spannung aufbauen kann,
obwohl er auch vom normalen Alltag erzählt, wo z. B. jemand alt
wird und an Leistungsfähigkeit und Antrieb einbüßt. Die
Auseinandersetzung damit liest sich genau und nachvollziehbar,
währenddessen bewegen sie die beiden übriggebliebenen Hauptfiguren
auf das Finale zu. Was nur da rauskommt? Die Coronanachrichten
werden immer niederschmetternder, uferlose Lockdowns in Aussicht, zu
wenig Impfstoff, jede Menge Pannen bei der Koordination und
weiterhin schlechte Zahlen. Es scheint sich die Strategie
festgefahren zu haben, keine neuen Gedanken, immer nur mehr von
wirkungsarmen Maßnahmen. Dabei geht es nur noch um drei vier Wochen,
bis die Alten mal durchgeimpft sind, damit müssten wir dann
klarkommen. Die Ansteckungszahlen, Inzidenzwerte sind, glaub ich,
nicht mehr die entscheidenden Zahlen, NeuPositivGetestete werden
nach zwei Wochen zu Immunen, jedenfalls die meisten, Palmer hat in
Tübingen gezeigt, wie man die Altersheime schützt und Ausbrüche
kleinhält.
Donnerstag, 14.1.2021
Wäre ich ein Senegalese oder ein Namibier, hätte mir der viele
Schnee bestimmt gefallen, ich hätte ihn angestaunt und angefasst und
hätte eine Spur gelegt. Beim Aufstehen Schnee, beim Losfahren Auto
freimachen, auf der Alb soviel Schnee, dass die Fahrt länger dauert,
zum Feierabend ist das Auto kaum zu erkennen und es ist richtig
Arbeit, bis ich lostuckern kann. Schön sieht es aus, Skifahren wäre
auf der Alb gut möglich, vielleicht sogar im Rammert. Mich hat das
viele Weiß abgehalten, laufen zu gehen, ich hab gedacht, wer weiß,
wie das rutscht und das hat mir als Ausrede für Faulheit getaugt.
Als später zwei meiner Kollegen erzählten, dass sie laufen waren,
hatte ich gleich ein schlechtes Gewissen. Morgen also ein neuer
Versuch. Beim Lesen fehlen noch zwanzig Seiten, manches ist
gelöst, aber eben noch nicht alles und auch nicht ganz. Muss ich
dann noch ran.
Freitag, 15.1.2021
Die Woche mit fünf Arbeitstagen ist eine lange Woche für mich, ich
war die Dreitagewoche gewöhnt über viele Jahre. Mir bleibt zu wenig
Zeit für mich und den Sport und das Lesen und mein Sozialleben
findet nur noch auf Arbeit statt. Da interessiert sich aber kaum
jemand für selbstgemachten Sport oder Lesen und niemand versteht was
von Musik oder Kunst. Ich verstehe nichts von Fußball und von Aktien
und von Autos und Handyverträgen. Die Schnittmengen sind klein.
Während der Wochenendarbeit war das unerheblich, da Gespräch in der
Freizeit gelang. Nun trockne ich bisschen ein, der Effekt wird durch
Corona verstärkt. Da muss ich über eine Lösung nachdenken. Ein
Kollege in meinem Alter tut das auch und er hat sich das
Ablöseangebot rechnen lassen, aber das war erwartet ernüchternd. Die
zu überbrückende Zeit ist zu lang, bzw. das Geld zu wenig. Ich will
mich nicht ins Bockshorn jagen lassen, werde weiter nachdenken,
selbst darüber vergeht dann Zeit auf dem Weg zum Ziel. Sport
läuft auf Notprogramm, heute gelang eine kurze Einheit zu Hause, 40
Minuten, immerhin bin ich ins Schwitzen geraten. Bei den
Temperaturen und Schnee kann ich mein Programm draußen tatsächlich
nicht mehr durchführen. Der Schnee wird bald wieder weg sein, der
Frühling kommt bald und hoffentlich erledigt sich irgendwann diese
Coronakacke.
Samstag, 16.1.2021
So ein Wochenendtag macht mich sehr entspannt. Ich hab am Schlaf
nachgeholt, mir ein Lesefrühstück gegönnt, mit meiner Kunstfreundin
telefoniert, das hat mir gut getan, da es ein qualifizierter
sozialer Kontakt war mit einem mir wohlgesonnenem Menschen. Nach
gemütlicher Entschlussfassung bin ich laufen gegangen, ich entschied
mich für Radwege im Neckartal, weil ich den Waldwegen eine gewisse
Glätte unterstellte, die sich vor allem abwärts, wenn das Tempo
höher wird, fatal auswirken könnte. So war es sonnig, der Schnee auf
den Feldern funkelte je nach Richtung, wenn es auf die Sonne zu
ging, blendete die Nässe auf den Wegen so, dass grünrandige
Fehlsichten entstanden. Sie vergingen wieder. Ein Stück der Strecke
lief ich im Schatten, eine kleine Wolke, die einzige weit und breit,
verdeckte die Sonne, es gab einen begrenzten Schattenfleck, der eine
Weile mit mir mitkam. Als ich auf dem Hof noch kurz ausdehnte, sah
ich die Eiszapfen tanzen. Es war mir neu, dass die auf den kleinsten
Wind reagieren wollen.
Den Wocheneinkauf musste ich erledigen, hab ich im Lidl gemacht,
da am Handelshof zu viel los war. Ich kenn mich nicht gut aus da, es
ist eine riesige Fläche, ich bin einfach durchgezockelt und hab mir
in den Wagen gepackt, was mir gefiel. Nachdem ich alles verräumt
hatte, gab es einen leckeren Linsensalat und ein halbes
Pfefferbaguette, das endete in voller Zufriedenheit. Dann war frei,
am Rechner daddeln, SWR2 hören, da kam Tschaikowski und eine
Jazzsendung, Nachrichten auch. Die CDU hat Laschet zum
Vorsitzenden gewählt, Persönlichkeit und Profil ziemlich vermieden
dabei, den kleinen gemeinsamen Nenner angestrebt. Laschet ist mir
aufgefallen, als er im Zusammenhang mit dem Lockdown entschlossen
gepost hat bei Sowohlalsauchaussagen: Wir müssen im ganzen Land
einheitlich vorgehen, hat er verkündet und begründet, bevor er
erklärte, jedes Landeskabinett wird selbstverständlich auf regionale
Verhältnisse reagieren. In dieser Kunst des Vermeidens klarer Worte
scheint er mir ein Meister zu sein.
Sonntag, 17.1.2021
Nachliefern sollte ich das Ende des Mulischbuches, ich habe es schon
vorgestern fertig gehabt. Er hat es elegant innerhalb seiner
Konstruktion enden lassen, die angekündigte Lieferung und Lösung
ging auf traumhafte Weise verloren, so dass wir die Welt nicht neu
organisieren müssen. Ich habe das Buch sehr gern gelesen, immer
wieder gab es Sequenzen, an denen ich meine Freude hatte oder/und
viel nachdenken musste, bzw. in meinen Traum- und
Halbwacherfahrungen stöbern und abgleichen konnte. Nächstes
Buch, von Uwe Timm, "Kopfjäger". Der hat eine ganz andere
Erzählstimme, so dass es beim Einstieg etwas rumpelte, aber er hat
eine gute Erzählstimme. Ich folge ihm willig, find ihn volksnäher,
einfacher von der Anlage her und in der Abfolge, auch scheint er mir
zeitgebundener, das ist aber vielleicht nur bemerkbar nach dem
Mulisch. Die ersten hundert Seiten funktionierten aber zumindest
soweit, dass ich denk, das kann ich weglesen. Viel Schnee am
Vormittag, ich hab erst mittags zu Hause ein kleines
Bodyweighttraining gestartet, Höhepunkt gesprungene Kniebeuge, da
komm ich schnell ins Schnaufen. Auch das andere Training war eher
kurz und heftig, ich hatte bei Nikita auf YouTube so was gesehen und
nachgemacht, was mir taugte. Sofort danach bin ich auf die
Laufstrecke, knapp 10 km über den Schnee. Manchmal rutschte es ein
klein wenig bergauf, das ist dann anstrengend und nervig, als ich
oben war, lief es perfekt. Der Schnee war schon zusammengetreten von
all den Spaziergängern und Läufern vor mir, dadurch war eine kleine
Dämpfung da und nichts rutschte. Lustig fand ich, die Spaziergänger,
die ich überholte, hörten mich auf Schnee gar nicht, sie erschraken
fast, als ich sie umkurven musste. Nachmittags war ich der eine
erlaubte Besucher, ich war zum Kaffee geladen, es gab einen
vorzüglichen Ananas-Kokos-Kuchen, war mir noch nie begegnet und hat
sofort überzeugt. Ein gepflegtes Schwätzle, nicht ausschließlich von
Corona, diesmal auch mit Ausblicken auf Vorhaben im Kunstbereich.
Ich hab mir Instagram für Künstler vorstellen lassen, alles
interessant. Leider sind all solche Aktivitäten immer Zeitfresser,
und Zeit ist nicht dehnbar, zumindest bei mir nicht. Vielleicht
wüsste Einstein die Lösung.
Montag, 18.1.2021
Erste Frühschicht, da gerät mein ruhiges Leben aus dem Takt. Halb
vier aufstehen ist wirklich nicht meine erste Wahl. Ich muss lachen
über mich, wenn ich dann so vorbestimmt kleine Ziele erreiche. Also,
raus aus dem Bett, kleine Aktion im Bad, die richtigen Klamotten und
Schuhe anziehen, die für die Arbeit, nicht in zivil losrennen, dann
zum Bus. Wenn ich das geschafft habe, ist erst mal allerhand gut.
Wir arbeiten, obwohl die Stückzahlen hochgehen, durchgängig in
kleiner Besetzung, weil unsere Oberen am Schreibtisch eine
Produktivitätskennzahl festgelegt haben, bei der mehr Personal die
Zielerreichung bei diesem Parameter verhindern würde. Mal sehen, wie
lange wir uns da reinpassen lassen. Der Feierabend kam, der Bus für
die Heimfahrt auch, ich hab bissle geschlafen, es war der Rumpelbus,
bei dem manchmal nicht mal die Tür so richtig schließt, man kann
dann dran zerren und ruckeln, manchmal klappt es. Zu Hause war ich
der Meinung, da ich geschlafen hab, geht es zum Tower Sport machen,
so lange es hell ist und nicht so kalt. Das gelang, auf dem Platz
lag noch ziemlich Schnee und an allen wichtigen Stellen war er
flachgetrampelt durch meine Vorgänger. Ich hab einige Tritte in den
Tiefschnee hinzugefügt, um an meine Stationen zu kommen, in allen
weiteren Runden bin ich meiner Spur gefolgt, um die Schuhe halbwegs
trocken zu halten. Als der Mond da war und ein toller Abendhimmel,
hatte ich anderthalb Stunden voll, es wurde kälter, ich durfte heim.
Da war nur etwas Haushaltkram wegzumachen, somit konnte dieser Text
entstehen. Russland und Nawalny, das ist eine unglaubliche
Geschichte. Weil Putin Konkurrenz wittert, wird mit seinem
Einverständnis, auf seine Weisung, aus dem Weg geräumt, nachdem die
Vergiftung nicht geklappt hat. Wir schauen im Moment viel nach
Amiland, aber Russlands Mächtige konkurrieren mindestens an
Plumpheit ebenbürtig zum Nochpräsidenten in den USA. Damit man es
weiß, sag ich es hier: ich würde meine Beziehung zu diesem Russland
einfrieren, aufs Gas pfeifen und auch auf die paar wirtschaftlichen
Möglichkeiten und klarmachen, nicht so, nicht mit meinem
Einverständnis.
Dienstag, 19.1.2021
Sag ich doch, Frühschicht ist nix für mich. Die Nacht, ich bin für
meine Verhältnisse früh ins Bett gegangen, war nicht schlaflos, aber
weit davon war es nicht. Warum auch immer, hab ich alle halbe
Stunden auf den Wecker geschaut, gemerkt, ich kann noch lang
schlafen, und hab die nächste Runde rumgerappelt. Irgendwann war es
soweit, der Wecker bimmelte, ich war fast froh, diesen
unerquicklichen Zustand verlassen zu können. Die Schicht ging gut
rum, ich arbeite diese Woche mit einem Kollegen zusammen, der seine
Sachen schnell und gut macht, viel routinierter als ich, und wir
sind gut und miteinander ins Ziel gekommen. Soll heißen, das hat mir
gefallen und so schaffe ich das. Auf der Heimfahrt im guten Bus fiel
der Tiefschlaf über mich, erst kurz vorm Ziel kam ich wieder zu mir.
Immerhin, es geht doch, also mit dem Schlafen. Ein bisschen
Haushaltkram, irgendwas ist immer, ging schnell, dann der Lauf. Den
hatte ich mir gestern auf den Morgenzettel geschrieben, da wusste
ich noch nichts vom schlechten Schlaf. Nun stand es aber da, das
Wetter passte, und es stand nichts anderes auf dem Plan, also gut,
schon am ersten Berg hab ich gemerkt, dass es schwer ging. Schwere
Beine, Müdigkeit und ein Restmuskelkater, dazu der Schnee, manchmal
vereist, ich hab die Tour unterwegs geändert, um nicht oben im Wald
ganz auf Eis zu geraten. Zehn Kilometer sind es geworden, nicht
schnell, trotzdem kam ich mit guter Laune ans Ziel. Ein
Konzertmitschnitt, Neil Young, davon hab ich viele, hat funktioniert
und die Stimmung entscheidend gehoben. Ich hatte vor einigen Wochen
von einem Essay berichtet über Neils Musik, und hörte die Titel
heute, den Beitrag erinnernd und sie erkennend, ein herrlich
intensives Hören. Corona lässt ncht locker, jetzt probieren wir
es mit dichteren Masken, muss ich mir erst besorgen. Einerseits.
Andererseits geht das Impfen so langsam vorwärts, bzw es pausiert,
weil nicht geliefert werden kann. Ich weiß nicht, ob ich die Zahlen
richtig verstanden hab und einordnen kann, in den Medien gibt es
viel und laut dazu, ich weiß trotzdem nicht so recht, woran es
liegt. Schön wäre, wenn wenigstens die Todeszahlen langsam
runtergingen, nach meinem Empfinden wäre das schon fast die Lösung.
Mittwoch, 20.1.2021
Dank der Kurzarbeit war bei mir Freitag, zwei Tage geschenkt, noch
dazu Frühschichttage, das ist wie der Hauptgewinn. Die
Kurzarbeitregelung ist eigentlich eine schöne Idee, um in
Krisenzeiten qualifiziertes und eingearbeitetes Personal in den
Betrieben halten zu können. Manchmal kommt auch der pfiffige
Vorgesetzte drauf, den normalen Ablauf mit reduziertem Personal zu
schaffen, das daheimgebliebene vom Arbeitsamt unterstützen zu
lassen, dadurch der Firma Geld zu sparen und diese Verhältnisse so
schleichend einzuführen, um dann hinterher, die
Kurzarbeitergeldregelung läuft befristet, die Belegschaft zu
schrumpfen. Soziale Marktwirtschaft. Der Feierabend war mir
willkommen, schlafend ließ ich mich heimfahren. Es gab dann eine
Lücke im Elan, eigentlich wollte ich gleich los zum Tower, zum
Sport. Aber da nahm ich mein Handy, saß auf dem Sofa und hab
tatsächlich eine halbe Stunde vor mich hin gedöst. Es hat trotzdem
für eine reichliche Stunde gereicht, ich hatte dabei den Eindruck,
dass trotz der Regelmäßigkeit die Form langsam nachlässt und die
Kompromissbereitschaft, die letzten zwei Klimmzüge oder auch ganze
Serien wegzulassen, wächst. Wenn es anfängt, kalt zu werden oder
dunkel, oft beides, brauch ich nicht lange, abzubrechen und mir gut
zuzureden, dass es so langt. Auch da fehlen die schönen und
anspruchsvollen Kurse, die heißen functional training oder Bauch
spezial, die nicht enden, weil es dunkel wird, sondern wenn das
Programm durch ist. Irgendwann wieder, so die Hoffnung. Im Radio
gehört: In Deutschland fallen jährlich 6 Millionen Tonnen
Plastikmüll an, wovon eine Million Tonnen ins Ausland entsorgt
werden, z. B. nach Malaysia oder in die Türkei. Ich schäme mich.
Donnerstag, 21.1.2021
Die Spannung, der Innendruck eines arbeitenden Menschen war zusammen
gefallen, wenn ich frei hab, entspannt mich das völlig. So hab
ich ausgeschlafen, gefrühstückt mit Buch, ein wenig in der Wohnung
rumort und telefoniert. Laufen war dran, ich sah auf dem
Thermometer, dass der Frühling nicht weit ist, 12 Grad, in Worten
zwölf, fast könnte ich in kurzen Hosen raus. Bin ich nicht, und das
war richtig, denn ein Wind blies heftig. Ich bin hoch zum Wald
gelaufen, auf Asphalt war alles gut, ab dem Waldweg war der Schnee
noch da, vereist und so glatt, dass ich nach zehn Metern umgedreht
habe. Ich bin weiter durchs Neckartal auf den Radwegen, hab fast 15
km geschafft im Schnitt von 5:10. Mittag gab´s vom Chinesen, da war
es schnell erledigt, beim Abholen hatte ich mir ein Stück vom
Käsekuchen mitgebracht, so dass es zu Hause Kaffee gab.
Hervorzuheben beim Abendessen: Ich hatte noch vom Wurzelbrot, war an
der Kurve angelangt und schnitt die Scheiben nach reichlicher
Überlegung der Biegung folgend herunter. Das gab Scheiben mit einer
dicken und einer dünnen Seite. Beim Belegen, also dem Aufbringen von
Frischkäse konnte ich entscheiden, ob ich bergauf oder bergab
streiche, beim Essen war schnell klar, dass ich am hohen Ende
anfang, das Verhältnis von Brot zu Belag ändert sich unterwegs, wird
immer luxuriöser. Ob das jetzt hier geschrieben stehen muss, ist mir
nicht so klar, aber man wird´s ja wohl noch sagen dürfen. Biden
ist seit gestern offiziell im Amt, er hat einen furiosen Start vor.
Er muss ja allerhand aufräumen. Das Benehmen vom Ex Trump ist
unterirdisch, sein Abgang für ihn typisch, er wird als Rotzlöffel in
die Geschichtsbücher gelangen. Ich will ihn schnell vergessen.
Freitag, 22.1.2021
Abends überfiel mich ein Gelüst, welchem ich in diesen Zeiten nicht
nachgeben darf. Ich hatte zu Abend gegessen und wollte eine Runde
spazieren gehen, ein bißchen laufen, die Nacht anschauen, nicht
irgendwohin, sondern irgendwohin. Das zählt nach acht nicht als
triftiger Grund, auf Arbeit dürfte ich, wahrscheinlich auch den Hund
Gassi führen. Mich selbst Gassi führen, z. B. zur Weggentalkirche
oder zur Altstadtkapelle, eigentlich egal, das darf ich grad nicht.
Eine Weile bleibt das so, bis Corona sich verpisst hat. Das Tempo
beim Impfen, die Schwierigkeiten bei der Terminvergabe und
Durchführung, die Nachrichten sind voll davon, sind entmutigend.
Dazu die Ankündigungen, im Moment noch raunend, alles würde bis
Ostern so bleiben, die Forderung nach Inzidenzwerten von 25, ich
kann´s grad nicht mehr hören. Den Tag hab ich gut genutzt, die
Bude ist geputzt, das Bett bezogen, die Wäsche hängt zum Trocknen,
das Buch ist ausgelesen. Uwe Timm, Kopfjäger, eine bedingte
Leseempfehlung. Er kann erzählen, springt in der Zeit vor und
zurück, also eher zurück und wieder zurück, ich sag jetzt hin und
her, inhaltlich, es geht um einen Anlageberater, der seine Kunden ab
einem gewissen Scheitern ausnimmt, interessierte mich das weniger.
Zumal die Geschichte sehr im Erzählzeitraum feststeckt, 1991
geschrieben, ohne groß auf diese spannende Zeit einzugehen. Das
klingt jetzt wie ein Widerspruch, ich hab es so empfunden und mag es
nicht genauer erklären, es ist kein wichtiges Buch. Den Sport hab
ich geschafft, ich war tatsächlich zwei Stunden am Tower, es war so
warm, dass nicht mal die Hände an den Stangen kalt wurden. So hab
ich all mein hängenden Durchdreher und Kopfüberklimmzüge und
Arschhochhalter geschafft, die Handstände und Drachenflagge, das
wird zu einem Muskelkater führen, egal, dann war es gut trainiert.
Rückzu Halt beim Chinesen, aufgebratener Gemüsereis, schnell fertig,
billig und lecker. Telefonieren mit den Eltern der Enkel,
Rückmeldung meiner großen Freude über die Videos. Zwei Krabbelkinder
sind am Erobern der Welt, jetzt fängt da das erziehen an, man muss
nein sagen, obwohl man diesen Kleinen eigentlich alles erlauben
möchte.
Samstag, 23.1.2021
Fundstück der Woche, auf einer Graffitiwand in Berlin-Wedding,
fotografiert von einem Läuferfreund:
Das Glück kommt, wenn du einfach deinen Furz rauslässt.
Da hab ich meine Freude dran. Es war ein Lese- und Lauftag,
herrlich, das Buch ist gleich geschafft, "Der Coach" von John
Grisham, ein schmaler Roman, in dem ich ergründe, wie er seine
Bücher spannend macht. Er deutet gleich am Anfang irgendein
ungeheures Geschehen an, und erzählt draufzu. Nach zwei
Dritteln lässt er es schon mal krachen, das ist aber noch nicht die
Hauptsache. Es geht um einen Trainer in einer kleinen Stadt, der die
Footballmannschaft zu vielen Gewinnen geführt hat, darüber sehr
meinungsstark in der Stadt wurde, über seine umstrittenen
Trainingsmethoden, selbst über die Opfer, die dabei anfielen, traute
sich niemand zu reden, bis ... ja, soweit bin ich noch nicht.
Beim Laufen hat sich mir das Wort Klimawandel erschlossen. Unten auf
Neckarhöhe sah es aus wie Frühling, je höher ich kam, umso mehr
Winter trat auf. Auf halber Höhe, schon im Wald regnete es fast, das
war aber vom tauenden Schnee, der von den Bäumen tropfte. Die Wege
waren matschig rutschig, bis oben nichts mehr am Tauen war, da lagen
15 cm neuer Schnee, und es waren noch nicht viele Leute
durchgelaufen. Zwei Kilometer oben mit verändertem Laufbild, um
nicht so viel Schnee in die Schuhe zu schaufeln. Abwärts noch ein
angepasster Stil durch fließende Wasser, bis auch das vorbei war,
unten war der Rasen grün und der Weg trocken. In den Nachrichten
wird wieder aufgefordert, die Mobilität zu reduzieren. Keine Ahnung,
wie ich das machen soll, ich lebe schon fast nach der Art der Pilze.
Also ortsbeständig und einzeln stehend. Ich soll richtige Masken
fast immer tragen, auf Arbeit und im Verkehr, beim Einkauf. Mach
ich, zu Hause, wenn ich mich erwische bei Selbstgesprächen, setze
ich die Maske auf. In den Bildern, die bei mir über runtastic
ankommen aus der ganzen Welt, sehe ich, in manchen Ländern sind die
Sportstudios geöffnet und mit Masken zu benutzen. Auch dazu wäre ich
bereit, ich tät sogar damit duschen, wenn es denn nützt. Die Frage
steht nicht, es ist zu. Zwischen den Nachrichten macht mir mein
Radio viel Freude, heute hörte ich z. B. von Maurice Ravel das
Klaviertrio a-Moll, es hat mich von allem andern abgehalten, so
schön ist es. Jetzt läuft eine Jazzsendung, das Cornett im modernen
Jazz, da steckt Energie drin und macht gute Laune. Die einzelnen
Musiker werden kurz vorgestellt mit einer geeigneten Episode, die
meisten Namen kenne ich, da werden die Geschichten sofort
interessant. Ich bin froh um diesen Sender, SWR2.
Sonntag, 24.1.2021
Nachdem schon vom Frühling was zu schnuppern war, bin ich mit
Handschuhen und Mütze zum Laufen los. Je höher ich kam, um so kälter
und windiger wurde es, aber auch die Sonne schien, so dass alles im
glitzernden Winterweiß auftrat. 14 km über den kahlen Berg nach
Weiler hoch, weiter Richtung Niedernau und am Neckar heimwärts.
Eventuell hab ich mir im kalten Wind eine Zerrung reingelaufen, das
wird sich morgen zeigen, so richtig locker war ich nicht. Trotzdem,
ich lebe in einer schönen Landschaft und genieße es, z. B. der Blick
auf die Hechinger Burg ist überzeugend. Kleiner geht es auch, das
Katzenbachtal mit dem Wasserlauf und den Brücken, die
Wiesenlichtungen, manchmal steigt da Nebel auf, alles sehr schön.
Beim Lesen, Grisham ist veraltet, würde ich mal grob zusammenfassen,
es ist spannend erzählt, aber er benutzt so viele Klischees, das ist
durchschaubar und irgendwann nervig und langweilig. Die Dialoge
zwischen Mann und Frau, z. B. mal verliebt gewesen, sind von
außerordentlicher Dämlichkeit. Er war lange Bestsellerschreiber, da
gerate ich an der Welt in Zweifel. Das nächste Buch, wieder ein Ami,
David Klass, "Ihr kennt mich nicht", eigentlich ein
vielversprechender Titel, fängt sofort doof an, ein erzählerischer
Kunstgriff, immer derselbe wird über alles gekippt und ständig
wiederholt, nach drei Seiten ermüdend, inhaltlich die Nöte eines
pubertierenden Jungen, eigentlich ein gutes Thema. Nach siebzig
Seiten alles so vorhersehbar wie nach zehn Seiten, ich werde es
weglegen. Warum schreibt man so, warum druckt man das, wer verfasst
einen Klappentext, der sonst was verspricht. Wenn ich die
Wiederholungen und Benennungsfloskeln ( Mein Vater, der nicht mein
Vater ist, sitzt am Tisch, der kein Tisch ist, usw.) aus dem Text
nehmen würde, käme man geschätzt mit einem Drittel des Papieres aus.
Der RBB stellt nach und nach die Lesung von Marcel Proust´s "Auf der
Suche nach der verlorenen Zeit" online, man kann dann einen Monat
lang hören, das runterladen ist angekündigt, funktioniert aber
nicht. Heute hab ich hörend angefangen mit den ersten beiden Folgen,
es sollen über 900 sein, das Einlesen hätte sich erstreckt auf den
Zeitraum von acht Jahren. Mal sehen wie lange ich durchhalte. Da
denke ich, die Welt ist so voll von schönen Dingen, warum soll ich
neue dazu geben, wenn wir gar nicht schaffen, das, was wirklich gut
ist, zu genießen, zu konsumieren. Wenn ich mich hinsetze und
zeichne, vergeht Zeit, in der ich Penderecki hören könnte oder lesen
könnte oder an Videos Freude hätte. Selber zeichnen ist auch stark
vom Gefühl her, wenn es gelingt, nun ja. Um die Klarheit meiner
Position zu belegen, bekenne ich, dass ich für den hoffentlich
coronabewältigten Sommer einen Kurs für freie, großformatige
Zeichnung gebucht habe, das wird ein Stück meines Urlaubes.
Montag, 25.1.2021
Die Schneefallgrenze kam zu mir nach Hause, den Berg herunter.
Aufgewacht bin ich von Schneeschiebegeräuschen, da war noch nicht
viel zu schieben, deswegen machte es solchen Lärm. Es kamen während
meines Frühstücks verschiedenartige Schneefälle zu stande,
kleingrieselige, großflockige und auch waagerecht nicht
fallenwollende Rieselungen, die waren unentschlossen, wo sie landen
wollten. Jedesmal, wenn ich zum Fenster rausschaute, sah es ganz
anders aus, bis es aufhörte. Da hab ich meine Sportklamotte
drübergeworfen und bin hoch zum Tower. Ich war Erstbetreter.
Und hab versucht, loszulegen, beim Springseil zum aufwärmen stöberte
das Seil den Schnee über mich. Es kam die Sonne, der Schnee fing an
zu tauen, es tropfte überall, auch die Stangen wurden bisschen
wärmer, trockneten schnell. Ich hab mein Zeugs durchgezogen, bald
sah es so aus.
Manchmal war ich nur halb bei der Sache.
Und es fehlte an Zielstrebigkeit.
Sollte ich es beim nächsten Mal noch so vorfinden, werde ich es
vervollständigen, damit niemand irritiert ist. Wenn es weg ist, ich
hab ja die Bilder, da kann ich es trotzdem fügen. Nachmittags
hatte ich in Tübingen was vor. Corona und der ungemütliche Winter
machte, dass kaum Menschen unterwegs waren, das liebenswert Wuselige
dieser munteren Stadt war weg, still und starr standen die schönen
Fassaden herum im Schneegestöber. Da freu ich mich mal vor auf den
Sommer und auf hoffentlich wieder munteres Leben.
Dienstag, 26.1.2021
Es war ziemlich verschwendete Zeit, ich hab schlechte Bücher
gelesen. Irgendwie hab ich gemerkt, dass es sich nicht lohnt, aber
genau wie in einer schlechten Ausstellung, wo ich mir die Sachen
anschau und mich drüber aufregen will, hab ich weitergeblättert und
genau herausgekriegt, warum es so schlecht ist. Als ob man Bücher
für Doofe macht, machen will, ich kann mir nicht vorstellen, dass
man beim Schreiben nicht merkt, wenn es völlig unwahrscheinlich
zugeht, oder Sprache niemals aus gelebten Sequenzen stammen kann.
Lustiger Weise stand auf einem der Bücher im Klappentext was vom
Meister der Fiktion, dem würde ich zustimmen. Ich sag hier nicht,
was das zweite Buch war, das wäre mir peinlich, da ich erwartet
habe, dass es nix taugt. Als mittags die Temperatur etwas über
Null ging, bin ich raus zum Laufen. Ich wollte nur irgendeinen
Zehner machen, bin auf die Strecke, die gefiel mir nicht, bin anders
weiter und weiter, zuerst mit einem herrlichen Rückenwind, so dass
ich kaum merkte, wie weit ich lief und lief, das musste ich alles
wieder zurück, so kamen 18,5 km zusammen. Die zweite Hälfte kam mir
länger vor, sie ging dem Wind entgegen, und der blies erheblich und
fühlte sich polarkalt an. Die Sonne schien die ganze Zeit, Vitamin D
ist also aufgefüllt und die Musik war gut. Improvisationen von Keith
Jarrett, da ist Verlass drauf. Es ist, als würde eine spannende
Geschichte erzählt werden, ich bin so am zuhören, dass alle
Beschwernis von mir fällt. Noch ein kleiner Gedanke: Ich weiß
jetzt, warum Vögel Nistkästen benutzen.
Sie brauchen nicht Schnee schippen.
Mittwoch, 27.1.2021
Heideblitz, das war kein Wetter für draußen, es schneite
viel, später regnete es, morgens waren überall Schneeschiebende
unterwegs. Ich hab Bilder aus Bad Reichenhall bekommen, dort war so
viel Schnee runtergekommen, dass man sein Auto nur findet, wenn man
sich gemerkt hat, wo es steht, zu erkennen war da nichts mehr. Dort
sah es so aus, als ob Schneeschipper beim Schieben einschneien. Ich
blieb daheim und hab weiter schlechte Bücher gelesen. Fitzeks
Erstling, "Die Therapie", das Buch ist so was von blöd, das ist
schon wieder lesenswert. Bisheriger Höhepunkt: Irgendein
Inselbürgermeister, wittert das Unheil und bringt der Hauptfigur
eine Pistole vorbei. Die Handlung spielt in Deutschland. Ja, klar,
hab ich gedacht. Ansonsten geht munter das Licht aus und an,
Generatoren laufen, obwohl sie nicht laufen, oder umgedreht, aus dem
Nichts kommt jemand, es geht um einen Psychiater, da kann es schon
ein wenig ausufern, den Rest lässt man in Träumen, gern auch
Alpträumen geschehen. Jedenfalls ist es nicht langweilig, da dauernd
was plötzlich passiert, schockauslösend wahrgenommen wird, da bleibt
die Luft weg, es wird schwindelig, normales Leben hat da keinen
Platz. Fitzek bekommt von mir die faulige Himbeere, oder wie heißt
der Preis für besonders dumme Filme, und er hat sie sich redlich
erschrieben, seine anderen Bücher, ich kenne deren letztes, halten
den Standard hoch. Den Sport hab ich zu Hause erledigt,
Handstand, Liegestütze, Kniebeugen usw., das kann ich hier
unterbringen, es ist eine Notlösung. Ich will wieder in mein Studio.
In der Schweiz haben die Museumsdirektoren aufgemuckt, sie wollen
öffnen. Mit guten Gründen, finde ich, bei meinen letzten
Ausstellungsbesuchen konnte ich mir weder das Virus einfangen noch
es weitergeben, dazu war die Dichte der Menschen zu gering. Wenn es
dann doch mal voll wird, z. B. vor Picasso oder so, kann man es
lösen über Anmeldungen und Limitierung. Auch im Kino würde das
gehen. Aber nein. Es wird so gesetzt, nicht mal diskutiert, auch
nicht nachgebessert. Als ob es keine Hygienekonzepte gäbe, die haben
alle viel Geld gekostet. Als ob ich für mich gar keine Verantwortung
übernehmen könnte.
Donnerstag, 28.1.2021
Gleich fährt der Bus zur Nachtschicht los, dann ist diese
paradiesisch lange Freizeit rum. Ich war in einer Regenlücke laufen,
als ich los bin, gab es noch mal Wasser, aber die Sonne schien dazu.
Oben im Wald lag der Restschnee, weich und matschig, es rutschte und
patschte in die Schuhe rein, wenn man in die weiche Pampe trat. So
war es bergauf richtig anstrengend, oben richtig nass, bespritzt bis
an den Arsch kam ich wieder an. Duschen, essen, lesen, bisschen Zeit
am Telefon, und schon ist es rum. Über Fitzek wollt ich noch was
schreiben, merk aber gerade, dass ich nur schlechtes von mir geben
kann, das lohnt sich nicht. Für ihn die Höchststrafe, ich vergesse
ihn.
Freitag, 29.1.2021
Abends wieder Nachtschicht, schon wieder die letzte, dank
Kurzarbeit. Wir haben einen ordentlichen Arbeitsvorrat, unsere
Produktivität wird hochgehalten durch organisierte
Personalverknappung, die der Staat gutwillig zahlt über die
Kurzarbeitsregelung, die verlängert wurde wie der Lockdown auch. Ich
will mich da nicht richtig beschweren, da kommt ja bei mir auch was
an, jedoch in dem Bewusstsein, irgendwann müssen wir dem Staat sein
Defizit über Steuern oder mit Solibeiträgen ausgleichen. Die
Arbeitgeber Metall sind in Tarifverhandlungen gestartet, sie zwicken
und zwacken schon wieder am Altersschutz, an Pausenregelungen und
Zuschlagzeiten rum, die Benennung ist dabei lustig, es geht um
Konkurrenzfähigkeit, damit mein Arbeitsplatz hier sicher wird.
Dieser Hals ist niemals vollzukriegen. Die Gewerkschaft hält
dagegen, fordert den Inflationsausgleich und einen Zuschlag, die
Gewinne seien gestiegen. Alle verharren im Wachstumsmodell, führen
quasi eine veraltet wirkende Auseinandersetzung. Da stecke ich als
Arbeitnehmer mittendrin und fühle die Fremdbestimmung konkret
werden. Draußen kommt viel Wasser vom Himmel, unterbrochen von
kurzen Sonneneinlagen, wo es teilweise auch noch regnet. Viel Wasser
kommt auch im Neckar hier vorbei, die Enten und Teichhühner rasen
stromabwärts, flattern ein Stück aufwärts, dann von vorn. Egal,
wohin sie den Kopf drehen oder wie sie rudern mit den Füßen, sie
haben immer dieselbe Richtung und Geschwindigkeit. Ob sie sich auch
fremdbestimmt fühlen? Beim Lesen hab ich diesmal einen
Glücksgriff getan, zumindest denke ich das seit 50 Seiten. Elisabeth
Kostova, "Der Historiker", sie beschreibt die Forschung um die Figur
von Dracula, lässt dabei kleine Merkwürdigkeiten und
Bedrohlichkeiten geschehen, die ich alle hinnehme. Ich bin sehr
neugierig und freue mich auf das Weiterschmökern. Jetzt muss ich
schnell ein bisschen Sport einschieben, nur hier zu Hause, nur eine
schnelle Runde, um nicht rostig zu werden.
Samstag, 30.1.2021
Schnellschlaf nach der Nachtschicht, Umstieg auf das normale Dasein,
die Nacht zum Schlafe zu nutzen, heißt einen müden Tag zu
verbringen. Es ging mittags langsam los mit einem Lesefrühstück, das
Buch entfaltet sich äußerst interessant, drei Generationen
Historiker erzählen ihr Leben und die langsamen ersten Berührungen
mit der Draculasaga, natürlich ein paar Unwahrscheinlichkeiten, die
aber glaubhaft erzählt werden, so das sich ein Lesevergnügen
einstellt und ständige Vorfreude auf die Weiterentwicklung der
Geschichte. Laufen wollte ich, weil irgendeine Challenge auf
runtastic, zu der ich geladen war, 5 km von mir einforderte, es
regnete, wie gestern auch. Irgendwann bin ich raus, beschloss, unter
meiner Basecap interessiert mich Regen nicht, es ist deutlich länger
hell trotz des grauen Himmels, so dass ich alle Pfützen gut sah, es
kamen 9 km zusammen. Musikalischer Höhepunkt der Gitarrist in einem
Konzertmitschnitt von Ayo, er zupft seins dermaßen kultiviert und
gekonnt, dass ich in Schnappatmung gerate. Von meinen Enkeln
kamen Videos, sie fangen an miteinander zu agieren und müssen so
vieles lernen. Hab das komplett vergessen, wie es konkret bei meinen
Kindern zuging, als sie das selberessen ausprobierten. Ich schau mir
das staunend an, in der Mischung von Spiel und unschuldiger Aktion,
wo dann mal was durch die Gegend schwebt, sieht man nicht immer das
Ziel, aber ich bin mir sicher, es wird erreicht werden. Da wartet
das nächste. Bald, bald, bald werd ich wieder hinfahren können.
Sonntag, 31.1.2021
Einen Sonntag ohne Laufen, das hatte ich lange nicht. Morgens war
mir zu viel Wasser in der Luft. Ich hab dagesessen und gelesen, mir
hat nichts gefehlt. Irgendwann war es rum mit dem Regen, aber da ich
gestern schon war und Lust auf den Tower hatte, bin ich mittags hoch
zum Sportpark. Eine junge Frau trainierte schon, ich kannte sie vom
Sehen, sie war schon da gewesen. Wir hatten beide Musik auf den
Ohren, hatten beide Bock und zogen jeder sein Programm durch, bei
ihr sah es deutlich mehr nach Sport aus als bei mir. Egal, ab und zu
hielten wir einen kleinen Schwätz, gutgelaunt, dann ging´s weiter.
Ich hab zwei Stunden fast vollgemacht, am Ende noch eine kleine
Jonglierübung, aber da sind die Hände zu kalt, es blieb ungelenk,
also noch ungelenker als sonst. Im Radio kam ein Bericht über die
religiöse Rechte in den USA. Ein Weltbild wird vorgzeigt, das
empfinde ich als so bescheuert, dass ich es kaum glauben kann.
Selbstgerecht wird der Anspruch vom auserwählten Volk, das der Welt
zeigen muss, wie´s geht, vorgetragen, ohne dass der beträchtliche
andere Teil der Menschheit drin vorkommt. Schon der Tonfall der
Originalstimmen ist mir zumindest mal unsympathisch, in der
Übersetzung, falls ich sie brauche, wird es nicht besser. Es klingt
ähnlich, wie Äußerungen aus dem Pegida- oder AfD-Volk hierzulande.
Die Behandlung der Impfgestaltung in den verschiedenen Nachrichten
erzeugt mir ein Unbehagen. Kleine oder unklare Meldungen über
Impfschäden, auch -pannen werden sehr breit vorgetragen, über die
Wirksamkeit bei Älteren mit einem Impfstoff höre ich seit Tagen,
lese von der Impfskepsis vieler, die in der Pflege arbeiten. Sind
wir alle zu Fachleuten geworden, ausgestattet mit vielen
Informationen, die wir nach Belieben einordnen, dann kommt raus, was
rauskommt. Ich erinnere mich an die Impfungen in Kindertagen, d. h.
die Sprachregelungen drumrum, da musste das einfach erledigt werden,
die Eltern waren froh, wenn das in der Schule erfolgte, ich glaube,
sie mussten die Einwilligung unterschreiben und dann war es gut.
Dieser Text müht sich sehr, ein Ziel zu erreichen, man liest die
Angestrengtheit heraus, ich finde es schwierig, über manches in der
Welt zu sprechen, wo ich nicht gut Bescheid weiß. Trotzdem finden
diese Themen statt und fallen mir vor die Füße. Da versuche ich
vorsichtig, mich kenntlich hinzustellen in gewisser Unsicherheit.
zum Februartext
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