Dienstag, 1.12.2020
Die Arbeitswoche ist schon wieder zu Ende,
Kurzarbeit, hab ich den Rest der Woche Zeit für allerlei
Privatvergnügen. Am Vormittag wäre Laufen dran gewesen, aber ich hab
ausgeschlafen, denn schon beim Weckerklingeln konnte ich hören, dass
es regnet. Hab ich die Seite gewechselt und ein Stündlein
drangehängt. Nach dem Frühstück regnete es immer noch, Schneeflocken
dazwischen, ich hab ein Lesestündchen eingeschoben und bin dann zum
Bus. Die Schicht lief gut, alle Arbeit kam schön nacheinander, wir
konnten allerhand abmelden und neue Aufträge starten. Mit dem Wissen
um das Frei der nächsten Tage brach sowieso Gelassenheit aus.
Beim Hochfahren auf die Alb, als ich kurz vorm Ziel aufwachte, war
alles ziemlich verschneit, das sieht schön aus, mal sehen wie dieser
Winter wird. Ich wünsch mir einen milden und sonnigen Dezember,
damit man draußen Sport machen kann, es ist ja immer noch alles zu.
Mittwoch, 2.12.2020
Ausgeschlafen, weil ich am Vorabend gelumpert habe, fing der Tag
spät und gemütlich an. Von meinem vollen Vorhabenzettel konnte ich
nicht all zu viel streichen, dafür hab ich mal ausführlich am
Rechner gedaddelt. Hinterher fand ich es allerdings blöd, die Zeit
war rum und nichts war erledigt. Als Ausrede hatte ich das Warten
auf besseres Wetter, auf die Sonne, es hat nicht geklappt, ich bin
dann bei trüben, aber trockenem Wetter hoch ans Sportstudio, hab mir
tapfer die Finger abgefroren, zwei Grad gibt handschuhdurchdringende
kalte Eisenstangen. Egal, Klimmzüge, Kopfüberzüge, statische, sehr
anstrengende Stangenhänger in verschiedenen Richtungen, ich sollte
das mal fotografieren lassen, die Namen für diese Übungen sind noch
nicht erfunden oder eben nicht in den Sprachgebrauch eingesickert,
drum kann ich hier so rumeiern und mich versteht trotzdem niemand.
Im Studio, hinter den Scheiben lief die Aufnahme für einen
Videokurs, außerdem trainierte ? ein Mensch im Warmen, ich hab
draußen die kalten Finger geríeben und kurz drüber nachgedacht, ob
ich mich diskriminiert fühlen soll. Haha, dachte ich, wärest du auch
ein Profivolleyballer geworden, dürftest du eventuell auch an warme
Stangen langen, das ist mir zu spät eingefallen.
Mittagessen kam
vom Chinesen, war gut, halt die Verpackung. Dafür habe ich keine
Energie verbraucht, im Sommer würde ich es mir auf einen Teller
löffeln lassen und vor der Tür essen, so trag ich es in Alu oder
Styropor nach Hause. Ich musste kurz warten, da frisch gekocht wird,
dauert es paar Minuten. An solchen Stellen spüre ich eine zunehmende
Dünnhäutigkeit den kleinen Unpässlichkeiten des Coronalebens
gegenüber, sonst sitze ich wartend, lesend in guter Laune am Tisch,
nun stehe ich maskentragend im Eingangsbereich des Marktes, soll
ausweichen, wenn körbeschiebende, strikt vorwärtsstrebende Menschen
ihren Weg bahnen. Es verlässt mich also die Gelassenheit, dafür
kommt der Ärger über unangemessene innerbetriebliche Wallungen, das
macht es nicht besser. Nun hängt nicht alles an Corona, aber die
Empfindlichkeiten haben sich auf Grund der vielen Einschränkungen
und Umstellungen, die ich meist einsehe, trotzdem nicht begrüße,
verschoben. Die Richterskala meiner Beben hat eine neue Null, ich
hoffe das schnappt nach der Impfung alles wieder ins Original.
Donnerstag, 3.12.2020
Der Tag bot Höhepunkte. Mehrere. Auch noch erwähnenswerte. Nach
ausführlichem Lesefrühstück kam die Durchsage, wir treffen uns zum
Sport. Der schnellste Läufer von Rottenburg und ich. Am Tower hab
ich mein Programm gestartet, aber nicht durchgängig und schnell, wir
mussten bissle erzählen. Dann gabs noch das Vorführen von den immer
besser werdenden Anfängen der Human Flag, er kommt vorwärts, ich
staune, bin ein wenig neidisch, dazu werde ich noch lange nicht in
der Lage sein. Dafür konnte ich eine kleine Übung gut, die sollte
ich vorführen, die Vorstufe zur Planche, eigentlich ein Stehen auf
den Händen, der Rest eingerollert und frei getragen. Und es ist
einfach so, zusammen trainieren macht mehr Spaß als allein, selbst
unter diesen Verhältnissen, also draußen und mit kalten Händen. Dann
habe ich einen noch fehlenden Kandidaten meiner Sportumfrage ans
Telefon bekommen und konnte alle Punkte abhaken. Auch eine Art
Gesellschaft, die ich unter diesen Verhältnissen noch wesentlich
mehr schätze als zu normalen Zeiten. Da begegnet mir wieder diese
jugendfrische und optimistische Art, sich ins Leben zu begeben und
das beste aus den Begrenzungen der Coronavorgaben zu machen. Ich
nehme das als motivierend wahr, verliere ein wenig von meiner
altergerechten Schwergängigkeit, gewinne eine beträchtliche
Aufhellung des Dezembercoronatals. Der nächste Gewinn war die
Einweihung meiner neuen Mikrowelle, es gab Mittag, selbstgewärmt,
und ich war es zufrieden, als es dampfend vor mir stand. Durch diese
Aktion hatte ich das Frostfach des Kühlschrankes leergefuttert und
konnte abtauen, der war völlig vereist. Ich hab das schon mal
gemacht, es muss lange her sein. Jedenfalls fielen nach einer Stunde
die Eispackungen polternd ins Leere. Ich war derweil Kaffee trinken
und hatte mir einen richtig guten Käsekuchen genehmigt. Die
Putzrunde ging mit überzeugendem Ergebnis zu Ende, mein Kühlschrank
blinkert und tut, und ich kann was von meinem Zettel streichen, was
schon lange mitgeschleppt wurde. Was für ein Tag.
Freitag, 4.12.2020
Wieder ist es gelungen, einen lang vor mir hergeschobenen Punkt der
Aufgabenliste abzuarbeiten. Vor einiger Zeit habe ich das Wachstum
der Staublage auf den Wohnzimmerschränken wahrgenommen und deren
Eigenschaften bewundert. Es hätte nicht mehr allzu lang gedauert, da
wäre das Einrollen einer Filzschicht möglich. Da oben steht ein
Sammelsurium aus Steinen, Trockenfrüchten und Keramik, auch eine
Kunst dazwischen, ein paar Flügel/Hörner, alles eingewachsen in ein
Jahrzehnt? Unbewegtheit. Was soll ich sagen, es ging ganz leicht und
alles gewann an überraschender Frische, der Kristall blitzt, die
Schote glänzt, und die Wachsblume, die Asyl fand bei mir, die der
Anlass war für diese Aktion, hat ihren Platz eingenommen, und siehe
da, es gefällt mir. Nebenher ist die Bude geputzt, der Einkauf
eingeräumt in meinen blitzeblanken Kühlschrank, mehr Haushalt ertrag
ich nicht und ich bin laufen gegangen. Trüb und kühl, an der großen
Baustelle entlang im Neckartal, die neue Straße ist ein riesiger
Aufwand. Weiter über die Felder, in gutem Schnitt nach Hause,
duschen, Mittag aus der Mikrowelle. Hab dazugelernt, es wärmte,
während ich duschte, kaum war ich trocken, konnte ich vor der
dampfenden Schüssel sitzen.
Lesezeit gabs auch, bin fast fertig
mit Erich Loest, "Nikolaikirche", ein Wendezeitroman, literarisch
eher hausbacken, inhaltlich packt es mich sofort, in dieser Zeit war
ich beteiligt. Ich schaff wohl die letzten 70 Seiten noch, bin
neugierig, wo und wann er es enden lässt.
Samstag, 5.12.2020
Gestern hatte ich mich verabredet mit einem Freund, wir wollten uns
treffen, bisschen unseren Kenntnisstand voneinander auffrischen. Ich
hab also gemütlich angefangen, das Buch fertig gelesen, und Ordnung
gemacht, diesmal auf dem Kopf. Das Resthaar geschoren und den Bart,
nun bin ich recht pflegeleicht für die nächste Zeit. Dann
losgefahren nach Mössingen, wir waren beide pünktlich da, haben uns
einen Kaffee mit auf den Weg genommen und sind über weiß verpuderte
Felder gelaufen, mit dem Blick auf die Alb und den Bergrutsch. Haben
uns in aller Ruhe erzählt,
wie
es uns ergangen ist und wie uns die Zeiten vorkommen. Dafür gingen
zwei Stunden rum, wir waren ordentlich verfroren vom kalten Wind,
aber bei guter Stimmung, es ist ein gutes Gefühl, so vertraut
miteinander zu sprechen, obwohl wir uns noch gar nicht so lange
kennen.
Nachmittags wollte ich an den Tower, das Wetter wurde
immer trüber, 2 Grad ist nicht wirklich schön für Draußensport. Ich
hab mich trotzdem aufgerafft und bin auf nassem Grund in mein
Programm gestartet. Ein Mensch kam rangeradelt und wollte auch,
diesmal einer eher in meinem Alter und gut fit. Wir sind ein wenig
ins Gespräch gekommen, er trainiert sonst im Mapet und weicht aus
auf den Trimmdichpfad oder eben auf Spielplätze mit Gerüsten, so was
wie bei uns. Lustig fand ich, dass er ein strammes Programm
vorführte, ich auch, das war das beschnuppern, da entstand ein wenig
Neugier, dann sprachen wir, sofort mit gewisser Hochachtung
voreinander. Nun gut, so viele mittelalte Herren, die Klimmzüge
können und das bei diesem Wetter draußen tun, gibt es ja nicht. Bis
es ganz dunkel war, haben wir es durchgezogen. Zu Hause gab es Kuchen
zum Kaffee, ich hatte mir gestern einen
Wochenendrondellkirschstreuselaldikuchen hergetan, der reicht auch
noch für morgen.
Auf YouTube habe ich eine kleine Serie gefunden
über Bobby McFerrin, der hatte vor kurzem den 70. Geburtstag. Ein
begnadeter Musiker, bekannt geworden mit Don´t worry, be happy, der
Klassik dirigiert und gesungen hat, aber auch mit vielen Musikern
improvisierte und in seiner Entwicklung bei Solokonzerten landete,
wo er mit dem Publikum zusammen singt und überall erstaunliches
vollbringt. Wenn ich ihm zuschaue, wie er Klassik beinahe tänzerisch
dirigiert, meine ich, die Musik noch mal neu zu verstehen. Die
Leichtigkeit, mit der er improvisiert und seine Stimme auf
unglaubliche Kapriolen schickt, das mit Körperarbeit, da kommt der
Beat her, unterstützt, kann man so nur bei ihm sehen.
Den Link dazu
Es gibt jede Menge Material von ihm, ich höre seit Jahren gern seine
Konzertmitschnitte, sie sind immer anders und neu, je nach Partnern,
bzw. Publikum.
Sonntag, 6.12.2020
Als früh der Wecker klingelte, ich hätte in Hirschau zum Laufen
gehen sollen, hab ich ihn ausgemacht und die Fortsetzung lustiger
Träume weiterlaufen lassen. Es war ganz ohne Bedrängnis, nix
Alptraum, eher Wohlfühlen bei guter Stimmung, in verschiedenen
Fortsetzungsvarianten, so, dass ich immer neu neugierig war, wo es
langläuft. Ich schreib nicht hier hin, worum es ging. Jedenfalls
wurde es über dieser Ausführlichkeit erheblich später, da das
Sonntagsfrühstück zu den heiligen Pflichten gehört, hatte sich
Hirschau für diesmal erledigt. Ich fand sowieso, das der Ablauf
diesmal richtig war, denn als ich viel später mich zum Laufen
aufmachte, regnete es gar nicht mehr. Ich hab der
Sonntagslaufverpflichtung wacker entsprochen und knapp 19 km Strecke
gemacht, diesmal im Schnitt von 5:09 min/km, damit war ich
hochzufrieden. In der Gruppe geht es oft gemütlicher zu, ich kann
überlegen wieder mit den schnellen Läufern mit zu gehen. Auf den
Ohren hatte ich Beethoven, zwei Sinfonien und ein Stück von einem
Klavierkonzert, das ist ein hohes Vergnügen.
Gestern abend hab
ich mir einen Ausschnitt des Sommerinterviews mit Höpke angeschaut,
das ist eine wichtige AfD-Figur, ich glaube, er ist
Landesvorsitzender in Thüringen. Es war eine Aufnahme vom August,
ich wollte mir einfach einen Eindruck verschaffen, da er so viel in
Nachrichten vorkommt. Es scheint ein kluger Mensch zu sein, der in
fernsehtauglicher Form auf Fragen nicht antwortet oder sie so
wendet, dass er wieder von seinen Themen erzählen kann. Er vermeidet
knapp den Hetzerjargon und gibt sich sehr staatstragend, wenn es ihm
passt. Markant war die Aussage zu Corona, er sagt, es sei vorbei, im
August sagt er das. Nun gut, da irrt er mutwillig, da betreibt er
Wahlstimmenfang. Ich habe mich erschrocken, wie sehr er das Bild vom
Wolf im Schafsfell verkörpern kann.
Montag, 7.12.2020
Es hat geklappt, das Aufstehen zur Frühschicht, kurz nach vier fährt
mein Bus los. Die Arbeit. Und der Sport danach. Im Bus heimzu konnte
ich bissle schlafen, bis irgend so ein Depp das Handy am Piepsen
hatte und mit seiner Trinkflasche so rumgeräuschte, dass ich Lust
auf Mord bekam. Dann bin ich zum Sportpark hoch und kam mir ganz
heroisch vor. Ich versuche, einiges, was ich bisher an Stangen
gemacht habe zu verlegen an die Ringe. Durch die Wackelei und den
ständigen Balanceausgleich kommt mir das richtig anstrengend vor.
Wenn ich mir vorstelle, was Turner an Ringen vollbringen, komm ich
mir wie blutiger Anfänger vor.
Dann, während einer Bauchübung,
ich lag auf dem Rücken und schaute in den Himmel, er war
trübgrausoßig, tat sich ein Fleck auf, von dem ich erst nicht sagen
konnte, dunklere Wolke oder Durchblick ins Blaue. Ein wenig Wind
machte die Sache klarer, es war ein blauer Himmelsfleck. Da ich eine
Weile unten lag, hatte ich Zeit, mich dran zu freuen. Zumal derselbe
Zustand auf Arbeit stattgefunden hatte. Ein Vorgesetzter fragte rum
nach einem Zustand, der schon so lange schlecht ist, der aus
verschiedenen Gründen jahrelang nicht bearbeitet wurde und sich
immer mehr verfestigte. Heute nun die Ahnung von der Möglichkeit, es
müsse nicht so bleiben. Ich springe sofort an, hoffe auf Bewegung,
wünsche ihm Glück und Mumm, das durchzuziehen und werde ihm Auskunft
geben. Nicht, um Kollegen in die Pfanne zu hauen, aber bei besseren
Abläufen gewännen wir alle.
Dienstag, 8.12.2020
Fast wäre der Text ausgefallen, da ich am
Radio hörte und hörte und hörte. SWR2 ist der beste Sender, den ich
kenne, ich bekomme Nachrichten, gute Musik aus allen Bereichen, die
mit hohem Sachverstand in eine Folge gebracht wird, oft gibt es
äußerst hilfreiche Erläuterungen dazu. Am interessantesten sind mir
aber die Berichte über und von und mit den Koryphäen ihres
jeweiligen Faches, seien es Theatermacher, Dirigenten, Geigenbauer,
Schriftsteller. Und heute war es so spannend, eigentlich wollte ich
nur schnell Nachrichten hören, dann kam ein Bühnenchef im Gespräch,
es wurden drei Geigen vorgestellt und Jazz lief und gefiel mir, so
dass Stunde um Stunde verging. Nicht das erste Mal. Deswegen
verstehe ich den Zinnober zur Erhöhung des Rundfunkbeitrages gar
nicht, ich würde das gern für diesen einen Sender zahlen. Das
erörtert das Thema nicht annähernd, soll aber heißen, ich fühle mich
wohlversorgt. Dieses Hängenbleiben konnte ich mir leisten, da morgen
ein freier Tag ist, Gleitzeitabbau. In Zeiten der Kurzarbeit wirkt
das putzig, aber die Vorschriften sind so.
Frühschicht, Training
am Tower, der junge Läuferfreund kam dazu, wir haben schon was
gemacht, aber auch viel geredet, erzählt. Es ist kurzweilig zu
zweit, geht nicht nur mir so. Als es dunkel wurde, wurde es noch
kälter, wir haben relativ schnell abbrechen müssen, laufen kann man
gut bei solchen Temperaturen, aber beim Schwätzen kommt man ins
Frieren.
Lesestoff: Trainspotting von Irvine Welsh. Ich hatte
den Film vor langer Zeit gesehen, in guter Erinnerung behalten und
fand das Buch im Stadtbücherschrank. Ich bin noch in der ersten
Hälfte, kann aber schon sicher sagen, er erzählt atmosphärisch dicht
und erhellend von Zuständen unter verschiedenen Drogen oder unter
Unmengen von Alk. Das Buch ist von 1993, schildert die Jugend einer
Clique in einem Stadtteil von Edinburgh, selbst in der Übersetzung
kommt die Sprache dieser Abstürze und Aussichtslosigkeiten rüber. Es
ist nicht nur Millieuschilderung, sondern auch ein literarisch
geglücktes Zeitdokument.
Mittwoch, 9.12.2020
Das pure Glück, könnte man sagen und sicher sein, man wird von
vielen nicht verstanden. Als ich loszog zu meinem Lauf, regnete es
ein wenig, ich dachte, ehe es mehr wird, erledige ich das schnell.
Die Standardstrecke geht ca 220 Höhenmeter aufwärts, sonst muss ich
nur schnaufen und fertig. Diesmal wandelte sich der wenige Regen mit
jedem Meter Höhe in viele Schneeflocken, die Luft war feucht und
frisch und die Umgebung wurde immer weißer. An einem der letzten
Häuser ein kleiner Hund allein draußen, der wollte mit mir spielen,
sprang fröhlich um mich rum, mir zwischen die Beine, ich musste
anhalten und mich gehend aus seinem Revier entfernen. Ein Glück, er
wollte nicht weiter mitkommen. Als ich oben war, lief ich in den
Wolken, dichter Nebel, Schnee, eine einzige Begegnung, eine junge
Joggerin, ich kannte sie aus dem Sportstudio. Auf den Ohren Händel,
der Messias, der pure Genuss. Die Brille schneite zu, ich trat die
Erstspur auf manchem Wegstück und kam in guter Zeit zu Hause an,
dann wieder im Regen. Diese Frische im Kopf ist herrlich, keine
Ahnung, ob man sie anders erreicht.
Gestern abend schaute ich mir
auf YouTube einen Mitschnitt an: BobbyMcFerrin singt mit einem Chor
und dem Publikum. Es ist völlig umwerfend, wie er mit den
Sänger*innen irgendeine kleine Folge einsingt und dann damit
arbeitet. Dabei verblüfft die Leichtigkeit, mit der ihm alles
gelingt, es ist betörend, was unter seiner magischen Anleitung
daraus entsteht. Ich saß davor wie das Kaninchen vor der Schlange
und entkam diesem Bannkreis nicht.
Seine lässige Körpersprache, dazu die Präzission und Intensität, wie
der Chor auf ihn reagiert und ähnlich, wahrscheinlich viel tiefer im
Banne agiert, das hab ich so noch nie gesehen und erlebt.
Den Link dazu
Da schreib ich es grad hin, um den Link zu kopieren, lasse ich es
laufen, und es ist schon wieder passiert. Ich kann es nicht
abschalten.
Donnerstag, 10.12.2020
Die Unterbrechung der Arbeitswoche macht, das kleine Etappenziele
erreicht werden müssen, dieser erste von zwei Arbeitstagen ist
gelaufen, wir hatten es gut im Griff. Die Heimfahrt verlief in
ungestörtem Tiefschlaf, dann komm ich fast wie neu zu Hause an. Und
hab mich umgezogen, bin gleich hoch zum Sportpark und hab am Tower
meins gemacht. Günstig war, einzelne Menschen trainierten hinter der
Scheibe, so dass draußen ein wenig vom Innenlicht ankam. Da fand
ich, als die Sonne lang untergegangen war, all mein Zeugs schnell
wieder, also Springseil und Zuggummi und kurzen Gummi und
Handschuhe. Auf dem Rückweg ein Zwischenstop beim Bäcker, ein Stück
Apfelkäsestreuselrafinessekuchen und n Kaffee als Belohnung und
Zielprämie.
Die Nachrichtenlage ist schrecklich, aus dem Lockdown
wird ein Lockdowner. Angedrohte Ausgangssperren würde ich als
unnütze Strafe empfinden, da ich meines Erachtens am
Infektionsgeschehen durch mein Freizeitverhalten nicht beteiligt
bin. Wie eine Lösung aussehen könnte, weiß ich aber auch nicht, bei
den unterschiedlichen Umgangsstrategien der verschiedenen Länder
fällt keine einzige positiv auf, oder? Wir werden damit leben
müssen, auch mit dem Scherbenhaufen, der nach der Durchimpfung
auftauchen wird. Wie war das doch im Mittelalter mit der Pest und
der Cholera? Am Ende war es immer ziemlich schlimm, und von dort aus
ging es weiter.
Freitag, 11.12.2020
Da gab es erst die freundlichen Wünsche zu Weihnachten von den
Vorgesetzten, auch ein Geschenkchen, nächste Woche arbeiten wir zwar
noch, aber haben Nachtschicht. Eine Stunde später noch ein Termin
zusammen zu kommen, da ging es um die Angebote der Firma, wenn man
ausscheidet. Erst mal alles doppelt freiwillig, d. h. Arbeitnehmer
und Firma müssen wollen, die Angebote passen nur für ganz wenige,
kurz vor der Rente, oder mit Aussicht auf Jobwechsel, das betrifft
im Moment nicht viele. Die Kurzarbeit ist für nächstes Jahr
eigentlich durchführbar, aus Steuergeldern wird ausgeholfen, das
nicht entlassen werden muss. Trotzdem geht der Rotstift um, von den
Interessen der Aktionäre war auch die Rede. Vom Betriebsrat war noch
nicht ein Wort zu hören, es gab nur eine Begründung, warum man die
Betriebsverammlung, die eigentlich vierteljährlich stattfinden soll,
nicht digital veranstalten kann. Das verstehe, wer will.
Nach
Frühschicht, müde, und Busschlaf, ging ich auf die Tour. Ich klappte
die Tür zu, trüber Himmel, kein Regen, aber nach drei Schritten
wurde es nass. Egal, hoch in den Wald, wieder das Schneewunder,
nicht so prägnant wie letztes Mal, dafür platschen vereiste
Schneebrocken bei jedem kleinen Wind von den Fichten und Tannen und
schlugen, wenn sie trafen, richtig ein. Sehr lustig, wie es auf
meiner kahlen Birne klapperte. Ich war motiviert, und wahrscheinlich
wollte ich schnell ins Warme nach Hause, jedenfalls hab ich meine
Jahresbestzeit geliefert, der Regen wurde dann immer mehr, die
Schuhe waren so nass, dass sie nicht nur Wasser aufnahmen, auch
abgaben. Kaum war ich geduscht, war auch der Regen vorbei. Das hab
ich schon besser hingekriegt. Egal, von meinem Laufkollegen, dem
Schnellen, kam auch Meldung, der kann Kilometerzeiten liefern. Wo
ich ne Stunde brauch, ist er nach knapp 44 min wieder da und hat 12
km weggelaufen. Herrlich, wenn Laufen dem Fliegen ähnelt.
Die
Coronaregeln werden bedrohlich, einschränkender, und sie werden
wieder nicht viel nützen. Ab morgen soll ich so tun, als wäre ich
ein Stallhase. Die Klappe bleibt zu. Ich darf arbeiten, Nahrung
kaufen, auch Klopapier, wenn es diesmal nicht so bekloppt zugeht,
wie beim ersten Mal. Draußen allein Sport machen ist erlaubt, von
daher werde ich zumindest kein depressives Karnickel. Halleluja
werde ich zur Impfung sprechen, wenn sie denn kommt.
Samstag, 12.12.2020
Zeit wäre da, was erlebt hab ich auch, heute fehlt´s an der Lust.
Drum wird das hier schnell enden. Ich mach einen auf Lockdown, fahre
nach acht alle Aktivitäten ganz herunter.
Sonntag, 13.12.2020
Der Wecker klingelte schon, war schnell abgestellt, ich hatte mir
beim Schlafengehen gemerkt, nur bei Lust aufzustehen. So ist es dann
gekommen, den Hirschautermin hab ich ausgelassen, auch weil in der
letzten Zeit, seit der Novemberbeschränkung kaum noch Leute da
waren, die schnell unterwegs sind. Die waren alle auf der Tübinger
Nikolausstrecke. Der virtuell zusammengeschaltete Lauf da war wohl
ein ziemlicher Erfolg, mit hoher Beteiligung, ich hatte mich nicht
angemeldet. So hab ich den Sonntag gemütlich angehen lassen mit
ausgiebigem Lesefrühstück, ab und zu hoppelten draußen am Neckar
einzelne langsame und schnelle Jogger/innen vorbei, so dass mir im
Bewusstsein blieb, ich sollte auch noch raus. Um den Mittag rum bin
ich gestartet, gut gelaunt in den Wald hoch, ich hatte mir eine
Strecke vorgenommen, die ich lang nicht gelaufen bin. Es war relativ
warm geworden, der Schnee war fast überall weg, dafür war es
ziemlich matschig. Unterwegs hab ich noch eine Abzweigung genommen,
da war ich noch viel länger nicht, kann man das so schreiben, na
egal, jedenfalls wollte ich sie mir wieder ins Gedächtnis laufen,
der Schlenker war länger als erwartet, und ich kannte die Kurven
nicht mehr. Ich find das immer lustig, mein Kopf weiß, da muss man
da und da rauskommen, aber wenn ich dann unerwartete, weil
vergessene Abschnitte vorfinde, entsteht die kleine Unruhe, ob ich
je aus diesem tiefen Rammertwald wieder herausfinde. Da haken dann
Gedanken ein, ich lande in Dusslingen, Tübingen, was weiß ich, die
Strecke heimzu verlängert sich durch Laufen in die falsche Richtung,
und obwohl mir das noch nie passiert ist, fabriziere ich dieses
dumme Kopfkino. Gut ist dann, wenn die Musik intensiv ist, heute war
es ein Oratorium von Fazil Say. Als Komponist und Pianist ist er
völlig überzeugend, außerdem ist er politisch aktiv, hat in der
Türkei schon einsitzen müssen für kritische Stellungnahmen und
Äußerungen, was für ein seltsam regiertes Land. Seine Musik
entwickelt eine Suggestivkraft, ich muss dann zuhören, sein
Klavierspiel ist markant, wiedererkennbar und hochplausibel. Hat
mich gut heimgeleitet.
Mittag zu Hause, ich war wieder mal auf
ein schönes Bild auf einer Pastapackung reingefallen, Teigwaren mit
Ziegenfrischkäse und Feigen, klingt gut, oder? Schmeckte relativ
merkmalslos, die pampige Füllung eher ein Ergebnis findiger
Lebensmittelchemiker. Zum Glück hatte ich mir noch Gemüse dazu
bereitet, das hat es gerettet.
Buch ausgelesen, Trainspotting,
eine literarisch interessante Schilderung der Jugendjahre einer
Gruppe im Drogensumpf der späten 80-er in Schottland. Eindrucksvoll
die Beschreibung der Werteverschiebung bzw. Werteauflösung im
Suchtmodus. Dazu die Einbindung in gesellschaftliche Zustände, die
Perspektivlosigkeit dieser Zeit für Jugendliche aus ärmlichen
Verhältnissen. Leseempfehlung.
Neues Buch angefangen: Chaim Potok
"Am Anfang", 1975 erschienen, schildert die Ankunft der ersten
jüdischen Familien in Amerika vor dem zweiten Weltkrieg. Deren
Bemühungen, Fuß zu fassen und schnell Mittel zu erwirtschaften, um
weitere Familien rüberzuholen und vor Pogromen zu retten. Aus der
Sicht eines Sechjährigen geschildert, ich bin erst im Anfang, aber
es fühlt sich sehr lesenswert an.
Montag, 14.12.2020
Erster Nachtschichttag steht an, ich muss gleich los. Eher kann ich
nicht schreiben, sonst kann ich nicht vom Tag erzählen, ich muss ihn
ja erst erleben. Drum kurz. Sport am Tower im Sonnenschein, ohne
zeitliche Begrenzung, lustgesteuert, zwei Stunden vergingen so. auf
dem benachbarten Skaterpark eine Horde halbwüchsiger Schüler, die
die Rampen hoch und runter flatterten, sehr sehenswert. Fröhliches
Spiel, kein Gedanke an Corona. Dann nichts, was erzählt werden muss,
außer vielleicht von der Nachrichtenlage und den Kommentaren dazu.
Lauter Besserwisser unterwegs, es wirkt zwar geschäftig und
angestrengt, aber sehr nutzlos. Trägt kaum zur Informiertheit bei,
macht unruhig und regt mich auf. Man hätte können, man hätte müssen,
blablabla.
Dienstag, 15.12.2020
Einschwenken in den merkwürdigen
Daseinszustand eines Nachtschichtlers. Immerhin hab ich es gestern
geschafft, meinem handynutzenden Kollegen im Bus klarzumachen, dass
er sein Handy auf lautlos stellen kann, ich glaube, er hat mich
halbwegs verstanden. Einzelne Kollegen erzählten, sie seien
kontrolliert worden auf dem Weg zur Arbeit, es war dann
unkompliziert, aber die Ausgangssperre soll im grün regierten Ländle
mit Hilfe der Polizei durchgesetzt werden. Das hätte man sich bei
Regierungsantritt von Kretschmann und Co nicht vorstellen können.
Ich vermute auch, dass, wenn man erwischt und mit Geldbuße belegt
wird, man vor einem Richter die Verhältnismäßigkeit im jeweils
konkreten Fall einfordern lassen könnte. Aber was besseres fiele mir
auch nicht ein, soll heißen, ich bin froh, dass ich nur zu Hause
bleiben muss, nicht für die Durchsetzung zuständig bin.
Genug
davon. In meinem Nachtschichtjetlag ist es nicht ganz leicht, sich
aufzuraffen zu normalem Leben, also Laufen zu gehen. Zumal es
regnete. Regen stört in dieser Situation mehr, wenn ich ihn gar
nicht abbekomme, hinter meinem Fenster werd ich nicht nass und finde
das Wetter schrecklich. Dann gehe ich raus, es tropft auf den Schirm
meiner Basecap, dadurch ist die Brille etwas geschützt, und sonst
ist alles gut und im Loslaufen bin ich mit mir und dem Wetter im
Reinen. Auf der heutigen Tour fand der schnellste Kilometer des
Jahres statt, eine 3:57 hab ich lange nicht geschafft. Nach dem
Duschen hier schreiben, Nachrichten hören, Schicht vorbereiten, das
war es für diesmal,
Mittwoch, 16.12.2020
Aufgestanden, die Sonne schien, fast 10 Grad draußen. Schnell mein
Gedöns zu Hause erledigt, dann hoch zum Sportpark. In erlesener
Gesellschaft mein Programm gestartet. Ein junges Paar war da, sie
beide konnten erstaunliche Sachen aus dem Calisthenicbereich,
Handstand in vielen Variaten, Backlever, Human flag, ich kam mir vor
wie Anfänger. Egal, ich hab meins gestartet, der Läuferfreund kam
dazu, hat auch schöne Dinge vorgeführt, Pistol squats und
Handstände. Wir können da genügend Abstand halten, der Platz reicht.
Anderthalb Stunden waren rum, das Dunkelwerden macht, das es kälter
wird, ich musste noch ein wenig Zeug einkaufen und soviel Freizeit
ist nicht am Arbeitstag, das viel Luft zum Rumlumpern wäre. Kaum
Lesezeit, kurzer Text, immerhin.
Donnerstag, 17.12.2020
Pausentag, Pause vom Sport, vom Text, arbeiten gehen muss ich noch
mal, die letzte Nachtschicht. Maschinenputzen und das ganze
Gewünsche vor Weihnachten. Morgen nach dem Schlafen starte ich
wieder normales Leben. Sag ich mal.
Freitag, 18.12.2020
Ein wenig weniger Schlafen, da es aus der letzten Nacht herausging,
gemächlicher Einstieg mit einem Lektürefrühstück, der Versuch der
Konzentration, es lohnt sich, schließlich beginnt der
Jahreswechselurlaub. Hab mich zum Laufen aufgerafft, da mir eine
schöne Strecke durch den Kopf geisterte. Das war eine gute
Entscheidung, ich bin in die flachstehende Sonne hineingelaufen, um
mich erstrahlten güldene Wiesen und Felder. Da könnte ich in der
Sicht von manchen Anderen je nach Richtung auch gülden werden, ich
muss lachen. Als ich oben war, dadurch den Sonnenuntergang nach
hinten verschob, also minimal, so riesig hoch war es nicht, was
machen da 200 Höhenmeter, der Physiker könnte es ausrechnen. In der
Ferne im Dunst das Schloss Hechingen. Durch den Wald wieder runter
nach Niedernau, im Katzenbachtal stieg der Nebel über die Wiesen,
dann am Neckar entlang nach Hause. Duschen, Kuchen holen, Kaffee
trinken, Lesen, was gehts mir ohne Arbeit gut. Ein bisschen am
Rechner, dazu SWR2, die Nachrichten und Beethoven, das 5.
Klavierkonzert, ein Ausbund an Logik und Schönheit, ganz
unangestrengt fügt es sich.
In den Nachrichten wird die
Reihenfolge beim Impfen erklärt, und die Kritik daran. Also die
Gefährdeten, die Alten zuerst, ok, die Hausärzte mahnen, sie müssten
auch schnell drankommen, wegen der vielen Kontakte mit Kranken,
klar. Ich merke, es erleichtert mich ungemein, dass es am 27.
Dezember losgehen soll. Nicht, dass ich jetzt schnell drankommen
müsste, gar nicht, aber die hohen Sterbezahlen verdunkeln die Zeit,
vielleicht hört das schnell auf. Das wäre mein Weihnachtswunsch.
Samstag, 19.12.2020
Lange hat es nicht gedauert bis zur üblichen Weihnachtsmissstimmung.
Kein Wunder, mit den sozialen Beschränkungen ging es sehr schnell,
dass ich deutlich merke, ich muss mit mir selbst klarkommen, die
Reise nach Bayern ist abgesagt, auch Silvesterläufe gibt es keine,
Sport mache ich oft allein und Internet ist kein richtiger Ersatz.
Wichtig schon, ohne wäre es eng. Die Bücher funktionieren. Was
rettet mich? Die reine Sachlichkeit, Pandemiewissen. Da entsteht mir
Einsicht und die Folgerung daraus, ich will mich kümmern. Ich merke,
wenn ich Kontakt zu Kritikern und Meckerstimmen hab, nützt es gar
nichts, da das dort verbreiteten Wissen nicht aus Quellen kommt,
sondern in Bubbles entsteht, geteilt wird, einfach weitererzählt
wird.
Beim Kaffeeholen hab ich nach dem Spiegel gelangt und dann
reingelesen, naja, es geht los mit Hausfrauenempfehlungen, wie
Weihnachten trotz Corona gut werden kann. Der Spiegel als Prediger,
das taugt mir nicht. Werde weiterlesend schon noch paar Nachrichten
finden.
Der Sport war gut, ich bin extra erst mittags hoch zum
Tower, damit nicht zu viele da sind, das hat geklappt. Die wenigen,
die trainierten, waren dafür überaus fit. Ich habe gesehen, wo ich
noch hin will. Hilfreich war, das einzelne Übungen vorgeführt und
erklärt wurden, ich hab genau hingeschaut.
Lesen: Chaim Potok, Am
Anfang, ausgelesen. Eine komplizierte Kindheit und Jugend im
jüdisch-orthodoxen Millieu in der Zeit der Wirtschaftskrise und dem
dritten Reich. Von Amerika nach Europa geschaut, dazu die
Nachrichten von der Vernichtung aller Verwandtschaft, die es nicht
aus Europa rausgeschafft hat. Mich hat das sehr berührt, zumal die
auf die Thora bezogene Denkwelt sehr ausführlich und genau erzählt
wird.
Sonntag, 20.12.2020
Diesmal hab ich´s besser gemacht, hab den Wecker gleich auf später
gestellt und den Hirschauer Lauftermin sausen lassen. Mein Eindruck
ist, dass die schnellen Leute da dauerhaft, zumindest während dem
Coronamist sich nach Tübingen orientiert haben. so habe ich ein
gediegenes Sonntagslesefrühstück gehalten, es dauerte ziemlich, hab
im Spiegel gelesen und bin immer noch nicht überzeugt, dass sich das
besonders lohnt. Die Berichterstattung ist literarisch, nicht immer
faktengestützt, mehr so Auslegeungssache. Über kriminelle Banden
wird im Stile von aktuell und gerade herausbekommen erzählt, dabei
ist das erledigt, andere haben vor ein, zwei Jahren recherchiert,
dieses Fenster ging aber schon wieder zu wegen erneuerter
Verschlüsselungstechnologien. Wirecard und die Finanzaufsicht,
genauso ein nutzloser Rapport wie schon vor Wochen, da hab ich das
schon mal reklamiert. Was Kurbjuweit über die Kanzlerin schreibt,
sagt mehr über ihn. Konstruktives hab ich gar nicht gefunden, im
Zusammenhang mit Corona wird nur im nachhinein spekuliert, was man
hätte besser machen können. So weit bis zur Hälfte des Blattes.
Mittlerweile höre ich lieber, wenn es grad passt, auf SWR2
Diskussionsrunden und Nachrichten, auch die NZZ berichtet
hochwertig. Beides hab ich mir verfügbar gemacht mit deren Apps, bin
ich erstmal gut versorgt.
Der Dezemberblues, kam gestern schon
vor, macht mir etwas zu schaffen. Ich hatte Mühe, mich aufzuraffen
zum Laufen, und unterwegs auf den ersten Kilometern hab ich gemerkt,
es geht schwer und ich habe wenig Lust. Zum einen hab ich mir
gestern einen gehörigen Muskelkater geholt, da hab ich gut
trainiert, aber ich fand es anstrengend, damit zu laufen. Außerdem
hat mich die Musik nicht erreicht, die Stimmung blieb mau, ich habe
ewig mit mir rumgehadert, wann ich umdrehe, ob ich heim spaziere und
nie wieder laufen geh. Na gut, so schlimm war es nicht, ich war
vernünftig, habe aus den 20 km, die sonntags vorgesehen sind 14
gemacht, in dem ich auf eine schöne Strecke abgebogen bin. Zu Hause
war danach Faulenzertag, bisschen gelesen hab ich schon noch, und am
Bücherschrank bin ich langgeschlappt. Das Verfahren wie üblich: ein
Buch hingebracht, fünf mit heim genommen, was soll man machen.
Die Nachrichten vom mutierenden Virus und den Konsequenzen draus
haben die Stimmung nicht verbessert. Ich will zwar grad nicht nach
UK oder in die Schweiz, jedoch, der Ausblick wird düster.
Montag, 21.12.2020
Die Zulassung für den Impfstoff ist da, in Europa, verkündet von der
Frau von der Leyen oder so. Warum jetzt mehrere Tage vergehen ohne
Impfen, an denen wohl jeweils um die 500 Menschen sterben werden,
obwohl ich in der letzten Zeit die Vorbereitung der Impfzentren und
mobilen Impfteams verfolgen konnte, das bleibt mir rätselhaft. Die
Schweiz impft, Israel impft.
Der Lichtblick ist trotzdem da, ich
hoffe, dass das Virus nicht zu schnell mutiert, dass der Impferfolg
macht, dass die vielen Kleinigkeiten, von denen ich nicht viel
wusste vor einem Jahr, sich wieder einrenken, ich möchte mein Leben
davor wieder haben. Auf die Gefahr hin, dies könnte nörgelig
klingen, ist mir das sehr bewusst geworden. Ich will mich wieder in
der Stadt bewegen ohne Maske, ich will nicht so auf Abstand achten
müssen, dass mein Gegenüber merkt, ich denke dran. Ich will wieder
eine Hantel anfassen, die jemand abgelegt hat, ohne den Mief von
Desinfektionsmitteln. In mein Studio will ich rein, drinnen
schwitzen, mit anderen zusammen merken, jetzt wird es schwer. Ich
will ins Kino, in die Bücherei, will Ausstellungen besuchen, in der
Stadt Kaffee trinken können, drinnen und im Sitzen und ohne meine
Adresse überall hinschreiben zu sollen. Mit der Arbeit, das ist so
eine Sache. Die Kurzarbeit hat für allerhand Freizeit gesorgt, ohne
große finanzielle Einbußen. Mir am liebsten wäre es, alle bestellten
wieder wie zuvor, wir müssen so viel produzieren, dass die
Wochenendarbeit wieder eingeführt wird. Mir ist aber klar, die Welt
ändert sich auch ohne Corona, ob der Laden je wieder so brummt wie
vor Zeiten, ich warte es mal ab.
Zu Hause war der Putztag, dieses
lästige Immerwiederdingens muss halt erledigt werden, will ich nicht
komplett verwahrlosen. Zum Glück regnete es nicht, also danach, so
bin ich hoch zum Sportpark und hab mein Programm erledigt. Es war
trübe, fünf Grad, nicht wirklich tolles Wetter, dadurch kam auch
niemand anders zum Trainieren. In aller Ruhe hab ich eins nach dem
andern abgearbeitet, frage mich zwischenrein, ob es Sinn macht. Ich
glaube schon, es findet immer noch ein Kraftzuwachs statt, und meine
Vorstellung von Wie will ich aussehen ist erfüllt, ob ich je diese
schönen Figuren aus der Calisthenic werde halten können, bleibt
ungewiss. Wenn ich damit aufhörte, wüsste ich das Ergebnis, es würde
mir nicht gefallen. Immerhin richte ich keinen Schaden an mit dieser
Art Freizeitverhalten.
Dienstag, 22.12.2020
Beinahe hätte ich die Schreiberei
verpasst, weil ich mich festgelesen hab. Erst den Spiegel fertig,
hintenraus kam doch noch was lesenswertes zum Vorschein. Der Bericht
über Hongkong mit der von China veränderten Justiz war interessant.
Ein Bericht über Weltraummüll auch, da denke ich über die Dummheit
von uns Menschen nach, über unser perspektivunfähiges am
Eigennutz ausgerichtetes Agieren, egal, wohin man schaut. Ein
Gespräch mit dem Dirigenten Thielemann, von dem schätze ich die
Aufnahme der Beethoven-Sinfonien, er hat sie verständlich gemacht,
beim Dirigieren ist er klarer als beim Sprechen. Das macht aber gar
nichts. Dann hab ich in der NZZ immer weiter gelesen, dort herrscht
ein anderer Ton als im Spiegel, ich muss mich erst eindenken. Da
wird sichtbar, wie unterschiedlich Fragestellungen behandelt werden
können. Im Spiegel immer mehr verhaftet den vorgedachten
Weltendeutungen und Redeverboten, da nützen auch Artikel über Cancel
Culture nichts, die offenbaren bestenfalls nur das Dilemma, in der
NZZ ergebnisoffener und auch überraschend neue Denkanstöße.
Alltag war ebenfalls ein wenig, ich musste einkaufen, damit ich über
Weihnachten komme, und laufen war ich. Da gäbe es einen noch
schnelleren Kilometer zu berichten als beim letztenmal, und es hat
auch noch Spaß gemacht den Berg runterzurasen. Es war sowieso anders
als in der letzten Zeit, 14 Gad warm, ich bin in kurzen Hosen auf
die Strecke. Jetzt fehlen noch vier Sekunden zu meinem
allzeitschnellsten Kilometer, vielleicht gelingt mir das noch.
Mittwoch, 23.12.2020
Da sitz ich in meinem persönlichen Lockdown zu Hause, zu einer Zeit,
zu der ich sonst im Studio war, da bin ich nach dem Training in der
Sauna und würde jetzt demnächst hier landen. Gerade an freien Tagen
konnte ich so schön ausführlich Sport machen, bin oft tagsüber
laufen und abends für die Kraft schwitzend dabei gewesen. Heute
musste ich die Regenlücke nehmen für die Kraft, ich war mittags am
Tower, bekam genau sieben Regentropfen ab, auch ein wenig Sonne. Und
bin auf die glorreiche Idee mit der Stirnlampe gekommen, da könnte
ich abends laufen und hätte meine Programm wieder. Warum ich dazu
den halben Lockdown gebraucht habe, kann ich nicht erkennen, eher
ist es so, dass ich froh um diesen zufälligen Gedankenblitz bin.
Jetzt sofort lege ich mir die Lampe so in den Weg, dass ich auch
morgen soweit denke.
In den Nachrichten die Verurteilung von Can
Dündar, türkischer Journalist, der muss seinen Obrigkeiten gehörig
in die Suppe gespuckt haben. 27 Jahre wollen sie ihn in den Bau
stecken, was an sich schon mal unverhältnismäßig ist. Er hätte
spioniert und sich verschworen. Freie Justiz, selbst denkend und
urteilend? Eher die Ausübung von Macht. Von solchen Urteilen wird
der Welten Lauf nicht besser.
Sonst verging die Zeit mit lesen,
ich versuche in der NZZ hinterherzulesen, seit ich ein Abo habe,
werde ich schier zugeschmissen mit interessanten Nachrichten und
auch Kommentaren. Da fehlt mir glatt die Zeit zum Buchlesen. Um
meinen Umgang mit Zeit komplett entgleisen zu lassen, habe ich mir
gestern abend ein Radio mit W-Lan-Empfang bestellt, DAB+ funktoniert
bei mir am Standort nicht, hab ich probiert, jetzt also auf diesem
Kanal. Die Vermittlung von Nachrichten und Wissen auf SWR2 finde ich
so gut, dass ich es auf Knopfdruck verfügbar haben will, außerdem
hat es ein Laufwerk für CDs, da kann ich meine alten Schätze wieder
anzapfen. Noch so ein Gedanke, der lange Zeit zum Reifen brauchte.
Donnerstag, 24.12.2020
Muss ich, muss man am Heiligabend Text machen? Natürlich nicht. Gibt
es einen Grund, keinen zu machen? Natürlich nicht. Es fing an mit
einem wundervollen Traum. Ich hab ausgeschlafen, den Wecker
ignoriert und dann kamen sie. Hunderte schöner Schmetterlinge über
dem Boden eines sonnigen Waldweges, sitzend, auffliegend, flatternd,
in allen Varianten, alle von einer Sorte mit hellbraunen gescheckten
Flügeln. Es hat mir so gefallen, wach geworden bin ich beim Versuch,
nach dem Handy zu langen, es zu filmen. Frühstück, gemütlich und in
der Nachfreude. Beim Schauen, ob Post da ist, eine Überraschung,
mein neues Radio ist schon da. Und ein wundervoller Kalender mit
Bildern von meinen Enkelkindern, fast ein ganzes Jahr dokumentiert.
Wenn ich den demnächst umblättere, sehe ich manchmal mich selbst mit
einem der Kleinen. Ist neu für mich, aus einem Kalender habe ich
noch nie rausgeschaut. Laufen war ich, 13 km mit ziemlich heftigen
Winden, das hat Spaß gemacht. Als ich, schon in der zweiten Hälfte
im Gegenwind mich redlich mühe, eine Geschwindigkeit beizubehalten,
überholt mich so ein junger, locker laufender Kerle, der tat als
gelte der Wind nur mir. Das Geheimnis kenne ich nicht, jedenfalls
war er viel schneller.
Abends saß ich in guter Gesellschaft, bei
gutem Essen und einem angenehmen Schwätz verging die Zeit schnell,
erst hatte ich kurz überlegt, allein zu Hause zu bleiben, so war es
aber viel besser.
Freitag, 25.12.2020
Zwischen dem vielen Regen morgens waren fette Schneeflocken,
trotzdem wurde es nicht weiß. Kalt war es. Ich hab überlegt, was
draußen zu machen ist, ich wollte an den Tower. So habe ich lange
genug nachgedacht, es hörte auf zu regnen, mittags war ich am Start.
Die Stangen vom Tower patschnass und kalt. Ich habe mit Aufwärmen,
dem Springseil so lange zugebracht, bis ich anfing zu dampfen, dann
ging es mit den Händen. Die Kälte zog sofort ein von der Stange bei
Klimmzügen oder Dips usw., in den Pausen gab es Handschuhe und
Hosentaschen, so bin ich gradso mit kribbelnden Fingern
durchgekommen. Es war sonst niemand da, ich hab das verstanden, und
mach mir Gedanken um meinen Zustand, bisschen Aussendrift ist da
schon dabei. Trotzdem hab ich mich hintenraus gut gefühlt, hatte
eine gute Muskelmattigkeit erreicht, sogar die Beine mit mehreren
Runden Ausfallschritten und Kniebeugen mit trainiert, an den Ringen
wie ein Laie rumprobiert und eine klitzkleine Jonglierrunde zum Ende
eingelegt. Mit kalten Händen geht allerhand daneben, vielleicht
fehlt auch die Routine.
Sonst: Mein neues Radio angeschmissen,
mein Sender erscheint und tut, CD tut, ich hab gleich Nina Simone
eingelegt, besser geht´s nicht. Saß daneben wie Hans im Glück. Und
gelesen, ganz viel NZZ, jetzt hab ich den Rückstand fast
aufgearbeitet und fühle mich gut informiert. Bleibt die Verwunderung
über den schlechten Zustand des Spiegels, bei dem ging es mir lange
Zeit auch so, was jetzt draus geworden ist, wird in diesem Kontrast
zur Züricher sehr deutlich.
Wenn ich hier so schreibe, immer
weiter, nach wie vor ohne Ziel und Plan, frage ich mich schon mal,
wie viele Formulierungen, Beschreibungen sich tupfengleich
wiederholen, ohne dass ich es im Verlauf bemerke. Ich erzähl ja nur
einen Tag nach dem anderen, und mein Leben ist ganz ohne markante
Ereignisse, eine Folge von sich fortsetzendem Kleinklein.
Vielleicht, wenn ich es vergesse, geht es manchem Leser auch so, das
wäre eine Hoffnung, vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Ich hab
mich beim Schreiben schon manchmal erinnert, dass da was schon
vorkam, wieder vorkam, und hab nach Beschreibung gesucht, von der
ich annahm, sie gäbe es noch nicht weiter oben. Allerdings habe ich
nicht kontrolliert. Wenn ich jeden zweiten oder dritten Tag einem
Lauf erwähne, muss ich im Kopf kramern, was unterwegs passiert ist,
sonst wären es ewig nur zwei Füße in Aktion. Blöd wäre, wenn ich
alle Tage das selbe denke und es hinschreib und denk es wäre das
Besondere gewesen. Mal sehen, wann die erste Reklamation kommt.
Samstag, 26.12.2020
Das war ziemlich kalt beim Laufen, aber die Sonne schien und
Millionen Spaziergänger mussten umkurvt werden. Am lustigsten war
die Begegnung mit einem kleinen Seppl, der konnt gradeso laufen, als
er mich sah, kam er mir entgegen zum Abklatschen. Er voller Freude,
ich ganz vorsichtig, und hab keinen Gedanken an Abstand und Corona
verschwendet. Knapp zehn Kilometer reichten um zur Einsicht zu
kommen, beim nächsten Mal sollte ich etwas mehr anziehen.
Mittags
gab es selbst gekochte Suppe, die ganze Bude mieft danach, aber
geschmeckt hat es, morgen brauche ich den Rest nur wärmen. Brokoli
und Kartoffeln und Blumenkohl an Dinkelgrieß. Zum Abkühlen steht es
draußen auf dem Fenstersims, es wird schon niemand mausen, das wäre
Mundraub.
Der Rest der Zeit verging telefonierend, lesend,
Feiertagsprogramm. Das Buch, eine recht wirre Geschichte von
wiedererweckten Retroviren aus der DNS, alles voller Fachausdrücke,
die ich nicht verstehe, immer neue Personen treten auf, auch ab, es
ist ein bisschen spannend und mir entsteht die Frage, wie löst es
sich. (Greg Bear, Das Darwin-Virus). Es ist komisch, das in
pandemischen Zeiten zu lesen, die Präventionsmaßnahme in der
Geschichte heißt: Kein Sex. Fast wie heute, wo ich immer zu Hause
bleiben soll.
Sonntag, 27.12.2020
Langes Nachdenken gestern führt zu unentschlossener Abwahl von
Hirschau, aber Laufen wollt ich doch. Zur Zeit gern allein, einmal
wegen dem Tempo, zum anderen hab ich grad nicht viel Lust auf
harmlosen Schwätz. Dafür will ich hörend laufen, also mit Musik. Am
späten Vormittag bin ich bei 0 Grad auf die Strecke, diesmal mit
Mütze und Handschuhen. Hoch in den Wald, bis Ofterdingen Ortsschild,
das war mein Ziel, gleichzeitig die Streckenhälfte, dann fast
denselben Weg zurück. Viele Spaziergänger, um die Parkplätze ist es
richtig voll, mitten im Wald wird es weniger. Dhafer Youssef,
orientalischer Jazz auf dem Hinweg, Dianne Reeves singt
Jazzstandards und zwar wundervoll und den ganzen Rückweg lang,
beides Konzertmitschnitte. Ich kam erstaunlich gut durch, bin lange
nicht so weit gelaufen, immerhin fast 22 km mit 410 Höhenmetern im
Schnitt von 5:33 min/km. Gemächliches Duschen, Freude an der
geheizten Wohnung, da kann ich beim Ankommen die nassen Klamotten
wegtun ohne zu frieren und nach dem Abtrocknen in aller Ruhe nackig
an mir rumpflegen. Die Suppe von gestern gewärmt in der neuen
Mikrowelle, ich schreib es in Zukunft nicht jedesmal dazu, im Moment
freut mich diese neue Möglichkeit noch sehr. Schüssel füllen,
reinstellen und Zeit anwählen, fertig. Als ich vollständig bekleidet
war, dampfte die Suppe und sie schmeckte noch besser als gestern.
Nachmittags musste ich an die Tankstelle, ein paar Weckle kaufen,
ich hatte mit dem Sonntagsbäcker gerechnet, der war zu. Da gab es
Kaffee dazu und ein Schokocroissant, da war es gleich mit erledigt.
Dann ausführliche Familienanrufe, so dass die Handyhaltehand
ermattet, aber es war gut und interessant. Nachrichten aus dem
Osten, Austausch über Corona und die Impfbereitschaft, Besprechungen
über Bücher und Bücherquellen. Lesezeit, das wirre Seuchenbuch,
jetzt kommt noch die Liebe ins Spiel, spät und mit Macht und einem
holperigen Sprachstil, ich glaub nicht, dass es an der Übersetzung
liegt. Ich merke, während der Pandemie einen Seuchenthriller zu
lesen ist ungeschickt, es entsteht eine unerwartete Bedeutungswucht.
Nun ja, lehne ich mich zurück und denke, morgen noch die letzten
hundert Seiten, dann ist es fertig.
Montag, 28.12.2020
Der Regen hat gewonnen, er hat mich ausgetrickst. Als es aufhörte,
bin ich raus zum Sportpark, besonders schön war es nicht, trübe,
feucht, aber es tropfte nicht. Nach einer halben Stunde dann
schon, ich hab noch 10 min geschafft, es wurde immer mehr, da hab
ich zusammengepackt und abgebrochen, bin nass heimgefahren. Drei
Minuten später war kein Regentropfen unterwegs. Egal, dafür hab ich
allerhand Bürokram weggearbeitet, das klingt so bedeutsam, aber
selbst bei mir sammelt sich Post von Ämtern, da stehen Termine drin,
meist schaffe ich das. Komme mir hinterher völlig aufgeräumt vor.
Sonst war gar nichts. Am Buch bin ich fast fertig, die letzten paar
Seiten mach ich noch. Eine Stelle, da hab ich laut gelacht, so
albern war die. Ein Neugeborenes begrüßt seinen Vater mit Namen,
sagt also paar Minuten, nachdem es auf dieser Welt ist: Hallo Mitch.
Natürlich sei es ein Kind neuer Art, aber das war doch zu blöd.
Dieses Buch empfehle ich nicht weiter.
Dienstag, 29.12.2020
Manchmal denke ich, ein Baron, ein Fürst
oder so müsste nicht einkaufen fahren, er müsste es nicht mal
verlangen, wenn er gute Bedienstete hat. Ich bin keiner, hab keine,
muss selbst los. Man bräuchte natürlich bei einer nötigen Erledigung
nicht jedes Mal solcherlei Rumzickerei, solch Gedankenmühle laufen
lassen, könnte es einfach abarbeiten, um dann frei zu haben. Am Ende
mach ich´s ja, hab mir gleich was zu essen mitgeholt von meinem
Mitnehmchinesen und hatte auch noch Grund zum Freuen. Ich habe das
Essen vor dem Einkauf in Auftrag gegeben, um es in einer halben
Stunde zu holen, hab auch bezahlt, und hab es tatsächlich geschafft,
rückzu dran zu denken, da ran zu laufen. Geht doch, hab ich gedacht.
Irgendwann nachmmittags, die Wolken rangen mit der Sonne, es sah
unentschieden aus, bin ich los zum Tower, wollte mein gestern
verregnetes Training
extraschön nachholen. Immer wieder
eindrucksvoll schwarze Regenwolken, aber kein Tropfen. Der volle
Mond kam zur Verstärkung und sah schön aus. Nach anderthalb Stunden
war ich durch, war zufrieden, bin rückzu am Bäcker lang, so gab es
zu Hause Zwetschgenkuchen zum Kaffee. Gerade zur rechten Zeit war
ich satt, zufrieden, das Telefon klingelte, und dann dauerte es fast
zwei Stunden. Ein Freund aus Berlin, ich kenne ihn schon ca 35
Jahre, wir reden gar nicht mehr oft miteinander, aber wenn, dann
gründlich. Ich weiß noch, wie ich ihn kennenlernte, ich war neu zum
Praktikum auf der Station, wo er lernte, er wurde mir schon
angekündigt als netter Kollege und als wir uns leibhaftig
begegneten, waren wir sofort wie ein Herz und eine Seele. Wir haben
nächtelang beim Bier gehockt, uns die Welt erklärt und die
Revolution geträumt. Von der Freiheit, die wir damals so vage vor
Augen hatten, ist allerhand erfüllt, zumindest aus seiner und aus
meiner Sicht. Darüber können wir uns immer wieder neu freuen, das
hört ja nicht auf, besser zu werden.
Aus den Nachrichten: Die
Türkei baut eine Mauer zu Iran, 85 km lang. Der Meister Erdogan hält
das noch für eine Lösung, da geht es wohl auch um Gelder aus der EU,
wegen der Flüchtlingssteuerung. Alle, die Ahnung haben, sagen, die
Flüchtlinge haben es schwerer, es ist gefährlicher, aber sie kommen.
Da hat mir der Satz von Frau Merkel vor fünf Jahren besser in die
Welt gepasst.
Auch aus der Türkei: Wieder eine Journalistin in
langer Haft, weil sie was berichtet hat, was dem Chef nicht passt.
Jetzt wollte ich nachschauen, worum es ging, gebe ein: türkische
Journalistin in Haft und finde auf Wiki eine ganze Liste von
Eingesperrten. Was soll man da über eine EU-Annäherung verhandeln.
Zu Corona: In Mecklenburg wurde geimpft mit der fünfachen Dosis, in
den Abpackungen, Ampullen sind fünf Portionen, anscheinend hat
niemand gelesen. Es sei nicht gefährlich, das ist schon fast zum
Lachen.
Mittwoch, 30.12.2020
Die Bilder aus den Skigebieten sind frustrierend, weil man da die
Verlängerung dieses doofen Zustandes schon einplanen kann. Warten am
Lift, dicht an dicht, was soll da rauskommen. Ich mach hier einen
auf Lockdown, treffe kaum Leute und soll mir in den nächsten Wochen
die schlechten Zahlen in den Nachrichten anschauen, wenn dann die
Solidarität in der Gesellschaft gerühmt wird, verwundert es mich.
Mein Tag war richtig. Treffen mit der Kunstfreundin auf dem
Wanderparkplatz, dann ein schöner Weg durch das Musbachtal, dazu ein
ruhiger und gediegener Schwätz. Beim Wandern sind wir nicht
rekordverdächtig, dafür beim Reden, es geht immer weiter. Zu den
vielen Themen um das Kunstmachen und Kunstschauen kommt die
Erzählung über unsere Enkelverläufe und der leidige Coronakram.
Auf der Heimfahrt kam mir der Hunger, so bin ich schnell beim
Chinesen ran, nach drei Minuten war ich bedient, konnte mir zu Hause
den Bauch vollschlagen, da ist das Ende oft der kleine
Mittagsschlaf. Es fehlte der Lauf, mit so gefülltem Ranzen ging es
nicht mehr. So hab ich geduldig verdaut und meine Stirnlampe in
Betrieb genommen. 10 km auf dunklen Feldwegen, mein Lichtlein hat
mir eine Entgegenkommende gezeigt, die unbeleuchtet war, ohne hätte
ich sie vielleicht über den Haufen gerannt. Ansonsten ist im Dunklen
das Laufen etwas langweilig, der kleine schlecht beleuchtete
Ausschnitt von der Welt bietet wenig zum Anschauen. Und Begegnungen
sind auch nicht interessant, erst wird man geblendet, die LED-Lampen
sind hell, trotzdem sieht man dann kaum, wer da vorbei geradelt oder
gelaufen ist.
Es gab noch einen Punkt auf meiner Liste, eine
Textbesprechung mit dem jungen Schreibanfänger. Ich hatte seinen
Entwurf gelesen, war an vielen Stellen unzufrieden und wollte aber
nicht vernichtend meckernd auftreten, eine große Aufgabe. Ich hatte
im Gespräch schon das Gefühl, dass das halbwegs gelungen ist, wir
sind, so mein Eindruck, bei guter Stimmung durchgekommen.
Donnerstag, 31.12.2020
Was wäre ein Silvester ohne Silvesterlauf? Für den überwiegenden
Teil der Menschheit was völlig normales. Für Läufer gab es bisher
unzählige schöne Laufveranstaltungen, ich hab z. B. in Tuttlingen
die 10 km mitgemacht. Diesmal gab es virtuelle Varianten, ich hab
einfach meine Standardstrecke gelaufen, so schnell es ging. Hab
tatsächlich die drittbeste Zeit in meinem ganzen Läuferleben auf
dieser Strecke geschafft, und rückzu war ein Kilometer unter vier
Minuten dabei. Da war ich so schnell, dass die einzelnen
Zusammenstöße mit den wenigen Schneeflocken fast den Charakter einer
Carambolage bekamen. Zu Hause Duschen, Mittag selbstgewärmt,
Telefonieren, Lesen. Christoph Meckel, "Licht", eine Erzählung. In
einer soliden schönen Beziehung entdeckt der Mann durch Zufall einen
Brief der Frau an einen anderen Mann, dieser ist im Ton großer
Vertrautheit geschrieben. So beginnt es, und dann erzählt Meckel
ausführlich aus der sonnigen Vergangenheit ohne dies Wissen und den
zerstörerischen Zweifeln und lässt es im Unglück enden. Er kann
erzählen, entwirft mit unspektakulären Mitteln Atmosphäre von Himmel
und Hölle auf Erden. Ein hohes Lesevergnügen, eine klare
Leseempfehlung.
Das Buch war mittags aus, abends nahm ich mir das
nächste: Harry Mulisch, "Die Entdeckung des Himmels". Nur den Prolog
gelesen, der aber so elegant neugierig macht, was danach kommt, das
führt zur Vorfreude.
Noch ein Wort zu Silvester. Es ist still
draußen, ich könnte die wenigen Knaller des Abends mitzählen und
würde von Viertelstund zu Viertelstund die nächste Zahl brauchen.
Fehlt mir was? Gar nicht, es ist eher Genuss. Ich hatte schon einmal
so eine ruhige Sivesternacht, in jungen Jahren waren wir zu zweit
mit dem Fahrrad in Mecklenburg unterwegs, noch zu DDR-Zeiten, dort
ist es einfach so dünn besiedelt, da schafft man es, wenn man will,
unters Sternenzelt.
zum Januartext