Michael Oswald

 

 

 

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Leben in den Zeiten von Corona 8

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Donnerstag, 1.10.2020

Monat 8 beginnt, in dem Corona und deswegen der Text läuft. Falscher Bezug, falsche Kausalität, würde meine Kunstfreundin sagen, der Text läuft wegen deiner Eitelkeit, wegen deinem Exhibitionismus, wegen deinem Bedürfnis dich darzustellen, nach außen zu wirken, wegen deiner Lust an der Findung krummer Grammatiklösungen, wegen allem Denkbaren und ein bisschen wegen Corona, weil du nicht weißt, wie du rauskommst aus dieser Falle, nie einen Gedanken dran verschwendet hast, nie gedacht hast, was wäre, wenn uns Corona lebenslänglich und immer bleiben würde. Das wird morgen passieren und da werd ich dastehn wie ein kleiner Bub, der was ausgefressen hat.
Es war Besuchstag Nr. 2, es ging ganz einfach, alles hat sich gefunden, die Abläufe mit den beiden Kleinen sind, wie sie sind, die Eltern müssen ran, hier wie zu Hause, wenn ich mit vorkomme, muss ich auch ran. Gewindelt, Flasche gegeben, in den Schlaf geschaukelt, gespielt, dass wir uns zergickeln müssen, sich ums Essen kümmern und um die Abläufe, Aufwasch machen, ich hab keinen Spüler, am Ende hat Laufen reingepasst, die Standardstrecke von knapp 10 km, das Studio fiel aus, den 2. Tag, und mich hat nicht der Donnerschlag getroffen. Morgen fahren sie weiter zu ihren, der Mutter Eltern, für mich ist es aber keine lange Zeit ohne, in ca drei Wochen fahre ich wieder ins Bayrische, wenn mich der Herr Söder dann noch lässt.
Den Schätzing hab ich ausgelesen, "Nachrichten aus einem unbekannten Universum", der Erkenntniszuwachs über den Ablauf vom Urknall an bis heute hat stattgefunden. Dabei ist mir egal, ob das alles gesicherte Erkenntnis ist oder sich durch neue Funde oder Quellen noch verändert, zumindest habe ich einen groben Überblick gewonnen. Als echte Schwäche des Buches empfinde ich die Erklärung der verschiedenen Organismen und ihrer Lebensweise an Hand menschlicher Verhaltens- und Denkweisen. Ich glaube nicht, das eine Schnecke über den Nutzen von Architektur nachdenkt, er beschreibt es wohl um der besseren Lesbarkeit so, als ob wir nicht in der Lage wären, ohne diesen dekorativen Quark über diese Abläufe zu staunen. Vielleicht hat ihn da jemand vom Verlag dazu gedrängt. Trotzdem ein gutes Buch.

Freitag, 2.10.2020

Vor fünfzig Jahren, so las ich in der Zeitung, starb Janis Joplin. Mit 27 und an einer Überdosis. So schade. Scheitern gehört dazu. Grandios scheitern, keinen Ausweg wissen, trotzdem Kunst machen, singen, wie nie zuvor und nie danach jemand gesungen hat, es rührt mich heute so an, als wäre es ganz frisch, es wird uns bleiben wie Bach und Beethoven.
Der letzte Enkeltag, ein halber, mittags sind sie abgereist. Die Kinder haben vorher, als würden sie mir was dalassen wollen, alle Register ihrer gutgelaunten Späßle genutzt, ich hab es aufgesogen, kann mich nicht dran erinnern, bei meinen eigenen Kindern so genau hingeschaut zu haben. Das ist einer der wenigen Vorteile des Älterwerdens, ein grandioser allerdings. Die Rückmeldung, sie haben ihr Ziel erreicht, dazu eine Serie Bilder und Videos aus den letzten Tagen, ich schaue mir das wieder und wieder an und bin ein vernarrter Großvater und bin auch davon überrascht, das hatte ich nicht kommen sehen.
Als die Bude leer war, hab ich mich erst mal in Gedanken hingesetzt, ein bisschen Zeit mit der Rückschau zugebracht, mir mancherlei Freude in Gedanken noch mal gegönnt, bevor ich meine Ordnung, meine nüchterne Zweckmäßigkeit wieder hergestellt habe. Die Zielprämie war ein Stadtgang, Kaffee und Zwetschgenkuchen beim Bäcker, das habe ich abends im Studio wieder runtergerackert.
Gestern unterschrieb ich mal wieder eine Petition, der Vorgang war ähnlich wie beim verunglückten letztenmal (siehe den ersten Corona-Text), ich war inhaltlich schnell überzeugt, bekam die Anregung von jemandem, den ich schätze. Es ist der Protest gegen die Auslieferung von J. Assange an die USA, weil man befürchten muss, dass er dort, zu einer irrsinnigen Strafe verurteilt, auf ewig im Knast verschwindet.

Samstag, 3.10.2020

Tag der deutschen Einheit, große Reden, routinierte Feierlichkeit in Berlin?, bestimmt, hier hat es niemanden interessiert. Alle haben ihrs weitergemacht, so zumindest mein Eindruck. Bei mir ging es erst mal faul zu, ich hab mir paar Videos auf YouTube angesehen, die schon ewig vorgemerkt waren, die Liste wird immer länger, wenn ich mal dran gehe, kann ich zum Glück manches unbesehen löschen, das hat sich erledigt. Beim Lesen war ich mit dem Patrick Süskind fertig, "Die Taube", ich hatte sofort entschlossen zugelangt, als ich es fand im Bücherschrank. Er macht aus nichts eine spannende Erzählung, ein langweiliger Mensch erleidet einen harmlosen Vorfall, sein ganzes festgefügtes Leben gerät ins Wanken und dieses innere Drama schildert er in einer Folgerichtigkeit und auf wiedererkennbare Weise dermaßen spannend, dass ich die knapp hundert Seiten nicht weglegen wollte. Köstlich.
Zum Glück war ich rechtzeitig fertig, konnte in die Schwimmhalle gehen, es war Aquajoggen angesagt. In der Halle ist es anders als im Freibad, enger, aber wir kamen zurecht. Nach einer Stunde sind wir abgekämpft und mit schrumpeligen Fingern aus dem Wasser gestiegen und waren es zufrieden. Heim, was essen, ab ins Kino, Tenet hieß der Film von Christopher Nolan. Ich hatte einen anderen Film von ihm in guter Erinnerung, war gespannt. Es war wieder verzwickt angelegt, ging in der Zeit hin und her, also vorwärts und rückwärts, Erzähltes musste erst noch passieren, mit all den Denkspielen an der Zeitschiene lang, was wäre, wenn ... Dazu jede Menge Action in gewohnt eleganter Weise dargeboten, was das digitale Kino so hergibt.

Sonntag, 4.10.2020

Die Frage ist noch offen, oder? Hat Minister Scheuer das Parlament angelogen? Nach der Aussage von den Mautbetreibern, also denen, die die Maut einrichten, wäre er erwischt worden beim Schwindeln. Man wollte ihn dazu befragen, in den Nachrichten hab ich nichts mehr gehört dazu. Das Ergebnis dieser Anhörung will ich wissen.
Es war Laufsonntag, ja, um sechs klingelt der Wecker, freiwilliges Aufstehen zur Unzeit, belohnt mit wundervollem Laufwetter. Ein harscher Wind blies mir am Anfang schier das Hemdle vom Leib, aber er blies auch die Wolken weg. Ab da wurde es schön, mit klarer Sicht über eine Gegend, die wir erst nächste Woche hätten sehen sollen. Der Lauftreffleiter hat perfekt vorbereitet, er ist für zwei Wochen im Urlaub, als wir losliefen, dachte ich nichts, denn der Anfang stimmte. Dann gerieten wir immer weiter von der Route, die ich mir gemerkt hatte, allerdings schau ich nur kurz drauf und bin es zufrieden, wenn andere führen. Ich bin nicht so das Orientierungswunder. Ich hab mir selber nicht so über den Weg getraut, hatte ich die falsche Info angesehen, am Ende ist es egal, welche Strecke wir laufen. Ich fand es köstlich, mit meinem inneren Gemaule umzugehen, als ich dachte, oh, das wird immer weiter. Irgendwann hatte ich raus, dass ich mich nicht dran reiben muss, wir werden schon ankommen, sind wir bisher immer, und bin zufrieden hinterhergehoppelt. Höhepunkt waren bei Kilometer 14 eine Horde ganz junger Kälber, die hatten sich zusammengerottet und sprangen voller Lust und Spielfreude, wie vom Hafer gestochen, über die Weide, sie rasten förmlich und sahen dabei schön aus. Der Restsonntag ist vergangen mit Sachen, die schreib ich nicht hier rein.

Montag, 5.10.2020

Die Wahrheit ist, es ist schon Dienstag, gestern hab ich´s nicht geschafft. Vielleicht werde ich älter, langsamer, bekomm mich nicht auf Knopfdruck konzentriert und motiviert, jedenfalls saß ich abends da, nach Sport und Essen, da war´s schon nach elf, und wollte nicht mehr und fühlte mich nicht schlecht dabei. Das wäre doch ein Zugewinn, nicht immer alles erfüllen zu müssen, sondern im Verweigern zufrieden zu bleiben. Ich hab vormittags gelesen, ein Buch, das still vor sich hin erzählt vom Leben und Lieben, mein Eindruck, der ist nicht neu, Frauen können beides besser. Männer zerrattern, erfüllen, genießen nur mit der Verheißung von mehr, verstehen Frauen oder Gegenüber sowieso selten, sind sehr auf sich konzentriert. So denke ich beim Lesen, so erlebe ich mich, dann war es ein gutes Buch, obwohl ich die auftretende Hauptfigur nicht sonderlich sympatisch fand. (Markus Werner, "Am Hang")
Nachmittags war ich in Kirchheim, Atelierbesuch und Schwätz mit meiner Kunstfreundin. Wir machen das seit vielen Jahren regelmäßig, es ist mir außerordentlich angenehm, aber selbst da, in dieser Vertrautheit kommt immer wieder Missverstehen vor, oder auch Falschverstehen, eine gesprochene Sequenz ist mehrfach verstehbar, das hat dann mit dem eigenen Umgang, mit Erfahrungen und Persönlichkeit zu tun, was da raus- bzw. ankommt. Nachfragen und Rückversicherungen helfen, wenn aber Betroffenheit ins Spiel kommt, laufen andere Mechanismen an und verhindern eventuell die gute Verständigung. Nun können wir da nicht so schlecht sein, wir treffen uns ja immer wieder, was dabei mein Anteil ist, wahrscheinlich ist er kaum auszumachen, weil er recht klein ist.
Ich bin jedenfalls in guter Stimmung heimgefahren, noch ins Studio, hab mir sagen lassen, dass der Verbrauch an Papiertüchern um ein Vielfaches höher ist als vor Corona, als ich am leeren Spender stand, hab mein Programm geschafft und war noch in der Sauna, auch wieder in angenehmer Gesellschaft und bin dann spät heimgekommen, siehe oben.

Mittwoch, 7.10.2020

Erster Frühschichttag, fing gut an, ich saß rechtzeitig im Bus. Ich wurde in die Nachbarreihe verborgt, da hab ich eher wenig Ahnung, da läuft ein etwas anderes Sortiment, Sonderfertigung dazwischen, ich muss mühsam rausbekommen, wie da das Messen geht, wo die Vorrichtungen sind usw. Ich war aber mit einem freundlichen Kollegen zusammen, das hat es abgefedert. Auf der Heimfahrt im Bus war ich sehr schnell im Tiefschlaf, trotzdem es so eine Rumpelkiste ist. In Tübingen erlangte ich das Bewusstsein wieder, bis Rottenburg war ich in Richtung Lebensfähigkeit wieder hergestellt, hab mein Auto gefunden und bin zu Hause angekommen. Ein bisschen Krimskram erledigt, dann hatte ich einen Termin für eine Massage, das hab ich sehr genossen. Danach war ich so verölt, bin ich ins Studio und habe den Wellnesstag in der Sauna vollendet. Ich glaube, das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich ohne Sport und ohne vorher zu laufen nur zum Duschen und Saunieren da war. Mir hat es getaugt.
Schlafenszeit, muss aufhören.

Donnerstag, 8.10.2020

Die Frühschicht ist was, da gewöhne ich mich nicht dran. Diese Tage starten mir zu zeitig. Das macht, dass ich mich überaus konzentrieren muss bei allem, und das strengt mich mittlerweile etwas an. Ich kann es machen, und auf Arbeit ist es gut gelaufen, ich bin ohne Pannen durchgekommen, zumindest denke ich das jetzt noch. Na egal, der Feierabend ist ein schönes Ziel, und er kommt letztendlich zuverlässig. Nach Busschlaf und Regeneration hab ich meinen Haushalt in den Griff bekommen, Wäsche räumen, Obst waschen, Gemüse putzen, der Aufwasch, Zeit für einen schnellen Kaffee. Zu um fünf war ich verabredet am Hallenbad, Aquajoggen, die Vorgabe war nach dem Einschwimmen 10 mal 3 Minuten Vollgas, eine Minute Pause. Es war ziemlich viel los, wir mussten Kurven machen, und ich hab manchen Bauchklatscher beim Kinderschwimmen gesehen, wir sind gut durchgekommen, am Ende war ich froh, dass es fertig war, denn beim Ausschwimmen ging das Krampfen los. Ich hab deswegen ein wenig geschummelt dabei, war damit nach zwei Minuten fertig. Jetzt sitz ich stolz hier, dass ich mich aufgerafft habe nach der Schicht und schreib das hier hin.
Beim Lesen fand ich eine Stelle vom Sinn des Lebens, die gefiel mir. Man müsse sich den Sinn im Leben selbst organisieren, ihn selbst formulieren, das hält manchmal. meist nicht lange, also muss man sich neu drum kümmern. Er darf klein sein und variieren. Da ist was dran.

Freitag, 9.10.2020

Die Woche ist geschafft, sie hatte nur 3 Tage. Die Chefsekretärin hatte ihren letzten Tag und konnte es nicht mit und feiern, die spendierte ein Vesper für alle und ging dann durch, um überall paar Sätze zu sprechen. Wegen Corona geht es nicht anders, war ihre Erklärung. Sie wirkte sehr froh, oder ist das meine Interpretation. Bei der Heimfahrt gab es Stau, ich hätte nichts davon gemerkt, einfach nur länger geschlafen, aber einer meiner freundlichen Kollegen war seiner schlechten Stimmung so ausgeliefert, dass er das im Bus herumkrakeelen musste. Wir haben acht Minuten oder so länger gebraucht, mich hat mehr die endlose Bruddelei genervt. Den Nachmittag, das Wochenende fing ich mit einem Stadtgang an, mit Kaffee und Kuchen und einem Besuch am Bücherschrank, natürlich konnte ich was mit nach Hause nehmen. Abends im Studio hab ich deutlich gemerkt, dass Schlaf fehlt, es war mühsam. Zum Glück war mein Schwimmkollege da, wir haben zwischendrin viel geredet. Ein bisschen Dehnung gab´s zum Abschluss, da merke ich, ich sollte das regelmäßiger machen.
Vom Verkehrsminister gab es keine Nachrichten, zumindest ist mir nichts aufgefallen. Er sollt in der Anhörung klarmachen, ob er das Parlament angeschwindelt hat. Weiß es jemand?

Samstag, 10.10.2020

Als ich nach gemütlichem Frühstück und Lesestunde laufen wollte, fing es an zu regnen und zwar so eindrucksvoll, dass ich später beim rausschauen froh war, diesmal nicht auf mein bisheriges Regenglück gesetzt zu haben. Ich bin ins Studio gegangen, war im Trockenem und konnte es Bindfäden regnen sehen. Zu der Zeit, mittags, hatte ich das Studio fast für mich allein, konnte den Platz für Klimmzüge und Dips dauerhaft belegen und hab wacker alles durchgezogen, was mir dazu eingefallen ist. Schnell waren anderthalb Stunden rum, ich bin noch in die Sauna, auch allein, zum Zeitunglesen, Zeitung ganz für mich, der Hunger kam, war planmäßig, zum Chinesen was essen, und kleiner Einkauf, auch da wenig Leute. Ich hab überlegt, mal wieder den Spiegel zu kaufen, da war Trump auf dem Titel, da hab ich es gelassen. Der Samstag geht schnell rum, keine Ahnung warum, ich hab mich wacker dagegengestemmt mit der Kaffeelesestunde, für abends hatte ich mich zum Volleyballspielschauen angemeldet. In der Rottenburger Volksbank-Arena, 280 Zuschauer sind zugelassen, es ist 3. Liga, die Stimmung in Tübingen vor Corona war besser, es ging lauter zu. Egal, das Spiel wurde gewonnen, es war gut anzuschauen. Wäre ich noch ein Fotograf, würde ich sofort Lust bekommen, die Spielergesichter im Zustand von Konzentration oder Freude oder Ärger festzuhalten, da gibt es in dieser kleineren Halle mehr zu sehen, weil man viel näher dran ist.
Beim Lesen bin ich fertig geworden mit einem Buch von Joe Coomer mit einem komischen Titel: "Der Papagei, das Telefon und die Bibliothekarin", ich hätte nicht danach gegriffen, es ist mir empfohlen worden. Und es war gut lesbar, ein Außenseiter mit einem missglücktem Start ins Leben findet seinen Platz und kommt zurecht. Kommt an den Papagei, der merkwürdige Sachen sagt, fängt an nachzuforschen, wer ihm das beigebracht hatte, und entwickelt eine Art Verschwörungstheorie, die er zum Ende hin wieder aufgeben kann. Das Buch ist 1996 erschienen, da waren Verschwörungstheorien eher harmlos, persönliche Macken, das hat sich sehr geändert. Ich hab mich manchmal gut beschrieben gefühlt bei all den Selbstzweifeln und Störungsbekämpfungsmaßnahmen, die da erlitten wurden.
Das nächste Buch, "Nachtzug nach Lissabon" von Pascal Mercier, 2006 erschienen, in dem Titel raunt Die Nacht von Lissabon mit, ein berühmter Roman von Erich Maria Remarque, das hat mich gleich interessiert und war eine Empfehlung. Habe erst den Anfang, aber der ist gut. Ein Lehrer, 57, begegnet einer Portugiesin und gleich danach einem Buch, irgendwas beeindruckt ihn so, das er sein bisheriges Leben von jetzt auf nachher hinschmeißt, er geht aus der Unterrichtsstunde raus und..., das weiß ich noch nicht.

Sonntag, 11.10.2020

Herrliches Laufwetter, etwas kühler als bisher. Wie befürchtet, gab es dieselbe Tour wie letztes Wochenende, diesmal planmäßig. Zumindest wusste ich genau, was kommt, es waren knapp 21 km im Schnitt von 5:50 min/km. Und es ging diesmal ganz leicht. Als wir starteten, waren die Wiesen noch nass vom Tau, die Sonne schien und wenn mein Schatten auf´s Gras neben dem Weg fiel, war er umsäumt vom Licht. Nur mein Schatten. Ich hab geschaut nach den anderen, die hatten keine Corona. Ich könnte schlussfolgern, jeder sieht nur seinen Saum, wahrscheinlich. Wäre ich einfältiger, könnte ich sagen, nur ich hab das Zeichen. Da muss ich lachen. Hinterher hab ich einen gefragt, ob er sich auch so feierlich sah. er meinte, er hat gar nicht hingeschaut, sondern auf den Weg geachtet. Das muss ich bei nächster Gelegenheit noch gründlicher erforschen.
Beim Lesen, diesmal hab ich ein exquisites Buch, oben ist es aufgeführt, erwischt, kam ich nur paar Seiten weit, bin dauernd hängengeblieben und musste nachdenken. Der ausgebüchste Lehrer ist in Lissabon und erlebt die ersten Begegnungen, dabei denkt er nach, ich auch. Er  legt z. B. fest, dass man lesende und nicht lesende Menschen deutlich unterscheiden kann, das sei eines der wichtigen Kriterien überhaupt. So einfach und so richtig. Ich habe ja auch schon gerätselt, warum viele Menschen schlechte oder belanglose Musik gut finden und mit guter Musik nichts anfangen. Das wäre eine Art Hinweis. Beim Lesen neuer Bücher wie beim Hören unbkannter Musik muss man mittun, das ist nicht nur konsumieren.

Montag, 12.10.2020

Es geht in die Nachtschichtwoche, der erste Tag ist wie ein freier Tag, weil es erst abends losgeht. Das muss hintenraus, am Samstag nach der letzten Schicht wieder dreingegeben werden. Hab ich in aller Gelassenheit den Putztag erledigt, mein Bett ist makellos neu bezogen, alle Böden sind gesaugt und von den erreichbaren Flächen ist der Staub entschwunden. Oben auf den Schränken bleibt er liegen, da warte ich auf einen Anfall von Putzsucht. Sanitärputz ist gelungen, die Wäsche gewaschen, sie hängt zum Trocknen, vorher hab ich die alte Hängung verräumt. Das bisschen Haushalt, denk ich da, geht nicht von allein. Eine Sportbefragung ist gelungen, das war echt herzerfrischend. Ein Student, der im Handstand läuft und auf der Slackline jongliert, und voller Lust und Lebensmut steckt, so mein Eindruck. Im Studio war ich nachmittags, da war die Zeit schon knapp, für Sauna langte es nicht, da ich einen Termin zum Kuchenessen hatte. das will ja alles erledigt sein. Jetzt der Text hier zu ungewöhnlicher Zeit, es ist manches noch nicht passiert. Das kommt beim nächsten Schriebs mit vor. Die Lücken in dieser Schilderung sind mit Lesen besetzt, es geht langsam, aber genussreich durch das Buch, ich schaffe ganz wenig, bleib denkend hängen, ist das noch lesen, es werden so viele Anregungen erteilt, denen ich gern in mir forschend nachsinniere.

Dienstag, 13.10.2020

Warum ich laufe, habe ich mich nach dem Aufstehen gefragt, das Aufstehen halb zwei mittags, bin ja erst um sieben ins Bett. Auf der Heimfahrt gab es Knatsch mit dem Busfahrer, so erzählten meine Kollegen hinterher, ich hab da schon gepennt, mit diesem Busfahrer, nur mit diesem gibt es immer wieder Heckmeck. Dann saß ich also mittags beim Frühstück, auf dem Zettel, dem Tagesplan, stand Laufen und mir kaute die Frage warum wieder. Hab es da nicht beantworten können, hab mich durch das Haushaltsritual gekämpft, Möhren geschält und Teller gewaschen, mit mir rumgemacht, soll ich ins Studio oder Laufen, es blinkerte die Sonne rein, also Laufen. Unterwegs am ersten Anstieg wurde jede Frage unwichtig, der Berg fordert mich anders. Ja, und dann war es klar. Heute gab es Beethoven auf die Ohren, die achte Symphonie, und es ist mir die pure Freude. Er macht mit wenig Material, mit einer kleinen Melodiefolge ein Riesentheater, lässt es sich entwickeln, ändert da eine Tonhöhe, und dort den Ablauf, bleibt im Schema, man kann mitzählen, und entfaltet es. Es ist überraschend, worauf er kommt, doch alles fügt sich. Die Lautstärke, die Instrumente, er wechselt durch, lässt es dramatisch werden, beruhigt es zur Innigkeit hin, und es wirkt so schlüssig. Und das ist jetzt die Lösung zur Warumfrage: Beim Laufen kann ich´s hören, nichts stört, keine hustenden Nachbarn, Müdigkeit kommt nicht vor, ich brauche auf nichts weiter zu achten, den Weg kenne ich und meine Füße kennen ihre Aufgabe und geben dem Kopf und der Hörseele völlig frei, so dass es intensiv werden kann. Klasse, ne?

Donnerstag, 15.10.2020

Der Mittwoch hat stattgefunden, war aber zu kurz für den Text. Das bisschen Zeit, das im Ablauf von Nachtschicht und Schlafen und Haushalt bleibt, reichte für das Studio, immerhin knapp zwei Stunden Krafttraining und bisschen Dehnen. Den Einkauf habe ich geschafft, das war´s. Dafür klappt es jetzt. in einer Stunde geh ich zum Aquajoggen, mein Kollege wird mich ordentlich durch das Wasser hetzen. Beim Lesen geht es fünfseitenweise voran, das Buch wird mir eine Weile reichen. Vielleicht sollte ich am Wochenende dazu mal ausführlicher werden, so sind es immer nur geraunte Andeutungen.
Einen lustigen Anruf habe ich erlebt, es klingelt, jemand fragt, ob er in der Vollzugsanstalt Passau gelandet wäre, ich muss lachen, nein, ist er nicht, wie ich, fragt er mich, zu der Nummer käme, worauf ich ratlos schweige, er entschuldigt sich also und legt auf. Diese Nachfrage, die aus dem einfachen Vorgang des Sichverwählthabens ein sehr mysteriöses Geschehen macht, hat mich eine Weile beschäftigt. Wozu unser Hirn doch fähig ist. Um mich gut dastehen zu lassen, mache ich aus dem kleinen unscheinbaren Fehler, der mit der Entschuldigung und einem Kichern über sich selbst hätte erledigt sein können, eine komplexe Geschichte mit der Vonmirwegdelegierung der Zuständigkeit und stehe wieder gut da. Fehler? Nicht meiner. Diesmal hab ich zufällig den Anrufer damit erwischt, wenn ich so vorgehe, bin ich viel zu beschäftigt, um mir so was bewusst werden zu lassen. Jedenfalls fast. Ein bisschen merke ich es schon. Da setzt dann aber eine weitere sensationelle Hirntätigkeit ein und verdrängt.

Freitag, 16.10.2020

Nicht ein Wutbürger, ein Maskenbürger, so sitze ich hier, ohne Maske, es gibt nicht mehr so  viele Gelegenheiten, ins Freie zu atmen. Es ist auch nicht die Wut, die in mir steigt, sondern eher der Frust. Scheiß-Corona, die Zahlen sind schlecht, die Steigerungen eindrucksvoll, ob es hilft, wenn ich beim Pinkelngehen auf Arbeit mit Maske da stehe.  Die neu verordnete Maskerei ist noch nicht das Schlimme, eher das, was befürchtet wird. Ich will mich also fügen, will nicht auf Demos rumkrakeelen, wie wird das geschrieben, krakehlen vielleicht, ich weiß es nicht, ohne etwas Sinnvolles im Angebot zu haben. Ich will also in diesen Zeiten nicht zu denen gehören, die durch immerwährende Meckerei den eh vorhandenen Frust vergrößern. Ich will gern ein freundlicher Mitbürger und Coronaerdulder sein und das, was mir wichtig ist, so durchziehen, wie es eben geht unter der Maske.
Gestern das Aquajoggen hat geklappt, auch wenn es im Hallenbad schwieriger ist, weil wir etwas anders unterwegs sind als die schwimmende Mehrheit. Es war herrlich anstrengend, gibt aber, Stand heute, keinen Muskelkater mehr. Sonst war nichts besonderes, die Maskenregelung auf Arbeit, an der hatte ich mich innerlich abzuarbeiten, wie ich mit öligen Händen ständig die Maske drauf und weg machen soll, finde ich ungelöst. Es gibt zwei Waschbecken für die Kollegen in der großen Halle, da ist vor der Pause und zum Feierabend Gedränge, ungelöst. Die Rede ist von zusätzlichen Waschbecken, aber wenn das so läuft wie bisher, ist wohl eher Corona erledigt als so ein komplexes Vorhaben.
Im Studio sind die Regeln auch nicht in sich logisch, auf den Wegen Maske und auf´m Klo, beim Trainieren dann ohne, da, wo man ins Schnaufen kommt. Egal, wir halten´s irgendwie ein, ich bin froh, dass geöffnet bleibt. Meine Schreibzeit ist um, muss die Schicht vorbereiten und los.

Samstag, 17.10.2020

Immer wieder stand die Frage, wie lange geht der Mist mit Corona. Nun stecken wir mitten in wiederaufgeflammter Infektionsrate. Zweiter Welle. Eindrucksvolle Zahlen, die die Festlegungen, was ist noch im Rahmen von ungefährlich, ganz hinter rutschen lassen. 700 Patienten auf Intensivstation, in ganz Deutschland, laut 20:00Uhr-Nachrichten, das ist nicht Überlastung, aber mehr als zuvor. Wenn ich rechne mit den Ungetesteten, der Dunkelziffer, dürfte das schnell mehr werden. Sofort kommt die Frage wieder hoch nach Verhältnismäßigkeit: Kann ich das Land in den Lockdown schicken mit all den vorhersehbaren und nicht vorhersehbaren Folgen oder muss ich das Sterben Einiger aushalten. Ob sich mit dem Einen das Andere verhindern lässt oder nur verlangsamen, ist nicht klar. Ich bekenne Ratlosigkeit.
Für mich und für heute lege ich fest, ich benutze die Maske, halte Abstand, wenn es geht, vielleicht hilft es ja, dem will ich nicht im Wege stehen, und ich will mir Mühe geben, nicht nur zu meckern, sondern regelrecht konsequent meine Inhalte unter eben veränderten Bedingungen durchzuziehen, und daraus den Lebensmut zu ziehen. Ich werde den Sport weiter machen, zur Not unter der Maske oder allein, aber das bissel Scheiß-Corona soll mir da nicht reinpfuschen. Ich werde weiter im Gespräch sein, so will ich es und brauche ich es, wenn es nur per Handy geht, dann so.
Keine Angst, morgen mache ich es wieder eine Nummer kleiner.

Sonntag, 18.10.2020

Es geht weiter mit Corona, in der Folge muss ich arbeiten wie ein Normaldreischichter, bedeutet, ich hab am Wochenende frei und muss demzufolge immer, immmmmmer sonntags zeitig aufstehen, weil ich Zeit habe für den Lauftermin. Außer, ich bin grad als Großvater in Bayern unterwegs. Soll mich also niemand mehr fragen, warum ich nun auch sonntags müde bin, ich kann da nix für. Punkt neun war ich nach Frühstück und Morgenleseritual vor Ort, es geht freundlich zu und mittlerweile kenne ich fast alle da, wir haben 20 km im 5:40er Schnitt gemacht, es ging gut, nur bergauf hing ich kurz durch. Der Herbst beginnt Farbe zu zeigen, goldener Ahorn und bronzerote Birne, Stinkmorchel an manchem Wegrand. Unterwegs gab es Presseschau und Bewertung der Nachrichten, dazu den Hinweis auf die Neue Züricher Zeitung, die würde, da die deutsche Presse sich kaum kritisch mit der Regierungsarbeit befasst, die Lücke füllen. Ich hab kurz reingelesen und finde nach zwei Artikeln diese Bewertung nachvollziehbar.
Nachmittags hatte ich einen Familientermin, bei Kaffee und selbstgebackenem Hefekuchen mit Zwetschge und mit Apfel und Streuseln über allem, haben wir ausführlich die Lage besprochen, Vorsätze, Corona wegzulassen, scheitern vollständig und schnell. Trotzdem war es gut, weil Nachrichten aus vielen Ecken der Familie aktualisiert wurden. Darüber ist es dunkel geworden und die Vorhaben meines Tagesplanes bleiben zum Teil unbearbeitet.

Montag, 19.10.2020

Gestern nach dem Textmachen hab ich mir eine Tagesschau auf YouTube angeschaut, da ständig über unkritische und gleichgeschaltete Presse gescholten wird, wollte ich mir das ansehen. Ich habe, da ich die Nachrichten des Tages kannte, die Sendung vom Montag erwischt, da ging es um das Beherbergungsverbot von Reisenden aus Hotspotgebieten. Es wurde bewertet von Politikern und Hoteliers und kam nicht gut weg. Akzeptanzprobleme wegen logischer Mängel, das wäre jetzt meine schnelle Zusammenfassung. Ich fand das kritisch berichtet, weiß nicht was da fehlen sollte. Natürlich höre ich da nichts von Merkeldiktatur, weil das zwar ein funktionierend schön polemisches Schlagwort ist, aber es stimmt eben nicht. Trotzdem werde ich mir alternative Medien anschauen, da hab ich mir grad was empfehlen lassen, mal sehen, wie da die Qualität ist.
Ansonsten hatte ich Spätschicht, davor einen Termin zum Reifenwechsel, davor gab es einen Textversuch zur Sportbefragung, der muss nochmal ergänzt werden, in dem Zusammenhang erhielt ich Bilder von unglaublichen Aktionen auf der Slackline, da freu ich mich die rauszugeben. Tim überquert eine Schlucht in luftiger Höhe, faszinierend, was Menschen so zustande bringen, lernen können. ( ab Mittwoch zu sehen)

Dienstag, 20.10.2020

Das war der letzte Arbeitstag dieser Serie, ab morgen habe ich ganz lange frei. Über zwei Wochen werde ich machen was ich will, manches auch, was ich sollte. Die Spätschicht ging gut rum, ich hatte es nur mit netten Kollegen zu tun, kein Konflikt, kein Ärger. Beim Busfahren hab ich angefangen, in den Neuen Medien zu lesen und bin nicht auf Anhieb überzeugt. Muss weiterlesen. Ein Artikel hat mich neugierig gemacht, die Autorin Monika Maron ist nach langer Zeit aus dem sie vertretenden Verlag, Fischer, rausgeflogen. Wegen rechtslastiger Ansichten und Kritik an der Linken. Im Rundfunk hab ich schon was in der Richtung gehört, ist eine Weile her und bei dieser Gelegenheit kam mir die damalige Verwunderung zur Erinnerung. Nun kenne ich Bücher von Maron und schätze sie, fand ihre Haltung aufrecht und nachvollziehbar. Die neueren Äußeren und ihre neuen Veröffentlichungen kenne ich noch nicht, da muss ich nacharbeiten. Viel Arbeit für so einen Test.
Zweiter Tag ohne Sport.

Mittwoch, 21.10.2020

Herrlich, so ein Tag ohne Arbeit, ohne Busfahren, ohne Pünktlichsein. Ich hab´s richtig ausgenützt, das Buch ist fertig, ich will aber doch nicht sonderlich ausführlich werden, es hatte neben vielen starken Stellen ein paar unnötige Längen, und es ist hintenraus nach starkem Anfang etwas verläppert. Wo erst alles sehr folgerichtig, nachvollziehbar war, kamen Gedanken und Handlungsbegründungen, die mich nicht so überzeugt haben. Trotzdem hab ich es gern gelesen. (Pascal Mercier - Nachtzug nach Lissabon). Eigentlich war es da schon Mittagszeit, ich hatte auch Hunger, war vor lauter Lesen zu weit in den Tag gelangt und wollte unbedingt laufen. Hab ich mich aufgemacht, für die Standardrunde hat es gereicht, ist sogar eine gute Zeit rausgekommen. Nach duschen und anmirrumpflegen bin ich zu meinem chinesischen Mittagsversorger gegangen, da gleich weiter zum Bäcker, das hatte ich mir  vorgenommen als Belohnung. Die restliche Zeit verging, auf dem Rückweg hab ich mir die Ausstellung in der Zehntscheuer angesehen, Haitzinger - Karikaturen und Gemaltes. Naja, alles ganz nett, manche Karikaturen waren richtig gut. Zu Hause bissle telefonieren, ich bin ein soziales Wesen, auch wenn das Zeit kostet. Da war es Zeit, ins Studio zu gehen, die Trainingsfläche im Freihantelbereich haben wir zu zweit genutzt, dann hatte ich sie für mich allein. Corona, die Leute meiden Kontakte, Herr Spahn wäre stolz auf uns.
Eine Erfahrung muss ich nachreichen: Zum Frühstück hatte ich Quittengelee auf Quark auf Dinkelbrot, das Gelee kam zu mir am Sonntag, bei dem Familienbesuch, es war ein selbstgemachtes. Das Köstlichste, das mir seit langem über die Zungen gerutscht ist, alle mein Geruchs- und Geschmacksnerven konnten sich gar nicht beruhigen, es war wie ein langsamer, gegessener Orgasmus.

Donnerstag, 22.10.2020

Ausgeschlafen, herrlich, dann Frühstück mit Buch, langsame weitere Bewegungen, manches ging vorwärts, anderes blieb liegen, ich erlebte mich als faulen, dabei gelassenen Menschen, genussfähig. Dabei war es gar nicht viel, die Quittenmarmelade, ein bisschen Zeit und keine dringlichen Verpflichtungen. Nachmittags hab ich sogar einen schönen Spaziergang gemacht, vielleicht komme ich in das Alter, das zu  genießen. Immerhin hab ich Geld geholt, das Nützliche mit dem Schönen verbunden. Da ich für den Bauchkurs angemeldet war, bin ich zur passenden Zeit ins Studio, es war viel los. Mir war es zu eng, ich hab erst meins draußen gemacht, Handstand im Regen, da kommen die Tropfen gefühlt von unten, einer schaffte es bis ins Nasenloch, dann war Kurs. Ich war viele Wochen nicht im Bauch spezial, hab mich bisschen gefürchtet, ob ich das alles schaffe, es war anstrengend, aber es ging gut. Anscheinend hab ich selber ordentlich trainiert. Nach dem Kurs war immer noch voll, ich hab mir eine stille Ecke gesucht und mal wieder ausführlich gedehnt und ein wenig jonglieren geübt.
Die Nachrichten werden immer coronischer. Keine Ahnung, wo wir da landen. Die vielen Verbote nerven schon, wenn sie verlesen werden. Die meisten betreffen mich kaum, ich will nicht Party machen oder nachts raus oder mich betrinken, aber die Kultur, das Verbote per stündliche Nachricht ans Volk gebracht werden sollen, gefällt mir nicht. Die Fallzahlen sind so hoch, dass ich gar nicht glauben kann, das man es noch anhalten kann oder verlangsamen, wahrscheinlich muss bald jeder versuchen auf eigene Verantwortung Gefährdete zu schützen, und sonst geht es in Richtung Durchseucheung. Man wird sehen.

Freitag, 23.10.2020

Es fing an wie gestern, sehr gediegen, dann kam ich doch in Gang, hab einiges erledigen können. Anderes hab ich gelassen, wegen Regenwetter verschoben. Z. B. Laufen, auch die Erkundung des neuen Parcours in Tübingen, den will ich bei Sonnenschein sehen. Gelesen hab ich, einmal die ganzen Kunstzeitschriften des Monats, das ist mehr ein Durchschauen, ob es in der Gegend sehenswerte Ausstellungen gibt. Das VHS-Programm war schnell durchgeblättert, da ich Dreischichter bin, gehen nur Einzeltermine, wenn ich Glück habe. Ein lustiger Vortrag steht an, Prof. Urban will über Beuys sprechen. Für den Herrn Professor gilt normalerweise die Renaissance als künstlerische Moderne, mal sehen, wie er sich mit dem Verkünder von "Jeder Mensch ist ein Künstler" auseinandersetzt, schon in der Ankündigung ist viel von der Spiritualität die Rede, kann das gutgehen?
Ein langes Telefonat mit meinem Onkel, dem Patron der Familie, darüber hab ich fast den Sport versäumt, hab noch ein kurzes und knackiges Training geschafft, gegen den gestern verursachten Muskelkater gearbeitet. In der Sauna entspannt, in guter Gesellschaft.

Samstag, 24.10.2020

Zwei Termine standen an, drumherum musste der übliche Kram bewältigt werden, da war die Wäsche zu waschen, die trockene zu räumen, Gemüse zu putzen, bisschen telefonieren, blablabla. Laufen musste sein, die Sonne schien, als ich im Wald ankam, gingen Lichtbalken durch den Schattenwald, mit etwas Restnebel oder aufsteigender Feuchtigkeit waren die gut zu sehen. Wie eine Aufforderung: Tritt ein in den Dom ... Schöne Pilze sind zu sehen, neu gelernt habe ich den Herbstmorchel. Es blieb keine Zeit mehr für einen kleinen Einkauf, dabei wollte ich Mittag auswärts essen, so musste ich schnell Nudeln kochen, da war es erledigt. Ich war verabredet mit meiner Kirchheimer Kunstfreundin, wir trafen uns an der Tübinger Kunsthalle zu der Ausstellung "Supernatural". Frau Dr. Fritz, sie ließ sich in den Texten des Guides tatsächlich immer so nennen, hat zuverlässig vage kuratiert und Arbeiten, die wie Mensch in Verwandlung aussehen oder die sich bewegen zusammengeholt, ohne eine Schlüssigkeit der Themenvorgabe zu erreichen. Außerdem wurden alle Arbeiten mit Texten  voller uneingelöster Behauptungen beschädigt. Isa Gensken hat allerdings eine so harmlose, dafür voluminöse Arbeit hingestellt, da konnte die Textzugabe nichts mehr verderben. Eine schöne kleine Arbeit von Rebecca Horn, mechanische sich bewegende Schmetterlingsflügel wurde im Thema mit verwurstet genau so wie die Arbeiten von Glaser und Kunz, die etwas ganz anderes vorführten als die von Frau Dr. Kunsthallenleiterin Fritz aufgerufenen Fragestellungen, den Satz zitiere ich jetzt mal lustvoll: "Es ist mittlerweile überdeutlich, dass die Umweltzerstörung und die Möglichkeiten mittels digitaler Technik und Gentechnologie den Körper innerlich und äußerlich zu erfassen, ihn zu manipulieren und zu verändern, auch einen nachhaltigen Einfluss auf die Selbstwahrnehmung des Menschen haben werden." Alles klar? Das wird belegt z. B. mit einem Vögelchen, unten Pinguin, oben Pfau, in der Art der Umklappbücher für Kinder, wo man durch Blättern der geteilten Seiten der Schnecke einen Giraffenhals dranmachen kann. Oder einem kleinem Mann, liegend, nackig, genau so hyperrealistisch wie der Pfinguin, dieser halt mit einem Hundekopf. Eine schöne Arbeit ist der kleine Roboterkopf von Takayuki Todo, der mittels Gesichtserkennung und digitaler Steuerung beschränkt auf seine Möglichkeiten das nachmacht, was davorstehender Besucher vorgibt. Er kann den Kopf drehen, mit den Augen zwinkern und die Brauen bewegen. Das ergibt schon allerhand glaubhaftes Gegenüber, ist aber einfach eine Vorführung der technischen Möglichkeiten von heute. Natürlich wird sich das weiterentwickeln, trotzdem bleibt diese Hervorbringung programmgebunden.
Wir haben uns danach im Kunsthallencafe was gegönnt und ein gepflegtes Schwätzle gehalten.
Abends war ich angemeldet zum Volleyballspielgucken. Markierte Plätze mit Abstand, die Maske die ganze Zeit auf der Nase, das Spiel war kurzweilig und zum Ende hin so spannend, da waren die Umstände nicht wichtig, ich bin froh, dass wir überhaupt schauen dürfen. Im 5. Satz haben die Rottenburger gewonnen, nachdem sie bis 22 punkten mussten. Dadurch ging das Spiel so lange, dass es mit Einkaufen rum war, ich habe ein paar Weckle an der Tanke geholt.

Sonntag, .10.2020

Die Sommerzeit ist vorbei, um drei bin ich aufgestanden und hab alle meine Uhren eine Stunde zurückgestellt, dann hab ich weiter geschlafen. Das ist ein Beispiel für eine kleine Schwindelei, jedoch, es könnte so gewesen sein und wenn ich es behaupten wöllte, da mach mal was. Also nein, ich hab gut geschlafen bis halb sieben, was ohne Zeitumstellung halb acht gewesen wäre, dadurch war es nicht mal übertrieben zeitig, aufzustehen wegen dem Lauftermin. Gestern hörte ich auf SWR2 einen Beitrag, warum die Abschaffung der Zeitumstellung in Europa nicht zum Ziel kommt, obwohl bei der Umfrage die Mehrheit der Europäer sich so äußerte. Der deutsche Ratsvorsitz in der EU wird dazu auch nichts bringen, da man aus Deutschland heraus niemandem auf die Füße tappen will und die politischen Eliten auch zu keiner mehrheitlichen Meinungsäußerung finden.
Wir sind von Hirschau aus brav unsere 21 km gelaufen, haben unterwegs das Thema ebenfalls diskutiert, obwohl das völlig sinnlos ist. Dafür war es ein wundervoll buntlaubiger goldener Oktobertag, wo anfangs beim Aufstieg zum Kapellenberg der Blick über tiefliegende Nebelschwaden ging, die über dem Neckar waberten.
Geplant war eigentlich für nach dem Lauf die Reise zur Enkelfamilie, dort gab es aber
Erkältungen, in Coronazeiten heißt das testen und warten auf das Ergebnis. Das ging zum Glück sehr schnell, alles negativ, morgen also die Fahrt. Nachmittags war dadurch frei, hab ich mich um mein leibliches Wohl gekümmert und war ausführlich saunieren. Und Kaffeetrinken und lesen, was geht es mir grad gut.

Montag, 26.10.2020

Der nächste Landkreis in Bayern bekommt den Corona-Lockdown verordnet. Ich bin auf Familienbesuch in BGL, das war der erste Kreis mit so hohen Zahlen. Im Regen hergefahren, für einen Kaffee noch mal angehalten einen Landkreis vorher, da war es ganz leer, aber noch offen. Das Ankommen bei den Enkeln war schön, die waren gerade aufgewacht und noch ganz verhalten, dann sind sie aufgetaut. Da sie erkältet sind, hatten wir ziemlich zu tun, die Unleidlichkeiten und Widerlichkeiten eines Lebens mit Schnupfnase zu dämpfen. Schon war ich wieder ein nützlicher Großvater, zumal es mir gelang, Evchen in den Schlaf zu brummeln.
In den Nachrichten, beim Herfahren hörte ich mehrere Sender, war die Rede von Corona, klar, von Oppermann, überraschend gestorben, und vom verschobenen CDU-Parteitag. Mir kam das komisch vor, ein Rumgeeiere um die Verschiebung, als ob man das nicht online und per Briefwahl erledigen kann, zumal lang genug Zeit war, darüber nachzudenken. Und Herr Merz als im Moment vorn liegender Kandidat beschwert sich, das er per Intrige des Verschiebens von Teilen des Partei-Establishments, nicht von allen natürlich, um seine Chance gebracht werden soll. Diese Sorge berührt mich eher wenig, ich halte sie nicht für nachrichtenwürdig, andererseits beschreibt sie ein wenig das Weltbild dieses Herrn Kandidaten.

Dienstag, 13.10.2020

Wieder ein froher Großvatertag, na ja, auch etwas anstrengend, weil die Kleinen manchmal nicht zufrieden mit uns waren. In der Summe aber ein Gewinn, ich schau den beiden zu, sehe oder höre die Fortschritte, muss lachen, wenn er mich angrient, wenn sie mit dem Ärschle der Schwerkraft trotzt, das dauert nicht mehr lange bis zum Krabbeln. Rückwärts und langsam geht es schon, von da aus wird ausgebaut. Nachmittags konnten wir bei schöner Sonne raus zum Stadtgang, im Zentrum alles unter der Maske, wir sind hier im regionalen Lockdown. Viele Geschäfte sind ganz zu, wenig Leute sind unterwegs, man kann nur hoffen, dass sich nach den zwei verordneten Wochen alles wieder entspannt. Dauerhaft lässt sich so Gesellschaft nicht aufrecht erhalten, es ist trübsinnig und zukunftsverweigernd. Dabei passieren die Ansteckungen nicht so nicht mehr, wenn die Zahlen sich nicht bessern, will man uns zu Hause ensperren? Eine Zeile in der Presse lautete: Leben mit Corona, und ich glaube, darauf kommt es an in der nächsten Zeit. Ich würde gern mein Risiko, es selbst zu bekommen, bzw. es weiterzugeben selbst einschätzen. Ich würde dabei gern Rücksicht auf die Risikobefürchter nehmen, da Abstand halten, empfinde aber die Diskussion um Risikogruppen, die nicht durch Separierung diskriminiert werden sollen, scheinheilig, das wäre wie Geiselhaft für alle. Wir müssen darüber offener nachdenken.
Kein Sport heute, da alle Studios hier geschlossen sind.

Mittwoch, 28.10.2020

Das war zu erwarten, es muss wieder alles schließen. Die Zahlen gehen hoch, die Politik lässt sich beraten und veranlasst Maßnahmen. Und die werden diskutiert und schon sind sie umstritten. Die Schulen sollen offen bleiben, gearbeitet wird weiter, find ich gut, aber das wird bedeuten, dass die Zahlen nicht runtergehen. Es findet eine Durchseuchung statt, es wird Tote geben und in den Krankenhäusern eng werden. Die Schließungen hätten, so sagen viele  Ärztefunktionäre, zielgerichteter und -genauer sein müssen, da werden Bereiche zugemacht, wo keine Ansteckungen stattfanden, die wirtschaftlichen Folgen landen trotzdem da. Friseure dürfen, Fußpfleger nicht. Die Privatparty als Ansteckungsgelegenheit wird anders organisiert und stattfinden, die Beteiligten werden sich als aufrechte Demokraten im Widerstand befindlich wähnen.
Bei mir bricht schlechte Laune aus, der November wird wirklich der trübste Monat.

Donnerstag, 29.10.2020

Es war einer der trüben Tage, viel Regen und kühl, Kinder kränkeln, ich fang auch an, abends war ich bissle erledigt. Hab noch das Buch ausgelesen, J. K. Rowling, Ein plötzlicher Todesfall. Ich hatte ich drauf gefreut, denn ihre Harry Potter Bücher sind elegant und flüssig erzählt. Das Erzählen funktioniert und die Geschichte läuft, jedoch, da wo sie in Potter die Mugglesfamilie beschreibt und als Spießbürger freundlich ulkig auf die Schippe nimmt, wird es hier mit der Schilderung einer kleinen Stadt richtig böse. Und zwar so, dass ich es kaum noch glauben wollte. Außerdem wechselt sie zwischen ulkig böse und tragisch böse, als ob sie ihre Erzählerposition nicht finden konnte. Mir hat es also nicht gefallen, ich kann es kaum zusammendenken, dass es die gleiche Autorin wie bei den Potterbüchern ist.

Freitag, 30.10.2020

Ich bin erkältet, hab Schnupfen, Husten, Kopfschmerzen, hab kein Corona, denn ich kenne meinen Ansteckungsweg. Ich werde keinen Test machen, muss mich nicht versichern, da es so stimmt. Lustig ist, dass ich mich mit einem redlichen Schnupfen absondern muss, sonst besteht die Gefahr von Denunzierung. Da ich nur einen Tag im Studio verpasse, dann ist es zu, muss ich wieder zurück auf Los, also wie am Anfang mir Gedanken machen, wie ich mein Leben, das, was ich machen will, organisieren muss. Ich will nicht auf Demos, da ist mir der Anteil komischer Leute zu groß. Ich will Sport machen, mach ihn allein, oder such mir jemanden, der mich geschwind heiratet, dann darf ich zu zweit, oder suche mir einen zweiten Haushalt mit einem sportlichen Einzelmenschen, dann darf ich auch zu zweit. Wenn ich beim Laufen im Wald jemanndem begegne, werd ich mich in die Büsche schlagen, um nicht Ärger mit Coronaaufsehern zu bekommen. Auch die Einrichtungen im Freien werde ich nur allein oder zu zweit betreten, wenn niemand anderes da ist. Wahrscheinlich wird sowieso jede Klimmzugstange in Europa umwickelt mit rot-weißem Flatterband.
Die Bücherei, das Kino fällt mir noch ein, ich werde den Bücherschrank besuchen und in Mediatheken stöbern. Im Kino saß ich schon lange allein, separiert durch leere Reihen und Plätze zwischen anderen, da ist bestimmt niemals eine Ansteckung passiert, wie denn? Jetzt ist ganz zu. Und die Rottenburger Bücherei mit ihren schönen, aber spärlich gefüllten Regalen und merkwürdig sortierten Medien kann kaum konkurrieren mit dem sehr lebendigen Stadtbücherschrank. Mein Leben wird also weitergehen, auch wenn ich bestimmt jeden Novembertag denken werde: What a fuck?

Samstag, 31.10.2020

Rückfahrtag: morgens Quartier geräumt und bezahlt, eine friedvolle Spielrunde mit den beiden Kleinen, dann Windeln wechseln, das Fläschle geben, die Sonne schien zum Fenster rein, wir waren bereit für den Stadtgang. In der Fußgängerzone mit Maske, wenn ein bisschen Wind geht, beschlägt die Brille zwar auch, ist aber schnell frei, sonst schaut man durch Nebel. Wir sind in der Stadtmitte in eine seltsame Häufung maskenloser Menschen reingelaufen und wussten nicht, was da los war. Ich habe auf Demo getippt. Rückzu wieder durch, Polizei war da, zwei Leute, befragten oder redeten und gingen wieder. Wir haben auch gefragt und hörten von einer geheimen Demo, was immer das sein soll, mehr war auf die Schnelle nicht erfahrbar.
Die Fahrt ging gut, kein Stau, in der flachen Abendsonne genehmigte ich mir eine Kuchenpause, da war ich fast zu Hause. Auspacken, aufräumen, die ersten Kontakte machen, der Einkauf. Als alles verräumt war, dachte ich, scheiß auf Corona, ich leb im Paradies.


Unterwegs im Radio hörte ich vom Protest von 40 Museumsleitern gegen die Schließung. Die haben alle Hygienekonzepte gehabt, bei meinen Ausstellungsbesuchen konnte ich mich nicht anstecken, es war unmöglich. Nun müssen sie schließen, anderes ist offen. Möbel kann ich anschauen und kaufen, Autos auch und in Baumärkte darf ich rein.  Mit denselben Hygienemaßnahmen. Ob da vielleicht wirtschaftliche Interessen wichtiger sind? Die Kultur fällt immer als erstes weg, da spart man ein wenig und vermehrt die Düsternis der Zeit. Merkt man bei diesen Zeilen, dass ich wütend bin?
Neues Buch angefangen, Karel Capek, "Der Krieg mit den Molchen". Es wurde auf SWR2 empfohlen, das hab ich mir gemerkt, und dann fand ich es im Bücherschrank. Ich bin noch nicht weit, und es ist eine Übersetzung von 1955, das Buch wurde 1936 geschrieben, aber es fängt außerordentlich interessant und witzig an. Ich bin sehr verblüfft, kann kaum glauben, dass das Buch schon so alt ist. Capek gilt als Vorläufer, Vorbild für Aldous Huxley (Schöne neue Welt), George Orwells u. a. Autoren. Hab ich eine Pretiose erwischt.

 

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