Mittwoch, 1.7.2020
So warm beim Laufen, es war mühsam,
zumal der kleine Muskelkater vom Wassertreten gestern nicht den Berg
hoch wollte. Die Zeit auf meiner Standardstrecke war schlecht,
geschwitzt hab ich dafür gut, am Ende hat es ja trotzdem geklappt.
Die weiße Wegwarte konnte ich fotografieren, ich weiß, wo sie steht.
Bild kommt noch. Zu Hause fertigschwitzen, duschen, was essen, mit
einem Freund nach Reutlingen, eine Freundin kommt dazu, wir schauen
uns im Naturkundmuseum die Schmetterlingsfotografie an. Spektakuläre
Bilder, dazu präparierte Schmetterlinge, nicht dafür gespießt,
sondern aus dem Fundus. Und kleine, sehr informative Texte zu
Eigenarten und besonderen Fähigkeiten und Lebensweisen der
dargestellten Arten. Das Corona-Theater drumrum, Fahrstuhl nur
einzeln, nur raufzu, Treppe nur runterzu, Einbahnstraßenregelung
beim Schauen, Personal zur Aufsicht hinter Plexiglasstellwänden.
Danach auf einen Schwätz im Cafe, gemütlich im Schatten, nachdem die
Liste ausgefüllt war, wenn da jemand mitzählt, wo ich schon überall
Kuchen gegessen hab, wird das peinlich.
Einen Preis hab ich zu
vergeben: Obwohl noch die letzten Seiten fehlen, erteile ich in der
Kategorie dümmstes Buch, das mir seit langem zwischen die Finger
kam, den mit Abstand ersten Platz an "Das Paket" von S. Fitzek.
Normalerweise wusste ich den konkurenzlosen Durchmarsch dieser
Schreiberei, da ich ein anderes "Buch" von diesem "Autor" angelesen
hatte, und nach 10 Seiten Dummigkeiten bei Seite legen musste. Nun
steht er dauernd in allen möglichen Bestsellerlisten vorn, ich
dachte, vielleicht hab ich was übersehen. Jetzt bin ich
drangeblieben und von einer Verwunderung in die nächste gelangt ob
der Ereignisdichte, mit der er sein Projekt fortschreibt. Es wirkt
wie aus dem realen Leben, wenn er die Hauptfigur, die eine Macke
hat, mit lauter Figuren umgibt, die auch Macken haben, was zu
Betrügerein, Mord und Totschlag führt und zu ulkigen
Zusammentreffen. Wenn z. B. die wichtigste Person ins Haus des
Nachbarn einbricht, dann kommen Banditen, sogar bis in das Zimmer,
wo sie sich versteckt, als es kracht und schreit, dort wird sie
nicht nur nicht gesehen, sondern der Nachbar kriecht aus dem Bett in
ebendem Zimmer, klar, er wurde zwar gesucht, aber auch nicht
gefunden. Dafür kullert dann die tote Mutter aus der Biotonne,
u.s.w. Was für ein Quatsch, mühsam auf Logik getrimmt und mit immer
neuen Kapriolen weitergeführt. Ich frag mich, wer liest den Schrott
und wie funktionieren Bestsellerlisten.
Donnerstag, 2.7.2020
Nachtrag 1 von gestern: zu Fitzek, das
"Buch" endete, wie ich gedacht hatte, dämlich, dann folgte noch ein
Anhang mit Zuschriften seiner Leser, da kamen die Begeisterten zu
Wort. Ich bin erschüttert, muss zur Kenntnis nehmen, es gibt
anscheinend eine Menge Leute, die damit zufrieden sind. Es ist das
selbe Rätsel für mich, warum viele Menschen so schlechte oder
langweilige Musik hören. Einen Erklärungsversuch fand ich, da wurde
behauptet, es begründet sich aus der Biographie und Sozialisation,
mag sein, dann müssten im gleichen Millieu ähnliche Gewohnheiten,
Geschmäcker vorhanden sein. Sind es aber nur teilweise und oder
vielleicht gehe ich zu sehr von mir aus, vielleicht ist es auch nur
Hirnchemie, ich sehe keine Antwort.
Nachtrag 2 zur
Wegwarte: Ich hab gelesen, wobei die Wegwarte Linderung und Heilung
bringen kann, das ist laut Wiki und Heilkräuterseiten jede Menge.
Von Kaffeeersatz über blutstillend, die Verdauung und den Fluss der
Säfte regelnd, vieles macht sie wieder gut. Das war die blaue, die
normale. Die seltene, weiße kann noch ganz andere Dinge. Wenn der
Jäger sie mit einem Geweih ausgräbt, geht sein Schuss nimmermehr
daneben. Dem Richtigen in den Tee gerieben, lenkt sie die Liebe. Mit
einer Muschel ausgegraben, unters Hemd gesteckt, wird jede Lüge
durchschaubar. Ich hab mir also ein Blättlein gezupft, hab es in die
Welt gehalten und mehrfach in alle Richtungen gesprochen: "Corona,
geh und ende." Später legte ich es mir auf den Kopf und auch
woanders hin, da verrate ich aber nicht meinen Spruch. Es war schon
etwas welk, da hab ichs mir erst unter die Zunge gelegt, dann in die
Hose gestopft, am Ende hatte ichs im Schuh beim heimlaufen. Es wird
schon was nützen, so dachte ich froh vor mich hin.
Freitag, 3.7.2020
Bin wieder im Bayrischen, paar
Enkeltage einlegen. Und es gefällt mir gut, die Kleinen sind nicht
mordsmäßig gewachsen, aber sie kommunizieren schon ganz anders als
vor vier Wochen. Ein munteres Gegurre, lautmalerische Reden an das
Volk vor dem Wagen, oder es werden die Füße vorgezeigt, aus dem
Wagen gereckt, alles ist köstlich, das muss ein Großvatergen sein.
Morgen gibt es mehr davon.
Durch die kleine Reise hab ich mich
gefühlt wie ein jederman, es war sportfrei. Nicht laufen, nicht
Studio, nichts. Nur die Finger ein wenig, erst am Lenkrad, jetzt auf
der Tastatur. Mein Hotel ist ein anderes, lang nicht so gediegen,
wie das beim letzten mal. Nur im direkten Vergleich spürbar, der
gleiche Preis, alles bisserl veraltet und piefig. Egal. Der Umgang
mit Corona viel strenger, also nervig, das ist wirklich
Auslegungssache, wie es gehändelt wird. Ich werd trotzdem gut
schlafen.
Samstag, 4.7.2020
Ein ganzer Tag mit zwei kleinen
Menschen, wir drei Großen richten uns ganz nach ihren Bedürfnissen.
Wobei ich die Aushilfe mach, damit einer von den Elterngroßen zu
Hause bleiben kann, wenn wir zu viert rausgehen. Bei mir zu Hause
sah ich die Schwäne mit ihren fünf Kleinen los schwimmen, wenn die
starten, geht schon allerhand. Bei kleinen Menschen müssen wir uns
kümmern, und eigene Pläne werden eine Zeit lang ganz unwichtig.
Aufgewogen wird das von dieser steten Entwicklung, und diesem
unfassbaren Potential, welches sie am Anfang sofort dabei haben.
Unser Bewusstsein, dass wir alle so klein angefangen haben, macht,
das es relativ leicht geht, wir empfingen und geben weiter. Außerdem
spielt Biologie eine Rolle, jeder Vogel brütet die Eier aus, ohne
viel zu fragen, warum. Darüber hab ich heute viel gestaunt.
Sonntag, 5.7.2020
Ich sitze draußen auf einem
königlichen Balkone meines Hotels, gerade gingen die Straßenlaternen
an, sie sehen aus wie alte Gaslaternen, der Abend ist sommerlich
lau, oben sirren die Mauersegler. Soll ich was schreiben, oder den
Abend, den Ausblick auf die hier umherstehenden Berge, sie sind
immerhin 1800 m hoch, genießen. Ich geh ein Eis essen, und das hier
fällt einfach mal aus, schließlich ist das auch mein Urlaub.
Montag, 6.7.2020
Kein Sport, seit Tagen, seit ich in
Bayern bin, ich könnte laufen, will aber die Zeit nicht setzen, da
das Zusammensein mit den Enkeln so hinreißend ist. Abends, wenn die
Kleinen im Bett sind, könnte ich in ein Studio gehen, hier in der
Straße wäre sogar eins. Ich geh morgen mal fragen, wie es ist in der
Coronazeit, ob sie überhaupt fremde Menschen, Nichtmitglieder,
reinlassen. Zumindest für den nächsten Aufenthalt hier wäre das eine
Option.
Wir gehen viel raus mit den Kleinen, vormittags ne
Runde, am Wochenende waren wir an der Salach und Nonn, ein kleines
Bächle, die Natur ist schön, noch kein Klimaschaden, hier regnet es
durch die hohen Berge vielmehr. Es blühen grad die Alpenveilchen im
Wald, sie sind nicht selten, haben die Blätter wie die im
Blumenladen aber sehr viel kleinere und zarte Blüten. Schwierig ist
es, wenn wir unterwegs eine Schattenbank ansteuern, um den Kleinen
Fläschle zu geben, die Mücken finden uns schnell, das ist echt
lästig. Was die wohl für eine Aufgabe im Ökosystem haben, ich könnte
auf die Biester verzichten. Heut war Stadtgang, bissle Einkaufen,
mit Zwillingswagen wird man ständig angequatscht, die Leute halten
mich oft für den Vater, reine Nervensache. In der Mittagsschlafpause
hab ich mich lesend in einen Bäcker gesetzt, das war ein Päuschen
für mich, mein Lieblingskuchen hier heißt Marillentopfen und
schmeckt, glatt könnt ich ein Bayer werden. Nachmittag war
Regenwetter, wir waren drin, ich habe die ganze Zeit mit den Kindern
rumerzählt und sie bespielt, belohnt durch hinreißend charmantes
Lächeln, Gurren und lustige Geräusche und Gesichter. Ich könnte
völlig vergessen, was ich sonst auf der Welt tu, bin es zufrieden,
wenn mein Leben ab hier so wäre, es wäre auch gut.
Dienstag,
7.7.2020
Vormittags Stadtgänge, Erledigungen zu
viert, die zwei Kinder müssen mit, was denn sonst, es ist ein bissle
aufwendiger, als bei großen Leuten, aber die Mutter hat es perfekt
im Griff, wir waren gerüstet für alle Eventualitäten. Windeln,
temperierte Fläschle, Sonnen- und Regenschutz, Schnuller und einen
Karton für die Balkonpflanzen, der auf dem Kinderwagen hält, alles
dabei. Beim Laufen giggeln die Kleinen fröhlich aus der Kutsche
raus, oder sie schlafen ein bisschen. Nach dem Essen ein Päuschen,
wer will, muss schnell schlafen, bis die Kleinen wieder fröhlich
aufwachen. Dann eine große Runde zu viert, diesmal mit dem Vater, an
der Salach durch den Wald. Richtig Höhenmeter, ich als Schieber, so
eine Zwillingskutsche den Berg hochasten, da kommt man schnell ins
Schnaufen. Das habe ich heute den Sport sein lassen.
In einer
Zeitlücke rief ich in dem gestern erwähnten Sportstudio an und wurde
sehr nett informiert, die Bedingungen sind wie daheim auch, halt das
Desinfizieren nach Gerätbenutzung. Ich hatte den Betreiber am
Telefon und der wollte wissen, woher ich komm und warum, wir sind
gleich im guten Gespräch gewesen so von Großvater zu Großvater. Für
diesmal ist es zu spät, aber auf den nächsten Aufenthalt hier mit
Sport freu ich mich jetzt schon.
Mittwoch,
8.7.2020
Zweigeteilter Tag: Bis zum Mittag war
ich noch der Großvater, hab mit den Kleinen eine schöne Spazierrunde
gemacht, dann ging es an die Heimfahrt. Ohne Stau, mit Kaffeepause
nach knapp fünf Stunden daheim und schon unterwegs einen kleinen
Noteinkauf erledigt, weil gar nichts zu futtern mehr im Kühlschrank
war. Ausgepackt, eingeräumt, Blümchen gießen, die haben es gut
überstanden, im Keller blüht eine Orchidee, oben beide
Leuchterblumen, bissle telefoniert, dann ab zum Sport. Anderthalb
Stunden Krafttraining, heute hat sich eine Taube ins Studio verirrt.
die saß draußen schon vor der Tür und ging nur gradso beiseite, wenn
jemand kam. Einer von den Volleyballern, der auch noch Jäger ist,
hat sie mit kundiger Hand gegriffen und wieder rausgebracht.
In
den Nachrichten kam neben dem immerwährenden Coronagedöns, die
Infektion von Bolsonara, die Meldung von der Initiative der EU zur
Energiegewinnung mit Wasserstoff. Ich versteh noch zu wenig davon,
muss mir noch mehr Nachrichten und Berichte dazu reinziehen, finde
es aber erst mal gut. Es hängt aber auch hier mit sauberem Strom
zusammen, da fehlt es noch an vielen Ecken. Trotzdem scheint die
politische Mitte aufgewacht zu sein und will ordentliche Klimawerte
liefern, ob das Tempo so reicht, wird sich zeigen. Im Vergleich zu
den Meldungen aus den USA und Brasilien klingt das richtig
vernünftig. (Den Austritt der USA aus der WHO hat Pelosi als einen
Akt der Sinnlosigkeit bezeichnet, besser kann man das nicht
klarstellen.)
Donnerstag, 9.7.2020
Es war Badetag: Halb elf trafen wir
uns zum Aquajoggen. Programm: 10 min Einschwimmen, Intervalle 8, 4,
6, 3, 5, 2, 4, 2, 1 min Vollgas, jeweils 90 sec Pause, mein Kollege
war milde gestimmt, sonst war die Pause 60 odr 30 sec, dann halbtot
Ausschwimmen. Auf der Wiese konnten wir uns dann, in der Sonne
sitzend, erzählen, wie nahe wir dem Scheintod und dem Absaufen
waren, wir hatten die Gurte weggelassen, dadurch war es viel
anstrengender, in den Pausen hat die Luft dazu nicht gereicht. Ein
Bombentraining. Wenig los im Freibad, genug Platz für uns.
Lesezeit: Die Hälfte von dem Buch "Die verwerflche Alte" von Dieter
Lattmann ist geschafft, er beschreibt die Geschichte einer
75-jährigen Frau aus gutgestellten Kreisen, deren Mann gestorben ist
und die sich plötzlich im Widerstand gegen die stationierten
amerikanischen Atomwaffen findet. Eine für mich interessante
Zeitgeschichte, Ende der 70er Jahre erwachte auch die
Friedensbewegung in der DDR, ich stieß als Lehrling dazu. Einzig der
seltsame Titel und mehr noch, dass er die Frau, die einen Namen hat,
sie heißt Freia, immer wieder als die Alte anführt, empfinde ich als
störend, regelrecht falschtonig. Ich werd es trotzdem neugierig zu
Ende lesen.
Abends war Bauchkurs, mein Planschkumpel war auch da,
ein kurzes knackiges Training. In 25 min komplett schweißgebadet,
mit der Erinnerung an das wohltuend kühle Wasser des Vormittags.
Noch ein wenig unmotiviert an der Kraft was, ein bisschen Jonglieren
üben, dann war Feierabend bei mir.
Freitag, 10.7.2020
Morgens einkaufen, als erstes im
Parkhaus hängengeblieben, weil irgendwas mit der Ausfahrtschranke
war, Stau der Ausfahrer behinderte auch das Einfahren. Irgendwann
ging es wieder ruckelweise vorwärts, dann füllte sich der Korb, es
gibt so schönes Obst, ich muss immer an mich halten. Nachdem es ohne
Störung hinaus ging, zu Hause alles eingeräumt war, gab es ein
Läufchen, die Standardstrecke, knapp 10 km, es war warm, und mit dem
aufwachenden Muskelkater von der gestrigen Wassertreterei kam eine
schlappe Zeit heraus. Botanischer Höhepunkt: Braunwurz, schon
abgeblüht, aber mit der Raupe vom Braunwurzmönch, das ist eine
Nachtfalterart, die sich nur vom Braunwurz nährt, ganz selten von
der Königskerze. Ich hatte schon befürchtet, es gibt sie nicht mehr,
da ich dieses Jahr noch nie Raupen gesehen hab, jetzt also,
hoffentlich ein gutes Ende.
Mittags zu Hause gab es Bulgursalat mit Kichererbsen und
Kidneybohnen, das ganze in neuer Verpackung, laut Aufdruck mit 84 %
weniger Kunststoff, ein zartes Kuststofftütchen in eine
Papierform eingpasst, sehr elegant gelöst und leicht zu trennen und
zu entsorgen. Eine Lösung, die mir gefällt. Beim Mampfen las ich in
der Metallerzeitung "aktiv" u. a. einen Artikel zu den vielen
Verschwörungstheorien. Funkwellen als Virenüberträger, die
implantierten Chips, Bill Gates als Verursacher, u. s. w.. Jeweils
mit faktenhinterlegter Aufklärung zur Herkunft des Gerüchtes und dem
Realitätscheck. Die Zeitung wird von 40 Arbeitgeberverbänden
finanziert und richtet sich an die Belegschaften von ca 3200
Industriebetrieben, so hat sie
auch
mich erreicht. Das finde ich bitter nötig, denn gerade im
proletarischen Millieu sind die Verschwörungslegenden viraler als
jedes Coronateil, so mein Eindruck.
Samstag, 11.7.2020
Abends, wieder in Rottenburg, hatte
ich Lust auf einen Spaziergang, um dabei was zu erledigen steckte
ich mir 12 ausgelesene Bücher in den Rucksack und ging zum
Bücherschrank. Überall saßen Menschen am sommerlich milden Abend
draußen vor den Wirtschaften und Eisläden, aus mancher Ecke kam
Musik. Nur die Bedienungen mit ihrem Mundschutz erinnerten noch an
Corona. Im Biergarten saßen die Leute so dicht aneinander, es war im
Freien, aber seuchentechnisch ist das sicher völlig daneben. Zum
Glück gibt es kaum Infektionen hier, da wird es wohl gutgehen. Meine
Bücherschrankwanderung ist insofern missglückt, dass ich rückzu
ähnlich viele Bücher dabei hatte, vier von Nagib Machfus, Nobelpreis
1988.
Es war ein ganz sportfreier Tag, ich habe es genossen,
nicht, dass ich es immer so wollte, vormittags lesend, das Buch von
der verwerflichen Alten ist geschafft, eine gute Erzählung, auch in
Sicht auf das Altern. Bisschen telefonieren, den nächsten
Bayernaufenthalt vorbereitend. Nachmittags mit meiner Kunstfreundin
verabredet, in der Kunsthalle Tübingen wird Daniel Knorr gezeigt. Er
zählt lt. Eigenwerbung der Kunsthalle zu den innovativsten Künstlern
seiner Generation, das wollten wir sehen. Er war uns mit einer
Arbeit auf der documenta 14 aufgefallen, da ließ er weißen Rauch
über der Stadt aufsteigen. 2005 vertrat er sein Herkunftsland
Rumänien in Venedig mit einem leeren Pavillon, löste damit eine
politische Debatte aus. So weit, so gut. In der Tübinger Ausstellung
waren eine Menge Acrylabgüsse von irgendverschiedenen Untergründen,
im Acryl Farbschlieren von bunt zu grell, die nichts weiter wollten.
Halt blau oder orange in den formlosen Amöben an der Wand. Des
weiteren die Reliquien einer verunglückten Performance, Leinwände,
die zu etwas Autoähnlichem zusammengebaschtelt waren und durch
unbeholfen manuelles Hin- und Herruckeln durch eine Waschanlage
bewegt wurde, die mit Farbe spritzte. Die Arbeit war dämlich, was an
Text dazugegeben worden war, war so doof, wir mussten mehrmals
lesen, um uns zu glauben, was uns da widerfährt. Dann gab es noch
Knüll vom Knorr, soll heißen, irgendwelches Gemale und Farbgepatsche
wurde als Leinwand geknüllt und in Acryl ersäuft, Materialschlachten
ohne ... Auch da ein Text, der Bedeutung herbeizwingen will und im
Geistlosen landet. Ein altes Fahrrad, dass lang im Wasser lag, wurde
geführt als in einem Land ins Wasser, im anderen wieder raus und
sollte so den Blick auf Wende, auf Geschichte, auf Grenzen und
Zeiten ändern sich, und was nicht alles lenken, dass gelang halt nur
durch den gebrauchsanweisenden Text dazu. Usw.
Die Bewertung des
H. Knorr im Kunstbetrieb ist mir unverständlich, er ist nicht der
Einzige, der mit solchem Buntkram Erfolg hat.
Sonntag, 12.7.2020
Kurzarbeit, in diesem Sommer, im
ganzen Jahr bestimmen andere, wann ich frei habe. Eine Variante, aus
der ich was machen muss. Mit den Hirschauern laufen gehen war ein
guter Einstieg. In der Gruppe 2 ist das Tempo für mich richtig, so
kamen 21,5 km durch das Sengenbachtal, am Eckhof, über Weilheim, in
noch kühler Waldluft zusammen. Duschen, ein wenig erholen, mittags
war ich verabredet mit einem der Sportler aus der Befragungsrunde
(siehe Projekte - Sport und Zeit), da muss ich vorher lesen, um zu
meinen neuen Fragen zu gelangen. Ich treffe jede*n einmal im Jahr,
jetzt im fünften, mittlerweile führen wir ein vertrautes Gespräch.
Ich schätze das sehr, mit diesen jungen, aktiven Menschen Kontakt zu
haben, es macht mir gute Laune und motiviert mich, selbst
dranzubleiben. Nachmittags war noch so eine Verabredung, diesmal in
Mössingen, da kam noch eine zweite dazu, jetzt muss ich die Texte
erstellen, ein wenig Arbeit, eine gute Arbeit. Bei den Dreien heute
hatte Corona nicht zur Sportpause geführt, es haben sich Abläufe
geändert und Lösungen gefunden für geschlossene Studios und
Schwimmhallen. Und jeder hatte was zu erzählen, z. B. wo das Reisen
endete in der Quarantäne, oder der letzte Flug noch geklappt hatte.
Da wäre überall ein Corona-Tagebuch zusammengekommen.
Montag, 13.7.2020
- am Dienstag vormittag
Das Vergessen war über mich gekommen,
spätabends, nach Sport und Essen und Krimskrams zu Hause wollte ich
schlafen gehen, da fiel es mir ein: der Text fehlt. Ich bin
großzügig mit mir umgegangen, hab das zu Bett gehen konsequent
eingeleitet und Text Text sein lassen. Ein herrliches Gefühl.
Dienstag, 14.7.2020
Da ich am Vormittag schon einen
Dreizeiler hinterlassen hatte, dachte ich abends fast, ich hab
schon. Das wäre peinlich gewesen. Also gut, kurz gefasst: Drei
Sporttexte geschafft, Haushaltkram, Laufen, herrliche 13,5 km mit
230 Höhenmetern in guter Zeit, 5:20 min/km, geschafft, abends dem
Läufer erzählt, der sagt, kommt vom Aquajoggen. Hab gekichert, 3 mal
im Wasser, gibt 15 sec Verbesserung, da kann ich rechnen, wann ich
Weltrekord laufe. Zwei Stunden Studio mit Krafttraining, und
Bauchkurs, der Läufer führt seinen neu gelernten Handstand vor,
Klasse. Zum Abschluss Sauna, es geht wieder ohne Anmeldung, wie neu
nach Hause.
Donnerstag, 2.7.2020
Eindeutig, es sollte Mittwoch über dem Donnerstag stehen, steht aber
nicht. Es zieht Schlamperei hier ein. Was ist los? Gestern war ok,
ich war vormittags im Studio, bin dann nach Kirchheim gefahren, war
verabredet mit meiner Kunstfreundin im Atelier, diesmal keine
Ausstellung, sondern ein ruhiges Schwätzle. Dann wäre ich beinahe
nach Hause gefahren, es ergab sich auf einem Umweg, da entstand eine
kleine geheimnisvolle Begebenheit, die ich auch hier nicht eröffne.
Jedenfalls wurde es recht spät, die Textzeit war vorbei.
Heute
herrschen wieder Normalverhältnisse, ich führe mein Leben durch
Beschreibung öffentlich. War Einkaufen, Obst holen ist derzeit die
pure Wonne.
Laufen, Wolken drohten mit Regen, es wurde nur Getröpfel, 10 km bei
guter Zeit. Unterwegs fand ich Stendelwurze, eine einheimische
Orchidee, an einer Stelle hatten sie sich zwischen abgelegte Stämmen
durchgearbeitet, Begegnung von Mensch und Natur, da sehen wir nicht
besonders achtsam aus. Auf den Ohren hatte ich Roberta Flack, eine
leider völlig vergessene, großartige Sängerin aus der späten
Hippiezeit. Sie liefert wunderbar kraftvolle und inhaltsnahe
Interpretationen von Standards. Auf YouTube findet man ihre Alben.
Abends geht es noch im Studio zur Sache, morgen hab ich Frühschicht,
deswegen liefere ich das hier schon am Nachmittag, das ist mein
Etappenziel, bevor ich mir einen Kuchen suchen gehe.
Samstag, 18.7.2020
Gestern war Frühschicht, der Wecker
klingelt um 4:35 Uhr, das ist putzig, vor dem ersten Tag, es ist
jedesmal so, schlafe ich die kurze Zeit, die ich habe, schlecht vor
lauter innerer Unruhe, den Wecker nicht zu überhören. Damit fängt
das Arbeiten immer im Schlafdefizit an. Auf Arbeit geht es dann,
weil zu tun ist. Die Besetzung ist schlecht, zumeist einer allein im
Gang, wo sonst drei sind. Von wegen soziale Defizite ausgleichen,
wir sollen uns nicht begegnen, wegen Corona. Obwohl die
Infektionszahlen geringst sind, tut die Wirtschaft, als wolle sie
sterben. Die Auftragseingänge sind grauselig gering, wie lange kann
das so gehen?
Zum Feierabend war ich im Studio, schönes Training,
da geht es mir gut dabei. Für den Text hat es nicht mehr gereicht.
Heut wieder Frühschicht, ich bin selbst gefahren, dadurch klingelt
der Wecker eine halbe Stunde später. Das ist noch nicht wie
ausschlafen. Bei dieser Gelegenheit sehe ich spektakuläre
Morgenhimmel, Sonnenaufgänge, die Straßen sind frei, im Radio kommt
gute Musik, Klassik auf SWR2. Arbeiten wieder allein, kaum
Materialnachschub, leere Regale. Lange Texte von der
Geschäftsleitung, wie es weitergehen soll, kein guter Ausblick. Da
ich morgen frei habe, konnte ich nachmittags und abends ein wenig
rumschlumpern, ich habe gemütlich Kaffee getrunken und war
ausführlich spazieren. Die Stadt ist wie in den letzten Wochen
voller genusswütiger Menschen, da sitzen die vielen Dickerles vor
den Kneipen, Pizzerias, schlecken an großen Eisbechern und hocken in
Biergärten. Sie sind alle verschieden von mir, versuchen anders, es
sich gut gehen zu lassen.
Sonntag, 19.7.2020
Nicht arbeiten, da schon vor der Krise
Urlaub eingetragen war, der muss genommen werden. Also gut, hab ich
mir den Wecker gestellt auf kurz nach sechs, damit ich in Ruhe
frühstücken kann, bevor es mit den Hirschauern auf die Strecke geht.
22 km sind es geworden, um den Berg der Wurmlinger Kapelle nach
Wendelsheim, Rottenburg, hinein ins Bühler Tal und wieder raus nach
Kilchberg, dort über den Neckar, am Baggersee zurück nach Hirschau.
Schöne Tour, viel Sonne, gute Gesellschaft. Zu Hause duschen, essen,
chillen und Spiegel lesen. Diesmal nicht zufrieden, der Titel, es
geht um den Absturz von Wirecard, ist voller Mutmaßungen und
Andeutungen, Äußerungen einer Mutter des Verdächtigen machen es
nicht besser und auch nicht klarer. Vielleicht hätte man eine Woche
später fundierter berichten können, so stiehlt es mir Zeit, ich
denk, kommt noch was, kam nix. Ich lese trotzdem weiter, anderes
interessiert mich eh mehr. Den Rest der Zeit hab ich am Rechner bzw
am Handy verdaddelt, heute fand ich es egal. Durch den getrackten,
langen Lauf bekomme ich Kommentare, teils in russisch oder
französisch, dank Google-Übersetzer kann ich dann antworten, das
dauert einfach seine Zeit, und ich denk, wer weiß, was ich da
geschrieben habe. Dieses Benutzen und sich Verlassen auf
irgendvonwem programmierte Software belustigt mich. Andererseits ist
es wie beim Einkaufen, ich weiß nicht, wer da gerührt und zubereitet
hat. Und esse es auf, ohne lang drüber nachzudenken.
Montag, 20.7.2020
Gestern abend war ich im Kino, in
Parasite aus Südkorea. Ausgezeichnet mit der Goldenen Palme in
Cannes 2019, ich hatte drüber gelesen. Ein großartiger Film über die
Begegnung von arm und reich, satirisch startend, zum Thriller sich
mausernd, turbulent, lustig und total eskalierend, das Ganze wieder
eingefangen zu erstaunlichem Ende. Würde ich weiterempfehlen.
Heute war Spiegeltag, meine Zeit verging lesend. Als ich Pause
machen wollte, schnappte ich mir die Badehose und fuhr nach
Rangendingen an den kleinen Badesee. Köstlich, im Schatten eines
Baumes lag ich faul, genießend rum und schaute ein paar schönen und
ganz vielen dicken Menschen beim Baden zu. Auf dem Rückweg hielt ich
beim Bäcker an, endlich mal ein anderer Bäcker, guter Kuchen, guter
Kaffee, gemütliche Sitzecke, ich war´s zufrieden. Zu Hause ereilte
mich das schlechte Gewissen wegen meiner vielen Faulenzerei, da habe
ich ein Fenster geputzt, und schon war´s weg. Also das Gewissen, der
Schmutz, nicht das Fenster. Im Studio hab ich mich erst um die Kraft
gekümmert, dann war funktionales Intervalltraining im Kurs, es war
intensiv. Außerdem war der Leistungsläufer im Zirkel eine Station
vor mir und hat den Rhythmus vorgegeben, da fühlte ich mich angefixt
und hab mir den Stecker gezogen. Hinterher war es ok, unterwegs hab
ich kapiert, wie es ist, Laktat zu spüren. Die Sauna hat alles
wieder gut gemacht.
Dienstag,
21.7.2020
Jetzt ist es halb zwölf abends, noch
kein Wort geschrieben, es fällt mir immer bei dieser Gelegenheit vor
die Füße. Ich hab ein strukturelles Problem. Obwohl nichts
besonderes war, war der Tag gefüllt von Anfang bis Ende, nicht alles
ist Arbeit, aber auch Vergnügliches braucht seine Zeit. Vormittags
bissle Haushalt, Wäsche waschen, Müll besorgen, dann war ich laufen.
12 km bei guter Zeit, bei herrlichem Wetter, jede Menge Stendelwurz,
kurz vor der Blüte. Auf den Ohren hatte ich ein Oratorium von Fazil
Say nach Texten von Nazil Hikmet. Musikalisch ist das interessant,
er verknüpft türkische Tradition mit europäischer Klassik, es ist
raffiniert instrumentalisiert. Say ist Pianist, und er lässt sein
Intrument mit den Einzelstimmen agieren, sie akzentuieren, es ist
keine modern-sperrige Musik, sondern gut hörbar, gut erschließbar.
Die Texte verstehe ich natürlich nicht, ich vermute eine
Auseinandersetzung mit dem Allmachtsamerika der Nachkriegszeit,
würde da aber noch nachlesen, auf Wiki steht dazu allerhand.
Dann
dauert es seine Zeit, bis Duschen und Essen erledigt ist, auf meinem
Plan für heute stand Hirschau, der Baggersee. Am Sonntag ist die
halbe Läuferschar nach dem Lauf ins Wasser gehupft, da bin ich drauf
gekommen, dass ich´s auch probieren möchte. Bin mit dem Radel
gefahren, eine kleine schöne Tour über die Felder im Neckartal. War
kurz schwimmen, dann las ich liegend im Schatten, oder ich lag
lesend, das könnt ihr euch aussuchen. Der Spiegel ist fertig, ein
angefangenes Buch wurde wegen Langerweile abgebrochen, es begann
Serotonin von Michel Houellebecq. Eine unsympatische Hauptfigur,
aber gut geschrieben, ein Lesespaß schon auf den ersten 50 Seiten.
Rückzu radelte es mich am Hirschauer Bäcker ran, es gab einen
leckeren Mandarínenrahmkuchen, einen leckeren.Wieder daheim hatte
ich mir vorgenommen, unter dem Kirschbaum sauberzumachen, da ist die
Sitzecke im Hof, und die Hälfte der Kirschen, es sind kleine
Vogelkirschen, liegt unten und auf den Tischen und Stühlen, ich hab
lang gebraucht, weil schon alle durchgelatscht waren, das rollte
nicht mehr, sondern klebte alles in den Ritzen. Und schon war
Studiozeit, ich war zum Bauchkurs angemeldet, hab vorher an der
Kraft gearbeitet, danach eine Runde jonglieren geübt, nuja, Sauna,
essen, schreiben, der Tag ist rum.
Mittwoch, 22.7.2020
Herausragendes Ereignis beim Blick aus dem Küchenfenster: Da war ein
Rasenmäher unterwegs, sah aus wie einer zum Schieben bzw
Hinterherlaufen, war auch jemand da, der lief aber nebenher und
steuerte aus einem Umhängekästle das mähende Teil. Und der fuhr
nicht nur hin und her, sondern auch die Böschung runter bis an das
Wasser ran und rückwärts wieder rauf, dass es eine Lust war. Der
Steuermann stand oben. Die Stadtwerke haben aufgerüstet, wer weiß,
was das Teil noch alles kann.
Ein Läufchen fand nach dem Staunen
statt, meine neue Lieblingsstrecke über Weiler und Niedernau. Macht
13,5 km, die Zeit war gut, es war ziemlich warm, aber es gab
schattige Waldbereiche, und am Katzenbach und Neckar kühlt es ein
wenig. Ein Flecken mit blühendem Zwergholunder, ein Feld mit
Sojabohnen, jetzt weiß ich, wie die aussehen, waren die botanischen
Fundstücke.
Nachmittags ein Ausstellungsbesuch mit meiner
Kirchheimer Kunstfreundin, in der Zehntscheuer Rottenburg ist Gisela
Jäckle mit Materialbildern, Zeichnung und Skulptur unter dem Titel
Schwingungsfelder zu sehen. An Harmlosigkeit scheitern, hätte ich
einen guten Titel gefunden, wenn ich freundlich drüber sprechen
will, sage ich was von netten kunstgewerblichen Dekoteilen für den
langweiligen Haushalt. Da wäre meine Frage, was mit den
Ausstellungsverantwortlichen los ist, will man nicht anecken, soll
es niemanden aufregen, was ist das Ziel solcher Hervorzeigungen. Wem
ist da der Begriff Kunst verrutscht.
Abends war ich im Kino, ein
israelisch, französisch, deutscher Film: Synonymes. Ich hab ihn
nicht komplett verstanden, das lag nicht an den Untertiteln, ich
weiß zu wenig über Israel und auch über Frankreich. Der junge Mann
ist aus dem ihm zu militärischen Israel abgehauen, möchte es in
Frankreich versuchen und stößt da auf andere existenzielle
Bekümmernisse und erlebt auch da das Scheitern, so wäre meine kleine
Zusammenfassung. Es gab sehr bildklare Szenen, stark gespielt auch,
aber mir hat sich eben einiges gar nicht erschlossen.
Donnerstag, 23.7.2020
Aquajoggen war angesagt, wir hatten
uns gestern verabredet und angemeldet, um 10 stiegen wir vor dem
Freibad vom Rad. Es ist ein komplexer Vorgang, da reinzukommen,
wegen Corona muss man den Anmeldecode vorweisen, vorher setzt man
die Maske auf, dann darf man bezahlen, weil ich nicht den Geldbeutel
mit ins Bad nehme, muss ich aus dem Rucksack das Geld rauspulen, die
Schwimmhilfe hängt auch noch an mir dran. Drinnen dann Maske weg,
Schlüssel und Restgeld verräumen und auf dem Handy den PDF-Reader
schließen, in den Rucksack packen, alle Reißverschlüsse zu. fertig.
Es gab ein neues Programm, das ist bisher immer so gewesen, heute
war es nach dem Einschwimmen eine Simulation von 400 m
Intervalltraining. 15 mal eine Minute Vollgas, dann 90 Sekunden
Pause. Die Schwimmhilfe haben wir gleich am Rand liegenlassen, es
sollte richtig anstrengen, da es immer nur eine Minute war. Schon
nach der ersten Minute war der Puls ganz oben, nach den ersten 30
Sekunden, die gut aushaltbar waren, geriet ich in den Modus von
partieller Unansteuerbarkeit der Arme und Beine, und in den
Gebetstunnel, wo dann Trost gesucht wird im Vollbrachten, das ins
Verhältnis zum Bevorstehenden gesetzt wird, es findet der Abgleich
statt, ob es diesmal auch gelingen wird, lebend aus dem Wasser zu
kommen. Irgendwann nahm der Trost zu, war es fertig, nur noch
gemächliches Ausschwimmen, die ersten Schritte auf festem Boden
fühlten sich knapp gestaltbar an, dann saßen wir platt auf der
Wiese. Beim Heimradeln wie üblich die schweren Beine.
Einkaufen
stand auf der Liste, das hab ich so erledigt, dass es vorher bei
meinem persönlichen Mittagkocher was zu futtern gab, dann die Runde
durch den Handelshof. Jetzt liegt mein Tisch voller Obst,
verschiedene Sorten, Heidelbeeren, große Pflaumen, Nektarinen und
Plattpfirsiche, Birnen und Äpfel und Aprikosen, ich liebe das. Da
werde ich zur Raupe Nimmersatt.
Nachmittags nach einem kleinen
Mittagsnickerchen Lesezeit bei Kaffee und Kuchen, was hab ich für
ein schönes Leben. Beim Lesen hätte ich sitzenbleiben können, da ich
zum Bauchkurs im Studio angemeldet war, bin ich wieder los.
Radfahren ging noch nicht ganz locker, dann im Kurs ist Siggi, die
Trainerin so überzeugend, dass man sich nicht weiter fragt, ob es
grade geht. Mein Mitplanscher war auch da, ein bisschen eine Macke
haben wir wohl, zumal wir noch ein Stündle drangehängt haben,
draußen am Turm allerhand anstrengende Halteübungen.
Montag, 27.7.2020
Eine Lücke von drei Tagen, erst am Tag
vier gibt es Text. Hat es jemand gemerkt? Ja, natürlich. Ich musste
arbeiten, wollte auf den Sport nicht verzichten und hatte keine
Verbindung zu dem Server, auf dem meine Webseite wohnt. Heute hab
ich einen anderen Text geladen bekommen, hoffentlich kommt das nicht
öfter vor mit diesem Fehler, den ich auch nach googeln nicht
verstehe. Auf Arbeit sieht es grauslich aus, wenige Aufträge, viele
der Anlagen stehen unbenutzt, viel Personal in Kurzarbeit, das alles
ist Corona geschuldet. Das kommt zu dem schlechten Zustand, zur
schlechten Atmosphäre dazu, es ist nur betrüblich.
Am Freitag
hab ich einen Text zu der Sportbefragung gearbeitet, dann konnte ich
nicht laden und bin frustriert auf Arbeit gegangen. Samstags war ich
vor der Spätschicht die Standardrunde laufen und fand den
Stendelwurz blühend. Am Sonntag war ich froh, als der Feierabend
kam, beim Heimfahren fanden wir einen verunfallten Motorradfahrer,
wir hielten an, mehr zur Beruhigung des Ersthelfers, der schon alles
in die Wege geleitet hatte. Der Mortorradfahrer war gestürzt, es war
recht glimplich abgegangen, er war am Leben und vollständig und bei
Bewusstsein, Notarzt, Polizei und Feuerwehr kamen sehr schnell. Alle
Autofahrer, die vorbeikamen, hielten an und schauten, ob sie
gebraucht werden, darunter alle meine Kollegen, die auch in den
Feierabend fuhren. Das fand ich Klasse und auch gegenteilig zu den
vielen Nachrichten, die von nichthelfenden Vorbeifahrern berichten.
Der Montag, habt ihr mitgezählt, war Putztag, das war schnell
erledigt, ich brauche ungefähr zwei Stunden, dann ist mein Bett
frisch bezogen, die Wohnung frei von Staub, das klingt gut, und der
Sanitärkram blinkert, als wäre alles neu. Das Ziel war, so fertig zu
werden, dass ein Lauf starten kann. Hat geklappt, ich bin auf die
lange Strecke gegangen, bis Ofterdingen und zurück, gab 22 km, dazu
400 Höhenmeter, die Zeit (5:39 min/km) war ok. Zum Kochen hatte ich
nach dem Duschen keine Lust, bin zum Chinesen, musste sowieso Brot
kaufen. Endlich ein bisschen Lesezeit, ein Stündchen, einen Kaffee
gab es, schon war es Zeit, ins Studio zu gehen, ich war zum
functional training angemeldet. Noch mal richtig Gas gegeben,
richtig geschwitzt, dann in die Sauna, nach der Kaltdusche war alles
wieder gut. Über das Buch und die Musik beim Laufen schreib ich
morgen, sonst wird das hier zu lang.
Dienstag,
28.7.2020
Von gestern nachgereicht: Das Buch ist
fertig gelesen, Serotonin von Houellebecq, eine Beschreibung unserer
aktuellen Situation, 2019 ist es erschienen, also vor Corona, und es
schildert den Zustand der westeuropäischen Gesellschaften aus der
Sicht eines 46-jährigen, gutgestellten Mannes, der sein Leben und
das ihn umgebende gleich mit als gescheitert empfindet. Mir war die
Hauptfigur unangenehm, seine Sicht auf Frauen fand ich schwierig, er
stellt sich schon als liebesfähig dar, aber zu seinen Bedingungen.
Drumherum wird Arbeitsumfeld und Gesellschaft ernüchternd freudlos
geschildert, die Jugend schneidet auf Grund von automatisch
vorhandener Schönheit gut ab, danach sei Sinnfindung und Erfüllung
wie der Sechser im Lotto, es soll ihn geben. Das alles erledigt der
Schriftsteller in gewohnt souveräner Weise, die Sprache schildert
treffsicher, pointiert, ich glaub, jeder wird sich ertappt fühlen an
verschiedenen Stellen. Starkes Buch, Leseempfehlung!
Die Musik
gestern: Cassandra Wilson, die wohl wichtigste Jazzsängerin unserer
Zeit. Egal, was sie sich schnappt, jeder Titel wird bei ihr zum
Ereignis. Sie interpretiert ganzheitlich, die Arrangements werden
gleich mit verändert, sicher zusammen mit ihren Musikern, die ja
auch erste Liga spielen. Um deutlich zu machen, wie sie gestaltet,
setz ich hier mal den Link von einem Titel im Original, es ist
Harvest Moon
von Neil Young, da schon ein kleines feines Stück, und dann den
Link zur
Version von Cassandra Wilson. Es ist mir unglaublich, viele
Leute, die meisten, aus allen Altersgruppen, kennen sie nicht. Man
muss nicht mal Jazzliebhaber sein, um die erhabene Hohheit dieser
großartigen Sängerin zu erkennen, an der Stelle lande ich wieder bei
oben vorgestellten Buch, es stimmt, wie er die Welt beschreibt, auch
wenn es mir nicht gefällt.
Heut war Aquajoggen dran, ein Programm,
das nur knapp nicht im Ersaufen endete. Nach dem Einschwimmen 2, 2,
4, 6, 8, 6, 4, 2, 2 Minuten Vollgas, am Anfang nach den ersten zwei
Minuten im Gedanken an das, was kommt wieder mit dem mich
verlassenden Lebensmut, einem Rest der Gewissheit, es wird besser
hintenraus, wenn erst mal die 8 Minuten geschafft sind, ich erlebte
mich als fast der Steuerung verlustig, und es war großartig, die
letzte Sequenz durchzuziehen und ohne die Hilfe des Bademeisters aus
dem Wasser zu kommen. Wieder zu Hause, nach einem Sport, wo man
nicht duschen muss, das war im Freibad erledigt, gabs Mittag,
selbstgekocht, dann Lesezeit, ein neues Buch. Es ist der
Begleittkatalog zu der Ausstellung "Von Pflanzen und Menschen", ich
hatte sie voriges Jahr im Dresdner Hygiene-Museum gesehen und fand
sie spektakulär. Jede Menge Wissenswertes über Pflanzen und unser
Verhältnis zu ihnen. Das Buch war nach hinten gerutscht, jetzt kam
es mir in die Finger, und ich bin neugierig drauf. Ich hab es
mitgenommen auf die Bäckertour, da ich wie immer Lust auf einen
Kuchen hatte.
Der Bauchkurs sollte noch erledigt werden, ich war
schon vorher im Studio, ein bisschen Rücken, ein bisschen Schulter,
schon gut aufgewärmt zu Siggi in den Kurs. Sie ist einfach
bezwingend in ihrer Ansage, man macht alles brav mit, denkt nicht
mal drüber nach, eine halbe Stunde später gibt es ein gutes Gefühl,
wenn es geschafft ist. Sauna, futtern, texten, Bett.
Mittwoch,
29.7.2020
Das Laufen ließ ich das Laufen sein,
als Begründung reichte mir Lustlosigkeit, hab das Fahrrad geschnappt
und bin zum Baggersee, hab mich da in die Sonne, also in den
Schatten gepackt und ein Stündchen gelesen. In dem Buch ist viel die
Rede von unserem Verhältnis zu den Pflanzen, ich entwickele da ein
wenig Unbehaglichkeit, wenn Pflanzen eine Seele zugesprochen wird
oder ein Gehirn, ich glaube, die Benennung nach menschlichen
Kategorien ist das Problem. Ich will nichts dagegen sagen, dass
Pflanzen perfekt organisiert und angepasst sind, Signale austauschen
und auf Verhältnisse reagieren, aber ich glaube nicht, dass sie über
die Welt nachdenken. Brauchen sie ja gar nicht. Dass sie den
Sauerstoff machen und damit unser Leben erst ermöglichen, wir uns
also schon aus eigenem Interesse um sie kümmern müssen, sollte uns
klarer werden.
Gut, als es immer wärmer wurde, bin ich
heimgeradelt, mit einem Umweg beim Stadttürken lang, da gab es
Mittagessen. Nach ein paar Erledigungen im Haushalt war die Zeit für
den Sportpark gekommen, ich war zum Kurs am Crossfit-Tower
angemeldet. Der ging eine halbe Stunde und führt immer zum
Schwitzen, danach hab ich paar Routinen aus meinem Trainingsplan
abgearbeitet und ein wenig Jonglieren geübt.
Die Corona-
Nachrichten fand ich unbefriedigend, mehr Infizierte und nervöse
Reaktionen aus der politischen Elite. Es ist von Disziplin die Rede
und von höheren Strafandrohungen, wo bleibt da die jeweilige
persönliche Verantwortung zur Entscheidung für ein Verhalten. Meine
Nachbarn bleiben zu Hause, sie haben Angst, ich geh raus, hab keine
Angst. Das scheint mir beides gerechtfertigt, es hat jeweils eine
Abwägung des persönlichen Risikos stattgefunden. Kann man eine
Gesellschaft zur Gesundheit zwingen?, und warum tut man es bei
Corona und nicht beim Rauchen oder Übergewicht. Ich weiß schon,
Übergewicht ist nicht ansteckend, aber die Fallzahlen sind viel
höher als bei Corona. Das ist jetzt meine wütende Reaktion auf die
Ansage mit der Strafkacke, und es ist mir der hohe polemische Anteil
bewusst, man wirds ja wohl mal sagen dürfen.
Donnerstag, 30.7.2020
Zwei Dinge haben mich heute
beschäftigt, erstens, ich griff mir ein neues Duschbad aus dem
Vorrat und stellte fest, die Schublade war völlig eingestaubt.
Empörend, ich war in meinem Bad, nicht unter meinem Bett, da nehme
ich Staub hin, schlafend, mich wälzend, die Decke schlappend usw,
aber im Bad, da dusche ich und putze meine Zähne, wo kommt da Staub
her. Die Wahrheit ist, seit ich mein Bad renoviert habe, war das
jetzt vor zwei Jahren oder drei, ging ich davon aus, das ist alles
neu. Heute hab ich die Schubladen ausgesaugt und den Eindruck von
neu korrigiert.
Zweitens, ist der Juli fast vorbei, nicht nur ist
der Sommer übern Höhepunkt, die langen Tage werden kürzer, der Text
hier, als Corona-Tagebuch begonnen, wird immer länger. Da uns nach
allen möglichen Vorhersagen dieser Virenmist begleitet bis
mindestens zum Sommer nächsten Jahres, sollte ich vielleicht jetzt
anfangen, mir Gedanken zu machen, wo das hier hin will. Ich hab
jetzt schon so viel über meinen Sport geschrieben, soll ich das
weitermachen, bis es niemand mehr lesen will? Da ich morgen arbeiten
gehe, dann verreise, kündige ich mal an, in der Lücke, die da kommt,
eine Richtungsbestimmung versuchen zu wollen.
Heut war ich schon
laufen, will noch ins Studio zum Bauchkurs und drumrum was, muss die
Frühschicht vorbereiten und zeitig ins Bett, auch um neuen Staub zu
produzieren.
Der Augusttext:
weiter