Michael Oswald

 

 

 

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Leben in den Zeiten von Corona 5

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Mittwoch, 1.7.2020

So warm beim Laufen, es war mühsam, zumal der kleine Muskelkater vom Wassertreten gestern nicht den Berg hoch wollte. Die Zeit auf meiner Standardstrecke war schlecht, geschwitzt hab ich dafür gut, am Ende hat es ja trotzdem geklappt. Die weiße Wegwarte konnte ich fotografieren, ich weiß, wo sie steht. Bild kommt noch. Zu Hause fertigschwitzen, duschen, was essen, mit einem Freund nach Reutlingen, eine Freundin kommt dazu, wir schauen uns im Naturkundmuseum die Schmetterlingsfotografie an. Spektakuläre Bilder, dazu präparierte Schmetterlinge, nicht dafür gespießt, sondern aus dem Fundus. Und kleine, sehr informative Texte zu Eigenarten und besonderen Fähigkeiten und Lebensweisen der dargestellten Arten. Das Corona-Theater drumrum, Fahrstuhl nur einzeln, nur raufzu, Treppe nur runterzu, Einbahnstraßenregelung beim Schauen, Personal zur Aufsicht hinter Plexiglasstellwänden. Danach auf einen Schwätz im Cafe, gemütlich im Schatten, nachdem die Liste ausgefüllt war, wenn da jemand mitzählt, wo ich schon überall Kuchen gegessen hab, wird das peinlich.
Einen Preis hab ich zu vergeben: Obwohl noch die letzten Seiten fehlen, erteile ich in der Kategorie dümmstes Buch, das mir seit langem zwischen die Finger kam, den mit Abstand ersten Platz an "Das Paket" von S. Fitzek. Normalerweise wusste ich den konkurenzlosen Durchmarsch dieser Schreiberei, da ich ein anderes "Buch" von diesem "Autor" angelesen hatte, und nach 10 Seiten Dummigkeiten bei Seite legen musste. Nun steht er dauernd in allen möglichen Bestsellerlisten vorn, ich dachte, vielleicht hab ich was übersehen. Jetzt bin ich drangeblieben und von einer Verwunderung in die nächste gelangt ob der Ereignisdichte, mit der er sein Projekt fortschreibt. Es wirkt wie aus dem realen Leben, wenn er die Hauptfigur, die eine Macke hat, mit lauter Figuren umgibt, die auch Macken haben, was zu Betrügerein, Mord und Totschlag führt und zu ulkigen Zusammentreffen. Wenn z. B. die wichtigste Person ins Haus des Nachbarn einbricht, dann kommen Banditen, sogar bis in das Zimmer, wo sie sich versteckt, als es kracht und schreit, dort wird sie nicht nur nicht gesehen, sondern der Nachbar kriecht aus dem Bett in ebendem Zimmer, klar, er wurde zwar gesucht, aber auch nicht gefunden. Dafür kullert dann die tote Mutter aus der Biotonne, u.s.w. Was für ein Quatsch, mühsam auf Logik getrimmt und mit immer neuen Kapriolen weitergeführt. Ich frag mich, wer liest den Schrott und wie funktionieren Bestsellerlisten.

Donnerstag, 2.7.2020

Nachtrag 1 von gestern: zu Fitzek, das "Buch" endete, wie ich gedacht hatte, dämlich, dann folgte noch ein Anhang mit Zuschriften seiner Leser, da kamen die Begeisterten zu Wort. Ich bin erschüttert, muss zur Kenntnis nehmen, es gibt anscheinend eine Menge Leute, die damit zufrieden sind. Es ist das selbe Rätsel für mich, warum viele Menschen so schlechte oder langweilige Musik hören. Einen Erklärungsversuch fand ich, da wurde behauptet, es begründet sich aus der Biographie und Sozialisation, mag sein, dann müssten im gleichen Millieu ähnliche Gewohnheiten, Geschmäcker vorhanden sein. Sind es aber nur teilweise und oder vielleicht gehe ich zu sehr von mir aus, vielleicht ist es auch nur Hirnchemie, ich sehe keine Antwort.

 
Nachtrag 2 zur Wegwarte: Ich hab gelesen, wobei die Wegwarte Linderung und Heilung bringen kann, das ist laut Wiki und Heilkräuterseiten jede Menge. Von Kaffeeersatz über blutstillend, die Verdauung und den Fluss der Säfte regelnd, vieles macht sie wieder gut. Das war die blaue, die normale. Die seltene, weiße kann noch ganz andere Dinge. Wenn der Jäger sie mit einem Geweih ausgräbt, geht sein Schuss nimmermehr daneben. Dem Richtigen in den Tee gerieben, lenkt sie die Liebe. Mit einer Muschel ausgegraben, unters Hemd gesteckt, wird jede Lüge durchschaubar. Ich hab mir also ein Blättlein gezupft, hab es in die Welt gehalten und mehrfach in alle Richtungen gesprochen: "Corona, geh und ende." Später legte ich es mir auf den Kopf und auch woanders hin, da verrate ich aber nicht meinen Spruch. Es war schon etwas welk, da hab ichs mir erst unter die Zunge gelegt, dann in die Hose gestopft, am Ende hatte ichs im Schuh beim heimlaufen. Es wird schon was nützen, so dachte ich froh vor mich hin.

Freitag, 3.7.2020

Bin wieder im Bayrischen, paar Enkeltage einlegen. Und es gefällt mir gut, die Kleinen sind nicht mordsmäßig gewachsen, aber sie kommunizieren schon ganz anders als vor vier Wochen. Ein munteres Gegurre, lautmalerische Reden an das Volk vor dem Wagen, oder es werden die Füße vorgezeigt, aus dem Wagen gereckt, alles ist köstlich, das muss ein Großvatergen sein. Morgen gibt es mehr davon.
Durch die kleine Reise hab ich mich gefühlt wie ein jederman, es war sportfrei. Nicht laufen, nicht Studio, nichts. Nur die Finger ein wenig, erst am Lenkrad, jetzt auf der Tastatur. Mein Hotel ist ein anderes, lang nicht so gediegen, wie das beim letzten mal. Nur im direkten Vergleich spürbar, der gleiche Preis, alles bisserl veraltet und piefig. Egal. Der Umgang mit Corona viel strenger, also nervig, das ist wirklich Auslegungssache, wie es gehändelt wird. Ich werd trotzdem gut schlafen.

Samstag, 4.7.2020

Ein ganzer Tag mit zwei kleinen Menschen, wir drei Großen richten uns ganz nach ihren Bedürfnissen. Wobei ich die Aushilfe mach, damit einer von den Elterngroßen zu Hause bleiben kann, wenn wir zu viert rausgehen. Bei mir zu Hause sah ich die Schwäne mit ihren fünf Kleinen los schwimmen, wenn die starten, geht schon allerhand. Bei kleinen Menschen müssen wir uns kümmern, und eigene Pläne werden eine Zeit lang ganz unwichtig. Aufgewogen wird das von dieser steten Entwicklung, und diesem unfassbaren Potential, welches sie am Anfang sofort dabei haben. Unser Bewusstsein, dass wir alle so klein angefangen haben, macht, das es relativ leicht geht, wir empfingen und geben weiter. Außerdem spielt Biologie eine Rolle, jeder Vogel brütet die Eier aus, ohne viel zu fragen, warum. Darüber hab ich heute viel gestaunt.

Sonntag, 5.7.2020

Ich sitze draußen auf einem königlichen Balkone meines Hotels, gerade gingen die Straßenlaternen an, sie sehen aus wie alte Gaslaternen, der Abend ist sommerlich lau, oben sirren die Mauersegler. Soll ich was schreiben, oder den Abend, den Ausblick auf die hier umherstehenden Berge, sie sind immerhin 1800 m hoch, genießen. Ich geh ein Eis essen, und das hier fällt einfach mal aus, schließlich ist das auch mein Urlaub.

Montag, 6.7.2020

Kein Sport, seit Tagen, seit ich in Bayern bin, ich könnte laufen, will aber die Zeit nicht setzen, da das Zusammensein mit den Enkeln so hinreißend ist. Abends, wenn die Kleinen im Bett sind, könnte ich in ein Studio gehen, hier in der Straße wäre sogar eins. Ich geh morgen mal fragen, wie es ist in der Coronazeit, ob sie überhaupt fremde Menschen, Nichtmitglieder, reinlassen. Zumindest für den nächsten Aufenthalt hier wäre das eine Option.
Wir gehen viel raus mit den Kleinen, vormittags ne Runde, am Wochenende waren wir an der Salach und Nonn, ein kleines Bächle, die Natur ist schön, noch kein Klimaschaden, hier regnet es durch die hohen Berge vielmehr. Es blühen grad die Alpenveilchen im Wald, sie sind nicht selten, haben die Blätter wie die im Blumenladen aber sehr viel kleinere und zarte Blüten. Schwierig ist es, wenn wir unterwegs eine Schattenbank ansteuern, um den Kleinen Fläschle zu geben, die Mücken finden uns schnell, das ist echt lästig. Was die wohl für eine Aufgabe im Ökosystem haben, ich könnte auf die Biester verzichten. Heut war Stadtgang, bissle Einkaufen, mit Zwillingswagen wird man ständig angequatscht, die Leute halten mich oft für den Vater, reine Nervensache. In der Mittagsschlafpause hab ich mich lesend in einen Bäcker gesetzt, das war ein Päuschen für mich, mein Lieblingskuchen hier heißt Marillentopfen und schmeckt, glatt könnt ich ein Bayer werden. Nachmittag war Regenwetter, wir waren drin, ich habe die ganze Zeit mit den Kindern rumerzählt und sie bespielt, belohnt durch hinreißend charmantes Lächeln, Gurren und lustige Geräusche und Gesichter. Ich könnte völlig vergessen, was ich sonst auf der Welt tu, bin es zufrieden, wenn mein Leben ab hier so wäre, es wäre auch gut.

Dienstag, 7.7.2020

Vormittags Stadtgänge, Erledigungen zu viert, die zwei Kinder müssen mit, was denn sonst, es ist ein bissle aufwendiger, als bei großen Leuten, aber die Mutter hat es perfekt im Griff, wir waren gerüstet für alle Eventualitäten. Windeln, temperierte Fläschle, Sonnen- und Regenschutz, Schnuller und einen Karton für die Balkonpflanzen, der auf dem Kinderwagen hält, alles dabei. Beim Laufen giggeln die Kleinen fröhlich aus der Kutsche raus, oder sie schlafen ein bisschen. Nach dem Essen ein Päuschen, wer will, muss schnell schlafen, bis die Kleinen wieder fröhlich aufwachen. Dann eine große Runde zu viert, diesmal mit dem Vater, an der Salach durch den Wald. Richtig Höhenmeter, ich als Schieber, so eine Zwillingskutsche den Berg hochasten, da kommt man schnell ins Schnaufen. Das habe ich heute den Sport sein lassen.
In einer Zeitlücke rief ich in dem gestern erwähnten Sportstudio an und wurde sehr nett informiert, die Bedingungen sind wie daheim auch, halt das Desinfizieren nach Gerätbenutzung. Ich hatte den Betreiber am Telefon und der wollte wissen, woher ich komm und warum, wir sind gleich im guten Gespräch gewesen so von Großvater zu Großvater. Für diesmal ist es zu spät, aber auf den nächsten Aufenthalt hier mit Sport freu ich mich jetzt schon.

Mittwoch, 8.7.2020

Zweigeteilter Tag: Bis zum Mittag war ich noch der Großvater, hab mit den Kleinen eine schöne Spazierrunde gemacht, dann ging es an die Heimfahrt. Ohne Stau, mit Kaffeepause nach knapp fünf Stunden daheim und schon unterwegs einen kleinen Noteinkauf erledigt, weil gar nichts zu futtern mehr im Kühlschrank war. Ausgepackt, eingeräumt, Blümchen gießen, die haben es gut überstanden, im Keller blüht eine Orchidee, oben beide Leuchterblumen, bissle telefoniert, dann ab zum Sport. Anderthalb Stunden Krafttraining, heute hat sich eine Taube ins Studio verirrt. die saß draußen schon vor der Tür und ging nur gradso beiseite, wenn jemand kam. Einer von den Volleyballern, der auch noch Jäger ist, hat sie mit kundiger Hand gegriffen und wieder rausgebracht.
In den Nachrichten kam neben dem immerwährenden Coronagedöns, die Infektion von Bolsonara, die Meldung von der Initiative der EU zur Energiegewinnung mit Wasserstoff. Ich versteh noch zu wenig davon, muss mir noch mehr Nachrichten und Berichte dazu reinziehen, finde es aber erst mal gut. Es hängt aber auch hier mit sauberem Strom zusammen, da fehlt es noch an vielen Ecken. Trotzdem scheint die politische Mitte aufgewacht zu sein und will ordentliche Klimawerte liefern, ob das Tempo so reicht, wird sich zeigen. Im Vergleich zu den Meldungen aus den USA und Brasilien klingt das richtig vernünftig. (Den Austritt der USA aus der WHO hat Pelosi als einen Akt der Sinnlosigkeit bezeichnet, besser kann man das nicht klarstellen.)

Donnerstag, 9.7.2020

Es war Badetag: Halb elf trafen wir uns zum Aquajoggen. Programm: 10 min Einschwimmen, Intervalle 8, 4, 6, 3, 5, 2, 4, 2, 1 min Vollgas, jeweils 90 sec Pause, mein Kollege war milde gestimmt, sonst war die Pause 60 odr 30 sec, dann halbtot Ausschwimmen. Auf der Wiese konnten wir uns dann, in der Sonne sitzend, erzählen, wie nahe wir dem Scheintod und dem Absaufen waren, wir hatten die Gurte weggelassen, dadurch war es viel anstrengender, in den Pausen hat die Luft dazu nicht gereicht. Ein Bombentraining. Wenig los im Freibad, genug Platz für uns.
Lesezeit: Die Hälfte von dem Buch "Die verwerflche Alte" von Dieter Lattmann ist geschafft, er beschreibt die Geschichte einer 75-jährigen Frau aus gutgestellten Kreisen, deren Mann gestorben ist und die sich plötzlich im Widerstand gegen die stationierten amerikanischen Atomwaffen findet. Eine für mich interessante Zeitgeschichte, Ende der 70er Jahre erwachte auch die Friedensbewegung in der DDR, ich stieß als Lehrling dazu. Einzig der seltsame Titel und mehr noch, dass er die Frau, die einen Namen hat, sie heißt Freia, immer wieder als die Alte anführt, empfinde ich als störend, regelrecht falschtonig. Ich werd es trotzdem neugierig zu Ende lesen.
Abends war Bauchkurs, mein Planschkumpel war auch da, ein kurzes knackiges Training. In 25 min komplett schweißgebadet, mit der Erinnerung an das wohltuend kühle Wasser des Vormittags. Noch ein wenig unmotiviert an der Kraft was, ein bisschen Jonglieren üben, dann war Feierabend bei mir.

Freitag, 10.7.2020

Morgens einkaufen, als erstes im Parkhaus hängengeblieben, weil irgendwas mit der Ausfahrtschranke war, Stau der Ausfahrer behinderte auch das Einfahren. Irgendwann ging es wieder ruckelweise vorwärts, dann füllte sich der Korb, es gibt so schönes Obst, ich muss immer an mich halten. Nachdem es ohne Störung hinaus ging, zu Hause alles eingeräumt war, gab es ein Läufchen, die Standardstrecke, knapp 10 km, es war warm, und mit dem aufwachenden Muskelkater von der gestrigen Wassertreterei kam eine schlappe Zeit heraus. Botanischer Höhepunkt: Braunwurz, schon abgeblüht, aber mit der Raupe vom Braunwurzmönch, das ist eine Nachtfalterart, die sich nur vom Braunwurz nährt, ganz selten von der Königskerze. Ich hatte schon befürchtet, es gibt sie nicht mehr, da ich dieses Jahr noch nie Raupen gesehen hab, jetzt also, hoffentlich ein gutes Ende.

Mittags zu Hause gab es Bulgursalat mit Kichererbsen und Kidneybohnen, das ganze in neuer Verpackung, laut Aufdruck mit 84 % weniger Kunststoff, ein zartes Kuststofftütchen in eine  Papierform eingpasst, sehr elegant gelöst und leicht zu trennen und zu entsorgen. Eine Lösung, die mir gefällt. Beim Mampfen las ich in der Metallerzeitung "aktiv" u. a. einen Artikel zu den vielen Verschwörungstheorien. Funkwellen als Virenüberträger, die implantierten Chips, Bill Gates als Verursacher, u. s. w.. Jeweils mit faktenhinterlegter Aufklärung zur Herkunft des Gerüchtes und dem Realitätscheck. Die Zeitung wird von 40  Arbeitgeberverbänden finanziert und richtet sich an die Belegschaften von ca 3200 Industriebetrieben, so hat sie auch mich erreicht. Das finde ich bitter nötig, denn gerade im proletarischen Millieu sind die Verschwörungslegenden viraler als jedes Coronateil, so mein Eindruck.

Samstag, 11.7.2020

Abends, wieder in Rottenburg, hatte ich Lust auf einen Spaziergang, um dabei was zu erledigen steckte ich mir 12 ausgelesene Bücher in den Rucksack und ging zum Bücherschrank. Überall saßen Menschen am sommerlich milden Abend draußen vor den Wirtschaften und Eisläden, aus mancher Ecke kam Musik. Nur die Bedienungen mit ihrem Mundschutz erinnerten noch an Corona. Im Biergarten saßen die Leute so dicht aneinander, es war im Freien, aber seuchentechnisch ist das sicher völlig daneben. Zum Glück gibt es kaum Infektionen hier, da wird es wohl gutgehen. Meine Bücherschrankwanderung ist insofern missglückt, dass ich rückzu ähnlich viele Bücher dabei hatte, vier von Nagib Machfus, Nobelpreis 1988.
Es war ein ganz sportfreier Tag, ich habe es genossen, nicht, dass ich es immer so wollte, vormittags lesend, das Buch von der verwerflichen Alten ist geschafft, eine gute Erzählung, auch in Sicht auf das Altern. Bisschen telefonieren, den nächsten Bayernaufenthalt vorbereitend. Nachmittags mit meiner Kunstfreundin verabredet, in der Kunsthalle Tübingen wird Daniel Knorr gezeigt. Er zählt lt. Eigenwerbung der Kunsthalle zu den innovativsten Künstlern seiner Generation, das wollten wir sehen. Er war uns mit einer Arbeit auf der documenta 14 aufgefallen, da ließ er weißen Rauch über der Stadt aufsteigen. 2005 vertrat er sein Herkunftsland Rumänien in Venedig mit einem leeren Pavillon, löste damit eine politische Debatte aus. So weit, so gut. In der Tübinger Ausstellung waren eine Menge Acrylabgüsse von irgendverschiedenen Untergründen, im Acryl Farbschlieren von bunt zu grell, die nichts weiter wollten. Halt blau oder orange in den formlosen Amöben an der Wand. Des weiteren die Reliquien einer verunglückten Performance, Leinwände, die zu etwas Autoähnlichem zusammengebaschtelt waren und durch unbeholfen manuelles Hin- und Herruckeln durch eine Waschanlage bewegt wurde, die mit Farbe spritzte. Die Arbeit war dämlich, was an Text dazugegeben worden war, war so doof, wir mussten mehrmals lesen, um uns zu glauben, was uns da widerfährt. Dann gab es noch Knüll vom Knorr, soll heißen, irgendwelches Gemale und Farbgepatsche wurde als Leinwand geknüllt und in Acryl ersäuft, Materialschlachten ohne ... Auch da ein Text, der Bedeutung herbeizwingen will und im Geistlosen landet. Ein altes Fahrrad, dass lang im Wasser lag, wurde geführt als in einem Land ins Wasser, im anderen wieder raus und sollte so den Blick auf Wende, auf Geschichte, auf Grenzen und Zeiten ändern sich, und was nicht alles lenken, dass gelang halt nur durch den gebrauchsanweisenden Text dazu. Usw.
Die Bewertung des H. Knorr im Kunstbetrieb ist mir unverständlich, er ist nicht der Einzige, der mit solchem Buntkram Erfolg hat.

Sonntag, 12.7.2020

Kurzarbeit, in diesem Sommer, im ganzen Jahr bestimmen andere, wann ich frei habe. Eine Variante, aus der ich was machen muss. Mit den Hirschauern laufen gehen war ein guter Einstieg. In der Gruppe 2 ist das Tempo für mich richtig, so kamen 21,5 km durch das Sengenbachtal, am Eckhof, über Weilheim, in noch kühler Waldluft zusammen. Duschen, ein wenig erholen, mittags war ich verabredet mit einem der Sportler aus der Befragungsrunde (siehe Projekte - Sport und Zeit), da muss ich vorher lesen, um zu meinen neuen Fragen zu gelangen. Ich treffe jede*n einmal im Jahr, jetzt im fünften, mittlerweile führen wir ein vertrautes Gespräch. Ich schätze das sehr, mit diesen jungen, aktiven Menschen Kontakt zu haben, es macht mir gute Laune und motiviert mich, selbst dranzubleiben. Nachmittags war noch so eine Verabredung, diesmal in Mössingen, da kam noch eine zweite dazu, jetzt muss ich die Texte erstellen, ein wenig Arbeit, eine gute Arbeit. Bei den Dreien heute hatte Corona nicht zur Sportpause geführt, es haben sich Abläufe geändert und Lösungen gefunden für geschlossene Studios und Schwimmhallen. Und jeder hatte was zu erzählen, z. B. wo das Reisen endete in der Quarantäne, oder der letzte Flug noch geklappt hatte. Da wäre überall ein Corona-Tagebuch zusammengekommen.

Montag, 13.7.2020 - am Dienstag vormittag

Das Vergessen war über mich gekommen, spätabends, nach Sport und Essen und Krimskrams zu Hause wollte ich schlafen gehen, da fiel es mir ein: der Text fehlt. Ich bin großzügig mit mir umgegangen, hab das zu Bett gehen konsequent eingeleitet und Text Text sein lassen. Ein herrliches Gefühl.

Dienstag, 14.7.2020

Da ich am Vormittag schon einen Dreizeiler hinterlassen hatte, dachte ich abends fast, ich hab schon. Das wäre peinlich gewesen. Also gut, kurz gefasst: Drei Sporttexte geschafft, Haushaltkram, Laufen, herrliche 13,5 km mit 230 Höhenmetern in guter Zeit, 5:20 min/km, geschafft, abends dem Läufer erzählt, der sagt, kommt vom Aquajoggen. Hab gekichert, 3 mal im Wasser, gibt 15 sec Verbesserung, da kann ich rechnen, wann ich Weltrekord laufe. Zwei Stunden Studio mit Krafttraining, und Bauchkurs, der Läufer führt seinen neu gelernten Handstand vor, Klasse. Zum Abschluss Sauna, es geht wieder ohne Anmeldung, wie neu nach Hause.

Donnerstag, 2.7.2020

Eindeutig, es sollte Mittwoch über dem Donnerstag stehen, steht aber nicht. Es zieht Schlamperei hier ein. Was ist los? Gestern war ok, ich war vormittags im Studio, bin dann nach Kirchheim gefahren, war verabredet mit meiner Kunstfreundin im Atelier, diesmal keine Ausstellung, sondern ein ruhiges Schwätzle. Dann wäre ich beinahe nach Hause gefahren, es ergab sich auf einem Umweg, da entstand eine kleine geheimnisvolle Begebenheit, die ich auch hier nicht eröffne. Jedenfalls wurde es recht spät, die Textzeit war vorbei.
Heute herrschen wieder Normalverhältnisse, ich führe mein Leben durch Beschreibung öffentlich. War Einkaufen, Obst holen ist derzeit die pure Wonne.

Laufen, Wolken drohten mit Regen, es wurde nur Getröpfel, 10 km bei guter Zeit. Unterwegs fand ich Stendelwurze, eine einheimische Orchidee, an einer Stelle hatten sie sich zwischen abgelegte Stämmen durchgearbeitet, Begegnung von Mensch und Natur, da sehen wir nicht besonders achtsam aus. Auf den Ohren hatte ich Roberta Flack, eine leider völlig vergessene, großartige Sängerin aus der späten Hippiezeit. Sie liefert wunderbar kraftvolle und inhaltsnahe Interpretationen von Standards. Auf YouTube findet man ihre Alben.

Abends geht es noch im Studio zur Sache, morgen hab ich Frühschicht, deswegen liefere ich das hier schon am Nachmittag, das ist mein Etappenziel, bevor ich mir einen Kuchen suchen gehe.

Samstag, 18.7.2020

Gestern war Frühschicht, der Wecker klingelt um 4:35 Uhr, das ist putzig, vor dem ersten Tag, es ist jedesmal so, schlafe ich die kurze Zeit, die ich habe, schlecht vor lauter innerer Unruhe, den Wecker nicht zu überhören. Damit fängt das Arbeiten immer im Schlafdefizit an. Auf Arbeit geht es dann, weil zu tun ist. Die Besetzung ist schlecht, zumeist einer allein im Gang, wo sonst drei sind. Von wegen soziale Defizite ausgleichen, wir sollen uns nicht begegnen, wegen Corona. Obwohl die Infektionszahlen geringst sind, tut die Wirtschaft, als wolle sie sterben. Die Auftragseingänge sind grauselig gering, wie lange kann das so gehen?
Zum Feierabend war ich im Studio, schönes Training, da geht es mir gut dabei. Für den Text hat es nicht mehr gereicht.
Heut wieder Frühschicht, ich bin selbst gefahren, dadurch klingelt der Wecker eine halbe Stunde später. Das ist noch nicht wie ausschlafen. Bei dieser Gelegenheit sehe ich spektakuläre Morgenhimmel, Sonnenaufgänge, die Straßen sind frei, im Radio kommt gute Musik, Klassik auf SWR2. Arbeiten wieder allein, kaum Materialnachschub, leere Regale. Lange Texte von der Geschäftsleitung, wie es weitergehen soll, kein guter Ausblick. Da ich morgen frei habe, konnte ich nachmittags und abends ein wenig rumschlumpern, ich habe gemütlich Kaffee getrunken und war ausführlich spazieren. Die Stadt ist wie in den letzten Wochen voller genusswütiger Menschen, da sitzen die vielen Dickerles vor den Kneipen, Pizzerias, schlecken an großen Eisbechern und hocken in Biergärten. Sie sind alle verschieden von mir, versuchen anders, es sich gut gehen zu lassen.

Sonntag, 19.7.2020

Nicht arbeiten, da schon vor der Krise Urlaub eingetragen war, der muss genommen werden. Also gut, hab ich mir den Wecker gestellt auf kurz nach sechs, damit ich in Ruhe frühstücken kann, bevor es mit den Hirschauern auf die Strecke geht. 22 km sind es geworden, um den Berg der Wurmlinger Kapelle nach Wendelsheim, Rottenburg, hinein ins Bühler Tal und wieder raus nach Kilchberg, dort über den Neckar, am Baggersee zurück nach Hirschau. Schöne Tour, viel Sonne, gute Gesellschaft. Zu Hause duschen, essen, chillen und Spiegel lesen. Diesmal nicht zufrieden, der Titel, es geht um den Absturz von Wirecard, ist voller Mutmaßungen und Andeutungen, Äußerungen einer Mutter des Verdächtigen machen es nicht besser und auch nicht klarer. Vielleicht hätte man eine Woche später fundierter berichten können, so stiehlt es mir Zeit, ich denk, kommt noch was, kam nix. Ich lese trotzdem weiter, anderes interessiert mich eh mehr. Den Rest der Zeit hab ich am Rechner bzw am Handy verdaddelt, heute fand ich es egal. Durch den getrackten, langen Lauf bekomme ich Kommentare, teils in russisch oder französisch, dank Google-Übersetzer kann ich dann antworten, das dauert einfach seine Zeit, und ich denk, wer weiß, was ich da geschrieben habe. Dieses Benutzen und sich Verlassen auf irgendvonwem programmierte Software belustigt mich. Andererseits ist es wie beim Einkaufen, ich weiß nicht, wer da gerührt und zubereitet hat. Und esse es auf, ohne lang drüber nachzudenken.

Montag, 20.7.2020

Gestern abend war ich im Kino, in Parasite aus Südkorea. Ausgezeichnet mit der Goldenen Palme in Cannes 2019, ich hatte drüber gelesen. Ein großartiger Film über die Begegnung von arm und reich, satirisch startend, zum Thriller sich mausernd, turbulent, lustig und total eskalierend, das Ganze wieder eingefangen zu erstaunlichem Ende. Würde ich weiterempfehlen.
Heute war Spiegeltag, meine Zeit verging lesend. Als ich Pause machen wollte, schnappte ich mir die Badehose und fuhr nach Rangendingen an den kleinen Badesee. Köstlich, im Schatten eines Baumes lag ich faul, genießend rum und schaute ein paar schönen und ganz vielen dicken Menschen beim Baden zu. Auf dem Rückweg hielt ich beim Bäcker an, endlich mal ein anderer Bäcker, guter Kuchen, guter Kaffee, gemütliche Sitzecke, ich war´s zufrieden. Zu Hause ereilte mich das schlechte Gewissen wegen meiner vielen Faulenzerei, da habe ich ein Fenster geputzt, und schon war´s weg. Also das Gewissen, der Schmutz, nicht das Fenster. Im Studio hab ich mich erst um die Kraft gekümmert, dann war funktionales Intervalltraining im Kurs, es war intensiv. Außerdem war der Leistungsläufer im Zirkel eine Station vor mir und hat den Rhythmus vorgegeben, da fühlte ich mich angefixt und hab mir den Stecker gezogen. Hinterher war es ok, unterwegs hab ich kapiert, wie es ist, Laktat zu spüren. Die Sauna hat alles wieder gut gemacht.

Dienstag, 21.7.2020

Jetzt ist es halb zwölf abends, noch kein Wort geschrieben, es fällt mir immer bei dieser Gelegenheit vor die Füße. Ich hab ein strukturelles Problem. Obwohl nichts besonderes war, war der Tag gefüllt von Anfang bis Ende, nicht alles ist Arbeit, aber auch Vergnügliches braucht seine Zeit. Vormittags bissle Haushalt, Wäsche waschen, Müll besorgen, dann war ich laufen. 12 km bei guter Zeit, bei herrlichem Wetter, jede Menge Stendelwurz, kurz vor der Blüte. Auf den Ohren hatte ich ein Oratorium von Fazil Say nach Texten von Nazil Hikmet. Musikalisch ist das interessant, er verknüpft türkische Tradition mit europäischer Klassik, es ist raffiniert instrumentalisiert. Say ist Pianist, und er lässt sein Intrument mit den Einzelstimmen agieren, sie akzentuieren, es ist keine modern-sperrige Musik, sondern gut hörbar, gut erschließbar. Die Texte verstehe ich natürlich nicht, ich vermute eine Auseinandersetzung mit dem Allmachtsamerika der Nachkriegszeit, würde da aber noch nachlesen, auf Wiki steht dazu allerhand.
Dann dauert es seine Zeit, bis Duschen und Essen erledigt ist, auf meinem Plan für heute stand Hirschau, der Baggersee. Am Sonntag ist die halbe Läuferschar nach dem Lauf ins Wasser gehupft, da bin ich drauf gekommen, dass ich´s auch probieren möchte. Bin mit dem Radel gefahren, eine kleine schöne Tour über die Felder im Neckartal. War kurz schwimmen, dann las ich liegend im Schatten, oder ich lag lesend, das könnt ihr euch aussuchen. Der Spiegel ist fertig, ein angefangenes Buch wurde wegen Langerweile abgebrochen, es begann Serotonin von Michel Houellebecq. Eine unsympatische Hauptfigur, aber gut geschrieben, ein Lesespaß schon auf den ersten 50 Seiten. Rückzu radelte es mich am Hirschauer Bäcker ran, es gab einen leckeren Mandarínenrahmkuchen, einen leckeren.Wieder daheim hatte ich mir vorgenommen, unter dem Kirschbaum sauberzumachen, da ist die Sitzecke im Hof, und die Hälfte der Kirschen, es sind kleine Vogelkirschen, liegt unten und auf den Tischen und Stühlen, ich hab lang gebraucht, weil schon alle durchgelatscht waren, das rollte nicht mehr, sondern klebte alles in den Ritzen. Und schon war Studiozeit, ich war zum Bauchkurs angemeldet, hab vorher an der Kraft gearbeitet, danach eine Runde jonglieren geübt, nuja, Sauna, essen, schreiben, der Tag ist rum.

Mittwoch, 22.7.2020

Herausragendes Ereignis beim Blick aus dem Küchenfenster: Da war ein Rasenmäher unterwegs, sah aus wie einer zum Schieben bzw Hinterherlaufen, war auch jemand da, der lief aber nebenher und steuerte aus einem Umhängekästle das mähende Teil. Und der fuhr nicht nur hin und her, sondern auch die Böschung runter bis an das Wasser ran und rückwärts wieder rauf, dass es eine Lust war. Der Steuermann stand oben. Die Stadtwerke haben aufgerüstet, wer weiß, was das Teil noch alles kann.
Ein Läufchen fand nach dem Staunen statt, meine neue Lieblingsstrecke über Weiler und Niedernau. Macht 13,5 km, die Zeit war gut, es war ziemlich warm, aber es gab schattige Waldbereiche, und am Katzenbach und Neckar kühlt es ein wenig. Ein Flecken mit blühendem Zwergholunder, ein Feld mit Sojabohnen, jetzt weiß ich, wie die aussehen, waren die botanischen Fundstücke.
Nachmittags ein Ausstellungsbesuch mit meiner Kirchheimer Kunstfreundin, in der Zehntscheuer Rottenburg ist Gisela Jäckle mit Materialbildern, Zeichnung und Skulptur unter dem Titel Schwingungsfelder zu sehen. An Harmlosigkeit scheitern, hätte ich einen guten Titel gefunden, wenn ich freundlich drüber sprechen will, sage ich was von netten kunstgewerblichen Dekoteilen für den langweiligen Haushalt. Da wäre meine Frage, was mit den Ausstellungsverantwortlichen los ist, will man nicht anecken, soll es niemanden aufregen, was ist das Ziel solcher Hervorzeigungen. Wem ist da der Begriff Kunst verrutscht.
Abends war ich im Kino, ein israelisch, französisch, deutscher Film: Synonymes. Ich hab ihn nicht komplett verstanden, das lag nicht an den Untertiteln, ich weiß zu wenig über Israel und auch über Frankreich. Der junge Mann ist aus dem ihm zu militärischen Israel abgehauen, möchte es in Frankreich versuchen und stößt da auf andere existenzielle Bekümmernisse und erlebt auch da das Scheitern, so wäre meine kleine Zusammenfassung. Es gab sehr bildklare Szenen, stark gespielt auch, aber mir hat sich eben einiges gar nicht erschlossen.

Donnerstag, 23.7.2020

Aquajoggen war angesagt, wir hatten uns gestern verabredet und angemeldet, um 10 stiegen wir vor dem Freibad vom Rad. Es ist ein komplexer Vorgang, da reinzukommen, wegen Corona muss man den Anmeldecode vorweisen, vorher setzt man die Maske auf, dann darf man bezahlen, weil ich nicht den Geldbeutel mit ins Bad nehme, muss ich aus dem Rucksack das Geld rauspulen, die Schwimmhilfe hängt auch noch an mir dran. Drinnen dann Maske weg, Schlüssel und Restgeld verräumen und auf dem Handy den PDF-Reader schließen, in den Rucksack packen, alle Reißverschlüsse zu. fertig. Es gab ein neues Programm, das ist bisher immer so gewesen, heute war es nach dem Einschwimmen eine Simulation von 400 m Intervalltraining. 15 mal eine Minute Vollgas, dann 90 Sekunden Pause. Die Schwimmhilfe haben wir gleich am Rand liegenlassen, es sollte richtig anstrengen, da es immer nur eine Minute war. Schon nach der ersten Minute war der Puls ganz oben, nach den ersten 30 Sekunden, die gut aushaltbar waren, geriet ich in den Modus von partieller Unansteuerbarkeit der Arme und Beine, und in den Gebetstunnel, wo dann Trost gesucht wird im Vollbrachten, das ins Verhältnis zum Bevorstehenden gesetzt wird, es findet der Abgleich statt, ob es diesmal auch gelingen wird, lebend aus dem Wasser zu kommen. Irgendwann nahm der Trost zu, war es fertig, nur noch gemächliches Ausschwimmen, die ersten Schritte auf festem Boden fühlten sich knapp gestaltbar an, dann saßen wir platt auf der Wiese. Beim Heimradeln wie üblich die schweren Beine.
Einkaufen stand auf der Liste, das hab ich so erledigt, dass es vorher bei meinem persönlichen Mittagkocher was zu futtern gab, dann die Runde durch den Handelshof. Jetzt liegt mein Tisch voller Obst, verschiedene Sorten, Heidelbeeren, große Pflaumen, Nektarinen und Plattpfirsiche, Birnen und Äpfel und Aprikosen, ich liebe das. Da werde ich zur Raupe Nimmersatt.
Nachmittags nach einem kleinen Mittagsnickerchen Lesezeit bei Kaffee und Kuchen, was hab ich für ein schönes Leben. Beim Lesen hätte ich sitzenbleiben können, da ich zum Bauchkurs im Studio angemeldet war, bin ich wieder los. Radfahren ging noch nicht ganz locker, dann im Kurs ist Siggi, die Trainerin so überzeugend, dass man sich nicht weiter fragt, ob es grade geht. Mein Mitplanscher war auch da, ein bisschen eine Macke haben wir wohl, zumal wir noch ein Stündle drangehängt haben, draußen am Turm allerhand anstrengende Halteübungen.

Montag, 27.7.2020

Eine Lücke von drei Tagen, erst am Tag vier gibt es Text. Hat es jemand gemerkt? Ja, natürlich. Ich musste arbeiten, wollte auf den Sport nicht verzichten und hatte keine Verbindung zu dem Server, auf dem meine Webseite wohnt. Heute hab ich einen anderen Text geladen bekommen, hoffentlich kommt das nicht öfter vor mit diesem Fehler, den ich auch nach googeln nicht verstehe. Auf Arbeit sieht es grauslich aus, wenige Aufträge, viele der Anlagen stehen unbenutzt, viel Personal in Kurzarbeit, das alles ist Corona geschuldet. Das kommt zu dem schlechten Zustand, zur schlechten Atmosphäre dazu, es ist nur betrüblich.
Am Freitag hab ich einen Text zu der Sportbefragung gearbeitet, dann konnte ich nicht laden und bin frustriert auf Arbeit gegangen. Samstags war ich vor der Spätschicht die Standardrunde laufen und fand den Stendelwurz blühend. Am Sonntag war ich froh, als der Feierabend kam, beim Heimfahren fanden wir einen verunfallten Motorradfahrer, wir hielten an, mehr zur Beruhigung des Ersthelfers, der schon alles in die Wege geleitet hatte. Der Mortorradfahrer war gestürzt, es war recht glimplich abgegangen, er war am Leben und vollständig und bei Bewusstsein, Notarzt, Polizei und Feuerwehr kamen sehr schnell. Alle Autofahrer,  die vorbeikamen, hielten an und schauten, ob sie gebraucht werden, darunter alle meine Kollegen, die auch in den Feierabend fuhren. Das fand ich Klasse und auch gegenteilig zu den vielen Nachrichten, die von nichthelfenden Vorbeifahrern berichten.
Der Montag, habt ihr mitgezählt, war Putztag, das war schnell erledigt, ich brauche ungefähr zwei Stunden, dann ist mein Bett frisch bezogen, die Wohnung frei von Staub, das klingt gut, und der Sanitärkram blinkert, als wäre alles neu. Das Ziel war, so fertig zu werden, dass ein Lauf starten kann. Hat geklappt, ich bin auf die lange Strecke gegangen, bis Ofterdingen und zurück, gab 22 km, dazu 400 Höhenmeter, die Zeit (5:39 min/km) war ok. Zum Kochen hatte ich nach dem Duschen keine Lust, bin zum Chinesen, musste sowieso Brot kaufen. Endlich ein bisschen Lesezeit, ein Stündchen, einen Kaffee gab es, schon war es Zeit, ins Studio zu gehen, ich war zum functional training angemeldet. Noch mal richtig Gas gegeben, richtig geschwitzt, dann in die Sauna, nach der Kaltdusche war alles wieder gut. Über das Buch und die Musik beim Laufen schreib ich morgen, sonst wird das hier zu lang.

Dienstag, 28.7.2020

Von gestern nachgereicht: Das Buch ist fertig gelesen, Serotonin von Houellebecq, eine Beschreibung unserer aktuellen Situation, 2019 ist es erschienen, also vor Corona, und es schildert den Zustand der westeuropäischen Gesellschaften aus der Sicht eines 46-jährigen, gutgestellten Mannes, der sein Leben und das ihn umgebende gleich mit als gescheitert empfindet. Mir war die Hauptfigur unangenehm, seine Sicht auf Frauen fand ich schwierig, er stellt sich schon als liebesfähig dar, aber zu seinen Bedingungen. Drumherum wird Arbeitsumfeld und Gesellschaft ernüchternd freudlos geschildert, die Jugend schneidet auf Grund von automatisch vorhandener Schönheit gut ab, danach sei Sinnfindung und Erfüllung wie der Sechser im Lotto, es soll ihn geben. Das alles erledigt der Schriftsteller in gewohnt souveräner Weise, die Sprache schildert treffsicher, pointiert, ich glaub, jeder wird sich ertappt fühlen an verschiedenen Stellen. Starkes Buch, Leseempfehlung!
Die Musik gestern: Cassandra Wilson, die wohl wichtigste Jazzsängerin unserer Zeit. Egal, was sie sich schnappt, jeder Titel wird bei ihr zum Ereignis. Sie interpretiert ganzheitlich, die Arrangements werden gleich mit verändert, sicher zusammen mit ihren Musikern, die ja auch erste Liga spielen. Um deutlich zu machen, wie sie gestaltet, setz ich hier mal den Link von einem Titel im Original, es ist Harvest Moon von Neil Young, da schon ein kleines feines Stück, und dann den Link zur Version von Cassandra Wilson. Es ist mir unglaublich, viele Leute, die meisten, aus allen Altersgruppen, kennen sie nicht. Man muss nicht mal Jazzliebhaber sein, um die erhabene Hohheit dieser großartigen Sängerin zu erkennen, an der Stelle lande ich wieder bei oben vorgestellten Buch, es stimmt, wie er die Welt beschreibt, auch wenn es mir nicht gefällt.
Heut war Aquajoggen dran, ein Programm, das nur knapp nicht im Ersaufen endete. Nach dem Einschwimmen 2, 2, 4, 6, 8, 6, 4, 2, 2 Minuten Vollgas, am Anfang nach den ersten zwei Minuten im Gedanken an das, was kommt wieder mit dem mich verlassenden Lebensmut, einem Rest der Gewissheit, es wird besser hintenraus, wenn erst mal die 8 Minuten geschafft sind, ich erlebte mich als fast der Steuerung verlustig, und es war großartig, die letzte Sequenz durchzuziehen und ohne die Hilfe des Bademeisters aus dem Wasser zu kommen. Wieder zu Hause, nach einem Sport, wo man nicht duschen muss, das war im Freibad erledigt, gabs Mittag, selbstgekocht, dann Lesezeit, ein neues Buch. Es ist der Begleittkatalog zu der Ausstellung "Von Pflanzen und Menschen", ich hatte sie voriges Jahr im Dresdner Hygiene-Museum gesehen und fand sie spektakulär. Jede Menge Wissenswertes über Pflanzen und unser Verhältnis zu ihnen. Das Buch war nach hinten gerutscht, jetzt kam es mir in die Finger, und ich bin neugierig drauf. Ich hab es mitgenommen auf die Bäckertour, da ich wie immer Lust auf einen Kuchen hatte.
Der Bauchkurs sollte noch erledigt werden, ich war schon vorher im Studio, ein bisschen Rücken, ein bisschen Schulter, schon gut aufgewärmt zu Siggi in den Kurs. Sie ist einfach bezwingend in ihrer Ansage, man macht alles brav mit, denkt nicht mal drüber nach, eine halbe Stunde später gibt es ein gutes Gefühl, wenn es geschafft ist. Sauna, futtern, texten, Bett.

Mittwoch, 29.7.2020

Das Laufen ließ ich das Laufen sein, als Begründung reichte mir Lustlosigkeit, hab das Fahrrad geschnappt und bin zum Baggersee, hab mich da in die Sonne, also in den Schatten gepackt und ein Stündchen gelesen. In dem Buch ist viel die Rede von unserem Verhältnis zu den Pflanzen, ich entwickele da ein wenig Unbehaglichkeit, wenn Pflanzen eine Seele zugesprochen wird oder ein Gehirn, ich glaube, die Benennung nach menschlichen Kategorien ist das Problem. Ich will nichts dagegen sagen, dass Pflanzen perfekt organisiert und angepasst sind, Signale austauschen und auf Verhältnisse reagieren, aber ich glaube nicht, dass sie über die Welt nachdenken. Brauchen sie ja gar nicht. Dass sie den Sauerstoff machen und damit unser Leben erst ermöglichen, wir uns also schon aus eigenem Interesse um sie kümmern müssen, sollte uns klarer werden.
Gut, als es immer wärmer wurde, bin ich heimgeradelt, mit einem Umweg beim Stadttürken lang, da gab es Mittagessen. Nach ein paar Erledigungen im Haushalt war die Zeit für den Sportpark gekommen, ich war zum Kurs am Crossfit-Tower angemeldet. Der ging eine halbe Stunde und führt immer zum Schwitzen, danach hab ich paar Routinen aus meinem Trainingsplan abgearbeitet und ein wenig Jonglieren geübt.
Die Corona- Nachrichten fand ich unbefriedigend, mehr Infizierte und nervöse Reaktionen aus der politischen Elite. Es ist von Disziplin die Rede und von höheren Strafandrohungen, wo bleibt da die jeweilige persönliche Verantwortung zur Entscheidung für ein Verhalten. Meine Nachbarn bleiben zu Hause, sie haben Angst, ich geh raus, hab keine Angst. Das scheint mir beides gerechtfertigt, es hat jeweils eine Abwägung des persönlichen Risikos stattgefunden. Kann man eine Gesellschaft zur Gesundheit zwingen?, und warum tut man es bei Corona und nicht beim Rauchen oder Übergewicht. Ich weiß schon, Übergewicht ist nicht ansteckend, aber die Fallzahlen sind viel höher als bei Corona. Das ist jetzt meine wütende Reaktion auf die Ansage mit der Strafkacke, und es ist mir der hohe polemische Anteil bewusst, man wirds ja wohl mal sagen dürfen.

Donnerstag, 30.7.2020

Zwei Dinge haben mich heute beschäftigt, erstens, ich griff mir ein neues Duschbad aus dem Vorrat und stellte fest, die Schublade war völlig eingestaubt. Empörend, ich war in meinem Bad, nicht unter meinem Bett, da nehme ich Staub hin, schlafend, mich wälzend, die Decke schlappend usw, aber im Bad, da dusche ich und putze meine Zähne, wo kommt da Staub her. Die Wahrheit ist, seit ich mein Bad renoviert habe, war das jetzt vor zwei Jahren oder drei, ging ich davon aus, das ist alles neu. Heute hab ich die Schubladen ausgesaugt und den Eindruck von neu korrigiert.
Zweitens, ist der Juli fast vorbei, nicht nur ist der Sommer übern Höhepunkt, die langen Tage werden kürzer, der Text hier, als Corona-Tagebuch begonnen, wird immer länger. Da uns nach allen möglichen Vorhersagen dieser Virenmist begleitet bis mindestens zum Sommer nächsten Jahres, sollte ich vielleicht jetzt anfangen, mir Gedanken zu machen, wo das hier hin will. Ich hab jetzt schon so viel über meinen Sport geschrieben, soll ich das weitermachen, bis es niemand mehr lesen will? Da ich morgen arbeiten gehe, dann verreise, kündige ich mal an, in der Lücke, die da kommt, eine Richtungsbestimmung versuchen zu wollen.
Heut war ich schon laufen, will noch ins Studio zum Bauchkurs und drumrum was, muss die Frühschicht vorbereiten und zeitig ins Bett, auch um neuen Staub zu produzieren.

 

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