Freitag, 1.5.2020
Am Feiertag, an dem garantiert nicht
gearbeitet wird, war klar, die Hirschauer werden ein Läufchen
anbieten, es war als gemütlich deklariert, und ich hattte Lust auf
Gesellschaft und war neugierig, wieviele auf Coronavorschriften
pfeifen. Ein paar Leute waren da, selbstverständlich kam man sich
nie näher, als der Sicherheitsabstand es gebietet. In der Mail war
die Rede von der Bocksriemenzunge, die üppig blüht. sind wir also
losgewackelt, sehr langsam, mit vielen Päuschen, und dann war die
Wiese voll.
Außerdem war da noch Enzian, so blau, als
wäre man im Märchenland. Und jede Menge andere schöne Blümchen, aber
die erscheinen nicht hier, das soll ja kein Botaniklehrbuch werden,
geht selber raus und schaut. Die Strecke war kurz, der Km-Schnitt
war wie Spazierengehen, trotzdem war es vergnüglich. Zu Hause nach
den Mittagsnudeln und der Lesezeit musste ich doch noch richtig
Sport machen und bin unter dunklen Regenwolken hoch zur Forstschule,
hab anderthalb Stunden auf einen Muskelkater für morgen
hingearbeitet, wollte dann noch bissle jonglieren üben, da fing es
tatsächlich an zu tröpfeln. Als Belohnung für danach hatte ich
Kuchen aus dem Frost bereitgestellt. Der Regen in der Wetterapp
sollte literweise fallen, hier waren es nur paar Minuten paar
Tröpfle. Die Risse in der Wiese werden immer breiter, das sind
sizilianische Verhältnisse. Kennt noch jemand den Begriff Club of
Rome, seit der Gründung 1968 warnen Industrielle und Wissenschaftler
vor genau den Gefahren, die uns jetzt vor die Füße fallen.
Klimawandel und Ressourcenverschwendung hören nicht von allein auf.
Auch nicht durch Corona.
Samstag, 2.5.2020
Die Zeit ist reif: Macht die Plätze
wieder auf, sammelt die Flatterbänder ein, lasst uns wieder spielen
und Sport machen. Die den Baggersee einwickelten und die
Waldspielplätze, jetzt könnt ihr es in Ordnung bringen, also los.
Montag, 4.5.2020
Gestern kam ich spät von der Arbeit
und es zu keinem Text. Das ist doch mal ein Beispiel für blödes
Deutsch. Heute, klar, Putztag, es regnete, da war ich motiviert,
danach ging es auf die Strecke. In der Rangliste von Runtastic war
ich hoffnungslos nach hinten durchgerutscht, das wollte ich in
Ordnung bringen mit einem langen Lauf. Die Paul-Horn-Halle in
Tübingen als Wendepunkt, hinzu über Kiebingen, zurück über Hirschau,
sollte 21 km ergeben. Das Handy errechnete einen km-Schnitt von 5:18
min, damit war ich zufrieden. Vor zwei Jahren war ich mit 4:40
dabei, vielleicht schaff ich das wieder mit der Zeit. Unterwegs bin
ich einer Revolte begegnet, es kamen vier Läufer miteinander,
fröhlich schwätzend, ich wurde freundlich gegrüßt, ich hatte den
Eindruck, es war fast eine Einladung, mich anzuhängen. Hätte ich
gemacht, wenn es in meine Richtung weitergegangen wäre. Ich glaub,
viele warten auf eine Lockerung, auf das Ende der
Isolationsvorgaben, die Infektionszahlen sind dermaßen
niedrig, das gibt Akzeptanzprobleme, die Verhältnismäßigkeit wird
aus vielen Richtungen mit vielen Argumenten einfordert. Mich
lenkt der Frühling ab, es gab blühend den Wiesenbocksbart und die
Esparsette, was für ein lustiger Name. Auch die Kartäusernelke und
der Pyrenäen-Storchschnabel erfreuen mich. In Nachbars Garten die
Glycine, auch treffend Blauregen genannt, ist überzeugend. Außerdem
gab es Janis Joplin, eine Zusammenstellung ihrer schönsten Titel, da
vergess ich meinen Schmerz und spüre ihren.
Dienstag, 5.5.2020
Die Diskussion um Boris Palmer kommt
mir nicht an der Sache interessiert vor, sondern wie ein Wettbewerb
in Scheinheiligkeit und im Umdeuten von Teilsätzen. Palmer ist
Oberbürgermeister von Tübingen, und bei den Grünen ein markanter
Name. Er hat Verhältnismäßigkeit angemahnt, indem er auf das
Durchschnittsalter und die statistische Restlebenszeit der
Coronagefährdeten hinweist, und den Lockdown mit seinen
wirtschaftlichen Folgen als Ursache benennt für das Elend, den
Hungertod von einer Million Kindern im nicht so wohlhabenden Teil
der Welt. Er hat niemandem das Lebensrecht abgesprochen, so ist mein
Eindruck. Er hatte sich im Vorfeld schon mit einen Artikel dieser
Art im Spiegel aus dem Fenster gelehnt, den er mit anderen
unterschrieben hat. Ich fand das jeweils Geäußerte bedenkenswert.
Habe die folgenden Reaktionen erwartet. Finde es falsch, ihm die
Unterstützung der Grünen bei der nächsten Kandidatur/Wahl zum OB zu
entziehen. Finde es lächerlich, dass ihn bisher lt. Nachrichtenlage
100 Parteimitglieder aus der Partei ausschließen wollen. Das ist
nicht die Diskussionskultur, die ich von Grün erwarte. Drumrum gibt
es noch andere, die sich äußern und die Gelegenheit nutzen, ihm eine
reinzugrätschen. Man könne nicht ein Leben gegen ein anderes
rechnen, man könne nicht unsere Alten opfern. Das will er gar nicht.
Er will differenziert schützen, die Alten mehr als die weniger
Gefährdeten, er sagt auch nicht, dass alles bis jetzt falsch gewesen
wäre, er geht vom aktuellen Kenntnisstand aus. Da habe ich mich
gestern und heute aufgeregt. Ich setzte meinen Sport dagegen. 90
min an der Forstschule, unter dem freundlichen Gezwitscher von
Rotschwänzchen und dem Gekäcker von Elstern hab ich Ausfallschritte,
Liegestütze und Bauchquälerein, Gummizüge und -hopser, Klimmzüge und
herabschauende Hunde vor der Wiese dargestellt und mich anschließend
vor den Feuerwanzen, Blattläusen und Ameisen verneigt.
Mittwoch, 6.5.2020
Jetzt kommt Bewegung in die Sache,
vieles lockert sich, nach dem Gusto der Länderfürsten
unterschiedlich, Schulregelungen, Sportregelungen, Gastronomie,
alles verschieden mit Verweis auf Verhältnisse, na ja. Ich will das
nicht kommentieren, bin nicht so mutig wie Palmer, und niemand kann
mich ausschließen wollen. Für mich heißt das, ich kann endlich
anfangen zu planen, wann ich meine Enkel sehen kann, demnächst kann
ich hinfahren und darf sie im Köngreich Bayern/Södern besuchen. Da
freu ich mich so sehr drauf, dass es jetzt auf die paar Tage nicht
mehr ankommt. Wären nicht so doofe Umstände in der Welt, wäre das
ein rundum schöner Tag gewesen. Laufen, 10 km im Sonnenschein,
vorbei an einem voll erblühten Ginster mitten im Wald, der war so
gelb, dass man es kaum glauben kann. Nachmittags ein Besuch, ein
gelungenes, dichtes Gespräch über Gelesenes, Erlebtes und an der
Kunst entlang, die es im Atelier zu sehen gab. Lustige Kunst. Corona
kam auch vor, aber das war nicht am interessantesten. Abends in
meiner Wohnung, die mir wirklich ein zu Hause ist, telefonieren und
Text machen. Diesen hier. Dazu singt Nina Simone. Hab ich ein gutes
Leben.
Donnerstag, 7.5.2020
Die Spielplätze sind offen, Kinder
spielen, Eltern stehen dabei und schwätzen. Es sieht aus wie ein
Etappenziel zum normalen Leben, da stören die paar Masken nicht.
Abends hatte ich keine Lust auf den Sport an der Forstschule, ich
gab mir großzügig frei, das schaff ich morgen, und ging spazieren in
die Stadt. Mein Ziel war der Bücherschrank, man kann reinstellen,
rausnehmen, bisher war er immer gut gefüllt und ich habe jedes Mal
was gefunden zum Mitnehmen. Fünf Bücher, auf die ich neugierig bin,
vergrößern meinen Stapel, da bricht noch lang keine Not aus. Das
klingt wie ganz fauler Tag, aber mittags war ich laufen. Eine neue
Strecke, steil hoch ins Kreutzerfeld, weiter aufwärts bis Weiler,
dann im Wald runter nach Bad Niedernau durch den Kurpark, über die
schöne Eisenbrücke über den Neckar zur Bronnmühle und durch die
Stadt heim. 13 km, es gab Lichtnelken rot und weiß und den
Ehrenpreis, der ist von holder Schönheit. Musik war ein Solokonzert
von Neil Young, der hat jede Menge richtiger Ohrwürmer und kann sie
allein überzeugend performen, ich hör gern zu.
Freitag,
8.5.2020
Tag der Befreiung, in der DDR, Tag der
Niederlage im Westen Deutschlands, mir ist die östliche Variante
nachvollziehbarer. 28 Millionen Sowjetbürger als Opfer, die Hälfte
davon Zivilisten, zu all den anderen, das bleibt ein Gedenktag für
mich. Das kann man nicht ins Verhältnis setzen zu unseren kleinen
Problemen heute, wenn man Corona meint. Wenn man allerdings den
Zustand der Welt benennt, da läuft was auf uns zu, das werden wir
erst noch sehen, sollten wir die Augen rechtzeitig öffnen. Ich
war mal am Crossfitturm am Sportpark, nachdem die ersten Lockerungen
da sind, dacht ich, ich lass es mir zumindest neu erklären, sollte
ich wieder verjagt werden. Kam aber keiner. Es war die
Luxusvariante, die Griffe stimmten, Klimmzüge und Dips glückten, und
nichts drückte an den Händen und die Finger blieben ohne blaue
Druckstellen. Auf dem Volleyballfeld nebendran spielten
Kaderathleten mit Sondergenehmigung, sie trainierten die ganze Zeit,
so dass es fast wie im Leben vor Corona war. Gestern schaute ich
mir in der Medithek vom ZDF die letzte Folge der kleine Serie
"Deutscher" an. Eine Fiktion, wie wäre es, würde eine rechtsextreme
Partei die Wahl gewinnen und regieren. In die viermal 40 Minuten
waren alle denkbaren Probleme hineingepackt, ich fand es zu
ereignislastig, trotzdem hat es mich erreicht. Im kleinen Privaten
gab es ein Happyend, was mich tatsächlich gestört hat, die
Schicksale der Türken oder türkischstämmigen Deutschen wurden offen
gelassen, sie kamen schlechter weg bei den Erzählanteilen. Wie im
richtigen Leben.
Sonntag, 10.5.2020
Ein bisschen gearbeitet am Wochenende,
deswegen eine Textlücke. Ein Kollege hat mir erzählt von der
Samstagsdemo in Stuttgart. Verteidigung der Rechte aus dem
Grundgesetz, die Befürchtung einer Impfpflicht und Pflicht zur
Implantierung eines Meldechips zum Immunstatus. Dazu gabs noch die
Belehrung, wie die Welt wirklich läuft, z. B. Bill Gates als
Erfinder des Coronavirus und Verkäufer des Impfstoffes, alles Im
Auftrag von G. Soros und Rothschild. Der Verweis auf Medienkanäle,
von denen ich noch nicht gehört hatte, die nicht zensiert wären wie
Facebook und WhatsApp. Ich kam mir ganz ahnungslos vor, hab dann zu
Hause nachgelesen und gesucht, was ich an Berichten finde. Corona
sitzt nicht nur in der Lunge, sondern auch mitten in der
Gesellschaft, es sind Theorien im Umlauf, die wirken so krude, es
war für mich seit langem eine Begegnung mit einer Welt, auf die ich
keine Lust hatte und mich demzufolge fernhielt. Ich wollte das nicht
hören. Ich meine nicht die Mahnungen zur Einhaltung des GG, die find
ich in Ordnung, sondern die Erklärungen zum großen, geheimen Plan,
der uns bestimmt und regiert. Durch nichtHörenwollen ist so was ja
nicht weg, wir werden durch das Virus zu einer geteilten
Gesellschaft mit unterschiedlichem Medienumgang, und die
Gesprächsbereitschaft und -fähigkeit zwischen den verschiedenen
Gruppen wird immer geringer. Alle reklamieren für sich den
richtigen, kompetenten Umgang mit den Nachrichten und finden die
anderen, die mit der anderen Ansicht von vorn herein und kategorisch
doof. Diese Kultur des Einandernichtverstehens ist hier zu Lande
eingeführt worden durch Pegida und die AFD, weitet sich dramatisch
aus, ich mache mir da große Sorgen und bekomme Angst. Das ist heute
mein subjektives Ergebnis aus den Tageserlebnissen.
Montag, 11.5.2020
Ein bunter Specht begab sich auf
Futtersuche und erklomm schrittweise die Baumstämme vor meinem
Küchenfenster und ich saß dahinter. Hab ich mein Frühstück
unterbrochen und schaute ausführlich zu. Er wurde von einem
ansässigen Spatzenpaar umflogen, anscheinend waren die sauer, dass
er sich ihre Insekten schnappte, und es hat ihn gar nicht gekümmert.
Es hat geregnet, dabei und später und eigentlich durchgängig, meine
WetterApp kündigte eine Regenlücke an, da bin ich schnell raus auf
meine Standardstrecke. Lernte die Bedeutung des Sprichwortes: Vom
Regen in die Traufe, es tröpfelte am Anfang drei Minuten und regnete
dann entschlossen und grobtropfig. Beeindruckend waren die
Einschläge auf meiner kahlen Birne im Wald, da, wo sich die Tropfen
im Ablaufen finden zu kleinen Wasserbomben und mit einem
Mordsplatscher ihren Weg beendeten. Ich hab mir vorgestellt, so ein
Wasser trifft die Feuerwanze, der Chitinpanzer hält, aber in die
Knie geht sie bestimmt. Es waren Regenwürmer da, viele, ich musste
richtig aufpassen, sie nicht zu zerlatschen. Und es war schon etwas
besonderes, so nass zu Hause anzukommen. Jetzt abends regnet es noch
immer, hoffentlich erholt sich mit diesem Wasser der Wald und die
Wiese. Auf YouTube hab ich mir Berichte über die Samstagsdemo in
Stuttgart angesehen, dem Herrn Jebsen zugehört. In der Hauptsache
sagt er, die da oben, Regierung und Wirtschaft wollen uns mit Hilfe
von Corona weiter entmündigen und fremdbestimmen. Er sagt nicht,
wieso. Er spricht von der Diktatur Merkel. Ich kann ihm nicht
folgen, empfinde es als Polemik und Hetze und nicht einem
konstruktiven Ziel verpflichtet. Er ist erfolgreich, bekommt viel
Beifall und Zustimmung. Damit ist er ein Mitverursacher der
Atmosphäre des Übereinanderhetzens und der Verweigerung von
demokratischer Meinungsbildung/Gesprächskultur. Diese seine Haltung
führt nicht zum Besserem, sie nützt damit nichts, sie schadet. Dabei
ist die Demo, wenn sie die Einhaltung von Grundrechten einfordert
und Angemessenheit von Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona fordert,
richtig und wichtig.
Dienstag, 12.5.2020
Das Tagesmotto: Sport und Kochen.
Mittags in strahlender Sonne anderthalb Stunden am Tower vom
Sportpark, teilweise in Gesellschaft, aber die Quadratmetervorgabe
war eingehalten. Hat Spaß gemacht und wird Muskelkater. Dann ein
Wurzeltopf, Sellerie, Möhren und Kartoffeln, die Knolle war so groß,
muss ich morgen noch dran essen. Eine Leserunde, im Spiegel weiter,
dann das Ritual zum Nachmittag, also Kaffee und Kuchen und Lesen, da
ergab sich das Gefühl von lange rumgesessen, also bin ich auf die
Strecke über die Felder, 11 km in guter Zeit, an die 5 min ran.
Weiter war nix. Keine Aufreger, alles ruhig, Zeit für die Vorfreude
auf morgen.
Mittwoch, 13.5.2020
Die heutigen Nachrichten waren
hörenswert, so viele Lockerungen sind verkündet worden, da musste
ich zweimal lauschen. Wir versuchen zu einer Art Normalität
zurückzukehren, die anders sein wird als die, die wir hatten.
Abstand und Masken werden wohl dazugehören, beim Zusammensein, z. B.
beim Sport oder im Jonglierverein kommt es zu
Anwesenheitsregistraturen, da strahlt das Wort schon aus, wir sollen
dran denken, es ist noch nicht vorbei. Die Ungereimtheiten in den
länder- oder gemeindeverschiedenen Lockerungsübungen, da gab es
schon die 800 Quadratmeter Ladengröße und Autohäuser hier,
Möbelhäuser da, gehen weiter, und ich werde sie klaglos hinnehmen
und froh sein, dass ich das nicht beschließen und verantworten muss.
Auffällig fand ich in den letzten paar Tagen die Beschäftigung
der Medien mit den Verschwörungstheorien, ich war also nicht allein
damit, dass probiert wird, Vernunft unters Volk zu bringen.
Ehrenwerter Versuch. Ich befürchte, da ist nicht viel zu machen. Die
Menschen, die Bill Gates und die WHO nicht für die Verursacher der
Pandemie halten, brauchen die Belehrung nicht. Die anderen werden
wohl über die Gleichschaltung der Medien schimpfen und vielleicht
wieder Kamerateams verkloppen. Am Vormittag habe
ich meinen Sport unterbringen wollen, da war eine Regenlücke
verkündet. Ich habe eine knappe Stunde geschafft, teilweise schon
betröpfelt, musste dann abbrechen als auf meiner Matte Pfützen
entstanden. Mein Programm war nicht vollständig, aber als
Himmelskundiger hab ich das kommen sehen und die wichtigen Sachen
erledigt. Nachmittags war ich in der Stadt, hab mich mit einem
Kaffee, lesend im Innenhof vom Diözesanmuseum, ein schweres Wort,
zurückgezogen, das ist ein wunderbar lauschiges Plätzchen, sogar mit
überdachter Bank. Auf dem Rückweg bin ich noch am Bücherschrank
vorbei und fand ein paar Bücher zum probieren und einen Siegfried
Lenz, auf den freu ich mich.
Donnerstag,14
.5.2020
Mein Zettel war voller Aufgaben, und
bis auf einen Anruf, auf den ich keine Lust hatte, ist alles
vollbracht. Laufen bei kühlen 9 Grad, windig und dann von den Bäumen
tropfend, 11,5 km mit einigen Höhenmetern. Die ersten Maiglöckchen
blühen, sie sind schön und zart, ich hab schon drauf gewartet, sah
sie bei den letzten Läufen knospig. Nun ja, sie heißen nicht
ErsterMaiglöckchen und nicht AnfangMaiglöckchen, und damit sind sie
sehr rhythmussicher aufgetreten.
Beim Einkaufen, unter der Maske
beschlug mir immerwieder die Brille, hab mich trotzdem durchgefunden
und auch die Kasse erreicht. Dann war mein Papier- und Kartonbestand
zu reduzieren, an sich keine große Sache, aber ich habe Nachbarn und
Konkurrenten um die Papiertonne und muss sofort nach der Leerung
agieren. Hat geklappt. Beim Lesen bin ich gestrandet, Spiegel war
fertig, ich wollte in meinem angefangenen Buch weiter lesen, das
wurde, wie ich schon befürchtet hatte, immer belangloser und auch
grauslicher. Rain Man, der Roman zum Film, also nach dem Drehbuch.
Der Film hatte vor hundert Jahren einen guten Ruf, beim Buch hat es
nicht geklappt, es fand gleich mit in die Tonne. Am frühen Abend war
ich noch am Tower am Sportpark, allein, da hingen Schilder mit den
neuen Regeln, so richtig spaßig ist das noch nicht. Abstand, kein
Kontakt, nur 5 Leute, und ein Haftungsausschluss. Amtsdeutsch am
Sportplatz. Pünktlich zu Hause zum Livestreaming, das Kunstbüro
Stuttgart präsentierte Vincent Egerter, mit einer Performance,
Synthesizer und industrial noise ineinander geflust, mir hat es
gefallen. Auf YouTube findet man das unter dem Künstlernamen.
Montag, 18.5.2020
Hätte ich vorher gewusst, dass dies
hier so lange geht, hätte ich mich gehütet, so offensichtlich
nachzählbare Wiederholungen einzupflegen. Hätte das Frühjahr
genommen oder den Urlaub, oder das neue Handy. So muss ich
schreiben: Putz- und Haustag. Aber es war noch mehr. Die
Winterreifen kamen runter, da hatte ich einen Termin, und nun bin
ich das erste Mal im Leben mit Alufelgen unterwegs, das sieht schon
besser aus als die alten, rotzigen Stahlfelgen. Muss ich mich
konzentrieren beim Einparken. Nachdem alles wieder eingeräumt war,
bin ich losgelaufen. Eine schöne Runde über die Felder, Kiebingen,
dann am Neckar lang an beiden Baggerseen bis Hirschau und über
Wurmlingen zurück, macht 14,5 km. Interessant war, auf einem Feld
war der Bauer mit großem Gerät unterwegs. Darüber kreisten
mindestens 12, vielleicht auch 15 Milane, ich am laufen, der Bauer
fährt, die Milane fliegen, und ab und zu war einer unten, nicht
einfach, das zu zählen. Erst dachte ich, es wären zwei Sorten, ich
glaub aber, es waren Jungvögel dazwischen, die waren nicht so farbig
und kaum gegabelt am Schwanz. Weiß es jemand besser, bitte ich um
Rückmeldung. Nachmittags war noch ein Zahnarzttermin, ich war
verwundert, dass sie überhaupt arbeiten. Da hab ich es für dieses
Jahr erledigt, ich geh so ungern dahin. Und jetzt muss ich Text
liefern, drei Arbeitstage hatte ich eine Ausrede, heute muss es
sein. Die Lockerungen, Corona betreffend sollen nicht automatisch
hier beim Schreiben Lockerungen hervorrufen. Als ich durch die Stadt
heimlief, ging es an geöffneter Gastronomie entlang, überall saßen
Leute, bedient von Maskenträgern, in der Sonne und wirkten ziemlich
zufrieden. Da haben wir ein Zwischenziel erreicht. Mehrere
botanische Höhepunkte sollen nicht unter den Tisch fallen, es gab
Silbertaler in überzeugendem Lila, Ackerwachtelweizen in dichten
Horsten, wieder die Kartäusernelken und den Goldmohn, der ist so
schön orange, da muss ich immer stehenbleiben und schauen.
Nachtrag 7.6.: Der Lauftreffleiter von
Hirschau sagt, es waren keine Jungvögel, sondern schwarze Milane
unter den roten, oder umgedreht.
Dienstag,
19.5.2020
Die Entscheidung, wie ich in die
Zukunft schauen will, habe ich heute getroffen. Die Zukunft wird
nicht beängstigend, irgendwie wird sich Corona lösen und das Leben
kommt in Gang und die Wirtschaft auch. Ob das so gut ist, wenn wir
weitermachen wie vorher, weiß ich nicht, aber ich werde Teilhaber.
Genauer werde ich meine Wette auf die Zukunft nicht schildern, das
bleibt mir als Geheimnis. Es hat mich drei Stunden Arbeit gekostet,
in der Hauptsache ging es dabei um das Niederhalten letzter Zweifel.
Lustig fand ich meiinen heutigen Besuch beim Bäcker, ich wollte wie
in letzter Zeit immer alles mitnehmen, da wurde ich gefragt,
ob es zum hier essen sei. Ich dachte, es sei die Nachfrage aus alter
Gewohnheit, aber nein, ab heut, historisch, durfte im Sitzen und im
Dableiben verzehrt werden. Als ich da saß, bekam ich allerdings noch
ein Formular in die Hand, sollte eintragen, wer ich bin und wie ich
erreichbar bin, falls eine Infektionskette zu verfolgen wäre. Jetzt
hoffe ich mal, dass nix vorfällt, ob ich das in Zukunft so mitmachen
will, glaube ich nicht. Abends gabs noch den Sport hinterm
Sportpark, da war richtig Leben. die Volleyballplätze waren in
Betrieb, dahinter fuhren die Skater, niemand vom Ordnungsamt kreuzte
auf, es fühlte sich normal an, außer dass man nicht ins Studio rein
kann.
Mittwoch, 20.5.2020
Corona hat mich erreicht, nicht das
Virus, sondern die Auswirkung, vormittags ein Anruf, mein
Arbeitszeitmodell ließe sich so nicht halten, ab in die übliche
Schicht, verquickt mit Kurzarbeit. Ohje, alles Mist. Ich werd mich
dreinfügen, zumindest aus der Sicht von heute und die Geschichte
aussitzen. Das ist ein dürftiger Plan, aber erstmal fällt mir nichts
besseres ein, zum andern wäre das immer noch gut aushaltbar. Also
weiter. Damit im Kopf ging ich auf Strecke, ich wollte etwas langes
laufen. Unterwegs war mir die Sonne auf dem Asphalt unkomfortabel,
so bin ich abgebogen in den Wald und habe 18,5 km zusammengekriegt.
Botanische Höhepunkte: Weißwurz, sogar zwei Arten, Bach-Nelkenwurz
frisch erblüht und Vogelnestwurz, eine Pflanze die nicht grün ist,
fast kein Chlorophyll hat und als Schmarotzer lebt. Sie gehört zu
den Orchideen, ist im Vorjahreslaub auf dem Waldboden schwer zu
finden, da sie die Farbe alter Blätter hat. Sie braucht 9 Jahre bis
zur Blüte. Dazu gabs Beethoven, die Sechste und ein Klavierkonzert.
Nachmittags ein Besuch in der Tübinger Kunsthalle, eine
Notausstellung, eigentlich sollten die Expressionisten der
Kunsthalle Emden gezeigt werden, wegen Corona ging das nicht, eine
Gruppe Lunar Ring wollte mit Hilfe Künstlicher Intelligenz auf die
nicht gezeigten Bilder reagieren. Das fand ich missglückt, die neuen
Bildergebnisse hatten für mich keinen Mehrwert, es sah aus wie
verschiedene Angebote durch Photoshop, veränderte Farben, Kontraste,
dazu die Überblendungen von Bild zu Bild, die wirkten schon fast
blöde. Wir waren zu zweit da, haben uns Mühe gegeben und Zeit
gelassen beim Schauen und kamen beide zu diesem Ergebnis. Danach
waren wir in der schönen Umgebung, bis in den Botanischen Garten
spazieren, sind dann doch im Cafe der Kunsthalle gelandet und haben
die Sache, auch die letzten Lektüren und Ereignisse ausführlich
besprochen und hatten damit einen gelungenen Nachmittag.
Donnerstag, 21.5.2020
Feiertag, fauler Tag, Vatertag,
ChristiHimmelfahrt, früher in meinen jungen Jahren war das ein Sauf-
und Absturztag, wir sind mit dem Bollerwagen und allerhand zum
Leermachen losgezogen, das hat nicht immer gut geendet. Aber es war
üblich und nicht verpönt, wenn man abends besoffen wieder heimkam.
Irgendwie hat es sich geändert, heutzutage sieht man immer noch
kleine Horden fröhlich unterwegs, aber sind nicht mehr viele und
zumeist sind sie noch gut beieinander. Ich habe einen Freund
besucht, wir wollten schwätzen. Zum Thema Corona kommen seit ca zwei
Wochen die Verschwörungstheorien, da ist so viel unterwegs, kann man
lange reden. Nachmittags, abends habe ich es so faul zugehen
lassen, dass ich mich beinahe schäme, bin dann abends noch auf eine
Stadtrunde und am Bücherschrank lang losgezogen, da finde ich immer
was raus. Sonst gibt es nichts zu berichten, drum endet es hier.
Freitag,
22.5.2020
Sport am Vormittag am Turm, fast wäre
ich wieder in die Aufnahme für einen Videokurs reingetappt, aber ich
kenne das schon und hab die Kurve genommen und die Kamera gemieden.
Die erste halbe Stunde auf dem Hartplatz, Klimmzüge an einem
netzlosen Fußballtor, das ging alles gut, danach am Turm den Rest.
So kamen 90 Minuten zusammen, es war schwülwarm, ich hab geschwitzt,
als würde ich ernsthaft Sport machen. Eine kleine
Jonglierübungsrunde zum Abschluss, schnell heim, duschen, den
Wocheneinkauf, Mittag vom Chinesen, immer noch zum Mitnehmen, dann
immernoch schnell essen, auspacken und los. Ich hatte eine
Verabredung zum Kaffee, ein gepflegter Schwätz, ein toller Kuchen,
alles auf dem Balkon, wie Urlaub. Abends war mir nach Laufen, der
Kuchen wollte abgearbeitet werden. 10 km mit diesen schönen
Eindrücken:
Das war der erste Ausflug, Ausgang, ich
hatte sie vorher schwimmend gesehen, beim ersten Ausschwimm. Die
starten ziemlich fit ins Leben.
Im Vorbeilaufen, noch mitten in der Stadt
das weiße Waldvögelchen, es kommen nicht nur Füchse und Marder in
die Stadt.
Das schon draußen auf den Wiesen zwischen
den Feldern, der große Wiesenklappertopf. Der Name besagt, dass die
Samenstände sehr hartschalig werden und die Samenkörner darin
rumklappern, wenn es wackelt. Lebt als Halbschmarotzer von anderen
Pflanzen und wird deswegen auch Milchdieb genannt. Das sind doch
schöne Namen. Das letzte Bild hat eher mit der Trockenheit zu
tun, es hat schon wieder lange nicht geregnet. Zuerst führte das
Rohr ins Freie, nach den zwei Regentagen war der bleiche Rasen
wieder grün. Jetzt sollen die Tonnen voll laufen, bevor der Rasen
wieder die Farbe verliert, mal sehen, ob das klappt.
Samstag, 23.5.2020
Das hat geregnet, fast durchgängig,
auch viel, die Tonnen sind voll. Ich bin auf die Alb gefahren, um
mir das neue Arbeitszeitmodell erläutern zu lassen. Dabei hat sich
die Stimmung nicht entscheidend gebessert. Die Begründung ist
Corona, auf Grund des Auftragsrückgangs ist es nachvollziehbar. Die
Rechnung zielt aber auf grundsätzliche Abschaffung des alten
Modells, und sie arbeitet mit den Zahlen aus derzeit schlechter
Lage. Also gut, das nehm ich so hin, es wäre das dritte Mal in der
Zeit meiner Zugehörigkeit, die letzten Male wurde nach ungefähr
einem halben Jahr das langbewährte Modell wiedereingeführt. Putzig
sind dabei Erklärungen, die uns weismachen wollen, es wäre zu
unserem besten, auch die Hinweise auf Schwierigkeiten bei den
Genehmigungen für die bisherige Art zu arbeiten sind nicht
zielführend, als es der Firma nutzte, war davon nichts zu hören.
Ansonsten bemerke ich eine gewisse Dünnhäutigkeit, diese langwierige
seltsame Lebenspause macht die Verarbeitungstoleranz von solcherlei
zusätzlichen Veränderungen/Anforderungen geringer. Es ist noch lang
nicht bedrohlich, jedoch erfordert es zu diesen vielen
Unwägbarkeiten noch eine komplette Neueinrichtung aller Abläufe, mit
dieser Motivationslage wird das zerrig. Den Tag heute hab ich so vor
mich hin maulend vergehen lassen, wegen dem vielen Regen hatte ich
auch keine Lust auf Sport draußen, morgen wieder.
Sonntag, 24.5.2020
Es war gefährlich im Wald. Trotzdem
bin ich durchgekommen. Bis Ofterdingen und zurück, gab 21 km, damit
hab ich die Bilanz von gestern mit aufgehübscht. Beim Aufstieg traf
mich ein Kienäppel auf die Glatze, das gab richtig ein Geräusch, ich
hab mich erschrocken. War es Zufall oder saß oben ein Eichhörnle und
wollte was erleben? Fast war ich oben, da fand ich am Wegrand einen
Vogelnestwurz, ich hatte letztens schon versucht, ihn zu
fotografieren, da er aber dermaßen kontrastarm im alten Laub steht,
waren die Bilder schlecht, also das Laub war scharf und irgendwas
störte davor. Heute war das Exemplar schon ziemlich abgeblüht, ich
wollte noch mal probieren. Bin also in die Böschung geklettert und
mach die Bilder, da geht ein Gekrabbel los, ich war auf die
Ameisenhauptstraße geraten und musste die Flucht ergreifen. Es waren
große rote Waldameisen, ich bin umhergehopst, als hätte mich der
Veitstanz befallen, es ging ohne Biss ab. Die Bilder sind wieder
nicht so super geworden, naja, ich zeig`s mal.
Es waren richtig viele Radfahrer
unterwegs, ich kannte allerhand aus dem Studio, wir wollen uns
bewegen. Nach Pfingsten soll der Sportpark wieder aufmachen, mit
neuem Hygienekonzept, ob das schon der richtige Spaß wird?
Wahrscheinlich werden am Anfang sowieso nicht allzuviele Leute
kommen.
Montag, 25.5.2020
Vormittags eine Runde am Sportpark,
ganz allein am Turm, hab mein Programm durchgezogen, anderthalb
Stunden. Entweder war die Schwerkraft energisch oder ich bin fett
geworden, jedenfalls fand ich die Klimmzüge sehr schwer. Den ganzen
Rest auch, wird zu Muskelkater führen. Als ich fertig war, lief ich
meiner Lieblingsjogatrainerin übern Weg, da ging es freundlich wie
unter warmer Sonne zu, sie ist die Sonne. Sie gab mir beiläufig eine
Rückmeldung zu einem anderen Text auf dieser Seite, zum Gelben Sack.
Dass sich damit ihre Bewusstheit beim Einkaufen verändert hat. Das
fand ich mal ne schöne Durchsage. Beim Spiegellesen bin ich auf
eine Buchempfehlung gestoßen, hab ich mir beim Stadtgang gleich
gekauft: Maja Göpel - Unsere Welt neu denken. Sie kam vor im
Rezo-Video zur Zerstörung der CDU, auch danach hab ich von ihr kluge
Sätze gehört, so wird das meine nächste Lektüre. Ich berichte nach
Vollzug. Beim Radiohören kam ein Beitrag über die Sorge der
Bauern mit der Trockenheit, da ist auch allerhand im Umbruch.
Trockenresistente Sorten lösen allerdings das Problem des Klimas
nicht, vielleicht das des Bauern zeitweise.
Dienstag, 26.5.2020
Wenn man zu Lebzeiten im Paradies
reinschauen kann, gehört man zu den Glücklichen, wenn man dann noch
weiß, dass man da nicht bleiben kann, zählt man zu den Schlaueren,
verkraftet man das und schätzt die Gelegenheit, ist man ziemlich
stabil unterwegs. Das alles nehme ich zumindest heute für mich in
Anspruch. Ich habe einen Kollegen/Freund besucht und bekam eine
Gartenführung, die begann mit einem Abstieg vom Balkon über eine
Wendeltreppe bis auf den Rasen. Wachsen, Blühen, Summen, Zwitschern,
sogar ein paar Hühner gackerten. Dann saßen wir in einer Weinlaube
und redeten über den Lauf der Welt. Tatsächlich blieben wir nicht
bei Corona hängen, sondern gelangten zur Bedrohung, die uns lange
kümmern wird, dem Klimawandel und unserer persönlichen Rolle dabei.
Wir sind nicht sauber, wir wollen uns bemühen, wir merken, es ist
nicht einfach, unsere kleinen Schritte können da nur ein Anfang
sein. Nachmittags war ich zum Atelierbesuch in Kirchheim, eine
Runde rum schauen, immer neues, immer interessantes, da gehts oft
lustig zu, dazu schwätzen, wir brauchen nicht immer die große Welt
besprechen, weil wir uns lange kennen und regelmäßig sehen, geht es
wohltuend persönlich zu. Eine andere Art Paradies. Laufen stand
auf meinem Zettel, da hatte ich keine Lust mehr, meine Ausrede war,
es war nur noch eine Stunde Zeit bis zum Sonnenuntergang. Gute
Lösung, hab ich mir beruhigt den Text vorgenommen, es
wurde
auch dunkel, aber da kann ich was machen.
Mittwoch, 27.5.2020
Paradiesähnlich ging es zu, vormittags
war ich am Sportparkturm, zwei Stunden bodyweight training, das war
richtig anstrengend, aber auf den Ohren hatte ich Musik von Keith
Jarrett, zwei Konzertmitschnitte, Wien und Paris. Was er da macht am
Piano, ist unglaublich, eigentlich unmöglich. Er improvisiert sich
hinein, entwickelt nach und nach verschiedene Figuren, lässt sie
sich entfalten, hebt mit der anderen Hand was unter, mal einen
Rhythmus, mal eine hinterherschlappende Figur, das immer wieder mit
großen Spannungsbögen, dann mal geschwind ins Chaos oder er lässt es
sterben und neu erblühen, und es behält über zwanzig, fünfundzwanzig
Minuten den Sog. Natürlich muss er nicht alles neu entwickeln, er
hat ja alles verfügbar, er kann Klassik und Jazz, trotzdem wirkt
jedes Konzert, das auf uns kam, wie eine Komposition von höchster
Güte, Durchdachtheit, als wäre ein Plan da, er ist ein Magier.
Dieser Tage 75 geworden. Wenn das dann endet, ist es
wie Aufwachen. Runtastic errechnet aus der Trainingszeit und
-disziplin und aus meinem Gewicht einen Kalorienverbrauch, wie auch
immer, ich muss da nicht angeben, was ich mache, das ergab also 1043
kcal. Da ich abends noch laufen war, meine übliche kurze Runde,
knapp 10 km, kam noch ein Verbrauch von 717 kcal zustande, so dass
ich ca 800 kcal zur Verfügung hatte für alle restlichen Funktionen.
Solche Abläufe hab ich ja öfters, eigentlich dürfte ich auf Grund
der langfistig so verbratenen Kalorien nicht mehr vorhanden sein.
Irgendwo ist die Rechnung wackelig. Der Lauf war schön, mit
Abendsonne, wenn die Flockenblume flache Sonne kriegt, fängt sie an
zu funkeln. Am Waldrand wurde ich aus vollem Auto enthusiastisch
gegrüßt, ich hab nicht erkannt, von wem, tippe auf Sportkollegen, da
war mir mein in der Welt sein ganz klar.
Donnerstag, 28.5.2020
Kein Sport, dafür eine kleine Reise.
Bin nach Bayern gefahren, zwischen die sieben Berge, da lebt mein
Sohn mit seiner Familie. Bisher kannte ich nur die Hälfte. Die
beiden Kinder sind schon über drei Monate da, ganz am Anfang war
noch bissle Klinikzeit, danach kam Corona. Man wäre noch nicht mal
reingekommen ins Söderland. Jetzt gibt es ab morgen wieder
Hotelübernachtungen, die Lockerungen sind auch hier angekommen. Wie
auch immer, ich hab mich gefreut drauf und heute konnte ich mich als
ein Großvater vorstellen. Mit so kleinen Menschlein hatte ich lange
nicht zu tun, und musste erst meine Ängstlichkeit überwinden, wie
ich sie anfassen kann. Dann hatte ich erst eins und dann das andere
zu Hutschern auf dem Arm, meine Hände wussten schnell wieder, wie es
geht. Herrlich, wenn die Entspannung, der Schlaf kommt, ein Arm
fällt, das Geschniefel wird gleichmäßig. So mach ich in den nächsten
Tagen eine Einführung zum Großvater, da kann der Sport mal warten.
Freitag,
29.5.2020
Auf dem Weg zum Familienmenschen, da
brauch ich nicht mal trainieren, ok, ein bisschen üben muss ich
wohl, das Fläschchengeben war das erste Mal seit ca 30 Jahren. Es
fand sich schnell alles wieder, und wenn mich so ein kleines
Menschlein mit einem Grienen belohnt, wird die Welt ziemlich schön.
Beim Stadtgang ging ich als der Zwillingsvater durch, nun ja, ich
habs nicht aufgeklärt. Beim Einchecken in mein Hotel hab ich mir
die Coronaregeln anhören müssen, es ging sehr freundlich und ein
bisschen lässig zu und auch souverän, der Verweis, welche Regeln
morgen erklärt werden müssen, des müsse mir abwarten.
Frühstücksbuffet ist mit Maske und Handschuhen beim ausfassen, dann
aber weiter wie normale Menschen. An der Rezeption herrscht
Erleichterung, dass überhaupt wieder angefangen werden kann mit
einer Art Betrieb. Im Park als Höhepunkt Tulpenbäume in voller
Blüte und asiatischer Blumenhartriegel.
Samstag, 30.5.2020
Das Frühstück in diesem Hotel ist
sagenhaft, da kann ich Maske und Handschuhe ausblenden. Es gibt von
allem, was ich mir je vorstellen kann. Frisch geschnippeltes Gemüse,
Paprika Möhren Tomaten, Gurken, Obstsalat, frisch und saisonal, Käse
in vielen Sorten, ca 12 verschiedene Marmeladen, Wurst und Fisch und
Müsli, Brot und Brötchen, Kleingebäck und Desserts in winzigen
Portionen, man kann sich durchprobieren. Das serviert von zwei sehr
gediegen freundlichen jungen Frauen, die jeden Wunsch aus den
Gedanken lesen können. Ich hab´s genossen. Eine Wanderung, zwei
Kerls und zwei Kinder, die Mutter hat freibekommen. An der Salach
den Gänsesäger gesehen, also Salach heißt der Fluss hier, Gänsesäger
ist eine Entenart, die sich von Fischen ernährt. Das Zweiblatt
gezeigt bekommen, eine hier vorkommende, nicht mal seltene Orchidee.
Weit gelaufen, bis der Kleine Hunger bekam, aber es war alles
vorbereitet, das Fläschle war warm, ich war der Handlanger, der Papa
kam klar. Dann alles wieder zurück im Sauseschritt, wegen
Regenwolken und drohendem Hunger des zweiten Kindes, da hätten wir
alt ausgesehen. Trocken und ohne Drama zu Hause angekommen, die
Mutter war da, auch zufrieden. Am Nachmittag mit den beiden Kleinen
immer wieder gehutschert und mit hinreißendem Lächeln oder Gurren
belohnt worden und sogar Zeit gehabt für gediegenes Mittag- und
Abendessen, alles stressfrei. Auf meinem Zettel stand Laufen, ich
hab´s verschoben.
Sonntag, 31.5.2020
Der heilige Geist ist nicht über mich
gekommen, sondern ich hab das neue Video von Rezo "Die Zerstörung
der Presse" gesehen. Er nutzt seine Reichweite, um der Presse die
Leviten zu lesen, er macht das gekonnt wie auch bei seinem
CDU-Video. Erreicht er die Beschimpften? Das vielleicht nicht,
trotzdem gräbt er ihnen zumindest einen Teil des Wasser ab. Ich
finde gut, was er da verkündet, das Thema ist trocken, er macht sich
viel Arbeit, und viele werden es sich anschauen. Gerade zur Hochzeit
von Verschwörungskacke, und zu Coronazeiten bin ich froh über eine
solche reichweitenstarke Stimme der Vernunft. Ich bin dieser Tage
weiter ein Großvateranfänger und lass mich von den Kleinen
vollständig um den Finger wickeln. Ein Ausflug, weiter noch als
gestern ist wieder geglückt, die Versorgung unterwegs hat geklappt.
Nebenher fanden wir Beinwell und gelben Eisenhut und
Sumpf-Gilbweiderich blühend, viele Zweiblätter und auch endlich
einen frisch erblühten Vogelnestwurz, von dem sogar ein Bild
halbwegs gelungen ist. Daheim hatte ich erst ein Kind und dann das
andere zu bespielen, Fläschchen geben funktioniert ganz gut. Und
wenn irgendein Kummer da ist, ein Pubs klemmt, oder was immer da
sein kann, fühl ich mich recht nützlich. Es rührt immer und sofort
an mein Herz. Für Sport hatte ich wieder keine Zeit.
Der Junitext:
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