Ansonsten war ein Waldspaziergang mit einem Freund angesagt, zur
Heimkollervermeidung. Wir sind ein bisschen gelaufen, haben viel
geredet, das, was sonst normal ist, wurde heute zum hohen Ausschlag
der Amplitude meines Daseins als soziales Wesen.
Nachmittags
während des Sporttreibens am Turm trat die Polizei auf, verjagte
freundlich bestimmt alle sieben Menschen, die sich auf dem
weitläufigen Gelände aufhielten, es seien öffentliche Sportstätten,
es sei verboten, auch allein, ich habe nachgefragt, alles untersagt.
Joggen auf der Finnbahn dürfe man, einzeln und mit Abstand. Jetzt
muss ich mir neue Möglichkeiten ausdenken, irgend ein stabiler Ast
für ein paar Klimmzüge wird sich finden.
Beim Joggen hatte ich mir zwei Aufgaben gestellt, zum einen sollte
es vorwärtsgehen, zum anderen hieß es Augen auf, um nach Ersatz für
den nun verbotenen Sportplatz zu suchen. Es war schnell erledigt, an
der ebenfalls geschlossenen Forstfachschule gibt es die Möglichkeit,
Klimmzüge und Dips zu erledigen, wenn ich die Barrengriffe mitnehme.
Die Anlage liegt wie vergessen vorm Wald, kaum ein Mensch kommt da
lang, mal jemand mit Hund, mal ein Jogger. Das sollte gehen. In
kluger Voraussicht habe ich mir, als die Schließung der Studios
aktuell wurde, ein paar verschiedene Gummis gekauft, mit denen ich
dort rumtoben kann.
Rot bietet 45 kg Widerstand, gelb 25 kg, die drei kleinen sind zum
Warmmachen gut. Ab morgen probier ich das aus.
Beim Laufen kamen
so 11 km zusammen, ich hab einen neuen Weg probiert. Es wäre überall
schön gewesen, der Wald duftet, es blüht und die Bienen sind am
Werk. Auf den Ohren hatte ich den Messias von Händel, den ersten
Teil halt, der geht ja fast drei Stunden. Mir gefällt u. a. die
Eleganz seiner Musik, ich habe auch eine wundervolle Aufführung
erwischt mit sagenhaften Singstimmen. Das trägt mich dann nach
Hause.
Mittags brauchte ich nicht kochen, es gab den Rest Suppe
von gestern, mal sehen, wie lange ich meine Eintopfküche aushalte.
Dafür bin ich nachmittags raus, hab mir unterwegs Kuchen und Kaffee
geholt und
mich
an den Neckar in die Sonne gesetzt. Es gefällt mir nicht richtig,
den Kuchen aus der Tüte zu mampfen, auch Kaffee im Pappbecher ist
nicht meine erste Wahl, sind eben Coronazeiten.
Freitag, 3.4.2020
Es wäre ein Spätschichtarbeitstag gewesen, dieses Wochenende ist für
mich komplett abgesagt, Pause bei der Arbeit, Pause im Leben. die
Stimmung war am Anfang, als alles nach und nach zu machte,
schlechter als jetzt, anscheinend kann ich mich einrichten. Tu ich
so, als wäre ich ein Schriftsteller und als wäre das eine wichtige
Arbeit, diesen Text zu machen. Tu ich so, als würde mein vieler
Sport zu etwas führen. Erste Runde an der Forstschule: Wenige
Menschen müssen anscheinend in ihren Büros arbeiten und in
Werkstätten, manch trugen was von hier nach da, das kann man nicht
virtuell erledigen. Niemand wollte mich vertreiben. Ich habe mehrere
Provisorien ausprobiert, um Klimmzüge zu machen, an den
verschiedenen Balken und Trägern taten die Hände verschieden weh,
oder ich konnte es kaum halten am großen Vierkant. Zwischen den
Übungen bin ich forschend über das Gelände, fand noch Möglichkeiten,
konnte ein paar Latten zeitweise zweckentfremden, sogar mit dem
Einverständnis einer Bürodame, die mich bei der Entnahme erwischte.
So dass ich richtige Dips zwischen Fahrradabstellrahmen machen kann.
Hoffentlich reicht mir das bis zum Ende dieses seltsamen Zustandes.
Außerdem war ich nachmittags ein Besucher, hab in netter
Gesellschaft Kaffee getrunken und wir haben uns unsere
Verwunderungen über die Weltenläufe erläutert.
Samstag, 4.4.2020
Normalerweise ein Arbeitstag, hätte ich vor zwei Wochen nicht
gedacht, das mir was fehlen würde. Nicht, das meine Arbeit
sonderlich sinnstiftend wäre, sie gibt trotzdem Struktur in sonst
eher lässige Abläufe, und wenn sie nicht stattfindet, geht es noch
lässiger zu. Zumal man sich nix vornehmen kann wie im Leben vor
Corona. Ich erlaube mir also ein Träumerlestündchen, schlafe oder
döse länger und wundere mich dann jeden Morgen, was mein Kopf für
Unfug produzieren kann. Es sind merkwürdige Bedrängnisse der Art,
dass ich einen Zug nicht erreiche trotz aller Mühen, oder dass das
Geld nicht reicht zum Bezahlen, obwohl ich es gezählt habe. Nun ja,
ich glaub nicht, dass ich mich davon ins Bockshorn jagen lassen
muss, denke, wenn ich zur rechten Zeit aufstünde, wäre dieser Zauber
erledigt. Belustigend finde ich meinen Zustand dabei, so halbwach,
dadurch schon im Klaren, es träumt mir, passiert nicht bedrohlich
real. Eine unerwartete Corona-Erfahrung.
Nachdem mein gemütliches
Morgenritual durch war, da ist schon eine Lesestunde enthalten, war
ein Läufchen dran. Wackere 13 km durch ein schönes Tal hinauf in den
Wald, mich am Huflattich gefreut, auch einem Zaunkönig ins Auge
geschaut, runterzu heimwärts Gas gegeben. Das erste Mal dieses Jahr
in kurzen Hosen, es waren sonnige 13 Grad. Ein Konzert auf den
Ohren, Bob Dylan, noch gar nicht so lange her, er nuschelt gekonnt
seins runter, allerdings gibt es dann einen Gastauftritt von Norah
Jones, sie steigt mit ihrer jugendfrischen, ausdrucksstarken Stimme
ein und lässt den Bob so alt aussehen, wie er tatsächlich ist.
Sonntag, 5.4.2020
Der Frühling war überzeugend heute, und es waren ganz viele Menschen
draußen unterwegs. Fast wirkte es, als wären wieder normale Zeiten,
nur die Kontrollgänge durch Ordnungsamt und Polizei zeigten, wir
sind noch in der Ausnahme. Ich war oben an der Forstschule,
anderthalb Stunden, ganz allein und ungestört, die Radfahrer und
Spaziergänger fanden mich aus gewisser Entfernung sicher wunderlich.
Die Gummis sind gut, mir fallen immer mehr Übungen ein, bzw. ich
kann sie bei Liegestützen, Kniebeugen erschwerend dazunehmen, und
schon komm ich ins Schwitzen. Ansonsten war Lesezeit. "Die letzten
Tage von Pompeji" hab ich ausgelesen, ich hatte es angewählt, weil
es unter dem Label Meisterwerke der Weltliteratur erschien, das war
eher eine Marketingkategorie. War froh, als ich zum nächsten Buch
langen durfte, da verspreche ich mir mehr davon. Salman Rushdie,
sein erster Roman "Grimus", die ersten hundert Seiten, es fängt bunt
schillernd und lustvoll fabulierend an.
Stadtgang nachmittags,
ich wollte einen Kaffee trinken, wenigstens draußen sein, eine
Riesenschlange bis nach draußen erst am Bäcker, dann genauso an der
Tankstelle, ich bin zur nächsten gelaufen, da ging es dann. Es gab kein
einziges süßes Stückle mehr, so hab ich zu Hause die Pfanne
angeworfen und mir zwei Eierkuchen gemacht, mit ein bisschen Nutella
drauf war es ein guter Ersatz.
Morgen fängt die dritte Woche
Ausnahmezustand an, ich warte auf Lockerungen, man kann doch nicht
aufhören zu leben, um am Leben zu bleiben. Das ist jetzt polemisch,
zu kurz gefasst und zu allgemein, es soll ja auch nur ausdrücken,
ich bin in einen Rahmen gezwängt, der gefällt mir nicht und ich wüte
zeitweise darin umher. Es scheint geklappt zu haben, dass die
Krankenhäuser mit dem verlangsamten Verlauf klarkommen, und das war
bestimmt richtig bis hier, es steht trotzdem die Frage, es stand
schon vor einer Woche die Frage auf dem Spiegeltitel: Wie kommen wir
hier wieder raus?
Montag, 6.4.2020
Putztag. Hab ich erledigt. Wenn ich das hier hin schreibe, fällt mir
ein, wie berechenbar mein kleines Leben durch so einen Text wird.
Vor 14 Tagen hab ich auch vom Putzen geschrieben, das ist, ich
bekenne es hier, der Rhythmus. Hab ich meinen Datenschutz verletzt?
Ist das gar zu intim, was ich hier berichte? Ob es jemand prüft in
14 Tagen, ob das Putzen dann wieder vorkommt? Glaube es nicht,
selbst wenn, könnte ich es aushalten. Da schreib ich, um noch was zu
berichten, von meinem Lauf. Das ist genauso öffentlich, wenn ich es
hier schreibe, wenn ich runtastic benutze, sowieso. Wer weiß schon,
wer alles an die Handydaten rankäme. Zum Glück ist mein Leben so
uninteressant, das ich denjenigen, der da sammeln soll, eher
bedauern würde.
Beim Laufen, es kamen 11 km zusammen, habe ich
wieder eine neue Strecke ausprobiert, bei den Höhenmetern kam ich
ordentlich ins hecheln. Da ich unten wohne, fange ich immer bergauf
an, die Belohnung ist dann der Heimweg. Wieder zu Hause, auf dem Hof
saßen meine Nachbarn in der Sonne. Erst musste ich sagen, wo ich
war, dann erzählten sie von türkischen Nachrichten, auch Corona und
ganz schlechte Verhältnisse, die Versorgung klappt nicht, den Leuten
geht das Geld aus. Sie machen sich Sorgen um die Zukunft dort, haben
Angst vor Bürgerkrieg. Von hiesigen Quarantänenachbarn war die Rede,
es rückt näher.
Dienstag, 7.4.2020
Ein gutes Programm hab ich mir ausgedacht für die Forstschule, ein
Ganzkörperworkout, und hab ganz routiniert, als wäre es mein
Sportstudio, losgelegt. Hinter einzelnen Fenstern saßen einzelne
Menschen vor Bildschirmen, was die wohl beim Rausschauen gedacht
haben. Nach anderthalb Stunden war ich durch, da war noch Zeit, um
mit den Bällen zu üben, das Jonglieren soll nicht einschlafen. Da
kam dann sogar jemand rangeradelt, hat mich von Weitem erkannt wegen
der Bälle. Hab ich seine Kinder in gehörigem Sicherheitsabstand
kennengelernt.
Viel Zeit verging am Rechner, ich versuche grad,
eine sinnvolle Dateisicherung zu erarbeiten, nach einem Jahr hat
sich unglaublich viel angesammelt. Zeitaufwändig ist das Sortieren,
was kann weg, was soll bleiben, bei Fotos geht das schnell, dafür
sind es viele. Bei Videos und Sprachnachrichten muss ich das erst
laufen lassen, wenn ich da durch eine Abteilung durch bin, hab ich
keine Lust mehr, das sind dann Etappenziele. An solch einem Punkt
kommt es zum Stadtgang mit Bäckerbesuch, heute hab ich mir ein
schattiges Plätzchen gesucht, eine Bank vor einer Hecke, umschwirrt
von Spatzen, die räumten sofort meine Kuchenkrümel weg.
Ausführliche Nachrichten auf SWR2 gehört, die Situation entspannt
sich noch nicht, wobei ich gut finde, dass die Forderungen nach
punktuellen Lockerungen hörbarer werden.
Mittwoch, 8.4.2020
Der Lauf führte einmal ums Städtle herum, fast, 11 km reichten für
eine Nordumkreisung. Es war eine neue Variante, mir ist zu viel
Stadtquerung dabei, es ist mir unangenehm, wie die mir begegnenden
Fußgänger von mir abrücken, als wäre ich gefährlich. Der Lauf an
sich war schön, an vielen blühenden Vorgärten vorbei, die
verschiedenen Frühlingsdüfte erschnuppernd.
Nachmittags hörte ich
auf SWR2 einen Bericht über einen Spargelhof und die neuen
Erntehelfer. Der Bauer sprach gut, beinahe liebevoll, von den
ungelernten Freiwilligen, die die sonst arbeitenden Rumänen
ersetzen. Es war kein Wort zu hören über die angeblich faulen
Deutschen, kaum jemand hätte aufgegeben, es seien viele
Gastronomiekräfte drunter, die froh um den Verdienst wären, da ihrer
grad ausfällt. Ich fand es sehr interessant.
Donnerstag, 9.4.2020
Das Programm an der Forstschule fühlte sich an wie Urlaub, es war
warm, die Sonne schien, wenige Menschen arbeiteten, zu sehen war
eigentlich nur der Hausmeister im Gelände. Ich werde nicht schon
wieder beschreiben, was ich trainiert habe, heute gab es bei den
Liegestützen, da ist die Nase dichter am Boden als sonst, einen
neuen Einblick. Die Feuerwanzen kümmerten sich vor meinen Augen um
ihren Bestand. Das erregte mich nicht auf die pornografische Art,
sondern die Beiläufigkeit, mit der sie ihre Hinterteile
zusammenstecken, oder was auch immer, fand ich lustig. Dabei laufen
sie als verkoppelte Paare, ich weiß nicht, zu welchem Ziel,
jedenfalls läuft der vordere vorwärts, der hintere muss anscheinend
mit und beherrscht den Rückwärtsgang. Das ist kein Gestolper und
Gezerre, das geht so, als würde die eine Hälfte der Feuerwanzen
immer vorwärts und dann eben jede zweite immer rückwärts laufen.
Bestimmt sind es die Weibchen, die das größere Hirn haben, die die
zweite Gangart und auch die Aufzucht der Kleinen beherrschen,
während das Männchen nur suchen muss. Vielleicht wählen die ihre
Mädels nach der Schönheit des Gangbildes. Ich weiß gar nicht, ob das
schon erforscht ist, wir hatten hier im Text schon von einer
Ameisenforscherin gehört. Gibt es Feuerwanzenprofessoren?
Sonst, es geht auf Ostern zu, ich muss auch dieses kommende
Wochenende nicht arbeiten, in den Nachrichten werden die
wirtschaftlichen Schäden benannt, die man befürchtet. Die Zahlen
werden immer ungeheuerlicher, es war eh Flaute vor dem Stillstand,
die parallel gesetzten Ereignisse aus der Geschichte werden benannt,
ohne dass man noch Steigerungsmöglichkeiten hat. Nicht mehr nach dem
Krieg, jetzt ist die Rede von der "Großen Depression" von 1929.
Freitag, 10.4.2020
Mein Lauf führte ein Stück weit durch Wohngebiete, ich hatte Lust
auf Vorgärten und Tulpenschau. Was mir auffiel, waren die vielen
Huppekästel. Ist das jetzt ein Begriff, den man kennt? Der kommt
wohl aus dem Sachsen meiner Kindertage. Wenn ich google, lande ich
bei Hickelkasten, das hab ich noch nie gehört. Ich kenn es noch
unter Himmel und Hölle. Es ist ein Hüpfspiel für Kinder, man
braucht eine Kreidezeichnung auf dem Asphalt der Spielstraße. Die
Regeln sind bei Wikipedia erklärt, die hab ich wiedererkannt.
Jedenfalls ist mein Eindruck, das durch die lange ZuHauseZeit die
Eltern ihren Kindern ein Spielangebot machen, das in Konkurrenz zum
Bildschirm fast verschwunden war.
Das Büßen und Beten fand heute
recht privat statt, überall waren die Aushänge mit den Hinweisen auf
die Gottesdienste im Netz. Ich wurde dadurch erinnert an meine alten
Schwiegereltern, die beim Ostersegen des Papstes so fromm, wie es
nur ging, vorm Fernseher hockten. Ich sollte mit dabei sitzen und
kam nicht klar, nun ja, ist lange her.
Samstag, 11.4.2020
Herausragendes Ereignis heute war der Fund eines alten,
weggeworfenen Wasserrohrsegments an der Forstschule. Dieses Rohr
kann ich anstatt der Hölzer in die Feuerwehrtreppe einlegen und
Klimmzüge machen, ohne von der mangelnden Griffkraft der Finger
ausgebremst zu werden. Meine Hände erkannten das Gefühl an der
Stange im Studio wieder, fühlten sich wohl und erwiesen mir ihre
Dankbarkeit für so viel Fürsorge, so dass die doppelte Anzahl
Klimmzüge zustande kam. Bei den Liegestützen wieder eine Vorführung
der Feuerwanzen, ein paar von ihnen hatten eine viel größere graue
Wanze auf den Rücken gelegt und nährten sich an ihr. So zumindest
meine Vermutung, es sah nicht aus wie Liebespiel. Ich hab mal
reingepustet in die Gruppe, die roten sind abgehauen, bei den
nächsten Liegestützen waren sie wieder da. Vielleicht werde ich,
wenn das Auswärtstraining länger geht, zum
Feuerwanzensachverständigen.
Ein Punkt auf meiner Tagesliste war,
Kuchen für die zwei Schließtage zu organisieren. Ich bin zu Fuß zum
Aldi, hatte mir so eine Blätterteigrolle mit Quarkfüllung aus der
Kühltruhe vorgestellt. Gab es, sogar zwei Sorten, da hab ich glatt
vergessen, dass es nur um zwei Tage geht, mir ist der viele Platz in
meinem Frostfach eingefallen, und schon hab ich doppelt Vorfreude.
Sonntag, 12.4.2020
Sonntags, wenn ich frei habe, laufe ich gern mit der Hirschauer
Gruppe, mal in Gesellschaft, ein bisschen schwätzend oder zuhörend.
Geht grad nicht. So hab ich mir eine Strecke vorgenommen, auf der
ich so schon unterwegs war, es ging an Unterjesingen und Pfäffingen
entlang, ca 14 km waren es am Ende. Folgende Zeichen waren auf
meinem Weg zu finden:
Dies gab es in mehreren Varianten mit und ohne Kaugummi, auch noch
mit einem Halleluja hintendran. Ich weiß, warum es da steht.
Auch davon gab es mehrere Fundstellen, ich weiß nicht, warum.
Beides hat mich nicht übermäßig beschäftigt, zumal der Frühling
schön ist und ich gute Musik auf den Ohren hatte. Wer kennt schon
Matana Roberts` Coin Coin, eine Art Jazzoratorium von 2011. Sie
singt und spielt Saxofon, beides gekonnt, ihre Texte artikuliert sie
filigran zierlich kraftvoll klar, in Teilen so suggestiv in
mein Hirn dringend, das ich fast vergaß. Ihr Sax röhrte mich wieder
in die Gegenwart. Alles sehr komplex mit den anderen Singstimmen und
Rezitationen eingemischt, faszinierend.
In der Küche hatte ich
frei, da ich mich gestern gekümmert hatte. Mittags gabs
Dinkelgrießsüppchen mit Möhren für die Farbigkeit und
Petersilienwurzeln für den Geschmack. Heute noch besser als gestern.
Auch mein Aldikuchen hat funktioniert und gemundet, und reicht für
morgen.
Drumrum Lesezeit, Grimus war gestern fertig, Rushdie
erschafft eine Welt und erzählt über uns Menschen. Die gestaltet er
so verzwickt fabelhaft, dass ihm nix anderes übrigbleibt, sie am
Ende wieder zu kassieren. Das erledigt er sehr elegant, ein
Lesespaß. Weiter geht es mit dem Pfingstwunder von Lewitscharoff.
Nach den ersten Seiten: Ihr Ich-Erzähler ist ein Mann, ich denke, er
erzählt wie eine Frau. Ich glaub ihr den Kerle nicht. Trotzdem fängt
der Roman vielversprechend an, macht mich neugierig, wie sie ihr
Pfingstwunder auflöst.
Montag, 13.4.2020
Auch in meinem ritualfernen Haushalt ist Ostern geworden, mit viel
Mühe hab ich die Eier so gefärbt, dass sie sogar im Dunkeln
leuchten. Am kompliziertesten war es, die Dinger weiß zu kriegen.
Außerdem konnte ich nach dieser Aufregung und vor dem Schreiben grad
noch bissle Forstschulsport hineinquetschen, bevor es anfing einen
Regenwind zu geben. Ein mittelalter Rottenburger, vom sehen kenne
ich ihn, kam herbeigeradelt, packte seine Inlines aus und fragte mich, ob er bißchen
auf der Asphaltfläche üben dürfe. Da hab ich mich gefreut, großzügig die Erlaubnis
erteilen zu können. Nach dem er eine Zeit lang probiert hat, ich hab
derweil meins angefangen, kam er zu mir und wollte erzählen. Er
sprach über seine Vergangenheit, seine Herkunft, seine Freunde,
seine Vorhaben, ich glaub, es leiden noch mehr Menschen unter der
Isolierung daheim. Ich fand es interessant, er hat das alles
gut
geschildert.
Dienstag, 14.4.2020
Es ist kühl geworden, aber die Sonne schien, Laufwetter. Ich bin am
Neckar entlang Richtung Niedernau, bis fast nach Obernau gekommen,
dieselbe Strecke zurück, ergab etwas über 10 km. Der Weg geht sachte
hoch und runter, viel Grün auf den Wiesen und Feldern, schöne
Ansichten.
Das ist jetzt ein Bild vom letzten Lauf, man sieht die Wurmlinger
Kapelle, so unter Blüten ging es heute auch durch. Fast wäre es,
nach der Osterkreideaufschrift und auch meiner Pfingstwunderlektüre
zu Michels Himmelfahrt gekommen, ich bin im letzten Moment
abgebogen.
Nachmittags war ich in der Stadt, musste Brot kaufen, lag es an der
Temperatur, oder den vielen geschlossenen Geschäften, es war fast
einsam. Keine Menschen. Alle brav zu Hause? Ich bin gespannt, was
mir meine Regierung morgen ankündigt, irgendwelche Exitregeln, im
Moment fahren wir ungetestet dem wirtschaftlichen Kollaps entgegen,
wollen wir das?
Mittwoch, 15.4.2020
Sportfreier Tag, nicht gelaufen, keinen Klimmzug gemacht, nur auf
dem Arsch gesessen oder auf den Füßen gestanden. Mein Gewissen?
Gaaanz ruhig. Dafür gab es zu lesen, das Pfingstwunder schürt
Vorfreude und Spannung, fast mit nichts, also mit einem Ereignis,
sie sagt Vorkommnis, in Aussicht gestellt und vom Leser von
vornherein bezweifelt, aber die Neugier ist wach, was macht sie am
Ende damit. Dazu kam ein Ausstellungsbesuch. Wie das zu
Corona-Zeiten? Die Ausstellung hängt hinter verschlossener Tür, ich
kenne jemanden, der jemanden kennt, der den Schlüssel hat. Wir haben
uns, zu zweit, den Vorschriften entsprechend, verabredet und uns in
Nürtingen getroffen. Im dortigen Kunstverein stellt Melanie Grocki
Zeichnung und Bodenzeichnung, für diesen Raum konzipiert, aus, auf
der Webseite vom Kunstverein ist es beschrieben. Schon beim
Reinkommen wird überzeugend Aufmerksamkeit eingefordert, man
will die Kreidekreise nicht zerstören, will nicht stolpern, aus den
aus voriger Nutzung vorhandenen Bodenlöchern ragen Schrauben und
Gewindespindeln hoch, drumrum die großen und kleinen Kreise und
Ellipsen. Nicht stupide zugemalt, sondern schöne Häufungen. Eine
verwandte Spielart die Zeichnungen auf Papier, von den kleineren
farbigen war ich sehr angetan, da beherrscht jemand seine Sache.
Danach gab es einen Stadtgang unter duftender Zierkirsche und am
Neckar entlang, fast wie Urlaub und normales Leben. Beim Heimfahren
die Nachrichten haben allerdings schnell klargestellt, das geht noch
länger so, das muss ich mir später noch genauer reinziehen.
Donnerstag, 16.4.2020
Einen wunderschönen Lauf hab ich hingekriegt, ich bin mit Lust auf
die Strecke gegangen, von mir zu Hause in den Rammert hoch, an der
Dünnbachhütte vorbei Richtung Ofterdingen bis zum Abzweig ins
Bühlertal, dann über Kiebingen zurück, ergab 15 km. Musik kam von
den Dire Straits, ein Konzertmitschnitt. Gut gelaunte, gut gemachte
Musik mit Knopflers Wohlfühlgitarre, er inszeniert sich sehr wirksam
und vielfältig, lässt aber auch die anderen in der Band zu Wort
kommen. Sie spielen richtige Ohrwürmer, sehr süffig, da geht es mir
richtig gut dabei, das ist ein bewusster schon fast sich körperlich
manifestierender Genuss.
Zum Mittagessen bin ich zu meinem
Lieblingschinesen gegangen, der kann das schneller als ich
zubereiten, hab ich es in der Verpackung mitgenommen, mich auf eine
Bank am Neckar in die Sonne gesetzt und das Müllproblem ignoriert.
Die Nachrichtenlage ist ja auf weiter so gestellt, zwei Wochen und
dann eventuell Lockerungen. Keine Testreihen in Sicht. Durchseuchung
ist unklar, immer mal wieder kommt die Meldung von einem Altersheim,
das komplett durchinfiziert ist. Wie soll man es auch verhindern?
Die Verlangsamung ist das einzige Argument zur Rechtferigung des
Stillstandes, so rettet man unseren alten Menschen Monate oder
Wochen an Lebenszeit. Die Meldungen eines Pathologen, der
Coronaopfer untersucht hat, relativieren den Opferstatus, er benennt
den Anteil der Coronainfektion an der Todesursache in
Prozentangaben, die Zahlen seien gering. Eine Nachricht unter
vielen.
Freitag, 17.4.2020
Wocheneinkauf, ein paar Molkereiprodukte fehlten, da waren Lücken in
den Regalen. Beim Fragen nach einer Käsesorte stellt sich heraus, es
hängt an irgendeiner Grenze. Ich leide keinen Mangel, nehme von
direkt daneben, Quark, Käse und Joghurt, will es nur bemerkt haben,
es lässt mich immer noch staunen, wenn es mal irgendwas tatsächlich
nicht gibt. Von der Versorgungslage her sind wir schon lange im
Paradies.
Beim Lesen komme ich dem Pfingstwunder näher, nahe, es
fehlen noch 30 Seiten, Lewitscharoff lässt ihren Erzähler immer
deutlicher behaupten, alle Teilnehmer eines Kongresses 2013 über
Dantes Göttliche Komödie seien in den Himmel aufgefahren, nur er
hätte es, warum auch immer, verpasst. Sie erzählt an Dantes
Höllenfahrt entlang, mit vielen Verweisen auf Vorbilder, Übersetzer
und Umgebungsliteratur, das ist informativ und unterhaltsam, und ich
kann kaum aufhören zu kichern, wenn ich mir das Ende vorstelle. Wie
sie mir das wohl plausibel machen wird?
Sport an der Forstschule
war nachmittags dran, ist gut gelaufen, es gibt ein paar Übungen,
die kann ich unter so provisorischen Bedingungen nicht manchen. Da
bin ich mal gespannt, wie das nach der Corona-Pause wieder in Gang
kommt. Ist aber ähnlich zu lösen wie das Einkaufen, mach ich halt
was anderes.
Nachtrag: Sie sind weg. Alle Dante-Forscher sind über die
Fensterbretter des schönen Tagungssaales in den Himmel aufgestiegen,
nur der Erzähler, traute er sich nicht, war er nicht ergriffen,
blieb und berichtet es uns. Was Lewitscharoff auf den letzten Seiten
anrichtet, ist sprachlich beeindruckend, dazu so was von lustig, ich
war es zufrieden. Nehme es hin, dass da was passiert ist, was
passiert ist, was ....
Samstag, 18.4.2020
Ein Läufchen bis fast nach Nellingsheim, das geht aus Rottenburg
stramm aufwärts, und dann
zwischen Obernau und Niedernau
runter an den Neckar, zurück bis heim, ergab knapp 12 km. Das Wetter
super, warm und sonnig, der Raps fängt an zu blühen, wie schnell das
jetzt alles in Gang kommt.
Nachmittags hab ich mir den Spiegel gekauft, bin zum Hirschauer
Baggersee geradelt und wollte mich auf die Wiese packen und lesen,
der ganze See ist abgesperrt, versteh ich nicht, da wäre genug
Platz, sich zu verteilen. Das kommt mir vor wie die Aktion eines
übereifrigen Dorfschulten, der die Gelegenheit wahrnimmt, den
Badebetrieb insgesamt zu beenden. Bin ich wieder heimgeradelt, und
hab mich mit einem Kaffee hinters Haus untern Kirschbaum gesetzt und
da gelesen.
Während Corona sich austobt, wir das Wetter genießen,
wie es halt geht, ist mir diese Woche aufgefallen, z. B. an der
Forstschule, der Rasen sieht frisch aus, der Boden ist trotzdem
rissig vor Trockenheit. Wenn die Bauern auf den Feldern fahren,
entwickeln sich riesige Staubwolken. Es hat die ganze Woche nicht
einen Tropfen Regen gegeben oder nur winzige Regionaltröpfelein, die
Temperaturen sind hoch, da kommt wieder so ein trockenes Jahr, wenn
das so weitergeht. Demos können grad nicht stattfinden, friday for
future ruht. Aber die Problemlage ist da, da kommen wir nicht
drumrum. Im Spiegel gibt es den Titelartikel, da wird gemahnt, diese
erzwungene Pause zu nutzen, neue Lösungen zu finden und nicht wieder
mit Volldampf den Zustand von vorher anzustreben. Das kommt mir wie
ein frommer Wunsch vor, den ich allerdings auch hege.
Montag, 20.4.2020
Gestern war ich arbeiten, drum gab es hier keine Text. Nach eine
Corona-Betriebspause haben wir den Start gut geschafft. Heute sollen
die Vorgesetzten besprechen, wie es weitergeht, morgen werden wir
als Fußvolk wohl Bescheid bekommen. Ich bin froh, diese
Verantwortung nicht zu haben, wer kann jetzt schon was dazu sagen,
wie sich das weiterentwickelt.
Auf SWR2 ist am Freitag ein
Hörspiel gestartet: Thomas Pynchon - Die Enden der Parabel. Es hat
eine Laufzeit von 14 Stunden, man kann es über die Webseite auch in
kleinen Portionen hören. Es ist eine Superbesetzung am Start, die es
einspricht, die Regie stammt von dem mehrfach ausgezeichneten Klaus
Buhlert, die Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch leisteten
Elfriede Jelinek und Thomas Piltz. Ich habe die ersten zwei Stunden
geschafft und werde dranbleiben, es ist gut gemacht und interessant.
Letztens habe ich einige Zeilen zum Buch Pfingstwunder
hingeschrieben, mir ist im Nachhinein aufgefallen, wie asymmetrisch
es dabei zugeht. Die Schritstellerin verbringt ein oder zwei Jahre
ihres Lebens, nehm ich mal an, dieses Buch zu erstellen, liest und
recherchiert zeitaufwändig, teilweise nur zu diesem Zweck. Dann lese
ich eine knappe Woche dran und mache einen Dreizeiler dazu. Das Buch
hab ich erworben für einen Euro in der Gebrauchtwarenbörse, auch da
ist mein Entgegenkommen der Literatin gegenüber sehr dürftig.
Nun kaufen viele Menschen das Buch, wenn es gut geht, dann lesen
auch einige darin, und das war es dann. Immerhin hat sie den
Büchner-Literaturpreis bekommen.
Beim Laufen war es die
Standardrunde, knapp 10 km mit 220 Höhenmetern und gute Musik. Mehr
Energie war nicht da.
Dienstag, 21.4.2020
Putztag, um einen Tag verschoben, ich schreib es nur hin, falls
tatsächlich jemand mitzählt. Ich mach das nicht gern, stelle mir
immer dabei vor, ich hätte König Drosselbart geheiratet, wenn er nur
gefragt hätte. Dann denk ich über mein Leben als Prinzessin nach,
während ich staubsauge oder das Klo putz, und schon isses fertig.
Den Spiegel hab ich fertig gelesen, fand ihn interessant. Z. B. war
zu lesen, ein Coronatest kostet 20 Euro, der Schnelltest 40, der ist
nicht ganz so zuverlässig, es wurde von einer Testreihe berichtet,
da wurden dieselben Personen mehrmals getestet, es gab Schwankungen,
unterschiedlich groß, die Informationsgewinnung ist noch nicht
einfach und nicht ganz sicher. Welche Nachrichten kann ich
ernstnehmen?
Das Wetter war super für meinen Sport draußen, halt
ein weiterer Tag ganz ohne Regen. Zwei Stunden an der Forstschule,
das übliche Programm, ein ausführliches bodyweight training, am Ende
noch eine Viertelstunde Jonglieren üben, dann hatte ich keine Lust
mehr, bin heim und schreib jetzt das. Ein paar Kapitel vom Hörspiel
will ich noch schaffen, drum endet das hier.
Mittwoch, 22.4.2020
Ein Lauf mit dem Ziel Remmingsheim, durch die Stadt, an den Gärten
im Weggental vorbei, eine Runde durch das Dorf, ich wohne schon über
25 Jahre hier und war noch niemals in diesem Dorf, wieder zurück,
diesmal an der Weggentalkirche, da taucht überm Feld erst die
Zwiebelturmspitze auf und verschwindet wieder, bis man dran lang
kommt, weiter durch die Stadt am Knast , der Am Schloss heißt,
vorbei, gab 12 km. Dieser Satz ist fast genau so lang geworden.
Musik war Wynton Marsalis, zusammen mit Eric Clapton, jeder einzelne
Musiker in Marsalis` Truppe ist ein großartiger Solist, Clapton
fällt da nicht sonderlich auf, außer dass sein Gesang, nun ja, ein
wenig harmlos bleibt.
Sonst? Kein Regen, Tag 12 oder so, wir
haben doch nicht nur Corona. So schnell, wie die Welt aus den Fugen
geriet durch ein kleines Virus, so schnell könnte uns ein viel
ärgeres Problem ins Haus stehen, angekündigt ist es seit langem.
Zur Nachrichtenlage: Man will testen, so viel es geht, Ja, Guten
Morgen, mit dem Mundschutz in bestimmten Situationen und einer
auskunftsklaren Testerei hätte man vielleicht viele wirtschaftliche
Schäden vermeiden können, die Schweden fahren noch ziemlich gut mit
ihrer Variante. Die Spätschäden durch Corona, die seit gestern in
der Presse auftauchten und für Panik sorgten, kommen mir noch etwas
unbestätigt daher, sind da aus Vermutungen von drei Pathologen
eventuell etwas krasse Aussagen geworden?
Samstag, 25.4.2020
Hier ist eine Lücke. Zwei Tage fehlen. Ich habe keine Ausrede, oder
doch, ich war zwei Tage arbeiten und habe das Sportprogramm
geschafft. Zum Glück hat die Menschheit im Laufe ihrer Entwicklung
dieses Problem von Zeitmangel oder nicht geschafft öfter gehabt und
sich dafür so mehr abstraktere Begriffe ausgedacht, deren einen ich
heute benutzen werde. Ich wähle aus den vielen Möglichkeiten den
Terminus der Zusammenfassung, damit kann ich den Mangel
noch in Richtung Tugend verbrämen.
Auf Arbeit habe ich erlebt,
dass die Kontaktsperre zu den Kollegen geschwind aufgehoben ist oder
wie nie vorkommend behandelt wurde, wegen einem Personalmangel. Da
wurde ich also einbestellt und war in einer der Dreierschichten
unterwegs. Auch dafür gibt es die positive Verklärung mit dem
Begriff Flexibilität.
Bei einem Stadtgang, es sind immer noch
wenige Leute draußen, begegnete ich auf der Brücke einem anderen
Passanten. Als sich unsere Wege nahe kamen, blieb dieser Mensch
stehen, steckte seinen Kopf weit übers Geländer, so weit weg von
mir, wie es nur ging. Ich denk, was macht er, schau mich nach dem
Vorbeigehen um, es war nicht so, dass auf dem Wasser was zu sehen
gewesen wäre, das war die pure Angst.
Und dann gibt es neuerdings
wieder die vielen freiwilligen Erzieher, die ständig ihrer Umgebung
das Abstandsgebot einpflegen wollen. Unermüdlich. Wir üben ein neues
Herdenverhalten ein. Wohin wird uns das führen?
Laufen in der
Abendsonne war wundervoll, es ist noch erstaunlich grün im Lande, es
fängt die dritte regenlose Woche an, am Dienstag soll ein kleines
Wetter kommen.
Sonntag, 26.4.2020
Eigentlich ein Arbeitstag für mich, aber schon bei der diesjährigen
Urlaubseinteilung als frei geplant und nicht mehr rückgängig zu
machen, wo Corona überall hinlangt. Also gut, ich bin frohgemut zu
Hause geblieben, habe ausgeschlafen und ausgiebig lesend
gefrühstückt, der Spiegel hat diesmal ein paar Artikel drin über
Menschen, die selber denken. Da kommt sogar der Tübinger
Bürgermeister mit vor. U. a. mit dem Gedanken, dass es keine
Diskriminierung ist, wenn man manche Menschen mehr schützt und
manche weniger, weil das keine politische Vorgabe, sondern
biologische Notwendigkeit sei. Da stimme ich zu.
Später gab es
ein Läufchen, knapp 10 km durch den staubtrockenen Wald, die
Traubenkirsche duftet. Zum Mittag hab ich mir selbst die Pfanne
angeschmissen, die Sparvariante, eine Tüte Frost wärmen.
Es kamen
aus den Läufergruppen Meldungen über Marathonläufe, wo die Strecke
echt war, also die 42,195 km, die Zeiten vermessen wurden, die Leute
liefen mit dem Gedanken an die abgesagten Veranstaltungen in
Hannover oder Düsseldorf, auf die sie hintrainiert hatten, hier
allein durch die Gegend. Ich ziehe meinen Hut.
Montag, 27.4.2020
Soll ich einfach weiterschreiben? Als ich hier anfing, die Läden
machten zu, mein Sportstudio auch, ging es mir darum, mich wie
Münchhausen am eigenen Schopf ziehend aus dem Sumpf der schlechten
Stimmung zu retten, also mit der Tastatur klappernd mich zu kümmern.
Das hat erstaunlich gut geklappt, ich habe manchen Frust und manche
Verwunderung hier direkt reingetippelt. Nun läuft die siebte Woche,
nicht, dass ich keine Lust mehr hätte, hier weiterzumachen, zum
Problem wird eventuell, dass es anfing mit dem ersten Satz und kein
Gedanke daran vorkam, wo soll es hingehen. Das war in der
Anfangsintention nicht gefragt. jetzt geht es immer weiter, ab heute
mit der Maske in der Ausgehtasche für alle Fälle. soll ich einfach
weiter machen und darauf warten oder hoffen, irgendein Echolot wird
schon entstehen. Da muss ich gleich loslachen, anscheinend mag ich
große Schuhe, in denen ich dann umher irren kann.
An der
Forstschule war ich, ausführlich, unter den verwunderten Augen
verschiedener Handwerker im Gelände, niemand hat mit mir gemeckert,
selbst dann nicht, als ich an dem Rohr an der Feuertreppe hing und
die Klimmzüge machte. Wahrscheinlich hatten sie Schiss vor meiner
unbändigen Kraft. Nein, Spaß, sie haben ihr Zeug gemacht und ich
meins. Zu Hause gab es wacker Selbstgekochtes, aus zwei Töpfen,
sensationell lecker. Und nachmittags war ich zum Kaffee geladen, mit
selbstgebackenem Kuchen, also nicht von mir, auf dem Balkon im
Schatten, sehr gemütlich und viel redend. Man landet immerzu bei
Corona, ich freu mich auf die Zeit, wenn das kein Thema mehr sein
wird. Kann man sich grad noch gar nicht vorstellen.
Dienstag, 28.4.2020
Morgens konnte ich schon an der Art des Geräusches vom
Straßenverkehr vor meinem Fenster hören, es musste geregnet haben.
Tatsächlich, es gab sogar ein paar Pfützen und auf dem Neckar
platschte es sogar ein wenig. War dann schnell zu Ende und bald
wieder ziemlich trocken, dann hab ich mein Läufchen gestartet. Es
sollten 20 km werden, ich wollte die Waldstraße bis Ofterdingen
schaffen. Schon am Anfang gab es die schöne Begegnung mit dem weißen
Waldvögelchen, ich weiß, wo es wächst und der Lauftreffleiter von
Hirschau hatte in einer Mail Nachricht gegeben von erblühter
Bocksriemenzunge, so wollte ich aufpassen, was ich so finde. Es ist
eigentlich zu früh dafür im Jahreslauf, aber nach diesem warmen
April war es tatsächlich schon da, noch nicht ganz aufgeblüht, von
großer Schönheit.
Voller Lust und Freude weiter, den Aufstieg weiter, mir fielen alle
Namen zu allen Blümchen am Wegrand ein, es sind grad viele. Dann
hockte dieser Freund auf dem Weg, fast wäre ich über ihn gestolpert,
er gab mir Zeit für das Fotografieren und trollte sich dann so
langsam, dass ich sogar filmen konnte.
Ich war regelrecht durcheinander, weil mir klar war, die Bilder
müssen gut sein. Fast wollte ich mein Vorhaben abbrechen und schnell
nach Hause wetzen, dann hab ich mich doch eingesammelt bekommen und
bin in dieser guten Stimmung bis an mein Ziel, das
Ortseingangsschild, gekommen, hab es als Halbzeitmarke angefasst und
bin die gleiche Strecke zurück.
Beim Spiegellesen so wie gestern,
die Nachdenklichkeit über die Verhältnismäßigkeit, wenn dann
Menschen konkret berichten, wie ihnen ihr Lebenswerk zwischen den
Fingern zerrinnt, das ist das, was beschrieben wurde, diese
Geschichten laufen ja tausendfach. Und noch immer kommen in den
Nachrichten keine Ergebnisse von Testreihen, wir werden da nicht gut
informiert, man muss doch durchsagen, wie die Durchseuchung ist, wie
viele Immunitäten es gibt. Wenn diese Zahlen die jetzige Lebensweise
begründen würden, könnte ich das leichter aushalten ...
Mittwoch, 29.4.2020
Ich habe es kommen sehen, es ist nicht überraschend eingetreten und
trotzdem bin ich nicht vorbereitet. Das geht ja nicht nur mir so.
Was ist passiert? Das ist das Problem. Nichts, heute war nichts. Ich
war zu Hause, außer den zwei Stunden zur körperlichen Ertüchtigung
an der Forstschule. Mein Kühlschrank hatte genug zu bieten, ich
brauchte mittags nicht in die Stadt, und selbst Kuchen gab es im
Frost, hab ihn rechtzeitig aufgetaut, ist das berichtenswert, ein
geplanter Ausflug wurde abgesagt. Da hab ich auf meinen Zetteln ein
Vorhaben gefunden, dafür war dieser Tag genau richtig. Auf
Spiegel-online sollte es ein Interview mit Daniel Kehlmann geben,
sogar mit uraufführender Lesung, das hab ich mir herausgesucht,
mühsam als Nicht-Abonnent auch die völlig geistlosen Werbespots
ausgehalten, praktisch aktiv ausgeblendet, und hatte mein Vergnügen.
Er las u.a. ein fiktives Gespräch zwischen Söder, dem Bayernkönig,
und Kurz, dem Austriakanzler, da ist er richtig, nun ja, garschtig
geworden, sehr schön. War ich also Nutznießer der Onlinekultur. So
weit heute, den umgebenden Rest von wirklich nichts lass ich untern
Tisch fallen, ehe ich anfange, so mit Nudelholztechnik in die Breite
zu gehen.
Donnerstag, 30.4.2020
Morgens war der Gedanke an gestern da, würde heut wieder nix
passieren? Das wurschtelte so im Kopf herum, dass mir die Lust zum
Laufen auch noch verging. Die Wetter-App hat geholfen, es war
konkret Regen angesagt in anderthalb Stunden, da hab ich mich
besonnen und bin gleich losgedüst. Und beim Schauen, mit dem
Gedanken an den Feuersalamander von vorgestern, ich dachte, das kann
nicht getoppt werden, bemerkte ich, wo es langging. Nicht nur unter
turtelnden Stieglitzen und steigenden Feldlerchen durch und an einer
Schar Graugänse vorbei, sondern eben immer entlang am Gelben. Wie
nur so was zu Stande kommt, hat der Bauer beim Rapsernten voriges
Jahr eine undichte Stelle im Sammler gehabt, oder ...
Beim Staunen darüber und im Weiterlaufen dann dies: Büschelweise
ausgewilderter Inkarnatklee, ein Einwanderer aus dem
Mittelmeergebiet, wird als Futterpflanze angebaut und wächst dann
einfach wieder durch, das Klima hier verträgt er mittlerweile. Und
er sieht schön aus.
Da bin ich also zufrieden zu Hause angekommen, 10 km und eine
ordentliche Zeit für meine Verhältnisse. Regen kam keiner. Nach dem
Duschen musste ich einkaufen, da nichts mehr zu futtern da war.
Heute also mit Maske. War das erste Mal so lange damit unterwegs,
man merkt dann deutlich, was man für warme Umgebungsluft produziert.
Ich finde das trotz dieser Lästigkeit in Ordnung, denke, man hätte
das von Anfang an so machen können, zumal viele mit
Selbstgewickeltem unterwegs sind, dann hätte man sich diesen totalen
Lockdown sparen können, vielleicht weiß man das aber erst jetzt.
Mitteilenswert sind noch zwei Dinge. Der Chinese, der für einen Teil
meiner Ernährung sorgt, hat mir eine Portion Nudeln in seine
Verpackung gehaun, das war nicht zu schaffen. Gibt es abends den
Rest. Und es gab Mispeln, die Saison startet. Ich hatte mich in
irgendeinem meiner Texte schon als Fan zu erkennen gegeben. Die
ersten hab ich schon gegessen und ich finde keine Sprache dafür
angemessen zu schwärmen, sie sind sensationell. Kennt ihr Mispeln?
Probiert es unbedingt. Halbieren, die Kerne rauspulen, die Schale
runterziehen, das geht gut, und dann paradiesischer Genuss.
Der Maitext:
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