Michael Oswald

 

 

 

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Leben in den Zeiten von Corona 2

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Mittwoch, 1.4.2020

Die Friseure haben weisungsgemäß geschlossen, ob die Idee taugt, weiß ich nicht, vielleicht laufen wir demnächst alle in diesem Zustand rum.

Ich hab´s dann doch noch geschafft.

Ansonsten war ein Waldspaziergang mit einem Freund angesagt, zur Heimkollervermeidung. Wir sind ein bisschen gelaufen, haben viel geredet, das, was sonst normal ist, wurde heute zum hohen Ausschlag der Amplitude meines Daseins als soziales Wesen.
Nachmittags während des Sporttreibens am Turm trat die Polizei auf, verjagte freundlich bestimmt alle sieben Menschen, die sich auf dem weitläufigen Gelände aufhielten, es seien öffentliche Sportstätten, es sei verboten, auch allein, ich habe nachgefragt, alles untersagt. Joggen auf der Finnbahn dürfe man, einzeln und mit Abstand. Jetzt muss ich mir neue Möglichkeiten ausdenken, irgend ein stabiler Ast für ein paar Klimmzüge wird sich finden.

Donnerstag, 2.4.2020

Beim Joggen hatte ich mir zwei Aufgaben gestellt, zum einen sollte es vorwärtsgehen, zum anderen hieß es Augen auf, um nach Ersatz für den nun verbotenen Sportplatz zu suchen. Es war schnell erledigt, an der ebenfalls geschlossenen Forstfachschule gibt es die Möglichkeit, Klimmzüge und Dips zu erledigen, wenn ich die Barrengriffe mitnehme. Die Anlage liegt wie vergessen vorm Wald, kaum ein Mensch kommt da lang, mal jemand mit Hund, mal ein Jogger. Das sollte gehen. In kluger Voraussicht habe ich mir, als die Schließung der Studios aktuell wurde, ein paar verschiedene Gummis gekauft, mit denen ich dort rumtoben kann.

Rot bietet 45 kg Widerstand, gelb 25 kg, die drei kleinen sind zum Warmmachen gut. Ab morgen probier ich das aus.
Beim Laufen kamen so 11 km zusammen, ich hab einen neuen Weg probiert. Es wäre überall schön gewesen, der Wald duftet, es blüht und die Bienen sind am Werk. Auf den Ohren hatte ich den Messias von Händel, den ersten Teil halt, der geht ja fast drei Stunden. Mir gefällt u. a. die Eleganz seiner Musik, ich habe auch eine wundervolle Aufführung erwischt mit sagenhaften Singstimmen. Das trägt mich dann nach Hause.
Mittags brauchte ich nicht kochen, es gab den Rest Suppe von gestern, mal sehen, wie lange ich meine Eintopfküche aushalte. Dafür bin ich nachmittags raus, hab mir unterwegs Kuchen und Kaffee geholt und mich an den Neckar in die Sonne gesetzt. Es gefällt mir nicht richtig, den Kuchen aus der Tüte zu mampfen, auch Kaffee im Pappbecher ist nicht meine erste Wahl, sind eben Coronazeiten.

Freitag, 3.4.2020

Es wäre ein Spätschichtarbeitstag gewesen, dieses Wochenende ist für mich komplett abgesagt, Pause bei der Arbeit, Pause im Leben. die Stimmung war am Anfang, als alles nach und nach zu machte, schlechter als jetzt, anscheinend kann ich mich einrichten. Tu ich so, als wäre ich ein Schriftsteller und als wäre das eine wichtige Arbeit, diesen Text zu machen. Tu ich so, als würde mein vieler Sport zu etwas führen. Erste Runde an der Forstschule: Wenige Menschen müssen anscheinend in ihren Büros arbeiten und in Werkstätten, manch trugen was von hier nach da, das kann man nicht virtuell erledigen. Niemand wollte mich vertreiben. Ich habe mehrere Provisorien ausprobiert, um Klimmzüge zu machen, an den verschiedenen Balken und Trägern taten die Hände verschieden weh, oder ich konnte es kaum halten am großen Vierkant. Zwischen den Übungen bin ich forschend über das Gelände, fand noch Möglichkeiten, konnte ein paar Latten zeitweise zweckentfremden, sogar mit dem Einverständnis einer Bürodame, die mich bei der Entnahme erwischte. So dass ich richtige Dips zwischen Fahrradabstellrahmen machen kann. Hoffentlich reicht mir das bis zum Ende dieses seltsamen Zustandes. Außerdem war ich nachmittags ein Besucher, hab in netter Gesellschaft Kaffee getrunken und wir haben uns unsere Verwunderungen über die Weltenläufe erläutert.

Samstag, 4.4.2020

Normalerweise ein Arbeitstag, hätte ich vor zwei Wochen nicht gedacht, das mir was fehlen würde. Nicht, das meine Arbeit sonderlich sinnstiftend wäre, sie gibt trotzdem Struktur in sonst eher lässige Abläufe, und wenn sie nicht stattfindet, geht es noch lässiger zu. Zumal man sich nix vornehmen kann wie im Leben vor Corona. Ich erlaube mir also ein Träumerlestündchen, schlafe oder döse länger und wundere mich dann jeden Morgen, was mein Kopf für Unfug produzieren kann. Es sind merkwürdige Bedrängnisse der Art, dass ich einen Zug nicht erreiche trotz aller Mühen, oder dass das Geld nicht reicht zum Bezahlen, obwohl ich es gezählt habe. Nun ja, ich glaub nicht, dass ich mich davon ins Bockshorn jagen lassen muss, denke, wenn ich zur rechten Zeit aufstünde, wäre dieser Zauber erledigt. Belustigend finde ich meinen Zustand dabei, so halbwach, dadurch schon im Klaren, es träumt mir, passiert nicht bedrohlich real. Eine unerwartete Corona-Erfahrung.
Nachdem mein gemütliches Morgenritual durch war, da ist schon eine Lesestunde enthalten, war ein Läufchen dran. Wackere 13 km durch ein schönes Tal hinauf in den Wald, mich am Huflattich gefreut, auch einem Zaunkönig ins Auge geschaut, runterzu heimwärts Gas gegeben. Das erste Mal dieses Jahr in kurzen Hosen, es waren sonnige 13 Grad. Ein Konzert auf den Ohren, Bob Dylan, noch gar nicht so lange her, er nuschelt gekonnt seins runter, allerdings gibt es dann einen Gastauftritt von Norah Jones, sie steigt mit ihrer jugendfrischen, ausdrucksstarken Stimme ein und lässt den Bob so alt aussehen, wie er tatsächlich ist.

Sonntag, 5.4.2020

Der Frühling war überzeugend heute, und es waren ganz viele Menschen draußen unterwegs. Fast wirkte es, als wären wieder normale Zeiten, nur die Kontrollgänge durch Ordnungsamt und Polizei zeigten, wir sind noch in der Ausnahme. Ich war oben an der Forstschule, anderthalb Stunden, ganz allein und ungestört, die Radfahrer und Spaziergänger fanden mich aus gewisser Entfernung sicher wunderlich. Die Gummis sind gut, mir fallen immer mehr Übungen ein, bzw. ich kann sie bei Liegestützen, Kniebeugen erschwerend dazunehmen, und schon komm ich ins Schwitzen. Ansonsten war Lesezeit. "Die letzten Tage von Pompeji" hab ich ausgelesen, ich hatte es angewählt, weil es unter dem Label Meisterwerke der Weltliteratur erschien, das war eher eine Marketingkategorie. War froh, als ich zum nächsten Buch langen durfte, da verspreche ich mir mehr davon. Salman Rushdie, sein erster Roman "Grimus", die ersten hundert Seiten, es fängt bunt schillernd und lustvoll fabulierend an.
Stadtgang nachmittags, ich wollte einen Kaffee trinken, wenigstens draußen sein, eine Riesenschlange bis nach draußen erst am Bäcker, dann genauso an der Tankstelle, ich bin zur nächsten gelaufen, da ging es dann. Es gab kein einziges süßes Stückle mehr, so hab ich zu Hause die Pfanne angeworfen und mir zwei Eierkuchen gemacht, mit ein bisschen Nutella drauf war es ein guter Ersatz.
Morgen fängt die dritte Woche Ausnahmezustand an, ich warte auf Lockerungen, man kann doch nicht aufhören zu leben, um am Leben zu bleiben. Das ist jetzt polemisch, zu kurz gefasst und zu allgemein, es soll ja auch nur ausdrücken, ich bin in einen Rahmen gezwängt, der gefällt mir nicht und ich wüte zeitweise darin umher. Es scheint geklappt zu haben, dass die Krankenhäuser mit dem verlangsamten Verlauf klarkommen, und das war bestimmt richtig bis hier, es steht trotzdem die Frage, es stand schon vor einer Woche die Frage auf dem Spiegeltitel: Wie kommen wir hier wieder raus?

Montag, 6.4.2020

Putztag. Hab ich erledigt. Wenn ich das hier hin schreibe, fällt mir ein, wie berechenbar mein kleines Leben durch so einen Text wird. Vor 14 Tagen hab ich auch vom Putzen geschrieben, das ist, ich bekenne es hier, der Rhythmus. Hab ich meinen Datenschutz verletzt? Ist das gar zu intim, was ich hier berichte? Ob es jemand prüft in 14 Tagen, ob das Putzen dann wieder vorkommt? Glaube es nicht, selbst wenn, könnte ich es aushalten. Da schreib ich, um noch was zu berichten, von meinem Lauf. Das ist genauso öffentlich, wenn ich es hier schreibe, wenn ich runtastic benutze, sowieso. Wer weiß schon, wer alles an die Handydaten rankäme. Zum Glück ist mein Leben so uninteressant, das ich denjenigen, der da sammeln soll, eher bedauern würde.
Beim Laufen, es kamen 11 km zusammen, habe ich wieder eine neue Strecke ausprobiert, bei den Höhenmetern kam ich ordentlich ins hecheln. Da ich unten wohne, fange ich immer bergauf an, die Belohnung ist dann der Heimweg. Wieder zu Hause, auf dem Hof saßen meine Nachbarn in der Sonne. Erst musste ich sagen, wo ich war, dann erzählten sie von türkischen Nachrichten, auch Corona und ganz schlechte Verhältnisse, die Versorgung klappt nicht, den Leuten geht das Geld aus. Sie machen sich Sorgen um die Zukunft dort, haben Angst vor Bürgerkrieg. Von hiesigen Quarantänenachbarn war die Rede, es rückt näher.

Dienstag, 7.4.2020

Ein gutes Programm hab ich mir ausgedacht für die Forstschule, ein Ganzkörperworkout, und hab ganz routiniert, als wäre es mein Sportstudio, losgelegt. Hinter einzelnen Fenstern saßen einzelne Menschen vor Bildschirmen, was die wohl beim Rausschauen gedacht haben. Nach anderthalb Stunden war ich durch, da war noch Zeit, um mit den Bällen zu üben, das Jonglieren soll nicht einschlafen. Da kam dann sogar jemand rangeradelt, hat mich von Weitem erkannt wegen der Bälle. Hab ich seine Kinder in gehörigem Sicherheitsabstand kennengelernt.
Viel Zeit verging am Rechner, ich versuche grad, eine sinnvolle Dateisicherung zu erarbeiten, nach einem Jahr hat sich unglaublich viel angesammelt. Zeitaufwändig ist das Sortieren, was kann weg, was soll bleiben, bei Fotos geht das schnell, dafür sind es viele. Bei Videos und Sprachnachrichten muss ich das erst laufen lassen, wenn ich da durch eine Abteilung durch bin, hab ich keine Lust mehr, das sind dann Etappenziele. An solch einem Punkt kommt es zum Stadtgang mit Bäckerbesuch, heute hab ich mir ein schattiges Plätzchen gesucht, eine Bank vor einer Hecke, umschwirrt von Spatzen, die räumten sofort meine Kuchenkrümel weg.
Ausführliche Nachrichten auf SWR2 gehört, die Situation entspannt sich noch nicht, wobei ich gut finde, dass die Forderungen nach punktuellen Lockerungen hörbarer werden.

Mittwoch, 8.4.2020

Der Lauf führte einmal ums Städtle herum, fast, 11 km reichten für eine Nordumkreisung. Es war eine neue Variante, mir ist zu viel Stadtquerung dabei, es ist mir unangenehm, wie die mir begegnenden Fußgänger von mir abrücken, als wäre ich gefährlich. Der Lauf an sich war schön, an vielen blühenden Vorgärten vorbei, die verschiedenen Frühlingsdüfte erschnuppernd.
Nachmittags hörte ich auf SWR2 einen Bericht über einen Spargelhof und die neuen Erntehelfer. Der Bauer sprach gut, beinahe liebevoll, von den ungelernten Freiwilligen, die die sonst arbeitenden Rumänen ersetzen. Es war kein Wort zu hören über die angeblich faulen Deutschen, kaum jemand hätte aufgegeben, es seien viele Gastronomiekräfte drunter, die froh um den Verdienst wären, da ihrer grad ausfällt. Ich fand es sehr interessant.

Donnerstag, 9.4.2020

Das Programm an der Forstschule fühlte sich an wie Urlaub, es war warm, die Sonne schien, wenige Menschen arbeiteten, zu sehen war eigentlich nur der Hausmeister im Gelände. Ich werde nicht schon wieder beschreiben, was ich trainiert habe, heute gab es bei den Liegestützen, da ist die Nase dichter am Boden als sonst, einen neuen Einblick. Die Feuerwanzen kümmerten sich vor meinen Augen um ihren Bestand. Das erregte mich nicht auf die pornografische Art, sondern die Beiläufigkeit, mit der sie ihre Hinterteile zusammenstecken, oder was auch immer, fand ich lustig. Dabei laufen sie als verkoppelte Paare, ich weiß nicht, zu welchem Ziel, jedenfalls läuft der vordere vorwärts, der hintere muss anscheinend mit und beherrscht den Rückwärtsgang. Das ist kein Gestolper und Gezerre, das geht so, als würde die eine Hälfte der Feuerwanzen immer vorwärts und dann eben jede zweite immer rückwärts laufen. Bestimmt sind es die Weibchen, die das größere Hirn haben, die die zweite Gangart und auch die Aufzucht der Kleinen beherrschen, während das Männchen nur suchen muss. Vielleicht wählen die ihre Mädels nach der Schönheit des Gangbildes. Ich weiß gar nicht, ob das schon erforscht ist, wir hatten hier im Text schon von einer Ameisenforscherin gehört. Gibt es Feuerwanzenprofessoren?


Sonst, es geht auf Ostern zu, ich muss auch dieses kommende Wochenende nicht arbeiten, in den Nachrichten werden die wirtschaftlichen Schäden benannt, die man befürchtet. Die Zahlen werden immer ungeheuerlicher, es war eh Flaute vor dem Stillstand, die parallel gesetzten Ereignisse aus der Geschichte werden benannt, ohne dass man noch Steigerungsmöglichkeiten hat. Nicht mehr nach dem Krieg, jetzt ist die Rede von der "Großen Depression" von 1929.

Freitag, 10.4.2020

Mein Lauf führte ein Stück weit durch Wohngebiete, ich hatte Lust auf Vorgärten und Tulpenschau. Was mir auffiel, waren die vielen Huppekästel. Ist das jetzt ein Begriff, den man kennt? Der kommt wohl aus dem Sachsen meiner Kindertage. Wenn ich google, lande ich bei Hickelkasten, das hab ich noch nie gehört. Ich kenn es noch unter Himmel und Hölle. Es ist  ein Hüpfspiel für Kinder, man braucht eine Kreidezeichnung auf dem Asphalt der Spielstraße. Die Regeln sind bei Wikipedia erklärt, die hab ich wiedererkannt. Jedenfalls ist mein Eindruck, das durch die lange ZuHauseZeit die Eltern ihren Kindern ein Spielangebot machen, das in Konkurrenz zum Bildschirm fast verschwunden war.
Das Büßen und Beten fand heute recht privat statt, überall waren die Aushänge mit den Hinweisen auf die Gottesdienste im Netz. Ich wurde dadurch erinnert an meine alten Schwiegereltern, die beim Ostersegen des Papstes so fromm, wie es nur ging, vorm Fernseher hockten. Ich sollte mit dabei sitzen und kam nicht klar, nun ja, ist lange her.

Samstag, 11.4.2020

Herausragendes Ereignis heute war der Fund eines alten, weggeworfenen Wasserrohrsegments an der Forstschule. Dieses Rohr kann ich anstatt der Hölzer in die Feuerwehrtreppe einlegen und Klimmzüge machen, ohne von der mangelnden Griffkraft der Finger ausgebremst zu werden. Meine Hände erkannten das Gefühl an der Stange im Studio wieder, fühlten sich wohl und erwiesen mir ihre Dankbarkeit für so viel Fürsorge, so dass die doppelte Anzahl Klimmzüge zustande kam. Bei den Liegestützen wieder eine Vorführung der Feuerwanzen, ein paar von ihnen hatten eine viel größere graue Wanze auf den Rücken gelegt und nährten sich an ihr. So zumindest meine Vermutung, es sah nicht aus wie Liebespiel. Ich hab mal reingepustet in die Gruppe, die roten sind abgehauen, bei den nächsten Liegestützen waren sie wieder da. Vielleicht werde ich, wenn das Auswärtstraining länger geht, zum Feuerwanzensachverständigen.
Ein Punkt auf meiner Tagesliste war, Kuchen für die zwei Schließtage zu organisieren. Ich bin zu Fuß zum Aldi, hatte mir so eine Blätterteigrolle mit Quarkfüllung aus der Kühltruhe vorgestellt. Gab es, sogar zwei Sorten, da hab ich glatt vergessen, dass es nur um zwei Tage geht, mir ist der viele Platz in meinem Frostfach eingefallen, und schon hab ich doppelt Vorfreude.

Sonntag, 12.4.2020

Sonntags, wenn ich frei habe, laufe ich gern mit der Hirschauer Gruppe, mal in Gesellschaft, ein bisschen schwätzend oder zuhörend. Geht grad nicht. So hab ich mir eine Strecke vorgenommen, auf der ich so schon unterwegs war, es ging an Unterjesingen und Pfäffingen entlang, ca 14 km waren es am Ende. Folgende Zeichen waren auf meinem Weg zu finden:

Dies gab es in mehreren Varianten mit und ohne Kaugummi, auch noch mit einem Halleluja hintendran. Ich weiß, warum es da steht.

Auch davon gab es mehrere Fundstellen, ich weiß nicht, warum.
Beides hat mich nicht übermäßig beschäftigt, zumal der Frühling schön ist und ich gute Musik auf den Ohren hatte. Wer kennt schon Matana Roberts` Coin Coin, eine Art Jazzoratorium von 2011. Sie singt und spielt Saxofon, beides gekonnt, ihre Texte artikuliert sie filigran zierlich kraftvoll  klar, in Teilen so suggestiv in mein Hirn dringend, das ich fast vergaß. Ihr Sax röhrte mich wieder in die Gegenwart. Alles sehr komplex mit den anderen Singstimmen und Rezitationen eingemischt, faszinierend.
In der Küche hatte ich frei, da ich mich gestern gekümmert hatte. Mittags gabs Dinkelgrießsüppchen mit Möhren für die Farbigkeit und Petersilienwurzeln für den Geschmack. Heute noch besser als gestern. Auch mein Aldikuchen hat funktioniert und gemundet, und reicht für morgen.
Drumrum Lesezeit, Grimus war gestern fertig, Rushdie erschafft eine Welt und erzählt über uns Menschen. Die gestaltet er so verzwickt fabelhaft, dass ihm nix anderes übrigbleibt, sie am Ende wieder zu kassieren. Das erledigt er sehr elegant, ein Lesespaß. Weiter geht es mit dem Pfingstwunder von Lewitscharoff. Nach den ersten Seiten: Ihr Ich-Erzähler ist ein Mann, ich denke, er erzählt wie eine Frau. Ich glaub ihr den Kerle nicht. Trotzdem fängt der Roman vielversprechend an, macht mich neugierig, wie sie ihr Pfingstwunder auflöst.

Montag, 13.4.2020

Auch in meinem ritualfernen Haushalt ist Ostern geworden, mit viel Mühe hab ich die Eier so gefärbt, dass sie sogar im Dunkeln leuchten. Am kompliziertesten war es, die Dinger weiß zu kriegen.

Außerdem konnte ich nach dieser Aufregung und vor dem Schreiben grad noch bissle Forstschulsport hineinquetschen, bevor es anfing einen Regenwind zu geben. Ein mittelalter Rottenburger, vom sehen kenne ich ihn, kam herbeigeradelt, packte seine Inlines aus und fragte mich, ob er bißchen auf der Asphaltfläche üben dürfe. Da hab ich mich gefreut, großzügig die Erlaubnis erteilen zu können. Nach dem er eine Zeit lang probiert hat, ich hab derweil meins angefangen, kam er zu mir und wollte erzählen. Er sprach über seine Vergangenheit, seine Herkunft, seine Freunde, seine Vorhaben, ich glaub, es leiden noch mehr Menschen unter der Isolierung daheim. Ich fand es interessant, er hat das  alles gut geschildert.

Dienstag, 14.4.2020

Es ist kühl geworden, aber die Sonne schien, Laufwetter. Ich bin am Neckar entlang Richtung Niedernau, bis fast nach Obernau gekommen, dieselbe Strecke zurück, ergab etwas über 10 km. Der Weg geht sachte hoch und runter, viel Grün auf den Wiesen und Feldern, schöne Ansichten.

Das ist jetzt ein Bild vom letzten Lauf, man sieht die Wurmlinger Kapelle, so unter Blüten ging es heute auch durch. Fast wäre es, nach der Osterkreideaufschrift und auch meiner Pfingstwunderlektüre zu Michels Himmelfahrt gekommen, ich bin im letzten Moment abgebogen.

Nachmittags war ich in der Stadt, musste Brot kaufen, lag es an der Temperatur, oder den vielen geschlossenen Geschäften, es war fast einsam. Keine Menschen. Alle brav zu Hause? Ich bin gespannt, was mir meine Regierung morgen ankündigt, irgendwelche Exitregeln, im Moment fahren wir ungetestet dem wirtschaftlichen Kollaps entgegen, wollen wir das?

Mittwoch, 15.4.2020

Sportfreier Tag, nicht gelaufen, keinen Klimmzug gemacht, nur auf dem Arsch gesessen oder auf den Füßen gestanden. Mein Gewissen? Gaaanz ruhig. Dafür gab es zu lesen, das Pfingstwunder schürt Vorfreude und Spannung, fast mit nichts, also mit einem Ereignis, sie sagt Vorkommnis, in Aussicht gestellt und vom Leser von vornherein bezweifelt, aber die Neugier ist wach, was macht sie am Ende damit. Dazu kam ein Ausstellungsbesuch. Wie das zu Corona-Zeiten? Die Ausstellung hängt hinter verschlossener Tür, ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der den Schlüssel hat. Wir haben uns, zu zweit, den Vorschriften entsprechend, verabredet und uns in Nürtingen getroffen. Im dortigen Kunstverein stellt Melanie Grocki Zeichnung und Bodenzeichnung, für diesen Raum konzipiert, aus, auf der Webseite vom Kunstverein ist es beschrieben. Schon beim Reinkommen wird überzeugend  Aufmerksamkeit eingefordert, man will die Kreidekreise nicht zerstören, will nicht stolpern, aus den aus voriger Nutzung vorhandenen Bodenlöchern ragen Schrauben und Gewindespindeln hoch, drumrum die großen und kleinen Kreise und Ellipsen. Nicht stupide zugemalt, sondern schöne Häufungen. Eine verwandte Spielart die Zeichnungen auf Papier, von den kleineren farbigen war ich sehr angetan, da beherrscht jemand seine Sache. Danach gab es einen Stadtgang unter duftender Zierkirsche und am Neckar entlang, fast wie Urlaub und normales Leben. Beim Heimfahren die Nachrichten haben allerdings schnell klargestellt, das geht noch länger so, das muss ich mir später noch genauer reinziehen.

Donnerstag, 16.4.2020

Einen wunderschönen Lauf hab ich hingekriegt, ich bin mit Lust auf die Strecke gegangen, von mir zu Hause in den Rammert hoch, an der Dünnbachhütte vorbei Richtung Ofterdingen bis zum Abzweig ins Bühlertal, dann über Kiebingen zurück, ergab 15 km. Musik kam von den Dire Straits, ein Konzertmitschnitt. Gut gelaunte, gut gemachte Musik mit Knopflers Wohlfühlgitarre, er inszeniert sich sehr wirksam und vielfältig, lässt aber auch die anderen in der Band zu Wort kommen. Sie spielen richtige Ohrwürmer, sehr süffig, da geht es mir richtig gut dabei, das ist ein bewusster schon fast sich körperlich manifestierender Genuss.
Zum Mittagessen bin ich zu meinem Lieblingschinesen gegangen, der kann das schneller als ich zubereiten, hab ich es in der Verpackung mitgenommen, mich auf eine Bank am Neckar in die Sonne gesetzt und das Müllproblem ignoriert. Die Nachrichtenlage ist ja auf weiter so gestellt, zwei Wochen und dann eventuell Lockerungen. Keine Testreihen in Sicht. Durchseuchung ist unklar, immer mal wieder kommt die Meldung von einem Altersheim, das komplett durchinfiziert ist. Wie soll man es auch verhindern? Die Verlangsamung ist das einzige Argument zur Rechtferigung des Stillstandes, so rettet man unseren alten Menschen Monate oder Wochen an Lebenszeit. Die Meldungen eines Pathologen, der Coronaopfer untersucht hat, relativieren den Opferstatus, er benennt den Anteil der Coronainfektion an der Todesursache in Prozentangaben, die Zahlen seien gering. Eine Nachricht unter vielen.

Freitag, 17.4.2020

Wocheneinkauf, ein paar Molkereiprodukte fehlten, da waren Lücken in den Regalen. Beim Fragen nach einer Käsesorte stellt sich heraus, es hängt an irgendeiner Grenze. Ich leide keinen Mangel, nehme von direkt daneben, Quark, Käse und Joghurt, will es nur bemerkt haben, es lässt mich immer noch staunen, wenn es mal irgendwas tatsächlich nicht gibt. Von der Versorgungslage her sind wir schon lange im Paradies.
Beim Lesen komme ich dem Pfingstwunder näher, nahe, es fehlen noch 30 Seiten, Lewitscharoff lässt ihren Erzähler immer deutlicher behaupten, alle Teilnehmer eines Kongresses 2013 über Dantes Göttliche Komödie seien in den Himmel aufgefahren, nur er hätte es, warum auch immer, verpasst. Sie erzählt an Dantes Höllenfahrt entlang, mit vielen Verweisen auf Vorbilder, Übersetzer und Umgebungsliteratur, das ist informativ und unterhaltsam, und ich kann kaum aufhören zu kichern, wenn ich mir das Ende vorstelle. Wie sie mir das wohl plausibel machen wird?
Sport an der Forstschule war nachmittags dran, ist gut gelaufen, es gibt ein paar Übungen, die kann ich unter so provisorischen Bedingungen nicht manchen. Da bin ich mal gespannt, wie das nach der Corona-Pause wieder in Gang kommt. Ist aber ähnlich zu lösen wie das Einkaufen, mach ich halt was anderes.

Nachtrag: Sie sind weg. Alle Dante-Forscher sind über die Fensterbretter des schönen Tagungssaales in den Himmel aufgestiegen, nur der Erzähler, traute er sich nicht, war er nicht ergriffen, blieb und berichtet es uns. Was Lewitscharoff auf den letzten Seiten anrichtet, ist sprachlich beeindruckend, dazu so was von lustig, ich war es zufrieden. Nehme es hin, dass da was passiert ist, was passiert ist, was ....

Samstag, 18.4.2020

Ein Läufchen bis fast nach Nellingsheim, das geht aus Rottenburg stramm aufwärts, und dann zwischen Obernau und Niedernau runter an den Neckar, zurück bis heim, ergab knapp 12 km. Das Wetter super, warm und sonnig, der Raps fängt an zu blühen, wie schnell das jetzt alles in Gang kommt.

Nachmittags hab ich mir den Spiegel gekauft, bin zum Hirschauer Baggersee geradelt und wollte mich auf die Wiese packen und lesen, der ganze See ist abgesperrt, versteh ich nicht, da wäre genug Platz, sich zu verteilen. Das kommt mir vor wie die Aktion eines übereifrigen Dorfschulten, der die Gelegenheit wahrnimmt, den Badebetrieb insgesamt zu beenden. Bin ich wieder heimgeradelt, und hab mich mit einem Kaffee hinters Haus untern Kirschbaum gesetzt und da gelesen.
Während Corona sich austobt, wir das Wetter genießen, wie es halt geht, ist mir diese Woche aufgefallen, z. B. an der Forstschule, der Rasen sieht frisch aus, der Boden ist trotzdem rissig vor Trockenheit. Wenn die Bauern auf den Feldern fahren, entwickeln sich riesige Staubwolken. Es hat die ganze Woche nicht einen Tropfen Regen gegeben oder nur winzige Regionaltröpfelein, die Temperaturen sind hoch, da kommt wieder so ein trockenes Jahr, wenn das so weitergeht. Demos können grad nicht stattfinden, friday for future ruht. Aber die Problemlage ist da, da kommen wir nicht drumrum. Im Spiegel gibt es den Titelartikel, da wird gemahnt, diese erzwungene Pause zu nutzen, neue Lösungen zu finden und nicht wieder mit Volldampf den Zustand von vorher anzustreben. Das kommt mir wie ein frommer Wunsch vor, den ich allerdings auch hege.

Montag, 20.4.2020

Gestern war ich arbeiten, drum gab es hier keine Text. Nach eine Corona-Betriebspause haben wir den Start gut geschafft. Heute sollen die Vorgesetzten besprechen, wie es weitergeht, morgen werden wir als Fußvolk wohl Bescheid bekommen. Ich bin froh, diese Verantwortung nicht zu haben, wer kann jetzt schon was dazu sagen, wie sich das weiterentwickelt.
Auf SWR2 ist am Freitag ein Hörspiel gestartet: Thomas Pynchon - Die Enden der Parabel. Es hat eine Laufzeit von 14 Stunden, man kann es über die Webseite auch in kleinen Portionen hören. Es ist eine Superbesetzung am Start, die es einspricht, die Regie stammt von dem mehrfach ausgezeichneten Klaus Buhlert, die Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch leisteten Elfriede Jelinek und Thomas Piltz. Ich habe die ersten zwei Stunden geschafft und werde dranbleiben, es ist gut gemacht und interessant.
Letztens habe ich einige Zeilen zum Buch Pfingstwunder hingeschrieben, mir ist im Nachhinein aufgefallen, wie asymmetrisch es dabei zugeht. Die Schritstellerin verbringt ein oder zwei Jahre ihres Lebens, nehm ich mal an, dieses Buch zu erstellen, liest und recherchiert zeitaufwändig, teilweise nur zu diesem Zweck. Dann lese ich eine knappe Woche dran und mache einen Dreizeiler dazu. Das Buch hab ich erworben für einen Euro in der Gebrauchtwarenbörse, auch da ist mein Entgegenkommen der Literatin  gegenüber sehr dürftig. Nun kaufen viele Menschen das Buch, wenn es gut geht, dann lesen auch einige darin, und das war es dann. Immerhin hat sie den Büchner-Literaturpreis bekommen.
Beim Laufen war es die Standardrunde, knapp 10 km mit 220 Höhenmetern und gute Musik. Mehr Energie war nicht da.

Dienstag, 21.4.2020

Putztag, um einen Tag verschoben, ich schreib es nur hin, falls tatsächlich jemand mitzählt. Ich mach das nicht gern, stelle mir immer dabei vor, ich hätte König Drosselbart geheiratet, wenn er nur gefragt hätte. Dann denk ich über mein Leben als Prinzessin nach, während ich staubsauge oder das Klo putz, und schon isses fertig.
Den Spiegel hab ich fertig gelesen, fand ihn interessant. Z. B. war zu lesen, ein Coronatest kostet 20 Euro, der Schnelltest 40, der ist nicht ganz so zuverlässig, es wurde von einer Testreihe berichtet, da wurden dieselben Personen mehrmals getestet, es gab Schwankungen, unterschiedlich groß, die Informationsgewinnung ist noch nicht einfach und nicht ganz sicher. Welche Nachrichten kann ich ernstnehmen?
Das Wetter war super für meinen Sport draußen, halt ein weiterer Tag ganz ohne Regen. Zwei Stunden an der Forstschule, das übliche Programm, ein ausführliches bodyweight training, am Ende noch eine Viertelstunde Jonglieren üben, dann hatte ich keine Lust mehr, bin heim und schreib jetzt das. Ein paar Kapitel vom Hörspiel will ich noch schaffen, drum endet das hier.

Mittwoch, 22.4.2020

Ein Lauf mit dem Ziel Remmingsheim, durch die Stadt, an den Gärten im Weggental vorbei, eine Runde durch das Dorf, ich wohne schon über 25 Jahre hier und war noch niemals in diesem Dorf, wieder zurück, diesmal an der Weggentalkirche, da taucht überm Feld erst die Zwiebelturmspitze auf und verschwindet wieder, bis man dran lang kommt, weiter durch die Stadt am Knast , der Am Schloss heißt, vorbei, gab 12 km. Dieser Satz ist fast genau so lang geworden. Musik war Wynton Marsalis, zusammen mit Eric Clapton, jeder einzelne Musiker in Marsalis` Truppe ist ein großartiger Solist, Clapton fällt da nicht sonderlich auf, außer dass sein Gesang, nun ja, ein wenig harmlos bleibt.
Sonst? Kein Regen, Tag 12 oder so, wir haben doch nicht nur Corona. So schnell, wie die Welt aus den Fugen geriet durch ein kleines Virus, so schnell könnte uns ein viel ärgeres Problem ins Haus stehen, angekündigt ist es seit langem.
Zur Nachrichtenlage: Man will testen, so viel es geht, Ja, Guten Morgen, mit dem Mundschutz in bestimmten Situationen und einer auskunftsklaren Testerei hätte man vielleicht viele wirtschaftliche Schäden vermeiden können, die Schweden fahren noch ziemlich gut mit ihrer Variante. Die Spätschäden durch Corona, die seit gestern in der Presse auftauchten und für Panik sorgten, kommen mir noch etwas unbestätigt daher, sind da aus Vermutungen von drei Pathologen eventuell etwas krasse Aussagen geworden?

Samstag, 25.4.2020

Hier ist eine Lücke. Zwei Tage fehlen. Ich habe keine Ausrede, oder doch, ich war zwei Tage arbeiten und habe das Sportprogramm geschafft. Zum Glück hat die Menschheit im Laufe ihrer Entwicklung dieses Problem von Zeitmangel oder nicht geschafft öfter gehabt und sich dafür so mehr abstraktere Begriffe ausgedacht, deren einen ich heute benutzen werde. Ich wähle aus den vielen Möglichkeiten den Terminus der Zusammenfassung, damit kann ich  den Mangel noch in Richtung Tugend verbrämen.
Auf Arbeit habe ich erlebt, dass die Kontaktsperre zu den Kollegen geschwind aufgehoben ist oder wie nie vorkommend behandelt wurde, wegen einem Personalmangel. Da wurde ich also einbestellt und war in einer der Dreierschichten unterwegs. Auch dafür gibt es die positive Verklärung mit dem Begriff Flexibilität.
Bei einem Stadtgang, es sind immer noch wenige Leute draußen, begegnete ich auf der Brücke einem anderen Passanten. Als sich unsere Wege nahe kamen, blieb dieser Mensch stehen, steckte seinen Kopf weit übers Geländer, so weit weg von mir, wie es nur ging. Ich denk, was macht er, schau mich nach dem Vorbeigehen um, es war nicht so, dass auf dem Wasser was zu sehen gewesen wäre, das war die pure Angst.
Und dann gibt es neuerdings wieder die vielen freiwilligen Erzieher, die ständig ihrer Umgebung das Abstandsgebot einpflegen wollen. Unermüdlich. Wir üben ein neues Herdenverhalten ein. Wohin wird uns das führen?
Laufen in der Abendsonne war wundervoll, es ist noch erstaunlich grün im Lande, es fängt die dritte regenlose Woche an, am Dienstag soll ein kleines Wetter kommen.

Sonntag, 26.4.2020

Eigentlich ein Arbeitstag für mich, aber schon bei der diesjährigen Urlaubseinteilung als frei geplant und nicht mehr rückgängig zu machen, wo Corona überall hinlangt. Also gut, ich bin frohgemut zu Hause geblieben, habe ausgeschlafen und ausgiebig lesend gefrühstückt, der Spiegel hat diesmal ein paar Artikel drin über Menschen, die selber denken. Da kommt sogar der Tübinger Bürgermeister mit vor. U. a. mit dem Gedanken, dass es keine Diskriminierung ist, wenn man manche Menschen mehr schützt und manche weniger, weil das keine politische Vorgabe, sondern biologische Notwendigkeit sei. Da stimme ich zu.
Später gab es ein Läufchen, knapp 10 km durch den staubtrockenen Wald, die Traubenkirsche duftet. Zum Mittag hab ich mir selbst die Pfanne angeschmissen, die Sparvariante, eine Tüte Frost wärmen.
Es kamen aus den Läufergruppen Meldungen über Marathonläufe, wo die Strecke echt war, also die 42,195 km, die Zeiten vermessen wurden, die Leute liefen mit dem Gedanken an die abgesagten Veranstaltungen in Hannover oder Düsseldorf, auf die sie hintrainiert hatten, hier allein durch die Gegend. Ich ziehe meinen Hut.

Montag, 27.4.2020

Soll ich einfach weiterschreiben? Als ich hier anfing, die Läden machten zu, mein Sportstudio auch, ging es mir darum, mich wie Münchhausen am eigenen Schopf ziehend aus dem Sumpf der schlechten Stimmung zu retten, also mit der Tastatur klappernd mich zu kümmern. Das hat erstaunlich gut geklappt, ich habe manchen Frust und manche Verwunderung hier direkt reingetippelt. Nun läuft die siebte Woche, nicht, dass ich keine Lust mehr hätte, hier weiterzumachen, zum Problem wird eventuell, dass es anfing mit dem ersten Satz und kein Gedanke daran vorkam, wo soll es hingehen. Das war in der Anfangsintention nicht gefragt. jetzt geht es immer weiter, ab heute mit der Maske in der Ausgehtasche für alle Fälle. soll ich einfach weiter machen und darauf warten oder hoffen, irgendein Echolot wird schon entstehen. Da muss ich gleich loslachen, anscheinend mag ich große Schuhe, in denen ich dann umher irren kann.
An der Forstschule war ich, ausführlich, unter den verwunderten Augen verschiedener Handwerker im Gelände, niemand hat mit mir gemeckert, selbst dann nicht, als ich an dem Rohr an der Feuertreppe hing und die Klimmzüge machte. Wahrscheinlich hatten sie Schiss vor meiner unbändigen Kraft. Nein, Spaß, sie haben ihr Zeug gemacht und ich meins. Zu Hause gab es wacker Selbstgekochtes, aus zwei Töpfen, sensationell lecker. Und nachmittags war ich zum Kaffee geladen, mit selbstgebackenem Kuchen, also nicht von mir, auf dem Balkon im Schatten, sehr gemütlich und viel redend. Man landet immerzu bei Corona, ich freu mich auf die Zeit, wenn das kein Thema mehr sein wird. Kann man sich grad noch gar nicht vorstellen.

Dienstag, 28.4.2020

Morgens konnte ich schon an der Art des Geräusches vom Straßenverkehr vor meinem Fenster hören, es musste geregnet haben. Tatsächlich, es gab sogar ein paar Pfützen und auf dem Neckar platschte es sogar ein wenig. War dann schnell zu Ende und bald wieder ziemlich trocken, dann hab ich mein Läufchen gestartet. Es sollten 20 km werden, ich wollte die Waldstraße bis Ofterdingen schaffen. Schon am Anfang gab es die schöne Begegnung mit dem weißen Waldvögelchen, ich weiß, wo es wächst und der Lauftreffleiter von Hirschau hatte in einer Mail Nachricht gegeben von erblühter Bocksriemenzunge, so wollte ich aufpassen, was ich so finde. Es ist eigentlich zu früh dafür im Jahreslauf, aber nach diesem warmen April war es tatsächlich schon da, noch nicht ganz aufgeblüht, von großer Schönheit.

Voller Lust und Freude weiter, den Aufstieg weiter, mir fielen alle Namen zu allen Blümchen am Wegrand ein, es sind grad viele. Dann hockte dieser Freund auf dem Weg, fast wäre ich über ihn gestolpert, er gab mir Zeit für das Fotografieren und trollte sich dann so langsam, dass ich sogar filmen konnte.

Ich war regelrecht durcheinander, weil mir klar war, die Bilder müssen gut sein. Fast wollte ich mein Vorhaben abbrechen und schnell nach Hause wetzen, dann hab ich mich doch eingesammelt bekommen und bin in dieser guten Stimmung bis an mein Ziel, das Ortseingangsschild, gekommen, hab es als Halbzeitmarke angefasst und bin die gleiche Strecke zurück.
Beim Spiegellesen so wie gestern, die Nachdenklichkeit über die Verhältnismäßigkeit, wenn dann Menschen konkret berichten, wie ihnen ihr Lebenswerk zwischen den Fingern zerrinnt, das ist das, was beschrieben wurde, diese Geschichten laufen ja tausendfach. Und noch immer kommen in den Nachrichten keine Ergebnisse von Testreihen, wir werden da nicht gut informiert, man muss doch durchsagen, wie die Durchseuchung ist, wie viele Immunitäten es gibt. Wenn diese Zahlen die jetzige Lebensweise begründen würden, könnte ich das leichter aushalten ...

Mittwoch, 29.4.2020

Ich habe es kommen sehen, es ist nicht überraschend eingetreten und trotzdem bin ich nicht vorbereitet. Das geht ja nicht nur mir so. Was ist passiert? Das ist das Problem. Nichts, heute war nichts. Ich war zu Hause, außer den zwei Stunden zur körperlichen Ertüchtigung an der Forstschule. Mein Kühlschrank hatte genug zu bieten, ich brauchte mittags nicht in die Stadt, und selbst Kuchen gab es im Frost, hab ihn rechtzeitig aufgetaut, ist das berichtenswert, ein geplanter Ausflug wurde abgesagt. Da hab ich auf meinen Zetteln ein Vorhaben gefunden, dafür war dieser Tag genau richtig. Auf Spiegel-online sollte es ein Interview mit Daniel Kehlmann geben, sogar mit uraufführender Lesung, das hab ich mir herausgesucht, mühsam als Nicht-Abonnent auch die völlig geistlosen Werbespots ausgehalten, praktisch aktiv ausgeblendet, und hatte mein Vergnügen. Er las u.a. ein fiktives Gespräch zwischen Söder, dem Bayernkönig,  und Kurz, dem Austriakanzler, da ist er richtig, nun ja, garschtig geworden, sehr schön. War ich also Nutznießer der Onlinekultur. So weit heute, den umgebenden Rest von wirklich nichts lass ich untern Tisch fallen, ehe ich anfange, so mit Nudelholztechnik in die Breite zu gehen.

Donnerstag, 30.4.2020

Morgens war der Gedanke an gestern da, würde heut wieder nix passieren? Das wurschtelte so im Kopf herum, dass mir die Lust zum Laufen auch noch verging. Die Wetter-App hat geholfen, es war konkret Regen angesagt in anderthalb Stunden, da hab ich mich besonnen und bin gleich losgedüst. Und beim Schauen, mit dem Gedanken an den Feuersalamander von vorgestern, ich dachte, das kann nicht getoppt werden, bemerkte ich, wo es langging. Nicht nur unter turtelnden Stieglitzen und steigenden Feldlerchen durch und an einer Schar Graugänse vorbei, sondern eben immer entlang am Gelben. Wie nur so was zu Stande kommt, hat der Bauer beim Rapsernten voriges Jahr eine undichte Stelle im Sammler gehabt, oder ...

Beim Staunen darüber und im Weiterlaufen dann dies: Büschelweise ausgewilderter Inkarnatklee, ein Einwanderer aus dem Mittelmeergebiet, wird als Futterpflanze angebaut und wächst dann einfach wieder durch, das Klima hier verträgt er mittlerweile. Und er sieht schön aus.

Da bin ich also zufrieden zu Hause angekommen, 10 km und eine ordentliche Zeit für meine Verhältnisse. Regen kam keiner. Nach dem Duschen musste ich einkaufen, da nichts mehr zu futtern da war. Heute also mit Maske. War das erste Mal so lange damit unterwegs, man merkt dann deutlich, was man für warme Umgebungsluft produziert. Ich finde das trotz dieser Lästigkeit in Ordnung, denke, man hätte das von Anfang an so machen können, zumal viele mit Selbstgewickeltem unterwegs sind, dann hätte man sich diesen totalen Lockdown sparen können, vielleicht weiß man das aber erst jetzt. Mitteilenswert sind noch zwei Dinge. Der Chinese, der für einen Teil meiner Ernährung sorgt, hat mir eine Portion Nudeln in seine Verpackung gehaun, das war nicht zu schaffen. Gibt es abends den Rest. Und es gab Mispeln, die Saison startet. Ich hatte mich in irgendeinem meiner Texte schon als Fan zu erkennen gegeben. Die ersten hab ich schon gegessen und ich finde keine Sprache dafür angemessen zu schwärmen, sie sind sensationell. Kennt ihr Mispeln? Probiert es unbedingt. Halbieren, die Kerne rauspulen, die Schale runterziehen, das geht gut, und dann paradiesischer Genuss.

 

Der Maitext: weiter