Freitag, 1. 4. 2022
Meine kurze Zweitagesarbeitswoche ist schon beendet, ich bin froh
drum. Es hat mich angestrengt, nicht die Arbeit, nicht die Zeit, die
ich setzen muss, sondern die Begegnung mit Leuten, die in ganz
anderen Bubbles leben, sich anders informieren als ich. Aber von
vorn. Vormittags war die Post da, auf die ich wartete, ich konnte
unterschreiben und zurückschicken, das heißt, mein Wille zu dem
großen Ding ist aktenkundig geworden. Ich brauche nicht mehr drüber
nachdenken, ob, oder ob nicht, sondern muss mich lediglich kümmern,
meins dazu zu tun. Nachdem die Post im Kasten war, bin ich frohgemut
ins Studio, hab eine schöne Einheit geschafft, bin mit wohlig
ermatteten Anteilen unter die Dusche, ab da war Hamsterrad. Im Bus
ging es los mit den seltsamen Begebenheiten, ich war einziger
Zusteiger in Rottenburg, da mault mich der Fahrer voll von wegen
FFP2-Maske, ja, sag ich und troll mich auf einen Platz. Schau
schnell im Web nach der gültigen Landesregel, Maske im öffentlichen
Verkehr, keine Deklarierung weiter. Wir fahren schon ewig mit
medizinischen Masken. Leck mich, denk ich. Die nächsten Zusteiger,
alle mit med. Masken, keinerlei Ansprache des Fahrers, Hirni, denk
ich. Auf Arbeit, in einer Kaffeepause die Erläuterungen zum Krieg in
der Ukraine. Diesmal wurde der chinesische Standpunkt vertreten, die
USA und die EU als Aggressoren, umgeben von allgemeiner
Politikschelte. Es gibt lautstarke Wortführer, ein paar Nicker und
stille Menschen. Keiner hat Lust, eine andere Meinung zu vertreten,
vor allem nicht gegen die vorgebrachte Pauschalschelte und Vehemenz.
Dazu kam noch der Hinweis auf die Inflation, und dass es ja
gesteuert wird, so gewollt wird, und was noch für Geraune. Soll ich
da sprechen? Das gäbe schnell Streit, da ich als erstes jeden Satz
auf Pauschalquatsch zerpflücken müsste, die Politiker, die Minister,
die haben doch alle keine Ahnung. Nicht mal im Ansatz die Bemühung,
was von der Welt zu verstehen, Erklärungen über Abläufe und
Prozesse, die gibt es ja, zu hören oder zu lesen. Sind wir alle
bubblekrank? Heimzu mit anderem gutgelaunten Busfahrer, Vorfreude
auf´s Wochenende, ich hab viel vor.
Samstag, 2. 4. 2022
Trotz Schneeregen und Kälte: Ich könnte ein Lobpreiser des
arbeitsfreien Samstag sein. Hab ausgeschlafen, gelestückt, bis es
keinen Kaffee mehr gab, das Buch war auch alle. Stefan Heym und sein
Roman "Schwarzenberg", ich habe einen alten Ossi gefragt, ob er sich
erinnert, tatsächlich, es war aber eine durch späte Zeitungslektüre
verursachte Erinnerung. Bei aller Schwere der geschilderten Zeit,
direkt nach dem Krieg, wird Alltag und normales Kleinklein
beschrieben, die Suche nach Neuorientierung oder Machtgelüste, nicht
nur große Geschichte, sondern es wird von der Liebe und von Schuld,
einzeln auf konkrete Figuren heruntergebrochen, erzählt, so dass
Menschsein in fragilen Verhältnissen erkennbar wird. Leseempfehlung.
Zwei Haushaltstunden schob ich ein, nicht gern, motiviert von
wuselnden Staubflocken, die aus ganz unvermuteten Ecken hervorkamen.
Fast alles ist fertig, morgen nur noch bissle Sanitärputz.
Mittagessen war ich beim Chinesen, zu Fuß durch Schneetreiben zum
Handelshof. Es gab keinen Wochenendkuchen mehr, so hab ich daheim
eine Blätterteigrolle, gefüllt mit Quark und Rosinen aus dem Frost
geholt und in den Backofen gelegt und mich gefreut, dass
irgendjemand dieses Teil für mich zubereitet hat. Nachmittags zum
Sport, ich wollte ganz ohne meinen Plan trainieren und mal wieder
die alten Routinen ausprobieren, das ging gut. Hab es gerade noch in
die Sauna geschafft, bevor das Studio zumacht. Mich zu Hause auf nen
Kaffee und frisch abgebackenen Kuchen gefreut. Davon gab es soviel,
musste ich das Abendessen weglassen. Den Drucker wollte ich
zurückgeben, hatte mir letzte Woche einen gekauft, weil allerhand
Papierkram anstehen wird. Die Drucke sahen seltsam aus, nach vielen
Versuchen mit dem Musterdruck, war immer noch jede dritte Zeile
vorhanden, die anderen eben nicht. Schwer lesbare Dokumente. Bin
also zum Real gefahren, das ging reibungslos, nachdem ich eine
Druckprobe vorlegte. Jetz hab ich allerdings schon viel Zeit gesetzt
und stehe da wie vorher. Nächste Woche werd ich den Saturn ansteuern
müssen. Lesen: Ein neues Buch rausgezuppelt, Hermann Kant, "Der
dritte Nagel", das sind fünf Erzählungen, die erste hab ich noch
nicht fertig, bin aber sehr angetan von dieser klaren Erzählstimme.
Es geht um die prekäre Existenz einer Familie am Rande von Hamburg,
die Zeit ist nicht ganz konkret benannt, die Sechziger, würde ich
sagen, man musste Geld borgen, die Schwierigkeiten beim Zurückzahlen
und dann eine Wendung der Geschichte, die Verleiherin kommt die Rate
einfordern und stirbt während dieses Besuches. Eine auch humorvolle
Beschreibung, was im ArmeLeuteViertel so passiert. Sofort glaubhaft,
wieder ein wunderbares Zeiterzählstück.
Sonntag, 3. 4. 2022
Am Wochenende laufen die Uhren schneller, nicht nur, dass wir
manchmal eine Stunde vorstellen, die Stunden selber müssen kürzer
sein. Damit die Rechnung aufgeht, laufen die Uhren in der Woche
langsamer, auf fünf Tage verteilt, wir merken es kaum. Jetzt
bräuchte ich noch einen Schuldigen, einen, der das steuert, und
schon hätte ich eine schlüssige Verschwörungstheorie in die Welt
gesetzt. Nun gut, mir hat mein Tag gefallen, auch wenn es schnell
rum war. Morgens der langsame Anfang, mit einer weiteren Erzählung
aus der Kant-Sammlung, ein erfolgloser Schriftsteller legt sich eine
Theorie zurecht, warum es an ihm nicht liegen kann. Es funkelt vor
schönen Ideen, es ist vorzüglich in Sprache gebracht, am Ende ist es
Unterhaltung im besten Sinne. Kant konnte. Mittags war ich zum
Sport verabredet, bin aber versetzt worden, hab ich ganz in Ruhe und
Entschlossenheit meinen Rückensplit durchgezogen, es ging gut,
sollte es vorwärts gehen. Zum ersten Mal gelangen die breiten
Klimmzüge im vollständigen Satz. Und bei den anderen Übungen spüre
ich mittlerweile ganz gut, wo es hin soll und kann es meist gut
ansteuern. Zwischenrein kam Tanita trainieren, die
Calisthenicstrainerin, da haben wir manche Pausen verschwätzt. Eine
neue Übung hat sie geschwind eingepflegt, Trainer sind so. Mit der
Rolle auf dem Boden, von den Füßen aus in die Waagerechtstreckung
und zurück in den Stand. Von den Knien aus schaffen wir das beide,
aber ohne, da wird es richtig schwer. Einmal gelang es mit Hängen
und Würgen, dann noch mal negativ, von unten in den Stand. Da haben
wir was zu üben, die Begründung war, für Cali nützt es bestimmt
total. Abschließend Sauna und Shake, heim Mittag kochen, die
Begründung war, ich hatte noch angerissenen Reibekäse, da musste
ich. Nudeln, Oliven, getrocknete Tomaten in Öl, viel Käse. Ich war
satt und zufrieden. Pause, Lesen, wieder eine Kant-Geschichte,
wieder gut. Kaffee, der Rest vom Gesternkuchen, ein großer Rest,
schon wieder das Abendbrot gespart. Da viel Quark im Teig war,
verbuche ich das unter gesunder Ernährung. Der Rest der Zeit ist so
verläppert, am Rechner, am Handy, Videos von den Enkeln, das
Sprechen wird mehr und vielfältiger, dazu die konzentrierten
Gesichter, wenn sie was erzählen oder auf Fragen antworten. Die
Kleinen machen mich froh. Jetzt ist das hier fertig, noch bisschen
vorbereiten für morgen, Frühschicht, der Wecker klingelt zu
unanständiger Zeit.
Dienstag, 5. 4. 2022
Die Lücke von gestern ist schnell erklärt. Frühschicht, Hauskram und
Post, Kurs am Tower, Zeugs für den nächsten Tag vorbereiten. Da war
keine Viertelstunde Luft. Dieselbe Erklärung für heut für gewisse
Knappheit. Nach der Arbeit ein Besuch beim Orthopäden, meiner fiel
aus wegen Corona, ein anderer hat das in zwei Minuten geklärt. Noch
ein Rezept für Einlegesohlen nach einem Blick auf die Röntgenbilder,
na immerhin, mit einer neuen Erklärung vor dem selben Bild. Ob es da
den persönlichen Auswertblick gibt? Nun ja, auf dem Rückweg ging es
durch den Bäcker, das hat mich beruhigt. Ein Einkauf, ich hab ein
paar Vorräte ergänzt, Nudeln und Soßen, Eintöpfe, alles haltbar und
so für meine schnelle Küche geeignet. Ich war so zeitig fertig
damit, bei Anrufversuchen bin ich gescheitert, so war Zeit für das
Studio. Neue Geräte waren da, Tanita wartete damit, wir wollten
probieren. Handstandgriffe, ich muss es heimlich üben, da fehlt mir
allerhand Gottvertrauen, soll heißen, ein Klemmer sitzt im Kopf. Mit
den Haken für Überkopfhänger-Bauchaufzüge ging es besser, die kannte
ich schon in einer ähnlichen Variante. Da ist wieder Luft zum
trainieren, neue Aufgaben. Beim Lesen: Die Kant-Erzählungen hab
ich fertig, und alle fünf waren sie ein großes Lesevergnügen. Er
nimmt irgendeine Alltäglichkeit und fabuliert eine denkbare
Geschichte drumrum, kleine Überraschungen und die schlüssige Sprache
machen sofort neugierig. Ich glaube, man wird Kant neu bewerten
müssen, die Qualität seines Werkes überstrahlt irgendwelche den
Scheißumständen geschuldeten Schlampereien im ostdeutschen
Schreibermillieu, das ist ähnlich wie bei Anna Seghers.
Mittwoch,6. 4. 2022
Die Corona-Regeln sind fast alle weggefallen, seit Montag schon. Im
Studio bin ich aus lauter Gewohnheit noch mit Maske rein, fast
niemand hatte eine auf, so dass ich mir komisch vorkam. Auch am
Dienstag, beim Einkaufen hab ich auf dem Weg vom Parkhaus zum
Supermarkt nach der Maske gefummelt, dann gesehen, es laufen Leute
ohne, wollte es probieren. Erwartete, angemault zu werden, da war
nichts, ich ging mit meinem ganzen sichtbaren Gesicht unter die
Menschen. Da gab es viele, die unter der Maske steckten, zumindest
war keine gegenseitige Kontrolle spürbar. Ich fand es total
angenehm, ohne zu sein. Heut zum Feierabend hatte ich in der Stadt
zu tun, ging beim Bäcker ohne rein, es war in Ordnung. Überall sind
die Hinweisschilder weg, der Prozess sich zu gewöhnen geht so rum
schneller als sich beim Einstieg mit Maskentragen und beschlagener
Brille zu arrangieren. Auf Arbeit gibt es seltsame Verknotungen
im Materialfluss, bei uns kommt wenig an, im Arbeitsgang danach
staut es. Eigentlich komisch. Buchhalterische Finessen einerseits,
schlechte Organisation andererseits? Das weiß ich ja nicht, wenn wir
nachfragen, gibt es so mulmige Erklärungen und ganz neu ist das
Problem nicht. Mir ist es nicht mehr so wichtig. Beim Lesen bin
ich auf Solschenizyn gestoßen, eine Erzählung, "Matrjonas Hof". Ein
schmales Werk von großer erzählerischer Kraft, die Übersetzung ist
gut. Ein Zeitbild, ländliche Gegend um 1963, ein ehemals
Einsitzender darf als Dorflehrer arbeiten, wenn er keine Ansprüche
stellt. Tut er nicht, er beschreibt sein Unterkommen auf dem Hof,
wohnt da mit der übriggebliebenen Bäuerin in einer Stube unter
ärmlichsten Bedingungen. Die Mühsal, das Leben am Laufen zu halten,
nicht zu erfrieren, zu verhungern wird einfach und genau
beschrieben, konkrete Arbeiten, Heizmaterial zu sammeln oder Beeren,
die ewig langen Wege zum Amt, zum Einkaufen machen klar, für
persönliches blieb keine Zeit, Kraft. Dringend zu lesen, weil
literarisch auch noch von hoher Schönheit.
Donnerstag, 7. 4. 2022
Schwieriger Tag, die Müdigkeit weitet sich aus. Die Frühschicht ging
gut rum, nicht allzu viel zu tun, und ich hab mir von einem Kollegen
sein neues Tattoo erklären lassen, er hat sich Odin auf dem Unterarm
abbilden lassen. Germanische Gottheit, den Namen hatte ich noch ganz
hinten im Kopf, als Jugendlicher hab ich mal was gelesen über die
Göttergeschichten der Germanen und Wikinger. Es war mir zu grob, zu
gewalttätig, ich kannte da schon die griechische Mythologie, die ist
so schön elegant, so menschlich, so vertraut, da hatten Odin und
Edda und Thor keine Chance. Zum Feierabend nach dem Tiefschlaf
auf der Heimfahrt im guten Bus war ich so frisch, da wollte ich mir
den Drucker holen. Zweiter Versuch. Bin zum Saturn nach Tübingen,
kaum Drucker da, hab jetzt so was schickes von Epson gekauft, teuer
und mit großen Patronen und über Handy und App zu steuern. Bin
neugierig, ob ich das schaffe. Wo ich schon unterwegs war, bin ich
mal in einen Tübinger Bäcker, naja, hätte einen weiter fahren
sollen. Zu Hause hab ich mich dem neuen Medikamentenplan gewidmet,
und einen Beipackzettel entfaltet, der war größer als mein
Küchentisch. Nach dem ich die ersten zwei möglichen Nebenwirkungen
kapiert habe, hörte ich auf zu lesen, stellte das ursprüngliche
Format durch Faltung wieder her und hab mal die erste Ration
eingeworfen. Dann bin ich schnell zum Sport, ich dachte, wenn es
ganz schlimm kommt, findet mich da jemand. Siggis Bauchkurs ging gut
durch, war anstrengend, danach hab ich ein bisschen Rücken
angehängt, duschen, zu Hause Abendbrot, Schicht morgen vorbereiten,
bisher bin ich in Ordnung. Morgen gibt es Muskelkater im Bauch, das
ist eine Nebenwirkung von Siggi. Aus naher Ferne blinzelt schon das
Wochenende.
Freitag, 8. 4. 2022
Geschafft, die Frühschichtwoche ist erledigt, ein langes Wochenende
steht ins Haus. Ausschlafen, sich ein bisschen hängen lassen, ein
paar Dinge erledigen. Die Arbeit ging gut, ich habe eine Anlage
umgerüstet und die hat mich auf Anhieb verstanden und gemacht, was
sie sollte. Zum Mittag bin ich in die Kantine, es gab Flammkuchen,
sehr lecker, und einen Nachtisch, irgend eine süße Quarkspeise mit
einem kleinen Schwupp Eierlikör. Da ich seit ewigen Zeiten keinen
Alkohol konsumiert habe, hatt ich fast einen Rausch, ich fühlte mich
recht albern. Hab mich durch die letzte Messrunde gekichert, zur
Belustigung meiner Kollegen. Die Heimfahrt hab ich gar nicht
gemerkt, bin auf dem Parkplatz zum Aussteigen geweckt worden.
Stadtgang, u. a. Bücherschrank, ein Remarque, ein Updike, und Oliver
Twist, den hab ich nur als Film gesehen. Ein wenig kramern zu Hause,
dann zum Spinningkurs. Gut geschwitzt, gut geradelt, alles im grünen
Bereich. Beim Umziehen hinterher ins Gespräch gekommen, über
Fernsehen und Radiohören, hab mich als seltsam erlebt, mein
Gegenüber lebt in einer ganz anderen Welt. Bzw. ich, ich kannte
alles, was er aufzählte, er kannte nichts, was ich erwähnte. Hab gar
nicht gemerkt, das ich soweit rausgetrieben bin.
Samstag, 9. 4. 2022
An den Vormittag musste ich einen Haken machen, soll heißen, der
verging mit Schlafen, dem Fühstück, da hab ich mich an Dickens
Oliver Twist festgelesen und weiß jetzt, warum er nicht vergessen
worden ist. Er bringt ein Zeitbild aus dem England um 1833, die
Frühindustriealisierung bringt u. a. eine völlige Verarmung großer
Teile der Bevölkerung, beschreibt es empathisch in der Erzählung um
den Waisenjungen Oliver Twist. Man kann in die Wohnumstände, den
Hunger und die totale Persperktivlosigkeit und die daraus
resultierende sittliche Verrohung der handelnden Personen
exemplarisch reinschauen, das, was man im Geschichtsunterricht mal
gehört hat, bekommt hier eine konkrete und nachvollziehbare
Darstellung. Ich finde, im Film geht das unter, hier im Buch wird es
sehr deutlich. Mittag gab es beim Chinesen, dann wollte ich
weiterlesen, sah vorher zum Glück meinen Plan, ich hätte alles
vergessen. So war ich einkaufen und musste in der Küche klar Schiff
machen, Obst waschen, Ingwer schälen, einen Frostkuchen ließ ich
draußen. Sport kam dran, ich war rechtzeitig da, kam durch den Plan,
Brust und Bizeps. Für die Sauna reichte es gerade noch. Zu Hause,
mein Kuchen war zwar noch ziemlich kühl, fast wie beim Bäcker aus
der Kühltheke, ging aber gut. Lidlkuchen, Kirsch auf Pudding unter
Streusel, damit kriegt man mich. Den Rest der Zeit verlas ich und
stelle fest, so eine Frühschichtwoche stecke ich nicht mehr so
einfach weg, brauche etwas Zeit für Erholung. Nun ja, die paar Jahre
wird es noch reichen. So ist von meinem Zettel nicht viel zu
streichen gewesen, es bleibt mir für morgen. Mit listigem Blick hab
ich schon gesehen, was unbedingt gemacht werden muss und wo ich
schieben kann. Da werd ich glatt zur Mogelpackung, bzw. ich merke,
dass ich meinen Maßstab aus vergangenen Zeiten nicht so lassen kann.
Das ist jetzt eine Auseinandersetzung mit dem Älterwerden.
Sonntag, 10. 4. 2022
Da ich ausschlafen wollte, ging es wieder recht spät los. Das Buch
tat ein Übriges, so dass ich wieder von einem geringfügigen
Tageswerk berichten kann. Was aber wurscht ist. Lesen voller Lust,
es fehlt nicht mehr viel am Twist. Telefonieren, ein paar Kontakte
sollte ich halten, um nicht ganz komisch zu werden. Genauso die
Kommunikation per Whats App. Gekocht hab ich selbst, da entstanden
herrlich gebutterte Nudeln mit einer Gemüsebolognese unter Parmesan.
Beim Sport war ich, kam einigermaßen durch und hab mir sagen lassen,
ich solle mehr essen, ein Kalorienüberschuss sei wesentlich bei
Zuwächsen. Das wird nicht einfach, ich ess, bis ich satt bin, dann
hör ich auf. Muss es mit Shakes versuchen, Eiweiß und Kohlehydrate
sollen rein. Nach dem Training hab ich daheim extra viel
Kuchen gegessen, was ging. Einen Abendspaziergang gab es, die Amseln
saßen oben und flöteten die Sonne an. Eine Bemerkung noch zum
Lesen: Ich sitze also, les und les und blättere um. Es sind ja
gebrauchte Bücher, letztens fand ich in einem anderen kleine
pornographische Kritzelein, das hat mich belustigt. Heut war es ein
gepresstes, trockenes vierblättriges Kleeblatt auf Seite 183,
bestimmt hab ich in nächster Zeit allerhand Glück.
Montag, 11. 4. 2022
Der Tag vor der Nachtschicht, bissle ausschlafen, kleines Programm,
nicht nichts. Lesen, Oliver Twist kam zu einem guten Ende, klar muss
man einrechnen, wann das Buch entstand, so romantisch gutherzig war
die Welt noch nie. Man hat damals so geschrieben, das jeden sein
gerechtes Ende treffen soll. Im Robinson ist das so, in der
Schatzinsel, trotzdem sind das Bücher, in denen ganz viel Konkretes
aus den Verhältnissen für uns sichtbar wird, da kann ich drüber
hinwegsehen, dass Oliver von edler Herkunft ist und deswegen so ein
guter Jung sein soll. Den Drucker hab ich zum Drucken gebracht, ehe
der mit allem zufrieden war, hat es gedauert. Treiber fehlten, die
Handhabung auf einer kleinen schematischen Darstellung ließ so was
weg, auch die Einrichtung der Verbindung zu Handy und Rechner,
fröhliches Ausprobieren. Am Ende konnte ich vom Rechner aus einen
Ausdruck starten, als es im Drucker zu rappeln anfing, war ich ganz
im Glück. Das hat tatsächlich so viel Zeit gekostet, da war ich
nicht beim Sport. Wahrscheinlich wäre ich sowieso nur mit dem Rad
durchgekommen, den ganzen Tag war auf der Straße vor meinem Fenster
StopandGo-Verkehr in eine Richtung. Eine große Umfahrung ist
gesperrt für drei Wochen, kein guter Zustand. Wer da alle Tage durch
muss, braucht gute Nerven. Mit einer guten Musik bin ich
zeitweise ausgestiegen, diesmal Led Zeppelin mit einer ihrer
Platten, 1976 erschienen, die Jungs haben wirklich alles anders
gemacht als je zuvor, sie haben von sich gesungen, von ihrem
InderWeltsein, die ganze scheinheilige Eiapopeiaschlagerwelt links
liegen lassen, wo sie hingehört und zack, Millionen junger Menschen
haben beseelt mitgesungen. Es erschließt sich sofort beim Hören,
warum.
Led Zeppelin "Presence"
https://www.youtube.com/watch?v=zi2D4c5TX-I&list=WL&index=25
Dienstag, 12. 4. 2022
Zur Nachtschicht bin ich mit dem Rad zum Bus, es war warm, morgens
heimzu dagegen war es eisekalt, fast sind mir die Ohren vom Kopf
gefroren. Ich war froh, als es im Bett wärmer wurde. Nach dem
Schlafen beim Lesefrühstück nach dem Mittag hab ich mich ein wenig
erregt, oder belustigt. Brief an D., von Andre Gorz hat ein paar
wundervolle Sequenzen, die er seine Hauptfigur an seine Frau
schreiben lässt, aber in der Hauptsache beschäftigt er sich mit sich
selbst, erklärt, rechtfertigt, da kommt er so unter Druck mit sich
selbst, dass die Liebe ins Vergessen gerät. Die Hälfte hab ich, bin
gespannt, ob er rauskommt aus seiner Selbstbeschauung. Ist die Liebe
so? Dann kann ich allein bleiben, muss mir meine Außenwirkung ab und
an bestätigen lassen. Bei Romeo und Julia klingt das anders. Im
Studio war ich rechtzeitig, mein Trainingsplaner war auch da und mir
ein Stück voraus beim Brust-Bizepssplit, so dass ich ihm fast durch
alle Übungen folgte. Keine gute Konstellation, ich sehe die
Gewichte, die er nimmt, oje, denk ich. Egal, es war wieder warm,
schön draußen, hab mir gen Ende die Gewichte mit raus genommen und
anschließend noch was am Tower gemacht. Aroundtheworld heißt die
eine Übung, Dragonflag die andere, das sind mal schöne
Bezeichnungen. In den Pausen gab es Volleyball zu sehen. Zum
Ukrainekrieg: Anscheinend gibt es ein Handbuch der staatlichen oder
militärischen Führung der Russen, dass die Ukrainer alle Nazis
seien, da sie sich der Heimholung widersetzten. Deswegen kann man
vernichten und zerstören. Der Nazibegriff hat nichts mit der bisher
und uns bekannten Bedeutung zu tun, sondern dient quasi per
Festlegung der Begründung zum Krieg. Da die russischen Medien
mittlerweile gleichgeschaltet oder verboten sind, kommt in der
Bevölkerung ausschließlich so gelenktes Zeugs an, so erklärt sich
die immer noch große Unterstützung für Putin. So ließ ich es mir die
NZZ erklären. Da ich dieses Medium für ein freies und seriöses
halte, muss ich es wohl glauben, obwohl mir das so blöde vorkommt,
dass ich es gar nicht wahrhaben will. Das wäre praktisch von Staats
wegen eine Aufforderung zum Völkermord.
Mittwoch, 13. 4. 2022
Dieser Tag war bis hier nicht bemerkenswert, ich war konfus,
abgelenkt vom Verkehrsgedöns vor meinem Fenster, es ist nicht nur
so, dass da ständig Autos stehen, sondern die Atmosphäre ist
gereizt, voller aggresiver Gestern, das schwappt, auch, wenn ich
mich nicht drum kümmern will, bis zu mir rein. Nachmittags musste
ich in die Stadt, hab das Rad genommen, aber selbst da ist kaum ein
Durchkommen, und die vielen Verwünschungen durch überholte
Autofahrer stell ich mir lieber gar nicht vor. Beim Lesen ging es
entsprechend zu, ich habe mir einen Harry Mulisch rausgesucht, "Die
Prozedur", er schreibt übers Schreiben, übers Schöpfen, soweit ich
das auf den ersten Seiten verstanden habe. Zumindest bis zur
Erkenntnis hat es gereicht, dass da richtige Gedanken enthalten
sind. Wenn ich demnächst weiterlese, will ich mich hinter ein auf
den Hof zeigendes Fenster setzen, um mir diese Verkehrsunruhe vom
Leibe zu halten, wie es eben geht. Mein neuer Drucker lässt sich
vom Rechner aus ansteuern, er scheint das aber als Einbahnstraße zu
betrachten und weiß noch nicht, wohin er Gescanntes schicken soll.
Ich bin sicher, das kann ich ihm noch vermitteln, dass er hin und
her kommunizieren darf, ja soll. Alles andere wäre ein
asymmetrisches Verhältnis, etwa so, wie der Pfarrer von der Kanzel,
wenig befriedigend für ein vollständiges InderWeltsein.
Donnerstag, 14. 4. 2022
Die nächsten Einlegesohlen für meine behinderten Füße waren fertig,
ich bin mit dem Rad durch die Stadt, zu Fuß wäre es weit, mit dem
Auto dauert es dreimal länger bei dieser Verkehrssituation. Durch
den vergangenen Lockdown hab ich nicht mal richtig ordentliche
Schuhe, jetzt sind die Einlagen in irgendwelchen, an die muss ich
mich gewöhnen. Bei diesem Stadtgang führte die Strecke am
Bücherschrank vorbei, heute ohne Ergebnis. Den Bäcker hab ich
angehängt, mit Ergebnis. Heim durch die verstopfte Stadt, ich kann
alle überholen, keine Kunst, die stehen. Sporttasche packen, wieder
los, es ist überall so voll. Teilweise werden die Radwege so
benutzt, dass Radfahrer nicht durchkommen, als ob der Autofahrer was
davon hat, wenn ich auch warten muss. Meinen Rückensplit hab ich
fast vollständig abgearbeitet, nebenher gab es einen Plausch mit
einem Kollegen da, der mir immer einreden will, ich sei sein
Vorbild. Diese Rolle hatte ich noch nicht, wir konnten uns dann auch
anderweitig verständigen, ich find es gut, wenn man über was anderes
reden kann als über Klimmzüge, und das ging vorzüglich. Meine
zweite Ration der neuen Medikamente hab ich geschluckt, versuche,
nicht über die vielen möglichen Nebenwirkungen nachzudenken, merke
aber, ich ziele mit meine Wahrnehmung nach innen, leicht
hypochondrisch. Demnächst gehe ich zur Nachtschicht, da bin ich
abgelenkt.
Freitag, 15. 4. 2022
Nach einem wuschigen Anfang, zwei mal weckte mich das Telefon, ich
ließ es klingeln, schien mir die Sonne auf den Frühstückstisch und
ins Gemüt. Kein Stau vor dem Fenster, nur wohlgemute Spaziergänger
in allen Konstellationen. So hab ich stressfrei die ersten
Verrichtungen geschafft, irgendwann wollte ich nicht mehr lesen,
also zum Sport. Grad,als ich loswollte, klingelte es, das vor vier
Wochen gekaufte Bild kam mir ins Haus. Wundervolles Bild, von
wundervoller Malerin gebracht, wir werden uns demnächst auf einen
Plausch und Austausch treffen. Im Studio bin ich gut durch den Plan
gekommen, habe draußen am Tower noch was angehängt, hab die letzten
zehn Saunaminuten erwischt und bin zufrieden heim. Traf unterwegs
einen Sportkollegen aus meinen Anfangstagen, wir kennen uns 25
Jahre. Und sind beide noch aktiv, wir haben uns das gegenseitig
angesehen. Zu Hause gab es Kaffee und sogar ein süßes Stückle, ich
war noch kribbelig. Das Wetter war so schön, der blasse Vollmond war
schon da, ich wollte raus. So bin ich mit dem Fahrrad nach Bühl, in
der Abendsonne unter Lerchengesang, zum Bücherschrank. Siehe da, ich
nahm mit: Fremdwörterbücher, zwei, Sinn- und sachverwandtes
Wörterbuch, eins, dick und schwer, ich redete mir gut zu, es sei
nützlich für mein Dasein als Schreibender. Dazu ein langgesuchtes
Buch, Dan Brown, Diabolus, da hab ich die englische Ausgabe hier und
wollte mich bilden durch Parallellesen, mal sehen, ob das klappt.
Ein Sachbuch, "Was auf uns lebt", den Titel fand ich so erheiternd,
musste ich einstecken. Ein Roald Dahl, ungewöhnliche Geschichten,
schreibt er auch was anderes? Zwei Romane, auf Verdacht. die
Heimfahrt auf der leeren Straße im duftenden Frühlingsblütenwind am
Sonnenuntergang entlang. Beim Auspacken nochmal die Freude über die
Bücher, beim Bildauspacken wurde Euphorie draus.
Samstag, 16. 4. 2022
Mein Tag war ganz harmlos, ich war einkaufen, beim Sport, und
gelesen hab ich auch ein bisschen. Am Rechner ging ein wenig Zeit
verloren, da hab ich gedaddelt. Sinnlos, aber entspannend. In
den Nachrichten: Berichte von Ostermärschen, ich hab das gelesen und
fing an, über meine Position nachzudenken. Hab ich eine? Als ich zur
Musterung bestellt wurde, das war 1979 in Dresden, hab ich den
Dienst ohne Waffe angewählt, musste die üblichen
Auseinandersetzungen durchmachen mit irgendwelchen fantasielosen
Politkommisaren, die mich immer fragten, wie ich reagieren würde,
wollte jemand meine Freundin erschießen, und ich hätte eine Waffe.
Darauf waren wir aber vorbereitet und haben alles mögliche erzählt,
egal, wie dumm das war. Ich hätte also vom "Du sollst nicht töten"
angefangen, aber das wollte der nicht hören, es war schnell zu Ende.
Später, nach der Wende fand ich die Abrüstung gut, wie viele dachte
ich, jetzt gerät die Welt auf einen guten Weg. Der immerdauernde
Konflikt in Israel machte für mich klar, mit Waffen und mit Gewalt
löst man es nicht. Erst der Jugoslawienkrieg erschütterte mein
Weltbild, ich erlebte Joschka Fischer, wie er für eine Beteiligung
an der Konfliktlösung dort warb, eine bewaffnete Lösung. Ich bin
seiner Argumentation dort gefolgt, habe für mich allerdings so
achselzuckend festgelegt, damit will ich nichts zu tun haben, die
Konsequenz wollte ich tragen, und ich wollte es nicht mehr für die
Welt festlegen. Ich weiß nicht, wie meine Position im dritten Reich
ausgesehen hätte, man hätte fortgehen müssen. Haben manche gemacht.
Nun will Russlands Führung ihre Weltsicht mit Gewalt verbreiten, ich
merke, ich bin dagegen, finde die Unterstützung für die Ukraine
völlig in Ordnung, hab selber was in die Unterstützung von
ukrainischen Flüchtlingen gegeben. Mit meinem ganzen Dasein will
ich, dass Putin rausfliegt aus der Ukraine, will auch nicht meckern,
wenn mein Leben deswegen mehr kostet an der Tankstelle oder beim
Heizen. Ich will es nicht mehr, dass irgendein Herrscher bestimmen
darf, was seine Untertanen und andere, die ihn garantiert nicht
eingeladen haben, denken, machen dürfen. Da haben wir hier
erfolgreich die Kirche säkularisiert, jetzt kommt so ein Putin und
spielt beleidigte Leberwurst. Macht Schäden, die sind so groß, so
unverhältnismäßig zu seinem kleinen Dasein. Denke aber trotzdem,
es wäre besser, zu Russland alles dicht zu machen, keine Geschäfte
mehr, kein Austausch, kein Gas, kein Öl mehr, das müsste schnell zu
solchen wirtschaftlichen Konsequenzen führen, dass vielleicht die
Russen anfangen zu meutern. So wäre es mir am liebsten, aber ich
habe keine Ahnung von den Auswirkungen ringsum. Deswegen handele ich
das hier so leise ab.
Sonntag, 17. 4. 2022
Ein Sonnenscheinsanfterfrühlingsfeiertag, wie aus dem Bilderbuch.
Ich kam gut in die Gänge, hab den Zweiwochenputz, den lästigen
eingeschoben, Ostern hin, Ostern her. Auf meinem Zettel stand
allerhand, es ist nicht alles erledigt, aber mehr, als ich mir
selbst zugetraut hatte. Der Sport fand in ganz leerem Studio statt,
in der ganzen Zeit waren keine zehn Leute da, ich hab Bauch und
Beine und den Arsch mürbe gemacht, da ich ewig nicht im Kurs war, wo
das sonst dran kommt. Draußen spielte eine Hobby-Gang Volleyball,
zwischenrein kam einer der Buben an den Tower und führte geschwind
seinen Kumpels eine Humanflag vor, es sah ganz leicht bei ihm aus.
Bei den andern ging es nicht, ich dachte schon, sie kommen in Serie.
Der Abend war immer noch so schön, bin ich wieder raus, spazieren.
Zwei Stunden ins Weggental hinter, da ich grad gar nicht laufe, habe
ich das Gefühl, den Frühling, das Blühen kompett zu verpassen. So
konnte ich ein wenig aufholen, die Quitte, die Traubenhyazynthen,
Vergissmeinnicht und Mahonie konnte ich grüßen.
Montag, 18. 4. 2022
Erster Satz wie gestern. Wenig zu berichten vom Vormittag, gelesen.
Mittags hab ich mir was gegönnt, selbstgerührten Quarkauflauf mit
Pfirsich als Unterlage, das hab ich als ein süßes Mittagessen
genossen, wo soll nur das hinführen. Wieder gelesen. Ins Studio,
genug Zeit für den Rückensplit und einen Schwätz mit Tanita, die
selber trainiert hat. Sie hat so ein anstrengendes Tabata
durchgezogen, da kam ich beim Zuschauen ins Hecheln. Hintendran die
Sauna, zu Hause einen Kaffee und den Rest vom Mittag. Ein
Spaziergang in den Abend, am Neckar entlang Richtung Kiebingen dort
über die Brücke und der Sonne nach zurück. Unterwegs fand ich
zauberhafte gescheckte Taubnessel, das Goldwindröschen, die
Himmelschlüssel, davon eine riesige Wiese voll.
Die Bilder sind nicht besonders gut, es fehlte schon an Licht.
Und einen Acker fand ich, den kann man als Bilderrätsel sehen. Ich
hab keine Ahnung, warum das so aussieht und was drunter ist, bzw.
demnächst rauswachsen soll. Es ist meines Erachtens redliche
Fußarbeit, wenn jemand was weiß drüber, bitte ich um eine
Rückmeldung.
Morgen ist wieder Alltag, Arbeit, auch nicht schlimm. In einer
Statusmeldung fand ich den Bescheid: Ostern heißt Zuversicht - für
alle. Da ist jemand seiner Sache ziemlich sicher. Das Buch von
Harry Mulisch hab ich fertig, ein großer Lesespaß. Es wird auf
verschlungenen Wegen zu einem nach und nach erwartbarem Ende
geführt, am Anfang dachte ich, es geht um das Schreiben, es geht
um´s ganze Leben, um Erfolg und Niederlagen, um eigenes Versagen und
auch um die Eingebundenheit in seine familiäre und soziale
Vorbestimmtheit, der freie Mensch agiert doch in vielen
Begrenzungen, manchmal kommt man raus an einzelnen Stellen, andere
sind fest. Mit sich dabei umzugehen, sich das alles ins Bewusstsein
zu lassen und trotzdem einen eigenen Willen zu entwickeln, überhaupt
sich entwickeln, das wird exemplarisch vorgeführt und durchgespielt,
oft erkannte ich wieder. Leseempfehlung.
Dienstag, 19. 4. 2022
Das ging gut los. Kurz nach acht war ich im Studio, der
Vormittagskurs functional training findet zu solch doofer Zeit
statt. Die Sonne schien, der Kurs war draußen am Tower, und er war
gut. Ein neues Gerät gab es, einen Endlosseilzug mit
unterschiedlichen Belastungsstufen, das hat richtig angestrengt. Und
dann hab ich mir ein Herz gefasst, ich war das erste Mal seit einem
Vierteljahr laufen. Wollte es probieren. Die Füße sind ganz
unproblematisch, auch wenn es noch drin surmelt, es ist als wäre
sehr sprudeliges Wasser in all den kleinen Vorderfußgelenken. Ich
hab die Stimme der Vernunft nicht ignoriert und bin nur reichlich
vier Kilometer gegangen, früher hätte ich dafür nicht die Schuhe
geschnürt. Es ging gut, war deutlich zu merken, das ich grad
kein Läufer bin, aber durch die grünenden Felder, an den
losblühenden Apfel- und Birnenbäumen entlang und durch die
verschiedenen Düfte war ich wie im Glück, das hat mir gefehlt. Jetzt
ist meine Hoffnung, dass die Füße nicht an Revolte denken, dass ich
entsprechend vorsichtig mich an die normalen Strecken ranarbeite
Duschen, heim, ein wenig Amtskram, Telefoniererei, was futtern, und
los zum Bus. Der Rumpelbus wird immer schlechter, drei Sitze hab ich
ausprobiert, es fehlt der Hebel zum Lehne verstellen, oder er tut
nicht, die Klimaanlage ist mausetot, wie soll das im Sommer gehen.
Auf Arbeit waren wir Minimalbesetzung, ich war verborgt und Chef in
der Reihe, alles, was anfiel, konnte ich. Die ganze Woche wird so
werden.
Mittwoch, 20. 4. 2022
Im Laufe dieses Tages entstand mir ein kleiner Muskelkater von dem
Läufchen gestern. Da muss ich mich doch sehr wundern. Das Abbauen
von Leistungsfähigkeiten erfolgt anscheinend konsequent, wenn man da
Lücken lässt. Ob das im Kopf auch so zugeht? Drei Tage nichts
gedacht, und schon wird es anstrengend? Du liebe Zeit, alt werden
ist kein Spaß. Vormittags hab ich den Spinningkurs geschafft , 65
Minuten, 35 km wurden angezeigt. Wir sind lange im roten Bereich
gefahren, entweder schnell oder schwer. Am Haushalt war einiges zu
richten, geradeso alles geschafft, dann zum Bus. Höhepunkt auf
Arbeit war die Kantine, es gab grünes Linsencurry auf Reis, sehr
lecker. Ein Kollege hat mich auf den Geburtstag hingewiesen,
ich kam nicht klar, es ging um Adolf. Da hab ich mich belästigt
gefühlt. In diesem Millieu ist das anscheinend akzeptiertes
Revoluzzertum, kleine Provokation, nicht sonderlich ernst gemeint,
aber eben doch der Versuch zu sticheln oder Einverständnis
anzutesten. Nicht meine Welt. Von Corona hört man grad nichts
schlimmes, obwohl es viele Krankmeldungen deswegen gibt. Die meisten
kommen schnell, nach den zehn Tagen wieder, aber immer wieder höre
ich von Einzelnen, die es richtig flachlegt, die länger brauchen,
wieder in Gang zu kommen. Hoffentlich ist nach dem Sommer nicht
neues Drama deswegen.
Donnerstag, keine Lust heut, auch nix erlebt.
Freitag, 22. 4. 2022
Im Radio läuft auf SWR2 eine Sendung zum 100. Geburtstag von Charles
Mingus, vier Stunden über einen der größten Kontrabassspieler,
Bandleader und Komponisten der Jazzgeschichte. Zum Glück ist alles
in der Mediathek gelandet, ich kann es nachhören. Ich habe ein paar
CDs von Mingus, schätze sein feinnerviges Spiel, seine aufregenden
Kompositionen seit vielen Jahren. Er hinterließ eine Stiftung, in
der junge Musiker lernen können, einer der Marsalisbrüder war da.
Auf Arbeit war es gediegen ruhig, wir sind in Mindestbesetzung am
Start, das dünnt sich aus in Richtung Feierabend. Ich hatte Glück,
in meiner Reihe, verborgt, lief alles glatt und fast ohne Störung
durch. Vormittags war ich im Studio, hab den Plan brav
abgearbeitet, bin auch fertig geworden, nur für die Sauna reichte es
nicht. Lesen: Edgar Hilsenrath, "Das Märchen vom letzten
Gedanken", ein Buch von 1989 über den Völkermord der Türken 1915 an
den Armeniern. Franz Werfel hatte "Die 40 Tage des Musa Dagh", 1933
vollendet, dieses Buch ist philosophischer, poetischer, und in
Sequenzen verblüffend aktuell. Die Begründung der Türken für ihr
Vorgehen gegen die Armenier liest sich wie die Begründung Putins für
seinen Krieg, ich habe erst das erste Drittel, bin aber sehr
beeindruckt.
Samstag, 23. 4. 2022
Es war mir wie immer, wenn der Druck nachlässt, eine Zeitlücke sich
ankündigt, es ging schon gestern abend los mit gewisser Lumperei. So
bin ich in der Gewissheit ausschlafen zu können vor dem Rechner
hängen geblieben wie der Hasi vor der Schlange. Nur noch dies
geschaut und jenes angeklickt, da vergehen immer nur ein paar
Minuten, am Ende bin ich so spät, eher früh ins Bett, dass an
pünktliches Aufstehen gar nicht zu denken war. Es ging von der Zeit
her noch, um neun saß ich müde am Frühstück, aber so ein Defizit
beim Schlafen macht mich langsam und unkonzentriert. Es war richtig
zum Lachen, wenn es mir denn aufgefallen ist, lustlos hab ich mich
an mein Programm gemacht, und jede Gelegenheit genutzt, mal hier mal
da zu schauen, wachsen die Blümchen, sind sie feucht genug, oder
hängen Blätter, sind Läuse zu sehen, kommen Knospen. Das waren jetzt
mal nur die Pflänzchen, auf diese Weise lässt sich Verzögerung
ausdehnen, dass der Tag schneller rum ist, als was gedacht wurde. Es
scheint das meine Falle zu sein, in die ich mit solcher Konsequenz
reintappe, würde es was nützen, wäre ich erfolgsverwöhnt. Tut es
aber nicht. Als ich mir irgendwann trödelnd zu Bewusstsein kam, ging
es doch noch los. Selbstgefummeltes Mittag, liegengebliebene Post,
ein paar Vorbereitungen für morgen, ins Studio. Gerade genug Zeit
gehabt, einmal durch mein Programm zu kommen, in die Sauna zu gehen.
Hinterher war mir nach Rausgehen, ich bin zur Altstadtkapelle hoch
über die Stadt gelaufen in den friedlichen Abendhimmel hinein, durch
viele Düfte, die Traubenkirsche ist ganz auffällig. Am Ende hab ich
die Tagesbillanz irgendwie noch ansehnlich hinbekommen, und die
wichtigste Aufgabe wäre, nicht wieder zu lange blöde vorm Bildschirm
rumzutrödeln.
Sonntag, 24. 4. 2022
Ortswechsel, Bad Reichenhall. Morgens das Ritual, alles vorbereiten
und einpacken, losfahren, es ging perfekt durch. Die andere Richtung
war schrecklich anzusehen, kilometerweise Stillstand,
Ferienrückkehrer, ich hatte Glück. Sollte etwas eher als sonst
ankommen, um Sarah und Paul vom Zug abzuholen, die waren auf Reisen.
Ich kam also gut an, konnte mit den Großen kurz warm werden, nach
kurzem Innehalten haben sie mich als den Michelopa wieder
akzeptiert. Es geht bei den beiden so schnell vorwärts, kaum war ich
paar Wochen nicht da, komm ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Sie
sprechen so lustig, immer mehr, und in konzentrierten Kurzformen,
nur das nötigste, aber eben immer das wichtigste. Da kommen so Zwei-
und Dreiwortsätze raus, die gut zu verstehen sind und alles
beinhalten. Den Bahnhof im nächsten Ort hab ich gefunden, Sarah und
der schlafende Paul kamen pünktlich an, es ging alles gut. Beim
Einparken hab ich nach dem Baum geschaut, damit wir den großen
Rucksack vom Vordersitz rauskriegen, na gut, die hintere Tür ging
nicht auf, Paul hätte im Auto bleiben müssen, nein, ich musste
umparken. Vor dem Abendprogramm hatten wir noch eine Spielstunde, es
entstanden perfekte Turmstädte aus Legoklötzern und zwei Kartons zum
Durchlaufen wurden bemalt und bestiegen, bis sie zerstört
zusammenklappten. Jetzt hock ich in meinem Quartier, ziemlich
kühl diesmal, hab genug dabei zum drüberziehen, versuch hier was zu
schreiben, nebenher läuft der erste Teil der Sendung über Charlie
Mingus. Die Musik ist so voller Energie, so komplex und so mit
Schmackes akzentuiert, es tut wie im Flipperautomat, zwischenrein
kommen Lesestücke aus seinem Lebensweg und Erinnerungen von
Weggefährten. Das ist so spannend, das ich dauernd aufhören muss,
irgendwas zu schreiben. Der Vorteil dieser Sendungen auf SWR2 ist,
das man Erklärungen und Einordnungen bekommt, dadurch schnell zum
kundigeren Hörer wird. Ich würde diese Sendung, sie ist noch eine
Weile in der Mediathek, dringend empfehlen, man bekommt so was
Gediegenes nicht so schnell wieder auf die Ohren und ins Hirn.
Montag, 25. 4. 2022
Vormittags waren die Großen in der Kita, ich hab ein paar
Kleinigkeiten erledigt, die sonst liegenbleiben, und mit Paul
gehutschert. Im Vergleich zu den Zwillingen ist er nach zehn Wochen
riesig, so dass ich gar nicht ängstlich sein muss, ihn
umherzutragen. Mittags gab es Selbstgekochtes, lecker angebratenen
Paprika und Kartoffelmus und Falaffel, für so viele Esser lohnt es
sich. Nachmittags haben wir erst lustig gespielt, diesmal mit
Holzklötzern, herrliches Gepolter, wenn alles umfällt. Dann sind wir
raus, die Zwillinge auf Dreirädern zum schieben, einen langen Weg
zum Sportstudio gemacht, so konnte ich mich gleich anmelden, rückzu
war ausgiebig Kletterzeit auf dem Stadthof. Eigentlich sind es nur
zwei hohe Stufen, paar Steine und paar Feuerwanzen, aber wir hatten
unsern Spaß. Wir haben das Hüpfen probiert, vorgeführt, geübt und in
vielen Varianten nachgemacht. Die Kinder haben Lust, neues
auszuprobieren, und da gibt es jede Menge. Außerdem mussten wir die
Steine, kleine Kiesel, auf korrekte Häufchen auf der oberen Stufe
hinsortieren, wenn da was runterfiel, war zwei hohe Stufen
dazwischen. Abends hab ich mit gefüttert, Pauli die Flasche gegeben,
ein Kind gewickelt, und bin als zufriedener Großvater zum Sport
gegangen. Es war voll im Studio, ich habe das hier noch nie so
erlebt, vielleicht, weil die Coronamaßnahmen alle weg sind. Es ging
gut durch mein Programm, es gibt hier andere Geräte, ich muss etwas
variieren. Angenehm ausgepowert sitze ich jetzt vor dem Rechner,
mach es fertig und will ins Bett.
Dienstag, 26. 4. 2022
Es ging ähnlich zu wie gestern, ein paar kleine Reparaturen am
Vormittag, manchmal mit Paul durch die Gegend, wenn ihm der Bauch
drückt. Mittags kamen fröhliche Kinder heim, wir haben putzige Türme
gebaut, da wir nicht rauskonnten, es regnete heftig. Mit Knete haben
wir gespielt, Bälle machen und kleine und große Schlangen waren
schnell geformt, dazu musste erzählt werden. Baden am Abend, ich war
der Föhnmeister und hab ihnen flauschige Frisuren drangezaubert.
Abends war ich pünktlich im Studio, wieder voll, Warten auf freie
Geräte, zum Glück kann ich genügend freie Alternativübungen
einschieben. Die Grünen und ihr Palmer, kam in den Nachrichten,
sie wollen ihn ein Jahr ruhen lassen, ihn nicht unterstützen bei der
nächsten Bürgermeisterwahl, weil er sich manchmal rüpelig äußert.
Warum er das wider besseres Wissen immerzu macht, liegt wohl zum
Teil an väterlichen Anlagen, vielleicht hat ihm die Mutter
mitgegeben, dass er sich so schlecht beherrschen kann. Er hat sich
nie verstellt, sicher auch nicht, als er bei den Grünen eintrat, er
kann das gar nicht. Dabei spricht er inhaltlich oft korrekt, es
hapert an der Form. Er lässt das politisch unauffällige Schönsprech
weg. Und er ist ein erfolgreicher Oberbürgermeister, der seine Stadt
mit eigenständiger Führungsarbeit durch den Coronamist brachte, weil
er sich beraten ließ und gemeinsam mit Fachleuten über Lösungen
nachgedacht hat. Warum seine Partei auf jede seiner Flapsigkeiten
anspringt und beinahe in hysterisches Jaulen verfällt, bleibt mir
ein Rätsel. Man könnte ihn auch intern ansprechen, ohne dass alle
Medien aus dieser Muck Elefanten machen muss. Noch mal aus den
Nachrichten: Ich bin wirklich froh, dass die Franzosen ihren Chef
behalten wollen, zumindest mehrheitlich, sonst wäre uns demnächst
wohl Europa als Idee und auch konkret um die Ohren geflogen. UK geht
es seit dem Brexit nicht überzeugend besser, die Schwierigkeiten,
alles wieder kleinteilig bewegen zu wollen wären grauselig und große
Ziele wären noch schwieriger erreichbar als jetzt schon.
Mittwoch, 27. 4. 2022
Alles, was war wie gestern, lasse ich weg, Höhepunkt war ein
Spaziergang zum Kurpark. Die Zwillinge laufen gut, oft selber,
selber machen ist eine wichtige Ansage geworden, man muss trotzdem
sehr aufpassen, da ist der Verkehr, oder tiefe Pfützen,
irgendwelcher Unrat, Hunde müssen umschifft werden. Es gibt lustige
Rennspiele, Hüpfspiele, Fangspiele und alles muss erst gelernt
werden. Und wir müssen auf zwei aufpassen. Das Sprechen entwickelt
sich zu einer unaufhörlichen Beschallung, da sie immer mehr sagen
können, tun sie das auch. Mit Wiederholschleifen, die wahrscheinlich
niemals endeten, wenn nicht einer der Großen bestätigend nachspricht
oder eben benennt. Weniger köstlich sind die Ausraster, aus
Müdigkeit oder auch mal einfach so, da kommt ein Eigenwille zum
Tragen, ich gebe dann am besten sofort an die Eltern ab, da ich das
folgende Handling nicht beherrsche. Ich bin gespannt, wie sich das
auflösen wird.
Donnerstag, 28. 4. 2022
Das war schon wieder der letzte Tag meines Besuches hier, morgen ist
die Heimfahrt. Am Vormittag konnte ich in geduldiger Handarbeit den
hölzernen Wasserhahn der Spielküche reparieren, dazu musste ich mit
etwas Sandpapier einen runden Zapfen so in die Bohrung des Hahnes
und des Untergrundes einpassen, dass er hält, sich drehen lässt,
eben wie ein richtiger Hahn. Ich kam mir vor wie ein Arbeiter vor
der Erfindung von Maschinen und Elektrik, war ganz stolz, als es
gelang. Zwischenrein war immermal der Paul dran, wollte umher
getragen werden, auch schön. Nachmittags, nachdem die Großen aus der
Kita zurück waren, sich satt gegessen hatten, sind wir raus. Endlich
Frühlingswetter, wir sind an eine Geröllkurve der Saalach spaziert,
und die Kinder haben ganz ausdauernd mit großen und kleinen Steinen
gespielt, geworfen, gestapelt und nassgemacht. Nach einer Stunde
merkte Eva, dass die Hände wirklich eisekalt waren, da mussten wir
abbrechen. Wir waren froh, kein Kind ist ins Wasser geplatscht, die
Hosen waren noch fast trocken, in die Stiefel war kein Wasser
gelaufen. Wir Großen haben aufgepasst wie die Schießhunde, wenn die
Kinder sich für etwas interessierten, rannten sie einfach los, egal
wie tief das Wasser da war. Die beiden hatten sich so verausgabt,
sie kamen redlich müde zu Hause an, essen ging gerade noch, ich
glaube, sie waren froh, als sie ins Bett konnten. so kam ich
pünktlich zum Sport, hab noch mal unter Einheimischen trainiert, die
ich kaum verstehe, wenn sie was sagen. Beim Lesen: ich bin fast
durch den Hilsenrath, er beschreibt die Vernichtung der in der
Türkei lebenden Armenier 1915 aus der armenischen Binnensicht, bzw.
er stellt die Vorgehensweise der türkischen Amtsträger und ihre
gedankliche Begründung dieses ungeheuren Geschehens dar. Man muss
sich, wenn man dies las, nicht wundern über den heutigen Umgang der
Türken damit, es wird immer noch als Unrecht verleugnet,
kleingeredet. Ich habe mich in der Vergangenheit über die seltsamen
Kapriolen der türkischen Presse, des Parlaments, anderer Stimmen aus
der Türkei gewundert, wenn dies Thema zur Sprache kam. Mein Eindruck
ist, dieses Buch wurde als Reaktion auf den damaligen Umgang
geschrieben, es erschien 1989, in großer Kenntnis der türkischen
Haltung zu diesem Kapitel der Vergangenheit, wo Bewältigung
verweigert wird, weiter geleugnet wird. So richtig ist man seitdem
nicht weiter gekommen.
Freitag, 29. 4. 2022
Vormittags war mein Quartier zu räumen, es gab noch gut Zeit, mit
Paul rumzuschäkern oder ihm einen Bauchkneifer wegzustreicheln.
Irgendwann mittags bin ich auf die Strecke, es ging ganz gut durch,
eine Umfahrung über Landstraßen war dabei, an der Stelle, wo es
immer hakt, am Aichelberg. Zu Hause die Bude wieder in Betrieb
nehmen, alles auspacken und verräumen, als ich keine Lust mehr
hatte, bin ich in den Sportpark, in der Hoffnung, einen Platz in
meinem Lieblingskurs zu bekommen, es hat geklappt. Eine richtig
anstrengende Stunde am Tower unter Anleitung von unserem
gewieftesten Trainer Olli, morgen werde ich manche Stellen an mir
deutlich zu spüren bekommen. Hab mir in der Sauna den Ausgleich
gegönnt, heimzu hab ich im Handelshof noch den Noteinkauf
drangehängt, sonst würde ich nicht übers Wochenende kommen.
Samstag, 30. 4. 2022
Wenn ich ein Beispiel suchte, wie Zeit vergeht, würde ich den
heutigen Tag als Beleg anführen. So richtig Ergebnis hab ich nicht
vorzuweisen, ein wenig an mir rumgepflegt, ein wenig telefoniert,
ein wenig Haushalt, gelesen, geträumt. Zum Sport gegangen. So
langsam entsteht das Gefühl, wenn ich wacker dem Plan folge, könnte
Fortschritt entstehen. In allen Übungen gelange ich allmählich zu
sicheren Abläufen, die Ansteuerung der jeweiligen Muskelgruppen
gerät aus der Zufälligkeit heraus, wird bemerkbar, es gibt
Steigerungen, gibt es für Steigerungen eine Verniedlichung,
Steigerungchen vielleicht, jedenfalls kann ich mittlerweile die
vorgegebenen Wiederholungen oder die mit mehr Gewichtchen
durchzählen. Da ich mir bis Sommer Probezeit gab, scheint bis dahin
eine Entscheidungsfähigkeit heranreifen zu können, ob diese Form von
Training den vorgestellten Zweck erfüllt. Zum Abschluss einen
Kaffee, auch Kuchen, dann wieder die Lust, in den Frühlingsabend
hinein zu spazieren. Ich hab die Runde über den Sülchenfriedhof
angefangen, war belustigt über ausgefallene Formen der Grabsteine,
anscheinend ist da ein Steinmetz am wirken, der alle seine Ideen bei
seinen Kunden unterbringt. Das ergibt ein regelloses Durcheinander
von immer noch schrägeren Varianten in allen denkbaren Materialien,
dazu kommen die tausend und eine EngelausdemBaumarktStatuettles, ich
hab das Gruseln gelernt. Beim Weitergehen der Bücherschrank, drei
kleine Bücher wollten mit, durch die Stadt heimwärts, da geriet ich
in die Kulturnacht, überall waren ziemlich viele Menschen unterwegs.
So hatte ich die Möglichkeit, in der Zehntscheuer die Ausstellung
abends um neune anzuschauen, das hab ich noch nie erlebt. Über die
Ausstellung kann man schweigen.
Sonntag, 1. 5. 2022
26 Monate Corona-Tagebuch sind rum, wir hören immer mal wieder was
von Corona, aber die Dramatik hat sich für den Moment
ausgeschlichen. Die Corona-Krise hatte das Thema Klimawandel
verdrängt, machte es unmöglich, am Freitag demonstrieren zu
gehen. Nun heißt unsere nachrichtenbeherrschende Krise
Ukraine-Krieg, da wissen wir noch weniger drüber, obwohl
viele Experten uns auch da zu Fachlaien machen, und die nächste Krise steht
in den Startlöchern, heißt Inflation und Staatsverschuldung, hängt
ursächlich an den vorangegangenen Krisen und wird nicht die letzte
sein. Es könnte passieren, dass Corona z. B. im Herbst noch mal das
Haupt hebt, auch wissen wir gar nicht, wie weit Putin bereit ist zu
gehen. So wird sich das Zeitfenster, auf die Klimaveränderung zu
reagieren,
weiter verkleinern, eines Tages weg sein. Die Inflation von
heut wird aussehen wie Kinderkram, es geht nicht um paar Prozentle,
sondern plötzlich haben wir es mit Vervielfachungen von
Lebenshaltungskosten zu tun. Und wir werden so lange, wie es geht,
überlegen, wie wir mit Querdenkern und Putinverstehern umgehen
wollen. Ich hab in diesen Texten hier viel von mir
dazugeschrieben, es ging ja nicht nur um Corona, sondern um mein
Leben mit Corona. Deswegen wissen die Lesenden was über meine
Sportgewohnheiten, auch mein Frühstücksgebahren kam zur Sprache und
mein reduziertes, störanfälliges soziales Verhalten. Vom Gefühl her
würde ich sagen, es geht schon exzentrisch zu, ist in der Zeit
ausgeprägter geworden, dazu kommt, dass viele der vielen Gegenüber
ebenfalls exzentrische Gewohnheiten verstärkt haben, so ist mein
Sein in der Welt, mein Blick auf die Zukunft nicht, gar nicht
unbeschwert. Es gibt Lichtblicke, ich sehe den Optimismus und die
Schönheit der jungen Generation, die Lust auf Leben, auf Neues, das
ist wunderbar anzuschauen und hat meine Anteilnahme. Und es hat
Lesestoff, es hat sportliche Ziele, die sich ändern und anpassen
können, außerdem will ich meinen Kopf noch in viele
Auseinandersetzungen schicken und auch immer wieder, so lange er es
tut, mit neuen Ansprüchen ins Rotieren bringen. Vielen Dank Euch
Mitlesenden für die Anteilnahme, für die Rückmeldungen, wir werden
eine Zeit ohne dieses Textblabla erleben, bis ein neues Projekt
auftaucht oder eben nicht. Uns gute Zeiten, auch mal wieder schöne
Neuigkeiten, so Nachrichten von Lösungen wären super. Z. B., es gäbe
eine Impfung gegen den Krieg, die mit Nebenwirkungen den
Energieverbrauch senkt, die Menschheit mit Zufriedenheit und klaren,
guten Gedanken ausstattet.
ENDE
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