Dienstag, 26.4. 2016 Gestern hat es Stunden geregnet, heut auch, es waren die, in denen wir gelaufen wären. Am Sonntag hat es auch geregnet, aber davor und danach. Gehören Läufer zu den Gesegneten? Wenn ich dran denk, was ich erlebt hab mit mir auf den verschiedenen km, wird es mir ganz wohlig. Dieses "Nie wieder" gehört auch dazu, schließlich bin ich da durch. Ein kleiner Muskelkater kündet noch im Vergehen von den letzten km, die in der Erinnerung sich schon verklären. Sonntag, 24.4. 2016 Geh zeitig ins Bett, schlaf dich gut aus. So sprach Kai, der alle Darßmarathons (es sind 11) mitgelaufen hat. Hab ich vorgehabt, im Bett war ich zur rechten Zeit, ausschlafen unter Aufregung muss ich noch üben. Hab ich eben gewartet, bis die Vögel anfingen zu singen, dann kam noch ein Geklapper auf dem Dachfenster dazu, es gab einen Graupelschauer mit Gewitterdonner. Perfekte Temperatur, ein Grad. Der April. Fängt dramatisch an, entspannte sich dann komplett, Sonne kam und Regen ging. Herrrlich, vom ganzen Dorf Wieck auf die Strecke geschickt zu werden. Dann bald in diesen schönen Küstenwald, schwarze Wasserlöcher zwischen den Bäumen, darin saftgrüne Grasinseln mit schwarzen Rispen, die Sonne blinkert schräg drüber, man möchte bleiben und schauen. Nächstes Dorf, Prerow, alle an der Strecke, Musik und persönliche Anfeuerungen, der Vorname stand unter der Startnummer und wurde benutzt, ich fühlte mich gemeint. Eine Strecke oben auf dem Deich entlang, dann durch das lange Ahrenshoop, weiter direkt an der Abbruchkante der Steilküste, was für eine Landschaft. Bis km 24 im 5 min Schnitt durchgehalten, mit dem Gefühl, das wird knapp für den Rest. Dann kamen die langsameren km, ich war so froh um die gute Versorgung, alle drei km gab es zu trinken, mit Ansage in den Weg gereicht, und Apfelschnitz und Banane. Es ging dann auf der Boddenseite zurück über Born bis Wieck = Ziel. Ich war doch mehr mit mir beschäftigt, wollte mir gut zureden, hab alle mögliche Einteilungen der Reststrecke gerechnet, damit es kürzer scheint, wenn Leute standen, nahm ich etwas Haltung an, und einmal hab ich's verweigert, bin wie ein schlapper Sack an freundlichen Winkern vorbei. Dann hab ich mich geschämt und zur Ordnung gerufen, ob da im Ergebnis ein Unterschied war, weiß ich nicht. Der Gedanke: Nie wieder Marathon. Jedenfalls freute ich mich über jedes einzelne km-Schild, und dann war es geschafft. Die Zeit drei min besser als beim ersten Lauf vor zwei Jahren. Kaffee, Kuchen, freundlichste Atmosphäre auf der Festwiese. Freitag, 22.4. 2016 Zweimal werden wir noch wach, heißa, dann ist Läufertach. Ich denke nicht an übermorgen, das sieht man schon am ersten Satz dieses Berichtes. Wundervolle, erholsame Tage in Schwaan mit Kerstin und Wolfgang. Ein Höhepunkt war eine kleine Latsche zum Quelltal durch küstennahen Frühlingswald, da blüht neben vielen Blümchen der Aronstab, den fand ich noch nirgendwo. Ein weiterer das Anbaden in der 7 Grad kalten Ostsee, ich war nicht lange drin, immerhin bis zum Hals von Wellen umsprudelt und hinterher vom Wind schnell trockengepeelt. Außerdem gab es einen Lauf zu dritt, für mich stand im Plan: locker 30 min, wir waren etwas länger unterwegs. Eine Hirschkuh sprang im Wald 20 m weiter vorn über den Weg, sie war viel schneller als wir. Montag, 18.4. 2016 Morgen fahr ich los, eine lange Tour, 3 Tage bei Freunden, danach geht es auf den Darß, am Sonntag findet der große Lauf statt. 42 km laufen in einer der schönsten Landschaften Deutschlands, zusammen auf der Strecke mit einem Freund, der alle Läufe auf dem Darß mitgemacht hat und der eher als ich im Ziel sein wird. Das klang so, als ob ich meiner Sache sicher bin. Bin ich nicht. Ich hoffe, dass ich es schaffe, ich hab den Trainingsplan ziemlich präzise abgearbeitet. In der letzten Woche sind keine langen Läufe mehr im Programm, so dass mir die Gewissheit schwindet, 35km am Stück laufen zu können, ich befinde mich also in der Aufregungsphase. Mittwoch, 13.4. 2016 Auf dem Plan stand: 2 mal 3 km im Halbmarathontempo, bin ich also rundenzählend im Stadion losgehoppelt, war neugierig, was rauskommt. Und siehe da, es war eine km-Zeit von 4.32 min. Das ist weit weg von glanzvoll, jedoch für meine alten Füße ein maßvoll fröhliches Ergebnis. Wenn man das jetzt einfach hochrechnen könnte, aber so funktioniert das Leben nicht, und ich weiß das. Montag, 11.4. 2016 Gestern war Kirnberglauf in Tübingen-Lustnau, ich hatte den Halbmarathon angewählt, der passte gut in meinen Trainingsplan. Da waren also 21,095 km und 419 Höhenmeter zu bewältigen, ich hab den 5min/km Schnitt grade so unterboten, ergibt 1,44,20 Stunden, damit bin ich im ersten Drittel gelandet. Nun ist mir schon klar, dass dieser Lauf mehr ein Spaßlauf ist, also die schnellen Leute nicht dabei sind, trotzdem hat sich das gut angefühlt. Unterwegs bin ich zu einem Kiebinger Läufergraubart aufgelaufen, den ich schon viele Jahre kenne, grad zur rechten Zeit, der sagte mir:"Mach mal schneller". Da war ich irgendwie gedankenlos im Trainingstrott gelandet. Bin ich also wieder energischer losgehoppelt, und musste lachen, denn das ging ohne weiteres und ich hatte es vergessen. Angekündigt war ein Gedanke zur Gabe der Selbstprophetie, ich mach's mir einfach und lass Bilder sprechen.
Die zwei oberen Bilder sind Zeichnungen aus dem Jahr 2010, die unteren Bilder liefert das Handy dank runtastic im Intervalltraining, im Stadion auf der 400m Runde gelaufen. Irgendwo in den Texten auf dieser Seite ist formuliert, dass das Manifestieren von Zeichnung, einfach so und immer weiter, keinen Sinn ergibt und ersatzweise der Körper zur bespielbaren Leinwand wird. Ich find, man kann die Art der Umsetzung, sitzend am Ateliertisch erstellt, schon gut sehen. Da wusste ich also schon Jahre zuvor, das meine Füße in der Landschaft usw. Jetzt fang ich an, neugierig die Zeichnungen aus alten Zeiten durchzuschauen, wer weiß, was mir noch alles blüht. Mittwoch, 6.4. 2016 Mittwoch ist Termin Laufbahn Stadion. Angesagt waren 10 x 400 m in 1.35 min, dazwischen eine Runde Pause = Traben. Das erste Mal hatte ich den Eindruck, das sich Training auszahlt, heut hab ich alle Runden in der Vorgabe laufen können, manchmal sogar wenige Sekunden schneller. Ein schöner Spaß. Dienstag, 5.4. 2016 Im März hab ich die 400km-Marke abgeräumt, das ist mir noch nie passiert. Es tut nix weh, die Lust ist vorhanden, auch die Vorfreude auf den näherrückenden Termin des Laufes. Zumal der Trainingshöhepunkt mit dem gestrigen 35km-Lauf überschritten ist. Ich hab mir den Restplan, die letzten zweieinhalb Wochen angeschaut, da ist noch mal was mit 22 km drin, bissle Intervall und kurze Läufe mit Steigerungsintervallen, das war es dann. Am Sonntag gibt es in der Gegend einen Halbmarathon, da geh ich hin, laufen und Kuchen essen. Dienstag, 29.3. 2016 Der MP3-Player hat den Inhalt gewechselt, ich war auf YouTube fündig geworden. Heute das zweite Mal unterwegs in kurzen Hosen, jaja, der Frühling kommt, gab es ein Konzert mit Sinéad O'Connor von 2007. Eine irische Sängerin mit äußerst bewegtem Lebenslauf, die bekannt wurde mit ihrer Version des Prince-Songs "Nothing Compares 2 U". Ihr Gesang ist professionell unangestrengt, ohne bemerkenswerte Raffinessen, aber wirkt sehr redlich, authentisch, das als so auffälliges Merkmal, das ich mir zu Hause auf Wiki ihren Lebenslauf anschauen musste. Ich glaub, ich würde sie mögen. Nach dem Lauf war Stadtgang, ein Amtstermin, dabei hab ich beim türkischen Laden an der Ecke Mispeln entdeckt. Wieder zu Hause: Ich nehm die Mispel, schneid sie einmal ringsum ein bis zur Kernhärte, drehe die Hälften auseinander, ziehe die Schale ab und pule die Kerne raus und dann mit saftigen Fingern ist Mispelglück da, ich esse die zwei und die nächsten und nächsten Hälften und denk, vielleicht ist das eine Frucht vom Schöpfergott Allah, sie schmeckt so anders gut denn sonst was. Sonntag, 27.3. 2016 Da ich bei langen Läufen schier am Verhungern war, nahm ich mir eine Banane mit. Nach 5 km schon machte sie komische Geräusche in meiner Tasche, ok, da hing die Trinkflasche davor, ich ging der Sache auf den Grund und musste sie sofort als Bananenschäumchen verzehren. Da frag ich mich, wieso die Dinger aus Afrika oder noch weiter weg heile hier ankommen. Die 35 km hab ich geschafft, war am Ende wieder hungrig und dann froh, als es zu Hause was gab. Unterwegs: Stieglitze beim Turteln untereinander, eleganteste Umfliegungen, dabei blitzen Gelb und Rot und Weiß in der Sonne. Dann an der Steinlach nach Dusslingen ein flach fliegender Vogel, braun, kleinamselgroß, gedrungen wie ein Zaunkönig, weißer Brustfleck. Eine Wasseramsel, die kann tauchen und läuft im flachen Wasser auf dem Grund, also nicht wie Bachstelzen mit den Füßen im Wasser, nein, komplett unter Wasser, herum zum Futtersuchen. Diese heut Gesehene flog sogar in den kleinen Wasserfall hinein, also hindurch, um dahinter zu landen und den senkrechten Raum hinter der Wasserfahne abzusuchen. Soeben verließ mich die Fähigkeit, ein kleines Ereignis präzise zu beschreiben. Jedenfalls hielt die Freude über diese schönen Begegnungen über alle km und auch jetzt. Samstag, 26.3. 2016 Wie verschieden die Tage sein können, das geheime, niemandem vorab mitgeteilte Vorhaben ist gelungen. Bei schönstem Ostereierwetter hab ich in Rheinzabern einen 10 km Volkslauf mitgemacht, um mal zu wissen, was nach zehnwöchigem Lauftraining, Start nahe Null, so geht. Die Zeit ist noch nicht gut, 46 min, jedoch bin ich zufrieden. Ich hab noch vier Wochen bis Marathon, da passieren keine Wunder mehr, aber für die Zeit danach hab ich Rosinen im Kopf. Irgendwo unten steht die Zeile dazu. Auch kam es zum Höhepunkt eines jeglichen Volkslaufes: Durchnummerierte 32 Sorten Kuchen, alle selbst von den Vereinsfrauen (?) gebacken, einer schöner als der nächste, drei Stück hab ich in die Lücke der verbrannten Kalorien gefüllt, es war vorzüglich. Freitag, 25.3. 2016 Kein guter Stern heut. Es regnete, war windig, kalte geblasene 6 Grad. Ich litt an Zipperlein, kann man das so sagen? Also, es tat nichts direkt weh, jedoch war das Fleisch schlapp, ächzte unter der Bürde des Alters, der Kopf reagierte darauf mit Mißstimmung, das ergab eine Motivationslage, die ich nicht genauer beschreiben möchte. Außerdem hab ich alles vorher falsch gemacht, zu spät gegessen, satt ins Studio, um die Wampe wegzutrainieren, zu spät aufgehört um warmzulaufen, und dann kamen Rundenzeiten raus, die hab ich immer schnell weggedrückt. Nach der fünften Runde bin ich entnervt ins Gelände, noch ein paar km über die Felder. Aber dann Sauna, später ein Kuchen und lesen. Mittwoch, 23.3. 2016 Heute hab ich die ersten Schwalben gesehen. Das kann ich so sagen, auch wenn jetzt jemand daherkommt und verlautet: Ich hab schon gestern ... . Wenn ich sagen würde, seit heute sind die ersten Schwalben da, wäre ich sehr anfechtbar, jedoch mit meinem Satz ist alles im grünen Bereich. So eine schwierige Sache mit der Sprache. Vielleicht hab ich über dem kleinen Glück, alles richtig in diesem Satz zu haben, irgendwas übersehen, was dann trotzdem offensichtlich nicht stimmen kann, dann wäre das ein Späßle für meine Leser, mich zu erwischen. Beim Laufen war heut Intervall im Stadion dran, wieder die 800 m in 3,30 min, das Ganze zehn mal. Nach acht mal war es dunkel, das ließ ich gelten. Bei diesen Runden hoppel ich den Jungläufern hinterher und entwickele dabei vage neue Gelüste für das spätere Laufen. In die Richtung: Einmal die 10 km unter 40 min, das wäre auch schön. Man könnte jetzt fragen, was ist los mit seinem Kopf. Freitag, 18.3. 2016 Vielleicht eine Aufzählung als Bekenntnis zum Heroismus: Um 3.40 Uhr klingelte der Wecker, im kalten Auto zum kalten Bus gefahren, der wurde wegen der Länge des Arbeitsweges irgendwann warm, dabei die Schlager von SWR 1 gehört, ohne durchzudrehen, eine konfuse Frühschicht hingelegt, mal hier, mal da was angefangen, auf der Heimfahrt mit einem Kollegen bei köstlicher Ruhe im Auto gepennt und dann zum Laufen gehoppelt. Sonne schien und Frühlingsduft im Wind als Entschädigung, im Kopf trotzdem das Bild vom Sofa, irgendwie sind am Ende 15 km zusammengekommen, paar Runden als Intervall und bissle über die Felder nach Hause. Danach Aufwasch, Gemüse putzen, Obst waschen, Wäsche verräumen. Text schreiben. Warum Text schreiben? Das ist eine schwere Frage. Ein bisschen, um meiner Zwanghaftigkeit zu genügen, ich hab es mir nun mal vorgenommen. Auch ein wenig für meine Leser, es sind mittlerweile einige. Und, nicht unwichtig, um die freundlichen Rückmeldungen hin und wieder entgegenzunehmen. Stimmt da der Aufwand zum Nutzen? Das war immer meine Frage beim Bildermachen.Hier würd ich ganz subjektiv sagen: Ja, es passt, ich will es so. Dienstag 15.3. 2016 Nein, sag ich zu solcherlei Wetter, Schneeflocken und Regentropfen fliegen quer windmitwärts, und ich soll rausgehen und loslaufen. Nein, da geh ich heut abend lieber zu Siggi ins Studio und lass mir einen frischen Muskelkater verpassen. Gestern schien die Sonne und prompt hatte ich Lust. Hab ohne Vorwegmuskelkater einen neuen Weg probiert, durch den Dusslinger Wald nach Kressbach hoch und wieder runter nach Weilheim. Gab am Ende 32 km, die letzten 10 auch noch mit Rückenwind, kam ich in guter Haltung und Laune zu Hause an. Unterwegs hörte ich einen podcast über das Leben mit Hilfe technischer Möglichkeiten nach dem Tod. Tod als Pause dank Kryonik, also sich tieffrieren lassen. Der Autor beleuchtete oder verdunkelte von einem gläubigen Ausgangspunkt, ich war hinterher nicht schlauer. Höchstens um die Verwunderung reicher, was man sich ernsthaft mit nicht vorhandenen Problemstellungen quälen kann. Hübsch die Fragestellung nach der Seele bei 196 Grad minus, taut sie wieder auf und tut dann wieder? Zum Lachen die Frage, ob langjährig Verurteilte nach vorzeitigem Versterben zum Strafvollzug in die Truhe müssen, auch die Bedenken, weil bei solchen Temperaturen die gute Führung nicht stattfindet, demzufolge die mögliche Begnadigung ausbleibt. Auf so was muss man erst mal kommen. Donnerstag, 10.3. 2016 Auf meiner Liste stand immerzu: Text zum Laufen. Gelaufen bin ich. Meine Statistik für Februar sagt, es sind 293 km geworden, der März hat Dank der entschlossenen Erledigung der letzten zwei Tage schon 120 km angesammelt. Da hat es nur mit dem Schreiben geklemmt. Heute hörte ich unterwegs einen Essay über Religion und Rationalität. Am meisten hängengeblieben ist mir eine Theorie, die ein Herr Schleiermann 1799 postulierte. Er fragte: Gibt es eine rationale Religiosität und bejahte das. Er verwies zur Begründung seines Ja auf die in jedem Menschen vorhanden seiende Annahme der Unendlichkeit von Raum und Zeit. Dieses Wissen werde dann durch Bestrebungen von Erklärungen in Religionen welcher Art auch immer übersetzt. Gleichzeitig hat dieser Herr Schleiermann formuliert, dass auf Grund dessen jeder Mensch glauben kann, was er will, aber nicht glauben soll, dass er im Besitz der einzig wahren Religion sei. Das ist über 200 Jahre her, schade, dass das bei vielen religiös sich Gebärdenden nicht angekommen ist. Mittwoch, 2.3. 2016 Vormittags: Bei Regen bin ich ins Sportstudio, geriet zwischen fünf trainierende Volleyballer. Dass die groß sind, also alle um die 2 m, ist klar, trotzdem muss ich mich immer vergewissern, nach ihren Füßen gucken, ob die wo drauf stehen, wenn ich auf meiner Sichthöhe als Gegenüber lauter Schultern begegne. Außerdem haben sie eine verblüffende Reichweite, wenn sie die Arme waagerecht nehmen und irgendeine Hantel oder einen Gummizug durch den Raum schwenken. Das ist so unerwartet, wenn ich dann im Gang nicht mehr vorbeipasse. Hab ich mich als Hobbit erlebt. Montag, 22.2. 2016 Gestern war mir der Läuferhimmel gewogen, es hat nicht geregnet, war nicht kalt. Ich brauchte nicht mit mir ausfechten, wie ich die geplanten vielen km unterbringen soll. Da bin ich also gut gelaunt auf die Strecke, durch den Wald gestartet, hatte ab Ofterdingen Rückenwind, die Schritte wurden größer, so hat es gewedelt. Zu meinem Glück ist es mit meinem Orientierungsinn nicht so berühmt, Windrichtung und Laufstrecke bring ich nicht schlüssig zusammen. Sonst hätte ich da schon gewusst, dass ab Derendingen der Wind frontal an meiner breiten Läuferbrust anliegt und sich widerständig gebärden wird. Bis zum letzten Schritt tat er das. Egal, zu Hause beim Blick auf das Handy stellte sich raus, die Strecke war 32 km lang, die Zeit war schlecht, das konnte ich dem Wind anlasten. Samstag, 20.2. 2016 Heute standen 28 km auf dem Plan, es hat geregnet, erst unentschlossen, dann überwiegend. Ich habe gekniffen, zu nass, zu kalt und zu windig. Dieses Kneifen kann ich mir heute leisten, morgen? Wenn es regnet? Samstag, 13.2. 2016 Was ist los, Michel? Der letzte Text fängt mit dem Nachdenken über die Zeitlücke an, das könnte hier wieder stehen. Also gut, gehoppelt bin ich 5 von 7 Tagen. Bisheriger Höhepunkt war ein Intervalltraining im Rottenburger Stadion. Ich hatte eine freundliche Einladung von einem sehr jungen Schnellläufer und mein Trainingsplan sah vor: 7 mal 800 m in 3.30 min, dann 3 min locker zum Erholen. Das war ziemlich die oberste Grenze des für mich Laufbaren. Sowas macht sich auf der Bahn natürlich Klasse, man weiß immer genau, wie weit es noch ist. Die Jungläufer waren auch da, und ich hab einfach mal gespickelt, wie die so laufen. Ganzkörperspannung, dynamisch nach vorn ausgerichtet, ich kam mir wie Schildkröte vor. Im Kopf kann ich das auch, muss halt noch bissle Koodination, Kraft, Schnelligkeit, Schrittgröße und ein paar solcher Kleinigkeiten dazulernen. 13.2.1945 war die Bombennacht in Dresden, angloamerikanische Bomberstaffeln haben das Stadtzentrum zerlegt, militärisch war da nichts zu holen, es gab 35000 Tote. Meine Mutter war da vier Jahre alt, sie ist an der Hand ihrer Mutter aus der brennenden Stadt gelaufen, bis nach Sebnitz zu den Großeltern, 50 km, und nachts war das Feuer über diese Entfernung zu sehen, so konnten sie erzählen. In den frühen 1980iger Jahren fanden zu diesem Datum an der Ruine der Frauenkirche Friedensdemonstrationen statt, die nicht im Sinne der DDR-Oberen waren, es ging immer auch um die Freiheit des Andersdenkenden. Heute nutzt Pegida zusammen mit hysterischen, ängstlichen Schreihälsen aus der rechten Ecke dieses Datum für das Rumschmutzen und Pöbeln, da sind haufenweis Leute drunter, die merken nicht mal, in welch schönem und sicheren Teil der Welt wir unser Auskommen haben. Freitag, 5.2. 2016 Eine Zeitlücke zum letzten Eintrag tritt auf, die wäre fatal, wenn es um das Training ginge, es handelt sich zum Glück nur um eine Schreiblücke. Heut fand ein blitzsauberer 22 km Lauf statt, immerhin nach und auch vor der Nachtschicht. Die Sonne war bissle da, beim Untergehen rot, die Temperatur sanfte 10 Grad, ich war es zufrieden. Zumal ich mit einer Nachfreude auf die Strecke ging: Zum ersten Mal in meinem langen Leben sah ich heut aus meinem Küchenfenster einen leibhaftigen Waldbaumläufer. Den Kleiber hatte ich schon oft beobachtet, der einzige hiesige Vogel, der an Baumstämmen hoch und runter läuft, dabei auch runterwärts mit dem Kopf vornweg. Der Baumläufer macht es anders: Er landet unten am Stamm und läuft ein, zwei, drei Runden spiralig aufwärts und pickt dabei Insekteneier und -larven aus der Rinde. Hat er die Höhe der letzten Runde erreicht, fliegt er zum nächsten Stamm. Da ich das so erwartet habe, konnte ich in Ruhe mein Fernglas holen und ausgiebig genauer schauen nach seinem weißen Bauch und seinem feinen Schnabel. Hat irgendwer etwas wichtigeres erlebt? Dienstag, 26.1.2016 Bar jeder Elastizität, aber nicht mutlos kam ich heute zu Hause an. Hatte ich doch Ofterdingen von der anderen Seite erreicht, also von Dußlingen aus, das ich über Derendingen, das ich über Weilheim, über Kilchberg, Bühl und Kiebingen anlief. In Ofterdingen stand ein Schild: Rottenburg 11.7 km. Ergibt zusammen 30,66 km, so sagt mein Handy. Unterwegs die ersten Winterlinge, voll erblüht in überzeugendem Gelb. Dem Graureiher ins Auge geschaut, wer weiß, was der für einen Vogel gesehen hat. Weißen Pferden auf Ofterdinger Wiesen beim Busserln und Schmusen und sonstigen Spielen zugeschaut. Das ist mehr als manchmal im Kino, mir hat es gefallen. Donnerstag, 21.1. 2016 Ein unbeschwerter, langer Lauf, ich hatte mir ein Gleitzeitfrei eingelegt wegen vorhandener Überstunden. Also auf nach Ofterdingen, bei strahlender Sonne durch verschneiten Wald. Heute ist mir durch Beobachten der Nachweis gelungen, dass weiß weißer als weiß sein kann. Der Schnee lag nicht nur am Boden, sondern auch auf den Zweigen der Bäume. Manchmal wehte ein kleiner Wind, dann fiel was davon runter in den liegenden Schee. Patschte auf und war deutlich zu sehen. Eben weißer als das Schneeweiß vom Boden. Sonntag, 17.1. 2016 Es wird Ernst, so fängt auch der letzte Text an. Hier geht es um anderen Ernst. Es gibt eben verschiedene Ernste. Dieser meint: Es liegt Schnee, ist kalt und an manchen Stellen rutscht es. Das ist dann richtig anstrengend, denn es rutscht meist nach hinten weg, wenn ich vorwärts will. Auch sind die Laufschuhe nicht ganz schneetauglich, vorn durchs Netz und seitlich obenrein geht immer was ab 5 cm Schneehöhe. Heut hab ich mir die Welt schöngedacht, als ich an den Stellen vorbeilief, wo in 5 Monaten das weiße Waldvögelchen blüht. Dann gibt es noch mehrere Stellen, da findet sich im Sommer der Breitblättrige Stendelwurz(1), und noch ein Fleckchen, wo ich schon die Waldhyazinthe bestaunte, die auch eine Orchidee ist. Ich hab sie alle gegrüßt unter dem Schnee. Mittwoch, 13.1. 2016 Es wird Ernst. Die Arbeit läuft wieder. Die Woche Nachtschicht. Das heißt: So bald als möglich aufstehen und dann den inneren Schweinehund niederringen. Gestern verlor ich dieses Kämpfchen. Heute hat es geklappt. 22 km, bis Tübinger Freibad und über Wurmlingen zurück. Nach den ersten km kam die Sonne raus, ich hatte die erste Hälfte Rückenwind. Zweite Hälfte Wind und Regen, beides kalt, ins Gesicht hinein, manchmal flog der Rotz waagerecht von dannen. Montag, 4.1. 2016 Der erste 20km-Lauf. Da ich morgens bei Siggi zum Body Styling war, Siggi ist meine Lieblingstrainerin im Sportstudio und der Kurs mit diesem hochtrabenden Namen führt immer zum vollständigen Schwitzen, ich meine mit vollständig, es tropft und hört erst nach Ende der Stunde wieder auf, bin ich erst ab vier in den Wald Richtung Ofterdingen gehoppelt. Die Sonne schien, Wolken veränderten sich ständig, weil ein kleiner Wind war. Auf halbem Rückweg, im Wald war es schon ziemlich dunkel, sah ich nach vorn den ansteigenden Weg im Himmel enden, es war ein kleiner Durchblick durch die Bäume links und rechts vom Weg, die oben zusammen kamen. Nach links machte die untergehende Sonne ein orangenes Feuer zwischen den schwarzen Baumstämmen. Rechts stand eine dichte dunkle Wand aus jungen Eschenstämmen, grau mit kleiner heller Zeichnung, kein Licht mehr. Hinten sah ich nichts. Obwohl was da war, ich war ja grad durchgelaufen. Samstag, 2.1. 2016 11 km bei leichtem Regen und vier Grad. Ich bin langsam an die Strecke, hab den Berg in der flachen Anstiegsvariante gewählt, denn vor zwei Tagen war ich mit harter Wade heimgeschlichen. Das war nicht unerwartet, und die Stimmung war bissle tiefpunktig, weil, paar Wochen Pause in diesem Status heißt, von vorn anfangen. Heute war es in neuen Schuhen und gänzlich schmerzfrei. Das pure Glück. Sonntag, 20.12. 2015 10 km bei strahlendem Sonnenschein, bin auf den Berg gehechelt, die ersten 4 km hatten 220 Höhenmeter. Bin ich nicht mehr gewohnt und merke mich deutlich, verstärkt von kleinem Muskelkater von gestern. Als ich dann zu Hause war, war es trotzdem gut. Samstag, 19.12. 2015 Ich will das Laufen wieder starten. Es gibt verschiedene Gründe, das Wetter ist schön, ich will ab und zu richtig Kuchen essen, ohne dicklich zu werden, es ist eine Herausforderung und ich kann in diesem Gerüst was aufschreiben. Der erste Marathon war genauso eine Furzidee, wie jetzt diese Geschichte, nicht lange überlegt, sondern die Eingebung als akzeptabel empfunden. |